Nach der Weltwirtschaftskrise 2009 muss die Branche rund 10 Jahre später den nächsten Rückschlag verkraften. So hat die globale Gesundheitspandemie, ausgelöst durch die neue Form des Coronavirus, den Passagierluftverkehr aufgrund der hohen Infektionszahlen und des Ansteckungsrisikos auf Reisen, stillgelegt. Zwar konnte die Branche zeitweise eine partielle Wiederaufnahme des Streckenprogramms einleiten, dennoch sollte diese Maßnahme nur von kurzer Dauer sein. Infolgedessen kam es zu enormen Passagier- und Umsatzeinbrüchen. Diese Folgekette führte schließlich zu zahlreichen Insolvenzen oder enormen Staatshilfen, um die bedeutenden nationalen Fluggesellschaften vor der Zahlungsunfähigkeit zu schützen, weshalb jeder Bundesbürger in die aktuelle Situation involviert ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau und Ziel der Arbeit
2. Markt
2.1 Entwicklung bis vor Beginn der Pandemie
2.1.1 Hybridisierung der Geschäftsmodelle
2.1.2 Konsolidierungsprozess
2.1.3 Kritik an der Rentabilität
2.2 Entwicklung während der Pandemie
2.2.1 Passagierverkehr in Deutschland
2.2.2 Passagierverkehr weltweit
2.2.3 Marktanteile an deutschen Flughäfen
2.2.4 Der Staat als Anteilseigner
3. Ausblick
3.1 Nachfrageverschiebung
3.2 Die Entwicklung des Inlandsflugverkehrs
3.3 Moderne Infrastrukturprojekte
3.4 Restrukturierung der Flugzeugflotte
3.5Wachsende Dominanz asiatischer Fluggesellschaften
4. Fazit
5. Literatur- und Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: EBIT-Marge ausgewählter Fluggesellschaften
Abbildung 2: Fluggäste an deutschen Flughäfen 2020
Abbildung 3: Passagierentwicklung nach Regionen im Vergleich zu 2019
Abbildung 4: Die Entwicklung der Marktanteile in Deutschland
Abbildung 5: Szenario der Passagiernachfrage im deutschen Luftverkehr bis 2030
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Der Luftverkehr gilt langfristig als einer der stärksten wachsenden Märkte der Weltwirtschaft, gleichzeitig ist dieser mit einer hohen Wettbewerbsdynamik und häufigen Nachfrageschwankungen konfrontiert. Zudem ist der Passagierluftverkehr eine tragende Säule im Gesamtwirtschaftssystem, da dieser in regelmäßigen Austauschbeziehungen mit anderen Branchen wie dem Hotelgewerbe, der Gastronomie oder der allgemeinen Verkehrswirtschaft steht. Daher ist speziell der Passagierluftverkehr zwar ein stark wachsender, aber sehr sensibler Markt, der politischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Einflussfaktoren unterliegt. Dazu zählen insbesondere die politische Stabilität, Krisen oder die Ölpreisentwicklung.
Nach der Weltwirtschaftskrise 2009 muss die Branche rund 10 Jahre später den nächsten Rückschlag verkraften. So hat die globale Gesundheitspandemie, ausgelöst durch die neue Form des Coronavirus, den Passagierluftverkehr aufgrund der hohen Infektionszahlen und des Ansteckungsrisikos auf Reisen, stillgelegt. Zwar konnte die Branche zeitweise eine partielle Wiederaufnahme des Streckenprogramms einleiten, dennoch sollte diese Maßnahme nur von kurzer Dauer sein. Infolgedessen kam es zu enormen Passagier- und Umsatzeinbrüchen. Diese Folgekette führte schließlich zu zahlreichen Insolvenzen oder enormen Staatshilfen, um die bedeutenden nationalen Fluggesellschaften vor der Zahlungsunfähigkeit zu schützen, weshalb jeder Bundesbürger in die aktuelle Situation involviert ist.
Einige Airlines waren durch die hohen operativen Betriebskosten bereits vor der Krise stark verschuldet, weshalb der Passagierrückgang zu menschenleeren Flughäfen und Massenmarktaustritten führte. Einige klassische Fluggesellschaften bieten durch die steigende Frachtnachfrage seitdem vermehrt logistische Leistungen an. Diese Umstellung scheint jedoch nicht auszureichen, um die fehlenden Einnahmen aus Passagierflügen zu kompensieren, weshalb Verluste in Milliardenhöhe geschrieben werden.
Trotzdem scheint ein Ende der Pandemie dank des Impfbeginns im letzten Jahr und der angestrebten Herdenimmunität in absehbarer Ferne. Daher stellt sich nicht die Frage, ob sich der Luftverkehr wieder erholen wird, sondern wann. Zudem ist die Luftverkehrsbranche für eine rasche Krisenerholung bekannt. Allerdings müssen sich die Geschäftsmodelle und Unternehmensstrategien an das veränderte Reiseverhalten und die neue Marktlage anpassen.
Diese bedrohende Situation bietet Anlass, einen tieferen Blick in die Branche zu werfen, aktuelle Probleme näher zu hinterfragen und zentrale Entwicklungen im internationalen Passagierluftverkehr zu erörtern, sodass schließlich nachhaltige Lösungsansätze entwickelt werden können, um zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen.
1.2 Aufbau und Ziel der Arbeit
Dahingehend soll der Passagierluftverkehr im nächsten Kapitel als Gesamtmarkt untersucht werden. Hierbei werden die Entwicklungen vor und während der Pandemie differenziert. In diesem Zusammenhang soll sowohl der deutsche als auch der globale Luftverkehr betrachtet und Erfolgsfaktoren sowie die strategische Positionierung hinterfragt werden. Die Marktauswertung wird durch aktuelle Statistiken gestützt. Nach umfangreicher Analyse der derzeitigen Marktlage erfolgt im dritten Kapitel ein Ausblick in den Post-Corona Luftverkehr, der sich sowohl auf der Nachfrage-, als auch auf der Angebotsperspektive stark verändern wird. Abschließend werden die wichtigsten Kernaussagen in einem kurzen Résumé zusammengefasst.
2. Markt
2.1 Entwicklung bis vor Beginn der Pandemie
2.1.1 Hybridisierung der Geschäftsmodelle
In der Luftverkehrsbranche haben sich einige Geschäftsmodelle im Markt etabliert. Dazu zählen unter anderem die dominanten Network-, Golf- und Low-Cost-Carrier, die die Mehrheit an Passagierbewegungen abdecken. Daneben erfüllen Leisure- und Regional-Carrier eine Ergänzungsfunktion, die aufgrund der Zubringerbedeutung dennoch eine zentrale Rolle spielen. Die Business Aviation dagegen führt sehr individuelle und exklusive Leistungen für Kunden mit sehr hoher Kaufkraft im Passagierverkehr durch.
Low-Cost-Carrier haben gegenüber anderen Fluggesellschaften einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, die Preisführerschaft. Diese ist insbesondere unter Privatreisenden ein zentraler Entscheidungsfaktor. Billigfluggesellschaften können diese niedrigen Preise dank der Aufspaltung des Fluges als Leistungspaket, anbieten, sodass zusätzliche Leistungen und Services aus dem Preis desintegriert werden und fortan als Zusatzleistungen verkauft werden.1 Somit zahlt ein Kunde der Low-Cost-Carrier lediglich für den reinen Flug. Durch den Kauf von Aufgabegepäck, Verpflegung und anderen Leistungen wird diese Preisdifferenz allerdings nachträglich korrigiert. Das Geschäftsmodell der Low-Cost-Carrier eignet sich insbesondere auf Kurz- oder Mittelstreckenflüge, da die Serviceansprüche auf kurzen Flügen eher niedrig und individuell bleiben.
Network Carrier, die den Flug in der Regel als Leistungspaket anbieten, haben diesen Wettbewerbsnachteil mittlerweile erkannt. Zunächst wurde das Angebot seitens der Network Carrier umstrukturiert. Dadurch wurden Zusatzleistungen wie Aufgabegepäck oder Verpflegung an Bord auf kurzen Flügen ebenfalls aus dem Basispreis gestrichen.2
Diese Maßnahme ist strategisch jedoch kritisch zu bewerten, da sich die Network Carrier dadurch nicht mehr ausreichend von den eigenen Tochtergesellschaften im Low-Cost-Segment abgrenzen können, sodass dies zu einer Hybridisierung der Geschäftsmodelle führt. Diese fehlende Abgrenzbarkeit führt folglich zu einer Kannibalisierung der Kunden innerhalb des Konzerns. Zudem würde es die Unzufriedenheit von Kunden der Network Airlines fördern, da die Diskrepanz zwischen Erwartungen und tatsächlicher Leistung durch das Gewohnheitsbild eines Full-Service Angebots weiter auseinander gehen würde.3 Dagegen sind die Erwartungen von Kunden der Low-Cost-Carrier von vornerein sehr niedrig.
Aus diesem Grund haben sich die Network Carrier strategisch nochmals umpositioniert und setzen ihre eigenen Billigfluggesellschaften seitdem primär auf Kurz- und Mittelstrecken ein, während die reinen Network Airlines Langstreckenflüge priorisieren, da die Nachfrage nach Komfort- und Serviceangeboten auf längeren Flügen höher ist. Somit wird das strategische Streckenprogramm von Fluggesellschaften einer Unternehmensgruppe klar voneinander getrennt, um eine gegenseitige Kundenabwerbung zu vermeiden. Das Geschäftsmodell der LowCost-Carrier ist für Langstreckenflüge hingegen nicht geeignet.
2.1.2 Konsolidierungsprozess
Vor Beginn der Krise wurde bereits eine zunehmende Konsolidierung der Luftverkehrsunternehmen bemerkbar. Diese Entwicklung entstammt insbesondere der zu hohen Wettbewerbsintensität und dem damit verbundenen aggressiven Preiskampf, sodass viele Flüge nicht mehr wirtschaftlich angeboten werden konnten. In der Folge kam es zu zahlreichen Unternehmenszusammenschlüsse bzw. -insolvenzen, sodass die Zahl an aktiven Fluggesellschaften abnahm und die Marktkonzentration zunahm. Dazu zählen die Marktaustritte deutscher Fluggesellschaften wie Air Berlin (2016) oder Germania (2018). Demgegenüber konnten die ökonomisch profitablen Fluggesellschaften durch die Unternehmensfusionen und -akquisitionen ihre Marktstellung weiter festigen. Bei näherer Betrachtung der nun größten europäischen Airlines wird diese Hypothese unterstrichen, da sich Unternehmen wie Lufthansa, Air France oder British Airways mittlerweile zu Unternehmensgruppen vieler ehemalig unabhängigen Unternehmen und Mischkonzern geformt haben.
2.1.3 Kritik an der Rentabilität
Ein zentrales Problem der Luftverkehrsbranche und wesentliche Ursache für den numerischen Rückgang an Fluggesellschaften ist die teils niedrige Profitabilität. Die Wirtschaftlichkeit der Airlines kann durch die Umsatzrentabilität dargestellt werden. Die Umsatzrentabilität stellt das prozentuale Verhältnis zwischen Jahresüberschuss und Umsatzerlösen in einem bestimmten Untersuchungszeitraum dar. Aufgrund der länderbedingten unterschiedlichen Besteuerungsgrundlagen wird in der folgenden Analyse statt des Gewinns nach Steuern das EBIT4 gewählt, um den Vergleich fiskalisch geringstmöglich zu verfälschen, wodurch die sogenannte EBITMarge ermittelt wird. Dieser KPI5 gewährleistet einen korrekteren und wahrheitstreuen Unternehmensvergleich. Aus diesem Grund ist die EBIT-Marge analytisch sehr interessant, um in der Konsequenz geeignete Maßnahmen zur gezielten Senkung der Betriebskosten bzw. Ausgliederung nicht-effizienter Geschäftstätigkeiten zu treffen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: EBIT-Marge ausgewählter Fluggesellschaften6789
Quelle: Eigene Darstellung anhand der Geschäftsberichte von Air France, Lufthansa, IAG und Ryanair
Abbildung 1 zeigt den erwirtschafteten Umsatz und das EBIT ausgewählter Fluggesellschaften aus dem Geschäftsjahr 2019. Damit blieben die jeweiligen Unternehmenszahlen von der Krise im darauffolgenden Jahr verschont und können als Richtwert des Ante-Corona Zeitraums bewertet werden. Die Airlines wurden so gewählt, dass die größten europäischen Fluggesellschaften repräsentiert werden.
Aus der Abbildung geht hervor, dass die Lufthansa AG mit 36,5 Mrd. Euro zwar die höchsten Umsatzerlöse unter den gewählten Airlines erzielt hat, das EBIT allerdings nur 1,8 Mrd. Euro betrug. Damit erwirtschaftet die Lufthansa indes sehr hohe Umsätze in zweistelliger Milliardenhöhe, wovon mit 5% aber nur ein Bruchteil als EBIT verbleibt. Die geringe Marge von Air France/KLM belegt die Problematik der schwachen Rentabilität von Network Carriern. Deren EBIT-Marge liegt mit 3,7% sogar unter der 5%-Marke, die grundsätzlich ein Indikator für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens ist. IAG sticht in diesem Zusammenhang mit einer starken EBIT-Marge von über 10% hervor. Obwohl IAG ebenfalls zu den Mischkonzern zählt, haben die Low-Cost-Carrier Iberia und Vueling in der Unternehmensgruppe einen großen Anteil. Schließlich stellt Ryanair mit über 13% die höchste EBIT-Marge. Dies ist auf das Geschäftsmodell als reiner Low-Cost-Carrier zurückzuführen, das sehr kosteneffizient agiert. Somit hat die Lufthansa im Vergleich zu Ryanair zwar den fünffachen Umsatz erzielt, allerdings nur den doppelten Gewinn verzeichnet.
Insgesamt geht die EBIT-Marge im Passagierverkehr weit auseinander und liegt bei den untersuchten Fluggesellschaften zwischen 3,7 und 13,2%. Da Fluggesellschaften die Funktion als Massenverkehrsdienstleister innehaben und Unternehmen, die Massenprodukte oder - dienstleistungen anbieten, eine eher niedrigere Umsatzrentabilität aufweisen, wird die Ursache dieser niedrigen EBIT-Marge erkenntlich. Zudem sind alle Geschäftsmodelle abhängig von der Masse an Reisenden, da nur eine hohe Passagierauslastung die Wirtschaftlichkeit von Flügen gewährleisten kann. Anhand dieser Diversität lassen sich Zusammenhänge zwischen Gewinnmarge und Geschäftsmodellzugehörigkeit erkennen. Hauptursache sind die weit auseinandergehenden Kostenstrukturen. So erzielen klassische Network Carrier hohe Umsatzerlöse, aber grundsätzlich relativ niedrige Margen, während Low-Cost-Carrier wirtschaftlicher operieren und höhere Umsatzrenditen verzeichnen. Daher ist das Business Model der Low-Cost-Carrier bei Umsatzeinbrüchen und Marktschwankungen deutlich resistenter als das Modell der Network Airlines. Allerdings geht aus dem Geschäftsbericht 2019 der Lufthansa AG hervor, dass die Tochterfluggesellschaft Eurowings noch nicht profitabel ist, wenngleich das Gewinnpotenzial im unteren Preissegment wie am Beispiel der Ryanair klar vorhanden wäre. Diese Misswirtschaft muss langfristig behoben werden, wenn sich Eurowings im Markt langfristig durchsetzen will.
2.2 Entwicklung während der Pandemie
2.2.1 Passagierverkehr in Deutschland
Seit Beginn der Krise wurde die zuvor beschriebene Marktkonsolidierung aufgrund bereits vorhandener Liquiditätsengpässe und Finanzierungsschwierigkeiten weiter vorangetrieben. Dadurch wurden namhafte Fluggesellschaften aus dem Markt gedrängt. Durch die Coronakrise nahm die Verschuldung einiger Fluggesellschaften zwar zu, allerdings bietet die Krise gleichzeitig die Chance den Luftverkehrsmarkt zu reformieren, nicht mehr zeitgemäße - durch modernere Geschäftsmodelle zu ersetzen und die hohen Betriebskosten nachhaltig zu senken.
Das Jahr 2020 war für den Passagierluftverkehr das wohl schwerste Jahr seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001. Im letzten Jahr brachen die Passagierzahlen an deutschen Flughäfen um 74,5% ein10. Das entspricht einem Rückgang von 168 Millionen Passagieren auf nur noch 58 Millionen Passagiere im Jahr 2020. Dieser Einbruch zeigt, dass der internationale Passagierluftverkehr wie kaum eine andere Branche von der Krise um das Coronavirus betroffen ist.
[...]
1 Vgl. Conrady, R./Fichert, F./Sterzenbach, R.: Luftverkehr. Betriebswirtschaftliches Lehr- und Handbuch, 6. Aufl., Berlin, Boston 2019, S. 241
2 WirtschaftsWoche (2020): Warum Kaffee und Co. bei Lufthansa künftig Geld kosten
3 Pompl, W./Schuckert, M.: Luftverkehr. Eine ökonomische und politische Einführung, 5. Aufl., Berlin 2007, S. 120
4 EBIT: Earnings before interest and taxes
5 KPI: Key Performance Indicator
6 Air France/KLM: Air France, KLM, Transavia, Hop
7 Lufthansa Group: Lufthansa, Eurowings, Brussels Airlines, Swiss Airlines, Austria Airlines, SunExpress (50%)
8 IAG: Iberia, British Airways, Vueling, Air Lingus, Level
9 Ryanair: Ryanair, Air Malta, Lauda, Buzz
10 Statistisches Bundesamt (2021): 74,5 % weniger Fluggäste im Jahr 2020.