Ziel dieser Arbeit ist es, unter Berücksichtigung fachlicher und wissenschaftlicher Standards ein psychologisches Assessment Center für Zwecke der Personalauswahl zu konzipieren, das sich auf die Stelle der Pflegedienstleitung (m/w/d) einer Universitätsklinik bezieht.
Dazu werden zunächst anhand der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur der psychologischen Eignungsdiagnostik fachliche und methodische Standards zur Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Assessment Centern im Allgemeinen abgeleitet sowie im Methodenteil in den stellenspezifischen Konstruktionsprozess des Verfahrens eingebunden werden, dessen inhaltliche Grundlage eine detaillierte Analyse beruflicher Anforderungen an Führungskräfte in der Fachliteratur bildet. Die Ergebnisse werden in Form eines Anforderungs- und Sollprofils, einer Aufgaben-Kompetenz-Matrix und einer Darstellung des Assessment Centers in Form eines Ablaufplans festgehalten und im Anhang abgebildet. Zentrale Erkenntnisse, Vorteile und Gütemerkmale des entwickelten Verfahrens sowie methodische und inhaltliche Grenzen und Geltungseinschränkungen werden abschließend diskutiert und Implikationen für die Praxis benannt.
Wachsende Anforderungen an Mitarbeitende im Kontext einer stark globalisierten und digitalisierten Weltwirtschaft betreffen nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch die Gesundheitsbranche unter anderem im Zuge der weltweit andauernden Corona-Pandemie. Medial wird diesbezüglich unter dem Schlagwort des ,,Pflegenotstands” immer wieder auf den akuten Personalmangel in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie damit einhergehende, teils erheblichen Missstände, die hohe Arbeitsbelastung der vorhandenen Beschäftigten sowie Versorgungsengpässe verwiesen. Persönliche und fachliche Anforderungen an Fach- und Führungskräfte im Pflegebereich sind innerhalb eines in pandemischen Zeiten bis an die Grenzen ausgelasteten Gesundheitssystems so hoch wie nie und stellen die betriebliche Personalauswahl vor akute Herausforderungen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Theorie
3. Methode und Anwendung
4. Ergebnisse
5. Diskussion
6. Fazit
7. Anhang
8. Abbildungsverzeichnis
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Assessment Center stehen in der deutschen Wirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes auf der Tagesordnung: In einer repräsentativen Befragung von 166 deutschen Unternehmen einschließlich der 30 DAX-Konzerne aus dem Jahr 2016 durch den Arbeitskreises Assessment Center e.V. griffen 60 Prozent der befragten Betriebe und sogar 90 Prozent der DAX 30-Unternehmen auf das Personalauswahlverfahren zurück (Obermann, Höft und Becker, 2016). Wachsende Anforderungen an Mitarbeitende im Kontext einer stark globalisierten und digitalisierten Weltwirtschaft betreffen dabei nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch die Gesundheitsbranche als zentralen Erkenntnisbereich der vorliegenden Arbeit, die weltweit ebenso wie im deutschen Sprachraum seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2019 verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit steht. Dabei wird in der Berichterstattung unter dem Schlagwort des ,,Pflegenotstands” immer wieder auf den akuten Personalmangel in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie damit einhergehende, teils erheblichen Missstände, die hohe Arbeitsbelastung der vorhandenen Beschäftigten sowie Versorgungsengpässe verwiesen (Dannecker & Wagner, 2021). Persönliche und fachliche Anforderungen an Fach- und Führungskräfte im Pflegebereich sind innerhalb eines in pandemischen Zeiten bis an die Grenzen ausgelasteten Gesundheitssystems so hoch wie nie und stellen die betriebliche Personalauswahl vor akute Herausforderungen. Der Einsatz von Assessment Centern im Pflegebereich könnte vor dieser Ausgangslage durch die Auswahl geeigneten Führungspersonals Abhilfe leisten und zur Funktionalität des Gesundheitssystems auch und gerade in Krisenzeiten beitragen. Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem Ansatz. Ziel ist dabei, unter Berücksichtigung fachlicher und wissenschaftlicher Standards ein psychologisches Assessment Center für Zwecke der Personalauswahl zu konzipieren, das sich auf die Stelle der Pflegedienstleitung (m/w/d) einer Universitätsklinik bezieht. Dazu sollen zunächst anhand der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur der psychologischen Eignungsdiagnostik fachliche und methodische Standards zur Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Assessment Centern im Allgemeinen abgeleitet sowie im Methodenteil in den stellenspezifischen Konstruktionsprozess des Verfahrens eingebunden werden, dessen inhaltliche Grundlage eine detaillierte Analyse beruflicher Anforderungen an Führungskräfte in der Fachliteratur bildet. Die Ergebnisse werden in Form eines Anforderungs- und Sollprofils, einer Aufgaben-Kompetenz-Matrix und einer Darstellung des Assessment Centers in Form eines Ablaufplans festgehalten und im Anhang abgebildet. Zentrale Erkenntnisse, Vorteile und Gütemerkmale des entwickelten Verfahrens sowie methodische und inhaltliche Grenzen und Geltungseinschränkungen werden abschließend diskutiert und Implikationen für die Praxis benannt.
2. Theorie
2.1 Grundlagen der Eignungsdiagnostik
Unter dem Begriff der Eignungsdiagnostik verstehen Kersting und Püttner (2018, S. 3) ein ,,zielgerichtetes Vorgehen zur Feststellung der Eignung von Kandidatinnen und Kandidaten”, das im Unterschied zum praxisorientierten begrifflichen Pendant der ,,Personalauswahl” neben dem Auswahlaspekt auch die Beurteilung der Eignung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beinhaltet. Schuler (2014 a, S. 3) ergänzt hierzu die ,,Entwicklung, Prüfung und Anwendung psychologischer Verfahren zum Zwecke eignungsbezogener Erfolgsprognosen und Entscheidungshilfen” auf wissenschaftlicher Basis, die vor allem ,,Theorien der Anforderungen, Fähigkeiten und Leistungen sowie Methoden zu deren Messung und Modelle der Klassifikation” umfasst. Als berufliche Eignung gilt nach Schuler (2014 a, S. 3) die ,,Erfolgswahrscheinlichkeit einer Person in einem beruflichen Tätigkeitsfeld”, die allerdings nicht als ,,generelle Eigenschaft einer Person”, sondern vielmehr als ,,Relationsmerkmal” aufzufassen sei, das den Grad des ,,Zusammenpassens von Person und Aufgabe” beschreibt und sich ,,seitens der Person vor allem auf Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse und weitere leistungsrelevante Merkmale” bezieht. Die hier anklingende Konzeption einer sogenannten Passung (,,Fit”) zwischen den leistungsrelevanten Personenmerkmalen eines Kandidaten und den Anforderungsmerkmalen einer bestimmten Position als Grundvoraussetzung beruflichen Erfolgs in einer spezifischen Tätigkeit bildet Schuler (2014 a, S. 23) zufolge die axiomatische Basis zahlreicher eignungsdiagnostischer Theorien und Modelle. Sekiguchi (2004, S. 179) unterscheidet in einem Review der einschlägigen Literatur als am intensivsten erforschte Subtypen der Person-Umwelt Passung (“person environment (P-E) fit”) die Konstrukte der Passung zwischen Person und Organisation (“person-organization (P-O) fit”) und die Passung zwischen Person und Job (“person-job (P-J) fit”), wobei insbesondere der Person-Job-Fit als “traditional foundation for employee selection” (Sekiguchi 2004, S. 183) über herausragende Bedeutung für die Eignungsdiagnostik und Personalauswahl verfügt. Die Passung zwischen Person und Job beschreibt konzeptuell sowohl die qualifikations- und leistungsorientierte Kongruenz zwischen Fachwissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Person und den fachlichen Anforderungen der Stelle als auch die motivationale Kompatibilität zwischen Persönlichkeit und Bedürfnissen der Person und den Charakteristiken und Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten der Stelle. Die weite Verbreitung des Person-Job-Fit als eignungsdiagnostisches Zielkriterium in Praxis und Literatur dürfte unter anderem auf zahlreiche positive Befunde der einschlägigen empirischen Forschung zurückzuführen sein. In einer umfassenden Meta-Analyse der Befunde aus 172 Primärstudien von Kristof-Brown, Zimmerman und Johnson (2005) zeigte der Person-Job-Fit über alle Studien hinweg eine von den Autoren als hoch eingestufte durchschnittliche Korrelation mit Erfogskriterien nach der Einstellung, zum Beispiel in Höhe von r = .56 mit Arbeitszufriedenheit, r = .47 mit organisationalem Commitment und r = - .46 mit Kündigungsabsichten. Auch mit der organisationalen Identifikation ( r = .36), mit Belastungssymptomen ( r = − .28), der Gesamtarbeitsleistung ( r = .20) sowie der Beschäftigungsdauer ( r = .18) zeigten sich signifikante Zusammenhänge. Die hohe prädiktive Validität des Person-Job-Fits für unternehmerisch relevante Ergebniskriterien wie Arbeitszufriedenheit, Arbeitsleistung und Beschäftigungsdauer sowie zur Prävention psychosomatischer Belastungssymptome, beruflichen Stresses und Kündigungsabsichten verweist auf die dringende Notwendigkeit einer stellenspezifischen Vorgehensweise, die leistungsrelevante Merkmale der Kandidaten nicht generalisiert, sondern in enger Anlehnung an die spezifischen Anforderungen der zu besetzenden Stelle erfasst. Obermann (2018, S. 80) zufolge ist dafür zunächst eine umfassende Situations- und Anforderungsanalyse erforderlich, die stellenspezifische Anforderungen strukturiert und systematisiert. Hierfür werden im folgenden Abschnitt die verschiedenen Verfahren zur Anforderungsanalyse als zentralem Bestandteil der Entwicklung und Konstruktion von Assessment Centern ausführlich erläutert.
2.2 Assessment Center
2.2.1 Definition und Einführung
Die folgenden Ausführungen zur Entwicklung, Konstruktion, Durchführung und Evaluation von Assessment Centern orientieren sich im Besonderen an der Leitlinie ,,AC-Standards: Standards der Assessment Center Methode” des Arbeitskreises Assessment Center (Arbeitskreis Assessment Center, 2016), die zur fachgerechten Entwicklung und Umsetzung von Assessment Center-Verfahren umfassende Standards vorsieht. Der Begriff ,,Assessment Center” (AC) bezeichnet dabei dem Arbeitskreis Assessment Center (2016, S. 3) zufolge ein ,,eignungsdiagnostisches Verfahren zur Potenzial- und Eignungsbeurteilung im Rahmen von Personalauswahl- oder Entwicklungsfragestellungen, bei dem mehrere Methoden kombiniert und die Teilnehmer von mehreren Assessoren beobachtet sowie bewertet werden.” Als zentrale Kennzeichen von ACs werden die drei Prinzipien der Multimethodalität, das Simulationsprinzip und das Prinzip der Mehrfachbeobachtung genannt. Das Multimethodalitätsprinzip bezeichnet die ,,Kombination von verschiedenartigen eignungsdiagnostischen Methoden zur Absicherung der Beurteilung”, um verfahrensspezifische Grenzen etwa bezüglich der Messgenauigkeit (Reliabilität), Gültigkeit (Validität) und der Objektivität erkennen und durch die Berücksichtigung weiterer Verfahrensergebnisse in der Gesamtbeurteilung ausgleichen zu können (Arbeitskreis Assessment Center, 2016, S. 3). Das Simulationsprinzip als zweites zentrales Charakteristikum von AC-Ansätzen bezieht sich dabei auf den weit verbreiteten Einsatz von simulationsorientierten Aufgaben, die durch einen ,,unmittelbaren Zugang zu komplexen berufsbezogenen Verhaltenskompetenzen” über eine besondere Bedeutung für die Assessment Center-Methodik verfügen (Arbeitskreis Assessment Center, 2016, S. 3). Schließlich trägt auch der Einsatz mehrerer Beobachter mit unterschiedlichem biographischen und beruflichen Hintergrund (Prinzip der Mehrfachbeobachtung) zur Erfassung und Bewertung der erfolgskritischen Merkmale und Verhaltensweisen unter anderem durch den Ausgleich subjektiver Beobachtungsverzerrungen dazu bei, eine ,,optimale Treffsicherheit in Potenzial- und Eignungsbeurteilungen” zu erreichen (Arbeitskreis Assessment Center, 2016, S. 3). Für die fachgerechte Entwicklung und Konstruktion eines Assessment Centers unterscheidet der Arbeitskreis Assessment Center (2016, S. 3) zehn Schritte, die in Abbildung eins dargestellt sind. Insbesondere zu den Schritten eins bis drei, die neben der Ziel- und Auftragsklärung die systematische Erarbeitung von Tätigkeitsanforderungen sowie die Planung, Entwicklung und Konstruktion eines entsprechenden Auswahlverfahrens betreffen, liegen in der Literatur umfassende Erläuterungen vor. Sie werden aufgrund ihrer unmittelbaren Relevanz für die Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit hinsichtlich ihrer theoretischen Grundlagen ausführlich erläutert, während auf die umsetzungs- und praxisbezogenen Schritte vier bis zehn, die die Schulung und Vorbereitung von Durchführungsbeteiligten, die Auswahl von Teilnehmern sowie die Verfahrensdurchführung, -auswertung und -evaluation umfassen, aufgrund des theoretischen Charakters der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen wird.
2.2.2 Ziel- und Auftragsklärung
Im ersten Schritt geht es bei der Auftragsklärung um die Absprache und Klärung von Zielen und Rahmenbedingungen des Auftrags mit relevanten Stakeholdern, etwa des Betriebsrates, der Mitarbeiterschaft und externen Auftraggebern. Durch ihre Identifikation und angemessene Integration im Zielformulierungs- und Entwicklungsprozess sowie die transparente Kommunikation von Arbeitsergebnissen soll insgesamt eine hohe Akzeptanz des Verfahrens sowie der Verfahrensergebnisse erreicht werden (Arbeitskreis Assessment Center, 2016, S. 4). Im Vorhinein zu klärende Aspekte sind an dieser Stelle unter anderem der angestrebte Nutzen zum Beispiel in Form einer konkreten Stellenbesetzung oder der Auswahl von Teilnehmern für Personalentwicklungsprogramme, die Offenlegung von möglicherweise vorhandenen Kontextfaktoren wie Umstrukturierungen oder Stellenstreichungen, die Festlegung von benötigten Ressourcen, etwa des zeitlichen, personellen und finanziellen Budgets, die Benennung von personellen Verantwortlichkeiten und Ansprechpartnern sowie das transparente und vollumfängliche Aufzeigen von Konsequenzen für die Teilnehmer und des Umgangs mit den Ergebnissen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung eins. Zehn Schritte zur Konstruktion von Assessment Centern nach dem Arbeitskreis Assessment Center (2016, S. 3). Quelle: eigene Darstellung.
2.2.3 Konstruktion und Aufgabenauswahl
Bei der Planung, Entwicklung und Konstruktion eines Assessment Centers gilt es Obermann (2018, S. 5-8) zufolge drei zentrale Prinzipien zu beachten, die die eingangs bereits erwähnten Kriterien der Methodenvielfalt und Mehrfachbeobachtung sowie das Prinzip der Anforderungsorientierung umfassen. Das Prinzip der Methodenvielfalt gibt die Kombination verschiedener Verfahrenstypen innerhalb eines Assessment Centers vor, damit ,,Prognosen zum Berufserfolg durch mehrere Methoden abgesichert und Schwächen jeder Einzelmethode kontrolliert werden” (Obermann 2018, S. 5). Unterschieden werden dabei die drei Verfahrenskategorien der Verhaltenssimulation, psychologischer Tests und Fragebögen sowie Interviews. Der Arbeitskreis Assessment Center (2016, S. 6) empfiehlt übereinstimmend einen Verfahrensaufbau aus mindestens drei Elementen mit mindestens einer Verhaltenssimulation und mindestens einer Aufgabe aus einer anderen Verfahrenskategorie. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass das Prinzip der Methodenvielfalt mit dem Prinzip der Anforderungsorientierung in der Konstruktionsphase eng ineinander greift, da sich die Auswahl und Zusammenstellung von diagnostischen Aufgaben jeweils am genauen, im zweiten Schritt erarbeiteten Anforderungsprofil orientiert. Für jede hier festgelegte Anforderung, die mit dem Assessment Center gemessen werden soll, ist dabei mindestens eine diagnostische Aufgabe aus einer der drei Verfahrenskategorien der Simulation, psychologischen Testung oder des Interviews zu benennen. Dabei ist Lievens, Schollaert und Keen (2015, S. 14) zufolge auch das Ausmaß der Traitaktivierung (“trait elicitation”) einer Aufgabe zu beachten: Durch multivariate Varianzanalysen (“Multivariate Analysis of Variance”, MANOVA) von Assessment Center-Aufgaben konnten die Autoren nachweisen, dass bei einer mit der Messmethode kompatiblen Aktivierung von Trait-Verhalten dessen Beobachtbarkeit zunahm, und sich in der Folge auch Gütekriterien wie die Interrater-Reliabilität als Übereinstimmung verschiedener Beobachter in ihren Trait-Einschätzungen (“ratings”) und die prädiktive Validität der AC-Ratings verbesserten. Obermann (2018, S. 111) zufolge können beispielsweise in einer schriftlichen Fallstudie ,,Traits wie Empathie oder Überzeugungswirkung nicht beobachtet oder aktiviert werden, in einem Rollenspiel hingegen schon, in einer Präsentation womöglich am Rande. Die einzelnen Aufgaben unterscheiden sich also in ihrem Traitaktivierungspotenzial [...]”. Eine Systematisierung gängiger AC-Aufgaben je nach zu messender Kompetenz, Verfahrenskategorie und Traitaktivierungspotential nach Obermann (2018, S. 112) ist in Abbildung zwei dargestellt.
Ein weiteres Auswahlkriterium von AC-Aufgaben neben dem Traitaktivierungspotential und dem Prinzip der Methodenvielfalt ist der Nutzen von Aufgaben im Sinne der sogenannten ,,prognostischen Validität” (Obermann 2018, S. 113). Die prognostische Validität bezeichnet die empirisch nachgewiesene Vorhersagekraft als Korrelation der Testergebnisse mit Merkmalen wie dem späteren beruflichen Erfolg in der spezifischen Position, die in längsschnittlichen Validitätsstudien erfasst werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung zwei. Systematisierung von Assessment Center-Aufgaben nach zu messender Kompetenz (trait), Verfahrenskategorie und Traitaktivierungspotential. Quelle: Obermann (2018, S. 112).
Eine Übersicht prognostischer Validitäten von verschiedenen AC-Aufgaben für das Kriterium des positionsspezifischen Berufserfolgs aus acht Metaanalysen prognostischer Validitätsstudien von Obermann (2018, S. 114) zeigt Abbildung drei. Bezüglich der prognostischen Validität von AC-Aufgaben ergibt sich demnach zunächst eine deutliche Präferenz von Interviews, wobei eine hohe Varianz zwischen einzelnen Verfahren festzustellen ist, die auf den unterschiedlichen Strukturierungs- und Standardisierungsgrad zurückzuführen ist. Auch kognitive Tests wie etwa Intelligenz- oder firmen- und fachspezifische Wissenstests verfügen über eine hohe prognostische Validität und sollten Obermann (2018, S. 113) zufolge aufgrund ihrer Bewährung ,,für die Vorhersage von Joberfolg für die Mehrzahl von Berufen und auch für Europa [...] in keinem AC fehlen.” Über eine etwas geringere prognostische Validität verfügen Persönlichkeitsfragebögen und sogenannte ,,Situational Judgement Tests” (SJT, z.B. Schubert et al., 2008). Verfahren aus der Kategorie der Verhaltenssimulationen wie Arbeitsproben, Gruppendiskussionen, Rollenspiele, Präsentationen, Fallstudien oder die Postkorb-Übung verfügen zwar über eine deutlich höhere Akzeptanz und Verbreitung in der Praxis, ihre prädiktive Validität ist gegenüber Interviews, kognitiven- und Situational Judgement Tests sowie Persönlichkeitsfragebögen jedoch deutlich niedriger ausgeprägt (vgl. Abb. 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung drei. Übersicht über prognostische Validitäten verschiedener Assessment Center-Aufgaben für das Kriterium des positionsspezifischen Berufserfolgs aus Metaanalysen längsschnittlicher Validitätsstudien von Roth et al. (2005); Hoffman et al. (2015); Hunter und Hunter (1984); Christian et al. (2010); Goffin et al. (1996); Huffcutt et al. (2014); Quiñones et al. (1995) sowie Ng und Feldmann (2008) (zit. nach Obermann 2018, S. 114). Quelle: Obermann (2018, S. 114).
Als weitere, bei der Konstruktion von Assessment Centern zu beachtende Prinzipien wurden zuvor das Prinzip der Mehrfachbeobachtung und das Prinzip der Anforderungsorientierung genannt. Das Prinzip der Mehrfachbeobachtung bezieht sich nach Obermann (2018, S. 7) auf die Mitwirkung mehrerer, unabhängiger Beobachter oder ,,Assessoren” an einem Urteil über dieselbe Situation zur Vermeidung von subjektiven Beobachtungsverzerrungen und Gewährleistung einer ausgeglichenen Beurteilung. Das Prinzip der Anforderungsorientierung wird bei Oberman (2018, S. 8) auf die Frage danach bezogen, ,,welche Kompetenzen [...] erhoben werden sollen und durch welche beobachtbaren Merkmale diese Kompetenzen zu operationalisieren sind”. Der Arbeitskreis Assessment Center (2016, S. 5) fasst das Prinzip der Anforderungsorientierung bei der Konstruktion von Assessment Centern wie folgt zusammen:
,,Eine gültige Eignungsbeurteilung lässt sich nur mit einer exakten Analyse der konkreten Anforderungen sinnvoll gestalten. [...] Im AC wird die Passung zwischen der Person einerseits und der beruflichen Tätigkeit andererseits überprüft. Vor einer personenbezogenen Diagnostik ist deshalb eine Arbeits- und Anforderungsanalyse, bezogen auf die Zielfunktion, notwendig. Ergebnis ist die Definition eines Anforderungsprofils, in dem die erfolgskritischen Aspekte der Tätigkeit zusammengefasst werden. Die gesammelten Detailinformationen beschreiben die Zielfunktion und sind unabdingbare Arbeitsgrundlage für die nachfolgenden Schritte im AC-Konstruktionsprozess.”
Für die Durchführung einer Tätigkeits- und Anforderungsanalyse existieren in der Fachliteratur zahlreiche, methodisch heterogene Ansätze. Schuler (2014 b, S. 70 f.) unterscheidet dabei zwischen aufgaben-, verhaltens- und eigenschaftsorientierten Analyseansätzen als drei grundsätzlichen Verfahren zur Bestimmung spezifischer Tätigkeitsanforderungen. Die Vorgehensweise zur Bestimmung der Anforderungen auf den einzelnen Ebenen der Aufgabe, des Verhaltens und der Eigenschaften beschreibt Schuler (2014 b, S. 71-80) dabei wie folgt:
,,Arbeitsanalyse auf der Aufgabenebene bedeutet, dass die objektiven Tätigkeiten oder Tätigkeitselemente [...] beschrieben werden. Eine Analyse dieser Art wird zumeist mittels sogenannter Aufgabeninventare betrieben, deren Items eine Beurteilung bezüglich der Bedeutung der betreffenden Aufgabe, ihrer Häufigkeit, Schwierigkeit oder anderer Gesichtspunkte verlangen. [...] Analyseverfahren, die verhaltensbezogen formuliert sind, bieten besonders viele Anwendungsmöglichkeiten, darunter [...] die Auswahl von Mitarbeitern. Für die Personalauswahl bietet sich die Konstruktion diagnostischer Verfahren als Arbeitsproben und Simulationen an. [...] Die dritte mögliche Ebene der Anforderungsbeschreibung ist die der Formulierung von Fähigkeiten und anderen Eigenschaften, die für die erfolgreiche Ausführung einer Arbeitstätigkeit von Interesse sind.”
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