In den Augen vieler Menschen kommen Mädchen und Frauen mit Behinderungen nicht als mögliche Sexualpartnerin in Frage. Dadurch schlussfolgern viele, dass es somit auch keine sexuelle Gewalt gegen Menschen mit Behinderung gibt. Sexuelle Gewalt hat nichts mit Sexualität oder sexueller Aktivität zu tun. In erster Linie ist es eine Form von Gewalt. Mehr als jede zweite Frau mit Behinderung musste schon ein- bzw. mehrmals im Leben Erfahrungen mit sexueller Gewalt machen. Eine Frau mit Gewalterfahrung sucht Rat in Frauenberatungsstellen und Schutz in Frauenhäusern. Häufig sind diese Einrichtungen jedoch nicht barrierefrei. Mitarbeiterinnen fühlen sich nicht für die behinderten Frauen zuständig und verweisen sie an Behinderteneinrichtungen. Diese wiederum fühlen sich vom Thema sexuelle Gewalt überfordert.
In letzter Zeit findet ein Umdenken statt. Es gibt erste Ansätze, die Barrieren abzubauen, Selbstverteidigungskurse anzubieten und auf die Bedürfnisse behinderter Frauen näher einzugehen. Auch in den Behinderteneinrichtungen wächst die Aufmerksamkeit für dieses Thema. Meist gibt es noch keine Handlungsstrategien beim Bekannt werden von Missbrauch in der Einrichtung. Die „Maßnahme“ beschränkt sich meist auf ein Gespräch mit dem Täter. Mädchen und Frauen, denen sexuelle Gewalt widerfahren ist, wird zu 50%, Jungen und Männern zu 100% geglaubt. Folglich erfahren Mädchen und Frauen weiterhin sexuelle Gewalt.
Allgemein ist zu sagen, dass es für sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen mit Behinderung kaum Beratungs- und Therapieangebote gibt. Die wenigen behinderten Beraterinnen die es gibt haben meist selbst Erfahrungen mit sexueller Gewalt machen müssen. Für gehörlose Frauen kommt erschwerend hinzu, dass es keine finanzielle Unterstützung für die Bereitstellung einer Gebärdensprachendolmetscherin gibt. 1999 gab es nur eine Therapeutin in Deutschland, die der Gebärdensprache mächtig war. Nach dem Erlebnis sexueller Gewalt stellt die unzureichende Beratungssituation eine zusätzliche Belastung für die Betroffene dar. Sexuelle Gewalt ist eine strafbare Handlung und kann zur Anzeige gebracht werden. Da die Erfahrungen mit Strafprozessen nicht überwiegend positiv sind, ist das für und wider einer Anzeige abzuwägen. Eine Anzeige kann nicht zurück genommen werden
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung in das Thema Sexuelle Gewalt
- 2. Welche Formen der Gewalt gibt es?
- 3. Sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen, Frauen und Männern mit Behinderung – eine alltägliche Realität
- 4. Rechtsschutz
- 4.1 Verdachtsaufklärung und Intervention
- 4.2 Vom Erkennen zum Unterstützen
- 4.3 Unterstützung als Prozess
- 4.4 Das Strafverfahren – keine Pflicht zur Strafanzeige
- 4.5 Zivilrechtliche Schutzanordnungen
- 4.6 Rechtliche Aspekte im Rahmen eines Betreuungsverhältnisses
- 5. Selbstheilung - Unterstützung bei Heilungsprozessen
- 6. Prävention
- 6.1 Prävention als Aufgabe aller Beteiligten
- 6.2 Prinzipien der Prävention
- 6.3 Prävention in Institutionen
- 7. Sterilisation
- 7.1 Sterilisation als Freibrief für den Täter
- 7.2 Allgemeine Überlegungen zur Sterilisation geistig behinderter Menschen
- 7.3 Sterilisation als Schutz vor Missbrauch?
- 8. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit dem Problem der sexuellen Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen und widmet sich sowohl den verschiedenen Formen der Gewalt als auch den rechtlichen Aspekten und den Möglichkeiten der Prävention.
- Sexuelle Gewalt als Form von Machtmissbrauch und Aggression
- Spezifische Herausforderungen der sexuellen Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen
- Rechtlicher Schutz und die Rolle von Strafverfolgungs- und Hilfesystemen
- Präventionsmaßnahmen und die Bedeutung von Aufklärung und Sensibilisierung
- Die problematische Praxis der Sterilisation und ihre Folgen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Dieses Kapitel definiert den Begriff der sexuellen Gewalt und betont, dass sie unabhängig von sexueller Aktivität eine Form von Gewalt darstellt. Es wird die erschwerte Situation von Frauen mit Behinderungen im Umgang mit sexueller Gewalt und die mangelnde Unterstützung durch Institutionen beleuchtet.
- Kapitel 2: Dieses Kapitel beleuchtet verschiedene Formen von sexueller Gewalt, insbesondere die Besonderheiten im Kontext von Abhängigkeitsverhältnissen. Es werden die erhöhte Dunkelziffer und die Schwierigkeiten bei der Erkennung und Meldung von Gewalt in Pflegeeinrichtungen hervorgehoben.
- Kapitel 3: Dieses Kapitel präsentiert Ergebnisse von Studien, die die hohe Prävalenz sexueller Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen belegen. Es werden Risikofaktoren für die Betroffenen und die Notwendigkeit von sexueller Aufklärung und Präventionsmodellen in der Behindertenpädagogik betont.
- Kapitel 4: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Thema Rechtsschutz und den Herausforderungen im Umgang mit Verdachtsfällen von sexueller Gewalt. Es werden die Schwierigkeiten bei der Beratung und Unterstützung von Frauen mit Behinderungen, die Bedeutung einer qualifizierten Aufklärung und die Wichtigkeit der Selbstbestimmung der Betroffenen hervorgehoben.
- Kapitel 5: Dieses Kapitel befasst sich mit den Folgen sexueller Gewalt und der Bedeutung der Unterstützung bei Heilungsprozessen. Es werden verschiedene Überlebensstrategien, die oft von den Betroffenen entwickelt werden, aber auch selbstzerstörerischen Charakter haben können, erläutert.
- Kapitel 6: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema Prävention und betont die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Veränderung, um sexuelle Gewalt zu verhindern. Es werden die Aufgaben aller Beteiligten und die Prinzipien der Präventionsarbeit, die auf Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Selbstbestimmung basieren, erläutert.
- Kapitel 7: Dieses Kapitel analysiert die Praxis der Sterilisation von Menschen mit Behinderungen und kritisiert sie als Freibrief für Täter. Es werden allgemeine Überlegungen zur Sterilisation und die problematische Argumentation, dass sie vor Missbrauch schützen könne, diskutiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieses Textes sind: sexuelle Gewalt, Menschen mit Behinderungen, Rechtsschutz, Prävention, Sterilisation, Risikofaktoren, Selbstbestimmung, Aufklärung, Sensibilisierung, Hilfesysteme, Abhängigkeitsverhältnisse, Dunkelziffer.
- Arbeit zitieren
- Sylvena Voll (Autor:in), 2002, Sexuelle Gewalt an Menschen mit Behinderung, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/11482