Gibt es rechtliche Möglichkeiten, ein Betriebsratsmitglied eines Krankenhauses zu kündigen?
Um dies zu analysieren, gehen wir zunächst davon aus, dass ein gültiger Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht und dieser Anspruch nicht erloschen ist. Der Arbeitnehmer wurde regelkonform in den Betriebsrat gewählt und die Amtszeit ist weder abgelaufen noch niedergelegt. Der Betriebsrat besteht aus mehr als einer Person. Es gibt keine besonderen Regelungen im Arbeitsvertrag.
Waren es im Jahre 1997 insgesamt 2.258, in 2007 noch 2.087, so gab es in Deutschland in 2017 nur noch 1.942 Krankenhäuser mit immerhin noch 328.500 Pflegekräften die insgesamt 19,4 Millionen Patienten betreuten.
Anhand der Zahlen erkennen wir, dass die Konkurrenz, in welcher die einzelnen Häuser zu einander stehen, wächst. Mit steigendendem Wettbewerb, finden sich die Krankenhausleitungen und Verwaltungen manchmal gezwungen drastische Maßnahmen mit Auswirkungen auf das Personal zu ergreifen. Um diesen Entscheidungen ein gewisses Maß an Gerechtigkeit für die Angestellten zu verleihen, wurde 1972 ein Betriebsverfassungsgesetz erstellt. Dieses Gesetz regelt die Einzelheiten zur Interessensvertretung der Angestellten und wird regelmäßig erneuert bzw. auf neusten Stand gesetzt.
Laut §1 des BetrVG werden ab einer Anzahl von 5 Arbeitnehmern , welche wahlberechtigt sein müssen, Betriebsräte gewählt. Wenn wir dies nun auf die oben genannte Gesamtzahl an Pflegekräfte anwenden, so erkennen wir das dabei eine beträchtliche Anzahl an Betriebsratsangehörigen entsteht.
Da diese Mitarbeiter repräsentativ für ihre Kollegen als Gegenpartei zum Arbeitgeber stehen, ist im Kündigungsschutzgesetz für Mitglieder des Personalrats nach §15 ein besonderer Kündigungsschutz vorgesehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die ordentliche Kündigung
2.1. Die personenbedingte Kündigung
2.2. Die verhaltensbedingte Kündigung
2.3. Die betriebsbedingte Kündigung
2.4. Die mögliche Hintertüre zur ordentlichen Kündigung
3. Die außerordentliche Kündigung
3.1. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
3.2. Verhaltensbedingte Gründe
3.3. Pflichtverstöße
3.4.Selbstbeurlaubung
3.5. Betrug
3.6. Verdachtskündigung
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Waren es im Jahre 1997 insgesamt 2.258, in 2007 noch 2.087, so gab es in Deutschland in 2017 nur noch 1.942 Krankenhäuser mit immerhin noch 328.500 Pflegekräften die insgesamt 19,4 Millionen Patienten betreuten1.
Anhand der Zahlen erkennen wir, dass die Konkurrenz, in welcher die einzelnen Häuser zu einander stehen, wächst. Mit steigendendem Wettbewerb, finden sich die Krankenhausleitungen und Verwaltungen manchmal gezwungen drastische Maßnahmen mit Auswirkungen auf das Personal zu ergreifen. Um diesen Entscheidungen ein gewisses Maß an Gerechtigkeit für die Angestellten zu verleihen, wurde 1972 ein Betriebsverfassungsgesetz erstellt. Dieses Gesetz regelt die Einzelheiten zur Interessensvertretung der Angestellten und wird regelmäßig erneuert bzw. auf neusten Stand gesetzt.
Laut §1 des BetrVG2 werden ab einer Anzahl von 5 Arbeitnehmern , welche wahlberechtigt sein müssen, Betriebsräte gewählt. Wenn wir dies nun auf die oben genannte Gesamtzahl an Pflegekräfte anwenden, so erkennen wir das dabei eine beträchtliche Anzahl an Betriebsratsangehörigen entsteht.
Da diese Mitarbeiter repräsentativ für ihre Kollegen als Gegenpartei zum Arbeitgeber stehen, ist im Kündigungsschutzgesetz für Mitglieder des Personalrats nach §15 ein besonderer Kündigungsschutz vorgesehen. Dieser Paragraph macht eine ordentliche Kündigung unzulässig.
Gibt es dennoch rechtliche Möglichkeiten ein Betriebsratsmitglied eines Krankenhauses zu kündigen?
Um dies zu analysieren gehen wir zunächst davon aus, dass ein gültiger Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht und dieser Anspruch nicht erloschen ist. Der Arbeitnehmer wurde regelkonform in den Betriebsrat gewählt und die Amtszeit ist weder abgelaufen noch niedergelegt. Der Betriebsrat besteht aus mehr als einer Person. Es gibt keine besonderen Regelungen im Arbeitsvertrag.
2. Die ordentliche Kündigung
Das KschG3 sieht 3 mögliche Gründe für eine ordentliche4 Kündigung vor, sofern der Arbeitnehmer mehr als 6 Monate im Krankenhaus beschäftigt ist und es mehr als 10 Arbeitnhemer im Betrieb gibt. Diese Gründe bestehen aus personenbedingten, verhaltensbedingten und betriebsbedingten Gründen.
Die Tatsache, dass §15 des KschG die Kündigung eines Betriebsrats als „unzulässig“ erklärt festigt die generelle Meinung der Unkündbarkeit des Mitgliedes. Doch ist dem so?
2.1. Die personenbedingte Kündigung
Zu den Gründen von personenbedingten Kündigungen gehören unter anderen neben krankheitsbedingten Ausfällen auch Gründe die das Strafgesetz betreffen (z.B. Inhaftierung) oder die Fachkompetenz in Frage stellen.
Keines der personenbedingten Gründe reicht aus um ein Betriebsratsmitglied fristgerecht entlassen zu können. Es würde jedes Mal die Frage der Ungerechtigkeit wegen der Zugehörigkeit des Personalrats auftreten Sowohl die Inhaftierung als auch eine mögliche Infragestellung der Fachkompetenz durch Täuschung (stellen wir uns eine Fälschung des Diploms vor) würden zu den Gründen gehören, welche eine Zusammenarbeit im Krankenhaus unmöglich machen und somit einen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen.
2.2. Die verhaltensbedingte Kündigung
Anders als die personenbedingte Kündigung, bezieht sich die verhaltensbedingte auf die Art und Weise wie sich ein Angestellter in seinem Wesen darstellt. Sie spiegelt demnach die Gedanken dar welche ein Betriebsklima stören können.
In einem Urteil vom 30 September 2008 behandelte das Landesarbeitsgericht von Schleswig- Holstein5 einen Fall in welchem der Arbeitgeber gegen den gesamten Betriebsrat klagte, weil letzterer politische Äußerungen im Betrieb veröffentlichte. Der getätigte politische Aufruf, störte den betrieblichen Ablauf.
Zwar hatte diese Beschwerde keine Kündigung zufolge, jedoch ist dem Urteil zu entnehmen: „Dem Antragsgegner wird aufgegeben, es künftig zu unterlassen, an die Mitarbeiter des Betriebes gerichtete politische Wahlempfehlungen abzugeben und es zu unterlassen, Informationen, Äußerungen und Aufrufe der genannten Inhalte und Themen über das Intranet der Antragstellerin, über das betriebliche Mitteilungsbrett des Antragsgegners, per Rundschreiben, e-mail, Flugblatt oder in sonstiger Form den Arbeitnehmern im Betrieb zur Verfügung zu stellen oder sonst zur Kenntnis zu bringen.“6
Dieses Urteil stellt eine lediglich gerichtliche Abmahnung dar und ist per se kein Kündigungsgrund. Es stellt sich nun allerdings die Frage ob ein erneutes politisches Auftreten des Betriebsrates, oder eines einzelnen Mitgliedes, einen ausreichenden Grund für eine Kündigung darstellt. Wäre dem so, so würde es sich allerdings um ein unverzeihliches Fehlverhalten handeln, welches eine fristlose Kündigung zufolge hätte.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg behandelte am 14. Juni 2018 einen Fall7 in dem eine fristlose Kündigung mit einer Frist zu Gunsten der Arbeitnehmerin ausgesprochen wurde.
In seinem Urteil argumentierte das Gericht, dass eine außerordentliche Kündigung keinesfalls mit einer Frist versehen werden könne, da diese folglich eine Weiterverfolgung des Arbeitsverhältnisses darstellt. Es bestände demnach kein ausreichender Grund eine fristlose Kündigung auszusprechen.
2.3. Die betriebsbedingte Kündigung
Die betriebsbedingte Kündigung stellt die einzig geläufige Möglichkeit dar einem Betriebsratsmitglied ordentlich zu kündigen. Allerdings benötigt dieser Kündigungsgrund finanzielle Tatsachen. So ist eine Kündigung nur möglich wenn ein Krankenhaus seinen Betrieb einstellt und ist auch dann nur bei der effektiven Stilllegung auszusprechen.
Ist nur eine Abteilung von der Stilllegung betroffen, so muss das betroffene Mitglied des Betriebsrates vorrangig in einer anderen Abteilung eingestellt werden. Ist auch dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet die ordentliche Kündigung frühestens bei der effektiven Stilllegung seine Anwendung.
2.4. Die mögliche Hintertüre zur ordentlichen Kündigung
Absatz 3 des §103 des Betriebsverfassungsgesetzes sieht vor, dass der Betriebsrat eine Versetzung eines Mitgliedes zustimmen muss, wenn diese den Verlust des Amtes oder die Wählbarkeit zum Betriebsratsmitglied bedeuten würde. Ist das betroffene Mitglied allerdings mit der Versetzung einverstanden, so ist keine Zustimmung durch den Rat mehr von Nöten. In diesem Fall wäre eine ordentliche Kündigung zum späteren Zeitpunkt möglich.
3. Die außerordentliche Kündigung
Einem Betriebsratsmitglied eine ordentliche Kündigung auszusprechen ist zwar nicht unmöglich, jedoch ist dies vom Gesetzgeber sehr stark eingeschränkt und erschwert. Wie sieht es dann im Gegenzug mit einer fristlosen Kündigung des Personalvertreters aus?8
Der Gesetzgeber ermöglicht eine solche Kündigung beim Vorliegen wichtiger Gründe die eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machen. Diese Gründe müssen so gravierend sein, dass auch eine Beschäftigung für lediglich ein paar Tage (der Gesetzgeber spricht von einer Periode von 2 Wochen9, die mit der Mitteilung an den Arbeitnehmer seines begangenen Verstoßes beginnt), nicht zumutbar ist. Jedoch ist dem Arbeitgeber auch hier eine Hürde gestellt worden. Eine außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes bedarf laut §103 Abs.1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Wird ihm diese Erlaubnis nicht erteilt, so muss der Arbeitgeber Klage einreichen um eine Ersetzungsbefugnis durch das Arbeitsgericht zu erhalten10.
3.1. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
Ist eine außerordentliche Kündigung rechtlich begründbar, so muss allerdings immer noch nach der Verhältnismäßigkeit geschaut werden. §1 des KSchG11 sieht eine Abwägung der sozialen Gerechtfertigung vor.
Generell ist die Kündigung ungerechtfertigt, wenn sie gegen §95 BetrVG verstößt.
Auch eine mögliche Verlegung des Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder Unternehmen würde einer Gerechtfertigung entgegenwirken.
Die Versetzung muss dem Arbeitgeber im Rahmen der außerordentlichen Kündigung und seinen Gründen auch zumutbar sein. Ist diese es nicht, obliegt es dem Arbeitgeber die Gründe dafür zu beweisen.
Der Arbeitgeber muss innerhalb der Auswahl an Arbeitnehmern die er bei einer Schließung des Betriebes (oder einer Abteilung) im Unternehmen (oder im Betrieb) behalten will, gerechte Auswahlkriterien erfüllen. Diese Kriterien beinhalten die Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen des Mitarbeiters, sowie die Dauer der Beschäftigung im Betrieb, das Lebensalter, die möglichen Unterhaltspflichten und eine mögliche Schwerbehinderung.
In einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes12 wurde zugunsten einer Arbeitnehmerin entschieden die in ihrer Tätigkeit als Kassiererin 2 Leergutbons im Gesamtwert von 1€30 zunächst beim Einkauf des Kunden und im späteren Verlauf nach ein paar Tagen bei ihrem privaten Einkauf einlöste. Das Gericht entschied mit der Begründung der Verhältnismäßigkeit.
3.2. Verhaltensbedingte Gründe
Die Rechtsprechung gibt als verhaltensbedingte Gründe für eine außerordentliche Kündigung mehrere Vergehen an, die auch bei der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied zur Kündigung führen können.
So kann die Androhung der Arbeitsunfähigkeit durch Kranksein ein ausreichender Grund eine weiterführende Arbeitsbeziehung außerordentlich zu kündigen. Dies wurde z.B. im Urteil vom 16.11.2010 (Aktenzeichen 8 Ca 1094/10) des Arbeitsgerichtes Kaiserslautern festgehalten, allerdings auch vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (im Urteil vom 11.03.2011, Aktenzeichen 9 Sa 692/10) relativiert.
Das Landesgericht begründete, dass die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben sei. Eine Abmahnung würde in den meisten Fällen ausreichen.
Sollte ein Arbeitnehmer tatsächlich krank sein, so ist dieser angehalten sich auch dementsprechend zu verhalten. In einem Urteil13 vom 11.07.2013 entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz gegen einen Masseur der innerhalb seiner Krankschreibung körperlich anstrengenden Renovierungsarbeiten nachging.
Das Gericht erachtete diese Aktivität als eine mit der Arbeit verträgliche Tätigkeit, der Masseur hätte also zur Arbeit gehen können. Sein Verhalten begründete die außerordentliche Kündigung die er erhalten halte.
Einem Betriebsratsmitglied der Anweisungen eines weisungsbefugten ablehnt oder ignoriert, kann außerordentlich gekündigt werden. Hier steht das Verhalten im engen Zusammenhang mit den Pflichten des Arbeitnehmers im Krankenhaus. Ein verhaltensbedingter Grund besteht allerdings nicht wenn die Anweisung des weisungsbefugten für den Arbeitnehmer unzumutbar ist14.
Auch schwere Beleidigungen muss sich ein Arbeitgeber nicht von einem Betriebsratsmitglied dulden lassen. So entschied das Bundesarbeitsgericht am 2. April 1987 (Aktenzeichen. 2 AZR 418/86) gegen die Revision der fristlosen Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers. Zwar war der Kläger kein Mitglied des Personalrats, jedoch genoss er als Schwerbehinderter einen vergleichbaren Kündigungsschutz.
Doch nicht nur das äußern von Beleidigungen stellt einen Kündigungsgrund dar, sondern auch das Verbreitern von Unwahrheiten über Vorgesetzte und Arbeitgeber kann zur Kündigung führen wie es das Urteil vom Bundesarbeitsgericht am 13.10.1977 unter dem Aktenzeichen 2 AZR 387/76 zeigte.
Sexuelle Belästigungen werden generell nicht geduldet. So urteilte das LAG Niedersachsen im Urteil vom 06.12.2013 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 391/13 gegen einen Krankenpfleger dem trotz seiner langen Zeit als Angestellter fristlos gekündigt wurde.
Kündigungsgrund sind auch körperliche Übergriffe. Die Betriebsratsangerhörigkeit schützt nicht vor einer außerordentlichen Kündigung (siehe das Urteil unter dem Aktenzeichen 3 Ta BV 44/80 vom LAG15 Hamm vom 26.11.1980) sondern wird hingegen stark bestraft.
3.3. Pflichtverstöße
Wie schon zuvor im Abschnitt der ordentlichen Kündigungen angesprochen, so finden sich auch hier politische Gründe zur Kündigung wieder. In seinem Urteil vom 14.08.1980 behandelte das Landesarbeitsgericht Hamm einen Fall von Nutzung der Betriebsratszugehörigkeit um in den Versammlungen die politische Karriere zu beflügeln. Das Gericht berief sich auf Missbrauch der seiner Betriebsratspflicht.
Aber auch falsche Angaben der Tätigkeit innerhalb des Betriebsrats stellen einen triftigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Der Überbegriff „falsche Angaben“ beinhaltet dabei sowohl die Falschangabe an Zeiten, bzw. Tätigkeitsdauer, welche für den Betriebsrat genutzt wurden als auch die Falschangabe man sei als Betriebsratsmitglied tätig während das Mitglied in Realität privaten Zielen nachgeht.16
Schon während der Wahl des Betriebsrates sind die zu wählenden Arbeitskollegen vom besonderen Kündigungsschutz geschützt. Diese Periode beinhaltet allerdings keinen kompletten Kündigungsschutz. Wie das Urteil vom BAG am 13.10.1977 mit Aktenzeichen 2 AZR 387/76 eindrucksvoll zeigte, kann Werbung im Eigensinne eines zu wählenden Mitgliedes durch unehrenhaftes Verhalten gegenüber der Konkurrenz zur Kündigung führen. Was generelle Pflichtverstöße angeht, so muss natürlich angemerkt werden, dass eine Mitgliedschaft des Betriebsrats bei einem schwerwiegenden medizinischen, pflegerischen oder auch administrativen Fehler keinesfalls vor der Kündigung schützt.
Kommen Drittpersonen zum Schaden, wird auch der besondere Kündigungsschutz weder für den Arbeitgeber, noch für das Arbeitsgericht, keinen ausreichenden Grund zur Weiterbeschäftigung darstellen. Hierzu wäre dann das StGB zu betrachten.
3.4.Selbstbeurlaubung
Jeder Angestellte, ob nun normaler Mitarbeiter oder Mitglied des Betriebsrats, hat seinen Urlaubsanspruch beim Arbeitgeber anzufragen. Letzterer allein ist befugt den Urlaub zu erteilen oder auch abzulehnen. Alleinige Möglichkeit gegen eine Ablehnung eines Antrags vorzugehen ist der Rechtsweg. Beurlaubt sich ein Betriebsratsmitglied selbst, verstösst es gegen seine Vertragsrechtlichen Obligationen. Gab es vorab schon eine Abmahnung wegen eines gleichen Fehlverhaltens, kann eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden.
3.5. Betrug
Ein Kündugungsgrund welcher bei allen Arbeitnehmern Anwendung findet, ist der Betrug in all seinen Formen. Dies geht von Privattelefonaten über das Telefonnetz der Arbeitsstelle, bis hin zum Spesenbetrug.
In einem Fall vom 4. März 2004 urteilte das Bundesarbeitsgericht17 über ein Vergehen in welchen ein Betriebsratsmitglied private Telefongespräche führte. Als dieses Mitglied damit konfrontiert wurde, bestreitete Sie diese zunächst und belastete fälschlicherweise ein anderes Mitglied. So entsand ein Diebstahl zulasten des Betriebes mit gelichzeitigen belasten eines Kollegen. Das Gericht stimmte der fristlosen Kündigung zu.
Auch die Falschangabe von Spesen ist ein üblicher Grund zur außerordentlichen Kündigung. Erstellt ein Mitglied des Betriebsrats falsche Spenabrechnungen, so liegt eine Bereicherung auf Kosten des Arbeitgebers vor und erfüllt die Konditionen zur Kündigung.
Dies gilt auch zur Bereicherung in Form von Freizeitausgleich, wie im Urteil des BAG vom 22.08.1974 unter dem Zeichen 2 ABR 17/74, oder der Illusion man ginge Betriebsratsangelegenheiten nach, obwohl die Zeit für private Angelenheiten genutzt wird18.
Die fäschung eines ärztlichen Attests stellt schon unter normalen Bedingungen eine Form der Ukrundenfälschung dar und kann strafrechtlich verfolgt werden. Doch auch ohne strafrechtliche Verfolgung kann dieses Vergehen mit einer Kündigung geahndet werden. Die Betriebsratsmitgliedschaft stellt hier, wie bei den anderen genannten Gründen der außerordentlichen Kündigung, keinen ausreichenden Schutz dar.19
3.6. Verdachtskündigung
Liegen dem Arbeitgeber keine ausreichenden Gründe vor, so sind ihm deswegen allerdings nicht die Hände gebunden. Besteht ein begründeter Verdacht vor, so kann dem Betriebsratsmitglied auch eine sogenannte Verdachtskündigung ausgesprochen werden.
Unter dem Aktenzeichen 3 SA 80/73 vom 25. März 1973 behandelte des LAG Baden- Württemberg einen Fall in dem einem Betriebsratsmitglied wegen dem Verdacht einer Straftat fristlos gekündigt wurde. Das Landesgericht vermerkte, es müsse hierzu allerdings auch „gravierende Verdachtsmomente“ vorliegen. In diesem Verfahren wurde dem Arbeitgeber das Recht zugesprochen, im Revisionsverfahren vom BAG am 24.04.1975 allerdings wieder aufgehoben20
4. Fazit
Wir befinden uns aktuell in einer Krisenzeit. Der Corona-Virus (COVID-19) infizierte bisher weltweit über 315.546 Menschen und forderte bis Dato 13.535 Todesopfer21.
Inwiefern in dieser Zeit im stark geforderten Krankenhauswesen eine Kündigung ausgesprochen wird ist fraglich. Dennoch besteht diese Möglichkeit. Auch Betriebsratsmitglieder sind von dieser außerordentlichen Situation betroffen, können sich aber keinesfalls in Sicherheit wägen.
Eine Kündigung auszusprechen ist generell keine Banalität. Betrifft diese zusätzlich noch eine Person die unter besonderen Kündigungsschutz steht, ist dies umso schwieriger, keinesfalls aber unmöglich. Dem Arbeitgeber sind einige Hürden in den Weg gelegt. Dies dient vor allem dem Schutze des Betriebsratsmitgliedes zur unbegrenzten Ausübung seiner kritisierenden Funktion. Er repräsentiert den Gegenpol zum Arbeitgeber und vertritt nicht immer die gleichen Interessen.
Eine ordentliche Kündigung ist einem Mitglied des Betriebsrats nur in einem Fall auszusprechen. Es handelt sich dabei um betriebsbedingte Gründe und so ist der Mythos der Unkündbarkeit zumindest hier zum Teil gerechtfertigt.
Anders sieht es bei den außerordentlichen Kündigungen aus. Eine ganze Sammlung an Rechtsurteilen veranschaulichen, dass auch eine Person unter besonderen Kündigungsschutz nicht unkündbar ist, wenn auch die Gründe sehr genau erwägt werden müssen.
Wird eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen, nachdem auch die Zustimmung des übrigen Betriebsrats eingeholt wurde, so muss der Arbeitgeber oftmals mit einer Klage rechnen. In dem darauffolgenden Gerichtsverfahren wird dann geprüft ob die Kündigung gerechtfertigt und verhältnisgerecht war. Lag zuvor keine schriftliche Abmahnung vor, so wird die Kündigung in vielen Fällen als nicht rechtens angesehen.
Aus all diesen Blickwinkeln heraus, ist es schwierig genaue Gründe zu zitieren. Festgehalten kann allerdings werden, dass ein Arbeitnehmer unter der zusätzlichen Berücksichtigung des besonderen Umstands der Betriebsratsangehörigkeit nicht unkündbar ist.
Literaturverzeichnis
- Prof. Dr. Christian HEINZE, Dr. Christian Jülch; Studienbrief MGS 0240; „Arbeitsund Vertragsrecht“; 5. Auflage; Technische Universität Kaiserslautern
- Urteil LAG Hamm; 11.6.1980; Aktenzeichen 3 Ta BV 15/80
- Urteil LAG Hamm; 14.8.1980; Aktenzeichen 10 Sa 221/80
- Urteil LAG Hamm; 26.11.1980; Aktenzeichen 3 Ta BV 44/80
- Urteil LAG Hamm; 31.12.1984; Aktenzeichen 3 SA 624/84
- Urteil LAG Bremen; 15.02.1985, Aktenzeichen 1 SA 1986/84
- Urteil LAG Schleswig-Holstein; 30.11.2008 Aktenzeichen 2 TaBV 25/08
- Urteil LAG Rheinland-Pfalz; 11.07.2013; Aktenzeichen 10 Sa 100/13
- Urteil LAG Niedersachsen; 06.12.2013; Aktenzeichen 6 Sa 391/13
- Urteil LAG Berlin-Brandenburg; 14.06.2018; Aktenzeichen 15 Sa 217/18
- Urteil BAG; 22.08.1974; Aktenzeichen 2 ABR 17/74.
- Urteil BAG am 24.04.1975; Aktenzeichen 2 AZR 118/74
- Urteil BAG; 13.10.1977; Aktenzeichen 2 AZR 387/76
- Urteil BAG; 2.04.1987; Aktenzeichen. 2 AZR 418/86
- Urteil BAG; 10.06.2010; Aktenzeichen 2 AZR 541/09
- Urteil BAG; 4.03.2004; Aktenzeichen 2 AZR 147/03
- Urteil BAG; 22.2.2012; Aktenzeichen 5 AZR 249/11
- https://www.dejure.org; Stand 22.03.2020.
- https://www.arbeitsrecht.org/personalrat/kuendigung-eines- personalrats/kuendigung-eines-personalratsmitglieds-nicht-ohne-wichtigen-grund/; Stand 19.03.2020.
- https://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Handbuch_Kuendigungsschutz .html#tocitem3; Stand 17.03.2020.
- Betriebsverfassungsgesetzt; Fassung 25.09.2001; letzte Gesetzesänderung 18.12.2018
- Bürgerliches Gesetzbuch; Fassung 2.01.2002; letzte Gesetzesänderung 21.12.2019
- Kündigungsschutzgesetz; Fassung 25.08.1969; letzte Gesetzesänderung 17.07.2017
[...]
1 DE STATIS, Statistisches Bundesamt; “Krankenhäuser” auf destatis.de; URL:https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/_inhalt.html (letztes Abrufdatum 08.03.2020)
2 Betriebsverfassungsgesetz
3 Kündigungsschutzgesetz
4 D.h. eine Kündigung welche die rechtlichen Fristen zur effektiven Kündigung einhält.
5 Aktenzeichen 2 TaBV 25/08
6 Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein; Aktenzeichen 2 TaBV 25/08; Seite 1-2.
7 Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Aktenzeichen 15 Sa 217/18; Absschnitt “Entscheidungsgründe”; Absatz II, Punkt 1; Seite 5.
8 Eine außerordentliche Kündigung ist nicht immer fristlos. Eine fristlose Kündigung allerdings immer außerordentlich.
9 §626 Abs.2 BGB.
10 §103 Abs.2 BetrVG.
11 Kündigungsschutzgesetz
12 Urteil vom 10.06.2010; Aktenzeichen 2 AZR 541/09
13 Aktenzeichen 10 Sa 100/13
14 Z.B. BAG-Urteil vom 22.2.2012 (5 AZR 249/11)
15 Landesarbeitsgericht
16 Siehe LAG Hamm: Aktenzeichen. 3 Ta BV 15/50 vom 11.06.1980
17 Aktenzeichen 2AZR 147/03
18 Siehe auch das Urteil vom LAG Hamm am 31.12.1984, Aktenzeichen 3 SA 624/84
19 LAG Bremen vom 15.02.1985, Aktenzeichen 1 SA 1986/84
20 Aktenzeichen 2 AZR 118/74
Häufig gestellte Fragen
Was sind die Gründe für eine ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds im Krankenhaus?
Das Kündigungsschutzgesetz (KschG) sieht drei mögliche Gründe für eine ordentliche Kündigung vor, sofern der Arbeitnehmer mehr als 6 Monate im Krankenhaus beschäftigt ist und es mehr als 10 Arbeitnehmer im Betrieb gibt: personenbedingte, verhaltensbedingte und betriebsbedingte Gründe. Die betriebsbedingte Kündigung ist die geläufigste Möglichkeit. Sie ist möglich wenn das Krankenhaus seinen Betrieb einstellt und auch nur bei der effektiven Stilllegung auszusprechen.
Ist es möglich, ein Betriebsratsmitglied ordentlich zu kündigen, wenn nur eine Abteilung stillgelegt wird?
Nein. Wenn nur eine Abteilung von der Stilllegung betroffen ist, muss das betroffene Mitglied des Betriebsrates vorrangig in einer anderen Abteilung eingestellt werden. Ist auch dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet die ordentliche Kündigung frühestens bei der effektiven Stilllegung seine Anwendung.
Gibt es eine "Hintertür" zur ordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds?
Ja. Wenn ein Betriebsratsmitglied einer Versetzung zustimmt, die den Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit zum Betriebsratsmitglied bedeuten würde, ist keine Zustimmung durch den Rat mehr von Nöten. In diesem Fall wäre eine ordentliche Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt möglich.
Unter welchen Umständen kann ein Betriebsratsmitglied fristlos gekündigt werden?
Der Gesetzgeber ermöglicht eine außerordentliche Kündigung, wenn wichtige Gründe vorliegen, die eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machen. Diese Gründe müssen so gravierend sein, dass auch eine Beschäftigung für lediglich ein paar Tage nicht zumutbar ist. Der Betriebsrat muss der Kündigung zustimmen oder das Arbeitsgericht muss eine Ersetzungsbefugnis erteilen.
Was bedeutet das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit einer Kündigung?
Auch wenn eine außerordentliche Kündigung rechtlich begründbar ist, muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Eine Abwägung der sozialen Gerechtfertigung ist erforderlich. Eine mögliche Verlegung des Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsplatz kann einer Rechtfertigung der Kündigung entgegenwirken.
Welche verhaltensbedingten Gründe können zu einer außerordentlichen Kündigung führen?
Die Rechtsprechung gibt als verhaltensbedingte Gründe für eine außerordentliche Kündigung mehrere Vergehen an, die auch bei der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied zur Kündigung führen können: Androhung der Arbeitsunfähigkeit, körperlich anstrengende Arbeiten während der Krankschreibung, Ablehnung oder Ignorierung von Anweisungen des Vorgesetzten, schwere Beleidigungen oder Verbreitung von Unwahrheiten über Vorgesetzte und Arbeitgeber, sexuelle Belästigungen und körperliche Übergriffe.
Welche Pflichtverstöße können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen?
Politische Gründe (z.B. Nutzung der Betriebsratszugehörigkeit zur Beflügelung der politischen Karriere), falsche Angaben der Tätigkeit innerhalb des Betriebsrats und Werbung im Eigensinne eines zu wählenden Mitgliedes durch unehrenhaftes Verhalten gegenüber der Konkurrenz können zu einer außerordentlichen Kündigung führen. Schwerwiegende medizinische, pflegerische oder administrative Fehler rechtfertigen ebenfalls eine Kündigung.
Was ist eine Selbstbeurlaubung und welche Folgen hat sie?
Eine Selbstbeurlaubung liegt vor, wenn ein Angestellter (auch ein Betriebsratsmitglied) seinen Urlaubsanspruch nicht beim Arbeitgeber anfragt, sondern sich eigenmächtig beurlaubt. Dies verstößt gegen die vertragsrechtlichen Obligationen und kann nach vorheriger Abmahnung zu einer fristlosen Kündigung führen.
Welche Betrugsdelikte können zur Kündigung führen?
Betrug in all seinen Formen, wie z.B. Privattelefonate über das Telefonnetz der Arbeitsstelle, Spesenbetrug, Falschangabe von Freizeitausgleich oder Vortäuschen von Betriebsratsangelegenheiten, während die Zeit für private Angelegenheiten genutzt wird, sowie die Fälschung eines ärztlichen Attests, kann zur außerordentlichen Kündigung führen.
Was ist eine Verdachtskündigung?
Wenn dem Arbeitgeber keine ausreichenden Gründe für eine Kündigung vorliegen, aber ein begründeter Verdacht besteht, kann dem Betriebsratsmitglied eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Es müssen jedoch gravierende Verdachtsmomente vorliegen.
Spielt die aktuelle Krisenzeit (COVID-19) eine Rolle bei der Möglichkeit einer Kündigung?
In der stark geforderten Krankenhauswesen besteht auch in Krisenzeiten die Möglichkeit einer Kündigung. Auch Betriebsratsmitglieder sind von dieser Situation betroffen und können sich nicht in Sicherheit wiegen.
- Quote paper
- Dominique Raum (Author), 2020, Vertragsrechtliche Möglichkeiten zur Kündigung eines Arbeitsvertrages durch Arbeitnehmer unter zusätzlicher Berücksichtigung des besonderen Umstands der Betriebsratsangehörigkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1139026