Diese Arbeit untersucht die Frage, inwieweit und vor allem welche Handlungen des Westens zu der Eskalation in der Ukraine beitrugen und die Schlichtung dieser hemmen. Die Ukraine ist ein ganz besonderes Land in Europa, denn sie wirkt wie ein Bindeglied zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation. In keinem anderen europäischen Land sind daher die kulturellen, religiösen und ethnischen Unterschiede in der Bevölkerung so deutlich wie dort. Egon Bahr prophezeite bereits im Jahr 2005, dass sich das Machtvakuum der Ukraine in den nächsten 10 bis 15 Jahren auflösen würde, da es aus geschichtlicher Erfahrung hervorgeht, dass ein Machtvakuum nicht lange bestehen bleibt, sondern in den Bann der stärkeren Kraft gerät. So vermutete er, dass die Ukraine sich entweder der Europäischen Union anschließen oder aber eine Wiedervereinigung mit Russland eingehen würde. Diese viel zitierte Aussage Bahrs bewahrheitete sich Anfang des Jahres 2014 mit den Eskalationen auf dem Maidan, dem Krieg in der Ostukraine und der Annexion der Krim durch Russland. Seit über vier Jahren besteht nun der Ukrainekonflikt, ein Konflikt zwischen Ost und West, der pro russischen und der pro westlichen Bevölkerung, eine Lösung scheint jedoch noch nicht in Sicht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die politische Ausrichtung der Ukraine nach dem Zusammenbruch der UDSSR
2.1 Entwicklung unter Präsident Kucma (1994-2004)
2.2 Orange Revolution und Entwicklung unter Präsident Juscenko (2005-2010)
2.3 Entwicklung unter Präsident Janukovic, bis zum Beginn der Krise (2010-2014)
2.4 Annexion der Krim und Eskalation in der Ostukraine
3. Die russischen Interessen an der Ukraine
3.1 Schaffung einer Zollunion
3.2 Russlands Interesse an der Krim
4. Die Herbeiführung des Konflikts durch den Westen
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Ukraine ist ein ganz besonderes Land in Europa, denn sie wirkt wie ein Bindeglied zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation. In keinem anderen europäischen Land sind daher die kulturellen, religiösen und ethnischen Unterschiede in der Bevölkerung so deutlich wie dort. Egon Bahr prophezeite bereits im Jahr 2005, dass sich das Machtvakuum der Ukraine in den nächsten 10 bis 15 Jahren auflösen würde, da es aus geschichtlicher Erfahrung hervorgeht, dass ein Machtvakuum nicht lange bestehen bleibt, sondern in den Bann der stärkeren Kraft gerät. So vermutete er, dass die Ukraine sich entweder der Europäischen Union anschließen oder aber eine Wiedervereinigung mit Russland eingehen würde (Vgl. Schneider-Deters 2014: 35). Diese viel zitierte Aussage Bahrs bewahrheitete sich Anfang des Jahres 2014 mit den Eskalationen auf dem Maidan, dem Krieg in der Ostukraine und der Annexion der Krim durch Russland. Seit über vier Jahren besteht nun der Ukrainekonflikt, ein Konflikt zwischen Ost und West, der pro russischen und der pro westlichen Bevölkerung, eine Lösung scheint jedoch noch nicht in Sicht. Diese Krise scheint aber nicht nur die inländische Bevölkerung der Ukraine zu spalten, vor allem in Europa und Russland kann man die Spaltung der Meinungen zu dieser Situation beobachten, was diese Thematik gerade in der heutigen Zeit zu einem relevanten Forschungsgebiet macht. In einem solchen Konflikt wird nicht nur schnell die Frage nach den Ursachen gestellt, sondern auch die Schuldfrage aufgeworfen. In den meisten westlichen Medien wird Russland und vor allem Russlands Präsident Putin fast alleinig für den Konflikt in der Ukraine verantwortlich gemacht, die andere Seite des Konflikts wirdjedoch kaum beleuchtet. Entsprechend soll in der folgenden Arbeit die Fragestellung erörtert werden in wie weit und vor allem welche Handlungen des Westens zu der Eskalation in der Ukraine beitrugen und die Schlichtung dieser hemmen. Um diese Fragestellung untersuchen zu können, wird zunächst die Entwicklung der Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beschreiben, der Schwerpunkt liegt hier auf der Veränderung der Ausrichtung der Ukraine Richtung Westen und Russland. Auf diesem Wissen aufbauend werden dann die Interessen Russlands an der Ukraine und vor allem an der Halbinsel Krim erläutert um Russlands Beweggründe für die Annexion der Krim nachvollziehen zu können und schließlich werden die Handlungen und Fehler des Westens aufgeführt, welche maßgeblich zu dem Konflikt in der Ukraine führten. Ziel ist es dabei die wichtigsten Ereignisse aufzuzeigen und die Auslöser für Putins Handlungen zu beleuchten und zu erklären um einen besseren Überblick über die weiterhin andauernde Krise in der Ukraine zu bekommen.
2. Die politische Ausrichtung der Ukraine nach dem Zusammenbruch der UDSSR
2.1 Entwicklung unterPräsidentKucma (1994-2004)
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der errungenen Unabhängigkeit, musste die Ukraine sich nicht nur innen- sonder auch außenpolitisch neu formieren. Trotz der weiteren Kooperation mit Russland war ein wichtiger Bestandteil der Neuformierung eine deutliche Annäherung der Ukraine an den Westen, denn die Ukraine war das erste GUS-Land welches nicht nur mit der NATO kooperierte sondern im Jahr 1994 sogar den Wunsch nach einem EU- Beitritt äußerte (vgl. Wipperfürth 2015: 9). In der Regierungszeit des Präsidenten Leonid Kucma wurde die Sprunghaftigkeit des Landes zwischen dem Westen und Russland sehr deutlich, denn trotz der russlandfreundlichen Parolen mit denen der Präsident seinen Wahlkampf bestritten hatte, wurde im Jahr 2002 ein möglicher NATO-Beitritt angekündigt und im Jahr 2003 eine Unterstützung der USA durch Ukrainische Truppen im Irak zugesagt. Bereits im Herbst 2003 schwankte die Regierung jedoch wieder in Richtung Russlands mit der Einigung über die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes, welchejedoch durch starken innenpolitischen Widerstand zurück genommen wurde. Ähnlich verhielt es sich mit der im Jahr 2004 veröffentlichten Militärdoktrin in der sowohl der EU- als auch der NATO- Beitritt zur Zielsetzung gehörte. Da dies ebenfalls auf immensen Widerstand stieß erklärte Kucma schließlich vorerst keinen NATO oder EU-Beitritt zu beabsichtigen (vgl. Wipperfürth 2015: 10). Die innenpolitischen Diskrepanzen bezüglich der Ausrichtung der Ukraine spitzten sich während des Wahlkampfes zur Präsidentschaftswahl im Jahr 2004 deutlich zu. Während der Präsidentschaftskandidat und früherer Ministerpräsident Juscenko den Westkurs verfolgte und dabei vor allem die Interessen der Nationalisten und der pro westlichen Demokraten vertrat, galt der zweite Präsidentschaftskandidat und Amtsinhaber des Ministerpräsidentenposten Janukovic als Vertreter des Ost-Kurses. Er galt als politischer Arm der ostukrainischen Oligarchen und erhielt breite Zustimmung im Osten und Süden des Landes, da er unter anderem der russischen Sprache einen offiziellen Status verleihen wollte. Russland unterstützte offen den Kandidaten Janukovic, er galt als Garant für stabile Verhältnisse der Ukraine zu Russland, während der Westen auf der Seite Juscenkos stand (vgl. Wipperfürth2015: lOff.).
2.2 Orange Revolution und Entwicklung unter PräsidentJuscenko (2005-2010)
Der Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2004 zeigte die deutliche innenpolitische Diskrepanz der Interessen in der Ukraine. Der von Präsident Kucma und den Machteliten unterstützte Kandidat Janukovic war Juscenko in Umfragen unterlegen, weshalb vermutet wurde, dass die Vergiftung Juscenkos mit Dioxin im September 2004 von dem Lager Janukovics initiiert wurde. Der Fall konnte jedoch nie aufgeklärt werden. Nach dem ersten Wahlgang im Oktober 2004 erreichte Juscenko 39,9% der Stimmen und Janukovic 39,3%. Bei der Stichwahl im November 2004 ging Janukovic mit 49,5% der Stimmen als Sieger hervor, Juscenko erreichte 46,6% der Stimmen. Bei beiden Wahlgängen ging man von Manipulationen der Wahl zu Gunsten Janukovics aus, dies führte zu friedlichen Massenprotesten unter der Bevölkerung, der Orangen Revolution (vgl. Kappeler 2014: 284ff). Die Folge der Demonstrationen war eine Wiederholung der Stichwahlen unter regulären Bedingungen und den Sieg Juscenkos mit 52% der Stimmen gegenüber Janukovic, welcher 44% der Stimmen erhielt (vgl. Kappler 2014: 287). Die Wähler Juscenkos haben nach dessen Amtsantritt auf Reformen und eine deutliche Ausrichtung der Ukraine richtung Westen gehofft, doch statt Reformen lag der Fokus seiner Regierungszeit vielmehr auf internen Machtkämpfen. Auch die Annäherung an die EU fand nicht statt, zum einen aufgrund des Zögerns Brüssels und zum anderen aufgrund der nicht vorhandenen Mehrheit der Bevölkerung die einem NATO-Beitritt zugestimmt hätte. Die deutliche Abgrenzung der Ukrainischen Regierung gegenüber Russland führte zu Unmut der Bevölkerung gegenüber dieser und Janukovic gewann an Zustimmung, (vgl. Wipperfürth 2015: 12ff.) Auch wenn die Orange Revolution und die damit zusammenhängende Wahl Juscenkos nicht die von der Bevölkerung erhofften Reformen brachte, hatte sie dennoch eine enorme Wichtigkeit für die zukünftige politische Entwicklung der Ukraine (vgl. Kappeler 2014: 288).
2.3 Entwicklung unter Präsident Janukovic, bis zum Beginn der Krise (2010-2014)
Janukovic galt im Präsidentschaftswahlkampf als stark pro russischer Kandidat und auch während seiner Regierungszeit sympathisierte er mit Moskau. Eines der wichtigsten Abkommen war die Verlängerung des Pachtvertrages des Stützpunktes der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim bis zum Jahr 2042. Jedoch intensivierte Janukovic gleichzeitig die Zusammenarbeit mit der EU und der NATO. Die Gespräche über das Assoziierungsabkommen zwischen den Staaten nahmen zu (vgl. Wipperfürth 2015: 15). Die Ukraine achtete darauf zu beiden Seiten gute Beziehungen zu unterhalten, da eine Entscheidung für eine der Seiten den Bruch mit der Anderen bedeutet hätte.
Auslöser der massiven Proteste, im November 2013, in Kiew, war die Weigerung Janukovics das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Innerhalb der Bevölkerung wertete man diesen Schritt fälschlicherweise als Annäherung an Russland. Viele Demonstranten erhofften sich durch das Abkommen mit der EU nötige inländische Reformen und die nationalistischen Demonstranten eine deutliche Abgrenzung zu Russland (vgl. Wipperfürth 2015: 21). Janukovic verfolgte jedoch das Ziel die beiden um die Ukraine werbenden Seiten gegeneinander auszuspielen um der Ukraine Vorteile zu sichern, so versuchte er durch politische Erpressung an höhere Kredite für die Ukraine zu kommen. Die von der EU gebotenen 600 Million Euro bezeichnete Janukovic als demütigend und stoppte das Assoziierungsabkommen mit der EU nachdem Russland versprach ukrainische Staatsanleihen im Wert von 15 Milliarden Dollar zu erwerben, Rabatte bei den Gaspreisen zusicherte und Janukovic die Konsequenzen bei einem Bruch mit Russland aufzeigte (vgl. Gloger 2015: 200). Die Proteste auf dem Maidan entwickelten im Gegensatz zu den friedlichen Demonstrationen während der Orangen Revolution einen gewaltsamen Charakter. Auch das Ziel der Demonstrationen veränderte sich. Statt der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens, wurde nun das Ziel des Sturzes der Regierung verfolgt. Die Demonstrationen breiteten sich im Westen des Landes und vereinzelt auch im Osten aus, jedoch gab es im stärker zu Russland hin orientierten Osten mehr Gegendemonstration die den Präsidenten unterstützten (vgl. Kappeler 2014: 339ff.). Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Kiew erreichten im Spätwinter ihren tragischen Höhepunkt, mit vielen Verletzen und auch Todesopfern aufbeiden Seiten. Janukovic floh schließlich aus Kiew und die Regierung wurde gewaltsam von der stark nationalistischen, fast schon rechtsradikalen Swoboda-Partei übernommen (vgl. Wipperfürth 2015: 23ff.)
2.4 Annexion der Krim und Eskalation in der Ostukraine
Die Folge des gewaltsamen Machtwechsels in Kiew war die Belagerung der Halbinsel Krim durch russische Soldaten. Am 16.03.14 wurde auf der Krim ein von dem Westen als rechtswidrig bezeichnetes Referendum durchgeführt, dieses führte zu der Annexion der Krim durch Russland und zur endgültigen Destabilisierung des Landes (vgl. Wipperfürth 2015: 26ff.) Im Süden und Osten des Landes führte der Machtwechsel zu andauernden Demonstrationen, bei denen eine föderale Gliederung der Ukraine gefordert wurde. Die prorussischen Aktivisten waren den militärischen Kräften der Regierung zwar zahlenmäßig unterlegen, jedoch schafften sie es mithilfe von Waffen und Kriegsgeräten mehrere Städte in der Region Donbass im Osten des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen.
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