In der vorliegenden Arbeit wird erörtert, welche Herausforderungen und Probleme Hausaufgaben herbeiführen und ob diese durch eine Ganztagsschule gelöst oder verringert werden können, oder ob sich die Schwierigkeiten dadurch sogar verstärken.
Zunächst wird in der Arbeit ein kurzer Einblick in die historische Tradition der Hausaufgaben gegeben. Danach werden die Funktionen von Hausaufgaben aufgezeigt. Im Anschluss folgt der Hauptpunkt der Hausarbeit, in welchem die Probleme, die durch Hausaufgaben entstehen, beleuchtet werden. Um eine Grundlage für die Argumentation zu schaffen, werden zunächst die Formen von Ganztagsschulen genannt, um dann im darauffolgenden auf die Frage einzugehen, ob die Ganztagsschule zur Lösung des Hausaufgabenproblems beitragen kann. Anschließend wird dazu kritisch Stellung genommen. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und einem kleinen Ausblick für die zukünftige Entwicklung ab.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition
3. Die Geschichte der Hausaufgaben: Ein historischer Rückblick
4. Funktionen von Hausaufgaben
4.1. Didaktische Funktion
4.2. Erzieherische Funktion
4.3. Verordnung des Kultusministeriums über die Notenbildung: § 10 Hausaufgaben
5. Das Problem der Hausaufgaben
5.1. Familie
5.2. Freizeit
5.3. Psychologisch
5.4. Rechtlich
5.5. Zwischenfazit
6. Geschichte der Ganztagsschule
7. Formen der Ganztagsschule
8. Ganztagschule als Lösung des ,Haus‘-Aufgabenproblems!
8.1. Betreuung
8.2. Familie
8.3. Freizeit
8.4. Zwischenfazit
9. Die Ganztagsschule als Lösung des ,Haus‘-Aufgabenproblems?
9.1. Betreuung
9.2. Familie
9.3. Freizeit
9.4. Offene Ganztagsschule
10. Fazit und Ausblick
11. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
»Hausaufgaben sind Hausfriedensbruch«1
Diese Überschrift trug ein Artikel des SPIEGELS2 bereits im Jahr 1982. Die Jahreszahl des Artikels verdeutlicht, dass die Diskussion um Hausaufgaben keine Neue ist und bereits seit vielen Jahren besteht.
Dies liegt daran, dass Hausaufgaben seit Jahrzehnten durchweg zum Schulalltag vieler Lernenden3 gehören. Hausaufgaben nehmen dabei seit jeher einen großen Teil der verfügbaren Freizeit nach der Schule ein. Hausaufgaben werden im Unterricht in der Schule gestellt, aber zur Bearbeitung in die Familien hineingetragen und sind somit ein fester Bestandteil des Familienlebens.4 Wie BOßHAMMER/SCHRÖDER5, GRIMM6 und MORONI7 übereinstimmend feststellen, gehören Hausaufgaben für die meisten Eltern, Lernenden und Lehrenden zum Schul- und Familienalltag einfach dazu. Hausaufgaben sind ihrer Meinung nach zwingend mit der Institution Schule verbunden und werden deshalb kaum hinterfragt.8
Hausaufgaben führen häufig zu häuslichen Konflikten. Deshalb ist die Betreuung bei der Erledigung dieser für viele Eltern ein wesentliches Argument ihr Kind an einer Ganztagsschule anzumelden.9
In der vorliegenden Arbeit wird erörtert, welche Herausforderungen und Probleme Hausaufgaben herbeiführen und ob diese durch eine Ganztagsschule gelöst oder verringert werden können, oder ob sich die Schwierigkeiten dadurch sogar verstärken.
Zunächst wird in der Arbeit ein kurzer Einblick in die historische Tradition der Hausaufgaben gegeben. Danach werden die Funktionen von Hausaufgaben aufgezeigt. Im Anschluss folgt der Hauptpunkt der Hausarbeit, in welchem die Probleme, die durch Hausaufgaben entstehen, beleuchtet werden. Um eine Grundlage für die Argumentation zu schaffen, werden zunächst die Formen von Ganztagsschulen genannt, um dann im darauffolgenden auf die Frage einzugehen, ob die Ganztagsschule zur Lösung des Hausaufgabenproblems beitragen kann. Anschließend wird dazu kritisch Stellung genommen. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und einem kleinen Ausblick für die zukünftige Entwicklung ab.
2. Definition
Wie in der Einleitung auf Grundlage mehrerer Autoren festgestellt, wurde der Großteil von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen schon über Generationen hinweg mit dem Thema 'Hausaufgaben' konfrontiert und kann sich etwas unter dieser Bezeichnung vorstellen. Wenn es jedoch um die Definition des Begriffs geht, so gestaltet sich dies in der breiten Masse schwieriger, da das Thema bei genauerem Hinsehen komplex ist.10
Um eine fundierte Grundlage für die Argumentation in dieser Arbeit zu schaffen, wird der Begriff im Folgenden definiert.
Der Begriff 'Hausaufgaben' ist ein Komposita und setzt sich aus den zwei Wortbestandteilen 'Haus' und 'Aufgaben' zusammen. Hierbei zeigt der Wortbestandteil 'Haus' auf, an welchem Ort die Aufgaben erledigt werden sollen: zu Hause. Aufgrund dieser Erkenntnis zeigt sich bereits, dass der Titel der Arbeit „Hausaufgaben an Ganztagsschulen - Die Lösung des ,Haus‘-Aufgabenproblems?“ beabsichtigter Weise einen Widerspruch darstellt.
In Bezugnahme auf mehrere Autoren11 hält MORONI12 fest, dass als Hausaufgaben im "engeren Sinne jene Aufgaben als Hausaufgaben verstanden [werden], die Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern auf der Basis didaktischer und/oder pädagogischer Ziele erteilen und die außerhalb der Unterrichtszeit" angefertigt werden.13 Als Hausaufgaben im weiteren Sinne können sämtliche Aufgaben verstanden werden, die die Lernenden zu Hause für die Schule erledigen. Hier werden beispielsweise auch Prüfungsvorbereitungen oder Nachhilfeunterricht miteingeschlossen.14 In dieser Arbeit wird primär von einem engeren Sinne ausgegangen.
Hausaufgaben stellen ein komplexes und vielschichtiges System dar, denn mindestens drei Akteur:innen sind beteiligt: Lehrende, Lernende und deren Eltern oder Erziehungsberechtigte.15
Hausaufgaben verbinden die zwei Hauptlern- und Entwicklungskontexte von Kindern: Die Schule und das häusliche Umfeld. Deshalb können Hausaufgaben metaphorisch als eine Brücke zwischen Schule und Elternhaus gesehen werden.16 Auch wenn diese Brücke auf den ersten Blick ihre Berechtigung zu haben scheint, soll diese in den folgenden Kapiteln kritisch hinterfragt werden.
3. Die Geschichte der Hausaufgaben: Ein historischer Rückblick
Das Phänomen der Hausaufgaben trat, schriftlich festgehalten, erstmals im Jahr 1465 in der Bayreuther Schulordnung auf. 1512 wurde in der Nördlinger Schulordnung zum ersten Mal das verpflichtende Erteilen von Hausaufgaben vorgeschrieben. Erst 1829 wurde vermehrt darauf hingewiesen, dass Hausaufgaben ein Problem darstellen könnten, da diese zu einer übermäßigen häuslichen Belastung führen. Aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten wurden Forderungen laut die Hausaufgaben abzuschaffen. Diese nahmen ein Großteil der Freizeit nach der Schule in Anspruch. Außerdem fehlten den Familien durch die umfangreichen Aufgaben unterstützende Arbeitskräfte. In Folge dessen traten kritische Auseinandersetzungen mit Hausaufgaben immer wieder auf.17
Jedoch sind Hausaufgaben bereits im 19. Jahrhundert ein fester Bestandteil des Schullebens. Der Stellenwert der Hausaufgaben wurde über die Jahre hinweg oft ambivalent gesehen. Ab 1875 entwickelten sich zwei Positionen. Einige wollen die Hausaufgaben höher priorisieren als den Unterricht selbst, um die Selbstständigkeit der Lernenden zu fördern. Andere sahen die Hausaufgaben dem Unterricht als eine Verlängerung der Unterrichtszeit zu Übungszwecken untergeordnet.18
Im 19. Jahrhundert waren Hausaufgaben pädagogisch umstritten. Debatten um die Überbelastung der Lernenden durch die tägliche zwei- bis dreistündige Hausaufgabenbearbeitung nahmen zu. Stimmen über zu wenig Schlaf und seelischen Druck wurden laut.19 Um die Jahrhundertwende und im Zuge des Perspektivwechsels zur Pädagogik vom Kinde aus, lehnten Reformpädagog:innen wie Key, Montessori und Kerschensteiner Hausaufgaben als Zwangsinstrument ab. Dies sollte jedoch nicht zum gänzlichen Wegfall der Erledigung von Hausaufgaben führen. Die Reformpädagog:innen betonten vielmehr den Wandel von Pflichtaufgaben hin zur freiwilligen Bearbeitung.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sowohl in der DDR als auch in der BRD das Hausaufgabenthema erneut aufgegriffen.20
Gegenwärtig muss festgestellt werden, dass trotz langjähriger Debatten und vieler kritischer Stimmen die Hausaufgabenpraxis erstaunlich wenig revolutioniert wurde. In den letzten Jahren wurden die hitzigen Debatten vermehrt durch die systematische Erforschung dieses komplexen Feldes abgelöst.21 Die Forschung zu Hausaufgaben im Allgemeinen ist eher heterogen.22 Auch in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion sind unterschiedliche Positionen vertreten.23
4. Funktionen von Hausaufgaben
Obwohl es für die Hausaufgabenpraxis in den jeweiligen Bundesländern spezifische Erlasse24 gibt, können den Hausaufgaben im Allgemeinen zwei Hauptfunktionen zugeordnet werden: Die didaktische oder leistungssteigernde Funktion und die erzieherische Funktion. Die didaktische/ leistungssteigernde Funktion kann als primär fachlich angesehen werden, die erzieherische als überfachliche Funktion.25 Diese beeinflussen sich allerdings gegenseitig.
4.1. Didaktische Funktion
Der didaktischen/ leistungssteigernden Funktion wird zugeordnet, dass Hausaufgaben der Übung und Anwendung der Inhalte dienen. Des Weiteren sollen sie eine notwendige Ergänzung von Lernprozessen darstellen, die in der Schule begonnen, aber nicht fortgeführt oder gar abgeschlossen wurden. Außerdem zählen zur didaktischen Funktion die Individualisierung der inhaltlichen Auseinandersetzung, die Unterstützung 'sinnorientierten' Lernens, die Vorbereitung nachfolgender Unterrichtsstunden und der Erwerb von Lernstrategien und Arbeitstechniken.26
4.2. Erzieherische Funktion
Die erzieherischen Funktionen von Hausaufgaben beinhalten die Förderung der Selbstständigkeit, eine produktive Lern- und Arbeitshaltung, die Übernahme von Verantwortung für das eigene Lernen und den Arbeitsethos. Hierzu zählen unter anderem Gewissenhaftigkeit, Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit.27
4.3. Verordnung des Kultusministeriums über die Notenbildung: § 10 Hausaufgaben
Der Umgang mit den Hausaufgaben ist föderativ in den Erlassen der Kultusministerien der Länder geregelt.28 Die bis heute gültige VERORDNUNG DES KULTUSMINISTERIUMS ÜBER DIE NOTENBILDUNG29 existiert in Baden-Württemberg bereits seit dem Jahr 1983.30 In §10 ist Folgendes zu den Funktionen von Hausaufgaben zu entnehmen:
„(1) Hausaufgaben sind zur Festigung der im Unterricht vermittelten Kenntnisse, zur Übung, Vertiefung und Anwendung der vom Schüler erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie zur Förderung des selbständigen und eigenverantwortlichen Arbeitens erforderlich.“31 Des Weiteren wird ausgeführt, dass „(2) Die Hausaufgaben [...] in innerem Zusammenhang mit dem Unterricht stehen [müssen] und [...] so zu stellen [sind], daß sie der Schüler ohne fremde Hilfe in angemessener Zeit erledigen kann.“32 Hausaufgaben sind schulische Arbeitsaufträge. Diese sind durch die jeweiligen Länder auf der Grundlage kultusministerieller Richtlinien legitimiert. Sie werden in der Schule erteilt, sind aber außerhalb des Unterrichts zu bearbeiten.33 Hausaufgaben sind Aufgaben, deren Zielsetzungen auf den Unterricht bezogen sind, zugleich aber in einem nicht-unterrichtlichen Setting erledigt werden. Demnach werden die Hausaufgaben neben dem curricularen Unterricht, aber zugleich für den Unterricht, durchgeführt.34 Hier wird bereits eines der Probleme von Hausaufgaben deutlich. Weitere Probleme werden im Folgenden ausführlich aufgezeigt.
5. Das Problem der Hausaufgaben
Die Befürworter:innen von Hausaufgaben führen an, dass diese eine Verbindung zwischen Elternhaus und Schule darstellen. Außerdem wird konstatiert, dass Hausaufgaben positive Auswirkungen auf pädagogische Lernziele, wie Interessensentwicklung und Lernstrategieerwerb haben.35 Unter geringer Beaufsichtigung und zeitlich freien Zeiten wird von Seiten der Unterstützenden angenommen, dass Lernende, die ihre Aufgaben im häuslichen Umfeld erledigen, stärker Selbstdisziplin, Selbststeuerung und eine eigenständige Zeiteinteilung erlernen und ein unabhängigeres Problemlöseverhalten entwickeln.36 Hausaufgaben können zwar, wie die Befürworter:innen argumentieren, ein Bindeglied zwischen Elternhaus und Schule darstellen, es existieren aber auch ernst zu nehmende Probleme, wie die Belastung die die Hausaufgaben für das Elternhaus und die Eltern-Kind-Beziehung herbeiführen.37 Diese Belastung und weitere Probleme werden im Folgenden erläutert.
5.1. Familie
Die Schule ist ein Ort des formalen Lernens, der eigens für den Zweck des Lernens geschaffen wurde, ganz im Gegensatz zur Familie.38 Hausaufgaben, die in den Familienalltag integriert werden müssen, stellen ein Problem dar. Dieses Problem basiert darauf, dass beiden Einrichtungen, der Schule und der Familie, unterschiedliche Funktionen zugeschrieben werden. Trotz der Verschiedenheit der Orte stehen diese, über die Verbindung durch die Hausaufgaben, in einem Zusammenhang.39
Die Funktion der Schule beinhaltet im Allgemeinen die Vermittlung der Unterrichtsinhalte. Eltern und Familie hingegen tragen Fürsorge für das physische und psychische Wohlergehen der Kinder. Dieser Fürsorge möchten Eltern nachkommen, indem sie einen positiven Einfluss auf die Bildungsabschlüsse der Kinder nehmen möchten, beispielsweise in Form von Hausaufgabenunterstützung. Warum die elterliche Unterstützung ein Problem darstellen kann und welche Folgen daraus resultieren, wird im Nachgang dargestellt.
Die primären Adressat:innen der Hausaufgaben sind zunächst die Lernenden. Als sekundär adressierte Personen müssen jedoch auch die Eltern gesehen werden. Diese sind nämlich laut Artikel §85, Absatz 1 durch das SCHULGESETZ FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG40 dazu verpflichtet für die Erfüllung der Schul- und Teilnahmepflicht ihrer Kinder zu sorgen.41 Der Machtanspruch der Schule beziehungsweise des Staates reicht durch die Hausaufgaben bis in die Familien hinein. Dadurch werden nicht nur Lernende, sondern auch ihre Eltern und damit die gesamte Familie diszipliniert. Aufgrund ihres Ehrgeizes fungieren Eltern häufig als Lernunterstützende. Dies ist nicht Teil ihres eigentlichen Erziehungsauftrags, jedoch wird diese Aufgabe von der Schule ohne Unterstützungsangebote vorausgesetzt.42 Die Eltern helfen häufig auf die Art und Weise, wie sie bereits von ihren eigenen Eltern unterstützt wurden. Daher besteht die Möglichkeit, dass sich die angewendeten Strategien kontraproduktiv auf die schulische Entwicklung des eigenen Kindes auswirken.43
Nieswandt hält fest, dass der „Familie in Form von Hausaufgaben eine zentrale ,Zubringerfunktion‘ für die Schule zugeschrieben [wird] und die Hausaufgabenbetreuung zu einer Haupttätigkeit von Eltern am Nachmittag [zählt].“44 Hausaufgaben werden in den familiären Alltag fest eingeplant und stellen dabei eine große Herausforderung oder sogar Belastung für die Eltern-Kind-Beziehung, besonders aber für die Mutter-Kind-Beziehung dar.
Mütter und Erwerbstätigkeit
Denn die Betreuung der Hausaufgaben am Nachmittag wird im Großteil der Familien von den Müttern übernommen. Hierbei stellt sich eine zentrale Frage: Kann es Aufgabe der Eltern sein, vor allem die Aufgabe der Mütter, dass sie mit unbezahlter Arbeit das leisten, was im Schulunterricht keinen Platz findet? Die Erziehenden müssen ihre eigene Tagesordnung an den Hausaufgaben der Kinder ausrichten. Der Tagesablauf muss organisiert und mit den vielen außerschulischen Terminen vereinbart werden. Überspitzt gesagt verzichten Eltern, vor allem Mütter, aufgrund der Schulkarriere ihrer Kinder, auf die eigene Berufskarriere.45
Chancengerechtigkeit
Die Familie als Konstrukt hat sich in den letzten Jahren im Allgemeinen sehr gewandelt und ein hoher Anteil der Lernenden weist einen Migrationshintergrund46 auf.47
Die Voraussetzung für eine elterliche Unterstützung bei den Hausaufgaben ist, dass diese die Inhalte sprachlich und intellektuell verstehen und folglich vermitteln können.48 Weniger privilegierte Familien stehen den Anforderungen, die die Hausaufgaben an das Kind und die Familie stellen, oft hilflos gegenüber. Bei der traditionellen Vergabe von Hausaufgaben, zur Bearbeitung im Elternhaus, werden Lernende aus unterschiedlich privilegierten Familien somit unterschiedlich stark gefördert was dem Prinzip der Chancengleichheit49 widerspricht.50 Kinder aus weniger privilegierten Familien sind des Weiteren einer doppelten Hilflosigkeit ausgesetzt: Sie müssen das ständige Scheitern an den Hausaufgaben zu Hause und den daraus resultierende Ärger und die Stigmatisierung in der Schule ertragen. Es muss festgestellt werden, dass es faktisch nicht möglich ist, dass alle Eltern ihre Kinder gleichermaßen unterstützen. Aufgrund dessen haben einige Lernende entscheidende Vorteile gegenüber anderen.51 Durch die Übertragung der Verantwortung an das Elternhaus, werden ungleiche Bildungschancen begünstigt. Selektierende Faktoren sind nach DECKERT-PEACEMAN unter anderem "Arbeitsplatz, Ressourcen (Bücher, Internet), familiale Routinen und vor allem die Lehrkompetenz von Eltern bzw. älteren Geschwistern."52
Ungünstigere Lernbedingungen werden in weniger privilegierten Familien vermutet. Dies betrifft vor allem die materielle Ausstattung wie beispielsweise Räumlichkeiten und Arbeitsmaterialien, aber auch zeitliche Ressourcen, wie die Betreuung der Eltern.53 Nach Ansicht mehrerer Autoren verstärken Hausaufgaben demnach die bereits bestehenden Unterschiede zwischen schulisch schwächeren und stärkeren Lernenden zusätzlich.54
Kontrolle
Wenn sich Eltern andererseits zu sehr bei der Hausaufgabenerledigung einmischen und kontinuierlich kontrollieren, kann bei Lernenden aller Leistungsgruppen ein gegenteiliger Effekt bei der Entwicklung der Selbstständigkeit erkannt werden.55 Häusliche Hilfe kann demnach auch kontraproduktiv wirken und ihre eigentliche, gut gemeinte, Intention verfehlen. Zu viel Hilfe überschreitet das lernförderliche Maß und eine eigenständige Auseinandersetzung kann nicht erreicht werden. Dadurch sinkt häufig auch die Lernmotivation des Kindes. Wenn ein Kind Probleme hat, die Hausaufgaben zu Hause zu erledigen, dann bleibt dies den Lehrenden meist verborgen. Die Eltern unterstützen dann so gut es geht, damit das Kind am nächsten Tag vollständige und richtige Aufgaben vorweisen kann. Die bestehende Problematik wird jedoch ohne einen Austausch mit den Lehrenden nicht erkannt. Außerdem ist das Kind in Testsituationen plötzlich auf sich alleingestellt, was eine überraschend ungewohnte Situation darstellt.56
Die Verantwortung für die Hausaufgabenbearbeitung und -kontrolle liegt, wie in den Erlassen der Länder festgehalten, bei den Eltern. Das kann zu häufigen Konfrontationen mit den Kindern führen. Laut SCHNEEKLOTH/LEVEN57 ist das Thema Schule und Hausaufgaben der dritthäufigste Streitpunkt in Familien.
Konflikte
Ein Grund für Streit zwischen Eltern und Kindern bezüglich der Hausaufgaben kann sein, dass die Eltern ihr Kind so gut es geht unterstützen möchten, um ihm einen guten Bildungsabschluss zu ermöglichen. Teilweise sind die Eltern aber selbst mit der Hilfengebung überfordert.58 Die Ursachen für Streit aufgrund von Hausaufgaben sind multipel. "Bislang fehlen jedoch empirisch gesicherte Befunde dazu, unter welchen Bedingungen es bei den Hausaufgaben tatsächlich zu Streit zwischen Eltern und Kind kommen kann."59
Wenn ständige Streitigkeiten die Eltern-Kind-Beziehung beherrschen, können Hausaufgaben zu belastenden Situationen in der Familie führen.
Allerdings muss auch gesagt werden, dass Hausaufgaben nicht immer zwangsläufig zu Streit und Schwierigkeiten zwischen allen Eltern und Kindern führen müssen. Durch die Routine kann sich die Erledigung auch gut in den Alltag integrieren.60 Jedoch kann nahezu jede Person bestätigen, dass in der eigenen Hausaufgabenpraxis Streitigkeiten stattfanden.
5.2. Freizeit
Wie die Zusammensetzung des Wortes erschließen lässt, sollte die ,Frei-zeit' der Kinder eine freie' Zeit sein, die sie selbstständig und ohne Vorschriften gestaltet können.61 Jedoch wird ein „Großteil der
[...]
1 Der Spiegel (1982), S. 1.
2 Der Spiegel (1982), S. 1.
3 Pädagogische Hochschule Ludwigsburg (2019), S.1: „Sprache spiegelt nicht nur das Denken innerhalb einer Sprachgemeinschaft wider, sondern formt es auch. Von der Art und Weise ihrer Verwendung hängt ab, ob sie als Instrument der Verständigung mit allen oder [...] als Mittel des Ausschlusses dient. In der Beförderung von Geschlechtergerechtigkeit kommt der Sprache daher eine Bedeutsame Rolle zu.“ In diesem Bericht werden daher Formulierungen verwendet, die dem auch sprachlich Rechnung tragen soll. Es wird die Doppelpunktschreibweise verwendet, da diese eine bessere Lesbarkeit sowie Barrierefreiheit bei Sprachausgabeprogrammen (hier wird der Doppelpunkt als Pause gelesen) bietet. Vorzugsweise werden jedoch, wo es möglich ist, Worte und Formulierungen verwendet, die nicht geschlechtsspezifisch sind wie ,Lernende‘.
4 Vgl. Nieswandt (2014), S. 11.
5 Vgl. Boßhammer und Schröder (2012), S. 68.
6 Vgl. Grimm (2018), S. 32.
7 Vgl. Moroni (2014), S. 11.
8 Vgl. Boßhammer und Schröder (2012), S. 68.
9 Vgl. Streber (2018), S. 15.
10 Vgl. Moroni (2014), S. 11.
11 Cooper, 1989; Cooper, Robinson & Patall, 2006; Kohler, 2011, vgl. Moroni (2014), S. 11.
12 Vgl. Moroni (2014), S. 11.
13 Moroni (2014), S. 11.
14 Vgl. Moroni (2014), S. 11.
15 Vgl. Moroni (2014), S. 11.
16 Vgl. Moroni (2014), S. 2.
17 Vgl. Nilshon (1999), S. 7.
18 Vgl. Boßhammer und Schröder (2012), S. 67.
19 Vgl. Moroni (2014), S. 13.
20 Nilshon (1999) S. 8ff.
21 Vgl. Moroni (2014), S. 14.
22 Vgl. Standop (2013), S. 73.
23 Vgl. Standop (2013), S. 36.
24 In dieser Arbeit wird sich auf das Bundesland Baden-Württemberg beschränkt. Die Erlasse und Vorschriften der Bundesländer weichen aber in den betrachteten Hauptpunkten nur unwesentlich voneinander ab.
25 Vgl. Kohler (2017), S. 18.
26 Vgl. Standop (2013), S. 55.
27 Vgl. Standop (2013), S. 55.
28 Vgl. Nilshon (1999), S. 11.
29 Baden-Württemberg (1983b).
30 Ist jedoch in der Fassung vom 17.05.2009 seit dem 18.06.2009 gültig. An den oben genannten Paragrafen fanden jedoch keine wesentlichen Veränderungen statt.
31 Baden-Württemberg (1983b).
32 Baden-Württemberg (1983b).
33 Vgl. Nieswandt (2014), S. 11.
34 Gaiser und Kielblock (2019), S. 159.
35 Vgl. Trautwein et al. (2001), S. 703.
36 Vgl. Standop (2013), S. 48.
37 Vgl. Trautwein et al. (2001), S. 704.
38 Vgl. Moroni (2014), S. 6.
39 Vgl. Nieswandt (2014), 11f.
40 Baden-Württemberg (1983a).
41 Vgl. Nilshon (1999), S. 11.
42 Vgl. Standop (2013), S. 53.
43 Vgl. Patall et al. (2008), (zitiert nach: Moroni, 2014, S.22).
44 Nieswandt (2014), S. 24.
45 Vgl. Kohler (2017), S. 10.
46 Jeuk (2018), S. 19: „Laut Schulstatistik Baden-Württembergs hat einen Migrationshintergrund, wer mindestens eines der folgenden Merkmale erfüllt: keine deutsche Staatsangehörigkeit, nichtdeutsches Geburtsland, nichtdeutsche Verkehrssprache in der Familie bzw. im häuslichen Umfeld (auch wenn der Schüler/die Schülerin die deutsche Sprache beherrscht)“.
47 Vgl. Moroni (2014), S. 16.
48 Vgl. Nieswandt (2014), S. 19.
49 Hopf und Edelstein (2018):„Dass jeder unabhängig etwa von seiner sozialen Herkunft, seiner Abstammung oder seinem Geschlecht die gleichen Chancen bei Bildung und Beruf bekommen soll“.
50 Vgl. Nordt (2013), S. 77.
51 Vgl. Moroni (2014), S. 14.
52 Vgl. Deckert-Peaceman (2007), S. 18.
53 Vgl. Trautwein et al. (2001), S. 705f.
54 Vgl. Moroni (2014), S. 14.
55 Vgl. Nilshon (1999), S. 31.
56 Vgl. Grimm (2018), S. 33.
57 Vgl. Schneekloth/Leven (2007), S. 96 (zitiert nach: Nieswandt, 2014, S. 24).
58 Vgl. Moroni (2014), S. 14.
59 Moroni (2014), S. 21.
60 Vgl. Moroni (2014), S. 13.
61 Dies ist jedoch auch durch die verplante Kindheit nur noch in seltenen Fällen aufzufinden.