Johann Wolfgang von Goethe wies einst darauf hin, dass „wiederholte sittliche Spiegelungen […] das Vergangene nicht allein lebendig erhalten, sondern sogar zu einem höheren Leben empor steigern.“ So werde man „der entoptischen Erscheinungen gedenken, welche gleichfalls von Spiegel zu Spiegel nicht etwa verbleichen, sondern sich erst recht entzünden,“ und man werde „ein Symbol gewinnen, dessen was in der Geschichte der Künste und Wissenschaften, der Kirche, auch wohl der politischen Welt sich mehrmals wiederholt hat und noch täglich wiederholt.“
Diese Abhandlung mit eben jenen tiefen Worten Goethes einzuleiten, scheint umso bedeutender, als die von ihm angesprochene, nie endende „Spiegelung“ historischer Zustände und Ereignisse sich auch in der vergleichenden Betrachtung der heutigen und mittelalterlichen Gesellschaft offenbart. Die folgende Behauptung mag kühn klingen, jedoch scheint es nicht so abwegig wie manch einer vermuten könnte, dass das 20. und 21. Jahrhundert mit dem Hochmittelalter durchaus „spiegelbildliche“ Parallelen aufweisen.
Andreas capellanus, der wahrscheinliche, aus Frankreich stammende Autor von „De Amore Libri tres“, wird generell auf eben jene Zeit, genauer gesagt gegen Ende des 12. Jahrhunderts, datiert – eine Zeit des Umschwungs, herbeigeführt durch die katholische Kirche in Europa. Die Einführung des Zölibats im Jahre 1022 war bereits geschehen und die Erklärung der Ehe als siebtes Heiliges Sakrament stand bevor, ebenso wie 700 Jahre gewaltsamer Durchsetzung „gottgegebener“ Regeln durch die Kirche, deren Reichtum, Macht und Einfluss nicht nur Bauernschaft und Bürgertum, sondern auch die wohlhabenden Schichten bis hin zum Hochadel weitgehend kontrollierte.
Die katholische Kirche sagte bekanntermaßen vor allem der Häresie und der Sexualität für lange Zeit mehr oder weniger erfolgreich den Kampf an, doch sowohl Johannes Paul II. als auch Papst Benedikt XVI. wehren sich noch während des letzten Jahrhunderts und bis zum heutigen Tage dagegen, die Zeichen der Zeit zu akzeptieren und den offenbar bereits verlorenen Kampf gegen die „sündige Freizügigkeit“ aufzugeben, welche wahrscheinlich schlichtweg menschlich und somit unauslöschbar ist.
Inhaltsverzeichnis
- ,,Sittliche Spiegelungen“
- Unvereinbarkeit von Ehe und Liebe bei Andreas capellanus
- Forschungsgeschichte und Überlieferung des Textes
- Wer war Andreas capellanus?
- Theorien zur Schreibintention
- Andreas' Definition von Liebe
- Eine schematische Übersicht zu den Liebes-Theorien in ,,de amore"
- Wesen und Regeln der höfischen Liebe
- ,,Amor est passio quaedam innata“ – Liebe als Automatismus
- Die Rolle von Herkunft, äußeren und inneren Werten
- amor mixtus und amor purus: Liebe, Lust und Liebesterminologie
- Die Ehe - eine Nebenrolle am Hof der höfischen Liebe
- Die Ehe im Rahmen gesetzlicher und gesellschaftlicher Vorgaben
- Die Rolle von Jungfernschaft und Sexualität für die mittelalterliche Ehe
- Die Formen der Ehe
- Partnerwechsel: Treuebruch, Scheidung, Neuheirat
- Erkenntnisse und Fragen, die bleiben
- Literaturverzeichnis
- Primärtexte
- Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit der Frage, wie Andreas capellanus in seinem Werk „De Amore Libri tres“ die Beziehung zwischen Liebe und Ehe im Kontext der höfischen Liebe darstellt. Die Arbeit analysiert die Definition von Liebe und Ehe im Werk und untersucht, wie diese Konzepte in der mittelalterlichen Gesellschaft verstanden wurden. Darüber hinaus wird die Frage nach der Authentizität des Werkes und seiner Aussagekraft für die historische Realität beleuchtet.
- Die Definition von Liebe und Ehe im Werk „De Amore Libri tres“
- Die Rolle der höfischen Liebe im mittelalterlichen Kontext
- Die Frage nach der Authentizität des Werkes und seiner Aussagekraft für die historische Realität
- Die Beziehung zwischen Liebe und Ehe im mittelalterlichen Europa
- Die gesellschaftlichen und kulturellen Einflüsse auf die Konzepte von Liebe und Ehe
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die historische und gesellschaftliche Situation des späten Mittelalters, in der Andreas capellanus lebte und schrieb. Es wird die Bedeutung der katholischen Kirche und ihre Rolle in der Definition von Moral und Sexualität hervorgehoben. Das Kapitel stellt die These auf, dass die heutige Gesellschaft in gewisser Weise ein Spiegelbild des Mittelalters ist, mit umgekehrten Rollen von Kirche und Gesellschaft.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Unvereinbarkeit von Liebe und Ehe in Andreas capellanus' Werk. Es werden die verschiedenen Theorien zur Entstehung und Authentizität des Werkes beleuchtet und die Definition von Liebe im Kontext der höfischen Liebe untersucht. Das Kapitel analysiert die verschiedenen Arten von Liebe, die Andreas capellanus beschreibt, und die Regeln, die für die höfische Liebe gelten.
Das dritte Kapitel untersucht die Rolle der Ehe im Kontext der höfischen Liebe. Es werden die rechtlichen und gesellschaftlichen Vorgaben für die Ehe im Mittelalter beleuchtet, sowie die Bedeutung von Jungfernschaft und Sexualität für die Ehe. Das Kapitel analysiert die verschiedenen Formen der Ehe und die Möglichkeiten des Partnerwechsels, wie Treuebruch, Scheidung und Neuheirat.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Andreas capellanus, „De Amore Libri tres“, höfische Liebe, mittelalterliche Gesellschaft, Ehe, Liebe, Sexualität, Kirche, Moral, Authentizität, Forschungsgeschichte, Überlieferung, Definition, Regeln, Formen, Partnerwechsel, Treuebruch, Scheidung, Neuheirat.
- Arbeit zitieren
- Moni Kirner (Autor:in), 2007, Ehe versus Liebe in „De amore libri tres“ und im Kontext der höfischen Liebe, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/112953