Verloren in einer Welt der Sehnsucht und des Schmerzes, irrt Coridon, der unglückliche Schäfer, an den Ufern der kalten Cimbersee umher, gepeinigt von der Erinnerung an seine verlorene Liebe, Galathee. Martin Opitz entführt uns in dieser ergreifenden Ode in die Tiefen einer gebrochenen Seele, deren Leidenschaft und Verzweiflung in jeder Zeile widerhallen. Die Verse schildern eine Reise der Entfremdung und des Verlustes, beginnend mit dem Abschied von Galathee und der darauffolgenden Wanderung durch fremde Lande, immer auf der Suche nach Vergessen und Frieden. Von Heidelberg, wo die Erinnerung an die Geliebte unauslöschlich scheint, bis hin zu den Friesen mit ihrem scheinbar idyllischen Leben, wird Coridon von seiner inneren Zerrissenheit getrieben. Selbst die Begegnung mit dem berühmten Daphnis, dem Meister der Musik, vermag es nicht, seinen Schmerz zu lindern. Die Naturbeschreibungen, von den grünen Wiesen bis zu den eisigen Küsten, spiegeln die innere Verfassung des Protagonisten wider, der sich in einer Welt wiederfindet, die ihm fremd und feindlich geworden ist. Doch inmitten dieser Dunkelheit flammt immer wieder die Hoffnung auf eine Rückkehr zu Galathee auf, ein Sehnen nach der vergangenen Glückseligkeit, die in seinen Träumen fortlebt. Die Ode ist ein zeitloses Zeugnis der Macht der Liebe, des Schmerzes des Verlustes und der unstillbaren Sehnsucht nach dem, was einst war – ein lyrisches Meisterwerk, das den Leser tief berührt und zum Nachdenken über die eigene Vergänglichkeit und die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen anregt. Die Themen umfassen unerwiderte Liebe, Exil, Naturlyrik und die Suche nach Trost. Opitz' Sprachgewalt und die eindringliche Schilderung der Gefühlswelt Coridons machen dieses Gedicht zu einem unvergesslichen Leseerlebnis.
Martin Opitz(1597-1639) – Ode I. Galathee.
Coridon der gieng betrübet An der kalten Cimbersee / Wegen seiner Galathee / Die er vor so sehr geliebet / Die jhm vor so sehr behagt Eh' er ward von jhr verjagt. Seit daß ich hinweg bin kommen / Seit daß wir geschieden seyn / Sang er / hat deß Mondens schein Viermal ab vnd zugenommen: Galathee / so lange Zeit Bin ich von dir allbereit. Nun du wirst dich noch besinnen Daß ich bey dir gantz vnd gar Fuß zu halten willens war / Vnd auch kaum gesegnen können: Rawe Heidelberg mich sehr / Du viel tausend mal noch mehr. Galathee / ich were blieben / Vngeschewt der Kriegesnoth; Der verlacht Gefahr vnd Tod Welcher trewlich pflegt zu lieben: Aber es ist dir wol kundt Daß es gar bey mir nicht stundt. Ich zoh hin von meinen Schaffen / War auch schon biß an den Mayn; Doch es wolte gantz nicht seyn / Ich vermochte nicht zu schlaffen / Biß ich wieder zu dir kam / Vnd noch einmal Abschied nahm. Dann must' ich / was solt ich machen? Wieder auff mein Franckfurt zu: Tityrus der sprach: wie nu? Wie stehts jetzund umb die Sachen? Mich bedüncket gantz vnd gar / Daß dir vor viel besser war. Tityrus ist recht gewesen; Ich ward jmmer ärger kranck: Thyrsis gab' mir einen Tranck / Ob ich köndte so genesen; Aber alle Kräuterkunst War vergebens vnd vmbsunst. Keiner Müh' hab' ich geschonet / Schifft' hin in das Niederlandt; Leyden wird die Stadt genanndt / Da der grosse Daphnis wohnet; Daphnis der berümbte Mann / Der so trefflich spielen kan. Ich kam zu jhm / wolte singen Wie zu Heidelberg vorhin: Nein / es schlieff mir Muth vnd Sinn; Alle Worte must' ich zwingen. Bloß mein Schatten gieng allhier / Ich war nirgend als bey dir. Doch er ließ es jhm gefallen / Sagte: wol mein Coridon / Fahre fort; dein guter Thon Kan noch weit vnd breit erschallen: Es war aber nicht vor mich; Ich gedachte nur an dich. Bin ich vnten oder oben / Es gilt alles eben viel / Vnd was hilfft es das mein Spiel Alle die es hören loben / Du hergegen / O mein Liecht / Die ich lobe hörst es nicht?
Nachmals kam ich zu den Friesen /Sah' ihr schönes Vieh da stehn /Vnd im feisten Grase gehn /Vnd die Lämmer auff den Wiesen: O wie wol ist doch daran / Sprach ich / der so leben kan! Nun ich wil euch gar nicht neiden / Ja ich wüntsche noch darzu Daß jhr lange Zeit in Rhu / Liebe Hirten / möget weiden. Aber ich hier vnbekandt Flieh' anjetzt mein Vatterlandt. Jhr köndt singen bey den Quellen / Daß man höret weit vnd breit Von der schönen Freundligkeit Das gestade Wiederschellen: Ich muß singen auff der See: Wo ist meine Galathee? O wie bistu so verdrungen! Wo ist jetzt die Herrligkeit / Corydon / wie vor der Zeit? Nun sing wie du vor gesungen: Galathee / bey dir allein Wil ich jetzt vnd jmmer seyn. Geh' jetz und hin zu dem Brunnen / Da deß Wolffes strenge Macht Mutter Jetten vmbgebracht / Da sich offtes durch der Sonnen Heisse Stralen angeregt Galathee zu dir gelegt; Da sie dich mit vielen Küssen In die weissen Armen schloß; Da du in der zarten Schoß Deine Lust recht kondtest büssen: Aber jetzt / O Corydon / Ach wie weit bistu darvon!
Häufig gestellte Fragen zu Martin Opitz' "Ode I. Galathee"
Was ist das zentrale Thema der Ode?
Das zentrale Thema ist die unerwiderte Liebe des Coridon zu Galathee und sein daraus resultierender Schmerz und seine Wanderung, um dieser Liebe zu entfliehen.
Wer sind die Hauptfiguren in der Ode?
Die Hauptfiguren sind Coridon, der Liebende, und Galathee, die Geliebte. Tityrus und Thyrsis sind Nebenfiguren, die Coridon Ratschläge geben wollen, und Daphnis ist ein berühmter Sänger, den Coridon aufsucht.
Wo spielt die Ode?
Die Ode spielt an verschiedenen Orten, darunter am kalten Cimbersee, in Heidelberg, in Frankfurt, im Niederland und schließlich an einem eisigen Ufer, das den Winter repräsentiert.
Was ist die Bedeutung der Natur in der Ode?
Die Natur spielt eine wichtige Rolle, um Coridons Gefühle widerzuspiegeln. Die kalten, eisigen Landschaften symbolisieren seinen Liebeskummer und seine Isolation, während die fruchtbaren Felder und Wiesen den Hirten ein glückliches Leben verheißen, das Coridon nicht erfahren kann.
Was ist der Inhalt der ersten Strophe?
Die erste Strophe beschreibt Coridons Betrübnis am Cimbersee wegen Galathee, die ihn verlassen hat und die er einst so sehr liebte.
Was geschieht in der zweiten Strophe?
In der zweiten Strophe beklagt Coridon, dass er schon lange von Galathee getrennt ist und daran erinnert, dass er bei ihr bleiben wollte, aber aufgrund ihrer Ablehnung gezwungen war, zu gehen.
Was passiert, nachdem Coridon Frankfurt verlässt?
Nachdem Coridon Frankfurt verlässt, sucht er Daphnis im Niederland auf, um Trost und Inspiration in der Musik zu finden, aber seine Gedanken sind immer noch bei Galathee.
Welche Rolle spielt Tityrus in der Ode?
Tityrus ist ein Gesprächspartner von Coridon in Frankfurt, der dessen Zustand kommentiert und darauf hinweist, dass es ihm früher besser ging.
Welche Rolle spielt Thyrsis in der Ode?
Thyrsis gibt Coridon einen Trank, um ihn zu heilen, aber seine Kräuterkunst ist vergeblich, was die Tiefe von Coridons Liebeskummer verdeutlicht.
Wie endet die Ode?
Die Ode endet damit, dass Coridon an einem eisigen Ufer ankommt, weit entfernt von Galathee. Er träumt davon, mit ihr im Paradies des Neckarufers Äpfel zu pflücken und Kestenbäumen zu sitzen.
Welche Stilmittel verwendet Opitz in der Ode?
Opitz verwendet eine Vielzahl von Stilmitteln, darunter Wiederholungen, Vergleiche und Metaphern, um Coridons Gefühle und Erfahrungen zu beschreiben. Die Verwendung der Natur als Spiegelbild der inneren Welt des Protagonisten ist ebenfalls ein wichtiges Stilmittel.
Was bedeutet die Zeile "Was wir haben außgestrewt / Wird von andern abgemeyt"?
Diese Zeile drückt Coridons Gefühl der Entwurzelung und des Verlusts aus. Es bedeutet, dass er das, was er geschaffen oder gesät hat, nicht ernten kann, weil andere es ihm wegnehmen.
Welchen historischen Kontext hat die Ode?
Die Ode spiegelt die barocke Tradition der Schäferdichtung wider, kombiniert mit persönlichen Erfahrungen und Gefühlen des Dichters. Die Erwähnung des Krieges deutet auf die unruhige Zeit des Dreißigjährigen Krieges hin.
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- Kristine Greßhöner (Author), 2005, Schäferdichtung (Bukolik) als europäisches Kulturphänomen im 17. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/109513