1. Die Machnowstschina
1.1. Die russische Revolution
17.02.1917: Ausbruch der Februarrevolution
12.03.1917: Provisorische Regierung aus Duma-Komitee und Sozialrevolutionären
15.03.1917: Abdankung des Zaren Nikolaus II.
16.04.1917: ab hier Aufbau der Sowjets (Arbeiter- und Soldatenräte)
25.10.1917: Machtübernahme durch die Bolschewiki
25.11.1917: Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung
06.01.1918: Auflösung der Nationalversammlung
1921: Aufstand von Kronstadt, wird am 18.03.1921 von der Roten Armee unter Trotzki blutig niedergeschlagen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nestor Machno
1.2. Die Ereignisse in der Ukraine
22.01.1918: Unabhängigkeitserklärung der Ukraine
29.01.1918: Friedensschluß der Ukraine mit Deutschland
03.03.1918: Friedensschluß Rußlands mit den Mittelmächten
- Finnland und die Ukraine werden als selbständige Staaten anerkannt und zu wirtschaftlichen Leistungen verpflichtet
- Gründung der Demokratischen Bauernpartei unter dem „Hetman“ Paul Skoropadski, der am 29. April
1918einen Staatsstreich ausführt, so an die Regierung gelangt und in der Folge den Großgrundbesitzern das
vorher durch die Sowjetregierung der Ukraine enteignete Land zurückgibt. Als sich die Deutschen endgültig aus der
Ukraine zurückziehen, wird Skoropadski gestürzt.
1918 - 1920: Bürgerkrieg in der Ukraine zwischen „Roten“ und „Weißen“
1920: weite Teile der Ukraine werden der Sowjetrepublik angeschlossen
1.3. Zur Person Nestor Machno
Nestor Machno wurde am 27. Oktober 1889 in Guljai-Pole als Sohn armer Bauersleut‘ geboren. Seine drei Brüder wurden zwischen 1918 und 1920 im Bürgerkrieg getötet.
1906 schloß Machno sich der ukrainischen Gruppe der „Bauern-Anarchisten-Kommunisten“ an. 1910 wurde er in Odessa zum Tode verurteilt, das Urteil wurde jedoch in eine lebenslange Strafarbeit umgewandelt. Im Botyrki-Gefängnis in Moskau lernte er seinen späteren Biographen Peter A. Arschinoff kennen. Im Zuge der revolutionären Ereignisse wurden beide 1917 aus dem Gefängnis befreit, woraufhin Machno nach Guljai-Pole zurückkehrte. Machno fordert hier die Enteignung der Großgrundbesitzer und die Übernahme von Landbesitz, Fabriken und Werkstätten. Am 29.03.1917 wird er Vorsitzender des neu gegründeten Bauernsowjets.
Im Juli 1918 wird - in Absprache mit Lenin - die Machnowstschina gegründet, um die deutschen und österreichischen Besatzer zu vertreiben. Nach dem Abzug der „Weißen“ 1920 führten die Bolschewiki Krieg gegen die Machnowstschina mit dem Ziel, diese komplett aufzureiben und die gesamte Ukraine der Herrschaft der Sowjetunion zu unterwerfen.
„So lange wir Machno brauchten, haben wir es verstanden, ihn auszunutzen, als wir ihn nicht mehr brauchten, haben wir es verstanden, ihn zu liquidieren.“
Im Januar 1920 wurden Machno und die AnhängerInnen der Machnowstschina für vogelfrei erklärt. Daraufhin floh er 1921 nach Rumänien. Dort wurde er am 11.04.1922 des Landes verwiesen und floh weiter nach Polen. Er erkrankte an Tuberkulose und ging schließlich nach weiteren kurzen Aufenthalten in Danzig und Berlin (u.a. bei Rudolf Rocker) nach Paris, wo er am 25.07.1934 im Krankenhaus starb.
1.4. Die Machnowstschina
Machnos Ziel war es, allen Besitz unter Arbeitern und Bauern gleich zu verteilen und deren Autokratie ohne Einfluß von außen zu sichern.
- Gründung von Kommunen (Kommune: jeweils 10 Arbeiter- und Bauernfamilien)
- Utopie eines idyllischen Lebens („Anarchie“), aber Grausamkeit bei der Beschaffung der notwendigen
Ressourcen
- Hinrichtungen waren an der Tagesordnung: z.B. Polizeibeamte, Gutsbesitzer, Geschäftsleute
- Die Machnowstschina gliederte sich in zwei Gruppen:
1. Agitationsgruppe
2. Guerilla
- Die Guerilla machte es sich zur Aufgabe, die Unterdrücker der ArbeiterInnen und Bauern schonungslos hinzurichten.
- In den Dörfern, die unter dem Einfluß der Machnowstschina standen, gelang es kollektiv-anarchistische Strukturen aufzubauen. Z. B.: Kongresse der Bauern, Arbeiter und Aufständischer; landwirtschaftliche Kommunen; Kulturarbeit; Einrichtung einer „Werktätigen-Einheitsschule“
1.5. Das Programm der Machnowstschina
Ob wirklich von einem Programm die Rede sein kann, ist durchaus fragwürdig, denn abgesehen von der Tatsache, daß die Machnowstschina sich als anarchistisch ansah, befaßte sie sich nur wenig mit Theorie. Der einzige Intellektuelle in der Machnowstschina war Peter A. Arschinoff, ansonsten bestand sie aus jenen Arbeitern und Bauern, die sich selbst gegen ihre Unterdrückung erhoben. Die reale (v.a. ökonomische) Not der „einfachen Bevölkerung“ war die Motivation für die Organisation und Handlungen der Machnowstschina. (Auch die teils brutalen Methoden sind vor dem Hintergrund der vorherigen noch brutaleren Methoden der Großgrundbesitzer zu sehen.) Ähnlich wie später im Spanischen Bürgerkrieg (vgl. Referat zu diesem Thema in „Zw. Schreibtisch und Straßenschlacht Teil 1“) etablierten sich die anarchistischen Strukturen eher spontan (wobei auch dies durchaus als Teil anarchistischer Theorie verstanden werden kann). Dennoch gab es konkrete Punkte, die realisiert werden sollten:
- völlige Freiheit der ArbeiterInnen in der Ukraine, freies Rätesystem, soziale Organe der Selbstverwaltung,
Befreiung von den Besatzern (sowohl der weißen als auch der roten), sozialpolitisch-ökonomische und nationale
Unabhängigkeit der Ukraine, Presse- und Meinungsfreiheit
- entscheidendes Kriterium: Landverteilung
- regionale Unabhängigkeit der Ukraine ohne Besitz an Land (bzw. mit Land im Allgemeinbesitz)
- Ablehnung jeglicher Regierung oder Regierungsform
- Organisation von freien Sowjets.