Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Hausarbeit, 2018
15 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Anfange und Entstehung der offenen Arbeit
3. Erkenntnisse und Orientierung in der offenen Arbeit
3.1 Das Kind als Selbstgestalter seiner Entwicklung
3.2 Die Erzieherln als Selbstgestalterln ihrer Padagogik
3.3 Die Bedeutung des Raumes als „dritte Erzieherln"
4. Fazit
Literatur
Die Thematik „Offene Arbeit in Kindergarten" wird oft noch nicht in literarischen An- sammlungen padagogischer Konzepte aufgefuhrt. Man hort sehr viel von Offener Arbeit und man liest den Begriff Offenes Arbeiten in zahlreichen padagogischen Konzep- ten. Doch was genau, kann man sich unter offenem Arbeiten in Kindergarten vorstel- len? Offene Turen der Gruppenraume und blankes Chaos? Erzieher die den Kindern nur das Freie Spiel anbieten? Erzieher die nicht in Handlungen der Kinder eingreifen, sondern das Kind tun lassen?
Nach fast 40 Jahren Erfahrung mit offen arbeitenden Kindergarten lasst sich zwischen- bilanzieren, dass sich diese Einrichtungen einen festen Platz in der plural konzipierten deutschen Kindergartenlandschaft erobert haben. Fur die wachsende Akzeptanz in Politik und Wissenschaft, bei Tragern, Eltern und Fachkraften (bei den Kindern ohne- hin) sind neben den guten Erfahrungen vor allem die stutzenden wissenschaftlichen Befunde und Erkenntnisse der Neurobiologie sowie verschiedener anderer For- schungszweige (z.B. Bildungs- und Bindungstheorie, Evolutions-, Intelligenz-, Emotions- und Motivationsforschung, Entwicklungspsychologie, Sozialisations- und Milieu- studien, Lernforschung) der letzten Jahre von erheblicher Bedeutung. (vgl. Rohnke 2001, online)
Der Fokus dieser Arbeit ist darauf angelegt, das padagogische Konzept der Offenen Arbeit zum Untersuchungsgegenstand zu nehmen. Diese Arbeit soil Aufschluss ge- ben, wie das Konzept der Offenen Arbeit, aufgrund von Rahmenbedingungen und the- oretischen Grundlagen und die hieraus resultierenden Strukturelemente, den Kindern im Kindergartenalltag ihre Entscheidungsfreiraume bieten kann. Dabei steht im Vor- dergrund, sich das Kind als Selbstgestalter seiner Entwicklung, die Erzieherln als Selbstgestalterln ihrer Padagogik und die Bedeutung des Raumes genauer anzuse- hen. Gelingt es der Offenen Arbeit mit diesen Strukturmerkmalen lebensbedeutsame Handlungsfelder zu arrangieren und soziale Prozesse zu fordern? Berucksichtig das Konzept die Lebenssituation von Kindern und ihren Familien? Erhalten Kinder mit be- sonderen Bedurfnissen besondere Zuwendung und Forderung?
Zusammengefasst leitet sich daraus folgende konkrete Fragestellung ab: Sind Kinder in der offenen Kindergartenarbeit wirklich Akteure ihrer Entwicklung und gewahrleistet das Bildungskonzept der offenen Kindergartenarbeit, dass den Kindern in alien Berei- chen ihres Tuns Selbstbestimmung zugestanden wird?
Seit Ende der 1970er Jahre erhalt das Konzept der Offenen Arbeit immer mehr An- klang. Ziel ist es, das Konzept der Offenen Arbeit an Rahmenbedingungen der jewei- ligen Einrichtung, den Bedurfnissen und Interessen der Kinder und auch den Starken der Fachkrafte anzupassen.
,,Der offene Kindergarten kam nicht von auBen mit einer handlungsleitenden Theorie in die Einrichtung, sondern entstand durch eine Basisbewegung und hat deshalb eine komplexe Geschichte. Der Prozess der Offnung der Gruppenraume ist im Grunde die Vorwegnahme einer Qualitatsentwicklung wacher, selbstkritischer und reflexionsberei- ter Erzieherlnnen und Kindergartenteams, weit bevor diese urn die Jahrhundertwende durch unterschiedliche Konzepte immer starker eingefordert wurden." (Regel & Kuhne 2007, S.11).
Es war der Wunsch dieser Padagoglnnen ein eigenes Profil zu schaffen, was alien Kindern besser gerecht wird. Kinder sollten mehr Freiheit bekommen und durch Erzie- her und die vorherrschenden Rahmenbedingungen nicht eingeschrankt werden, wie es bisher der Fall war. (vgl. Regel & Kuhne 2007, S.11) „Wir konnen sagen: die Erzie- hung in der Kita wird dem festgelegten Funktionsablauf eines Tages unterworfen. Das starre unpadagogische Reglement presst Kinder und Padagogen in ein Schema, dem sie sich unterzuordnen haben und in dem es kaum eine Moglichkeit gibt, Neues zu probieren, schopferische Initiativen zu entfalten Oder aufzugreifen. Der Zwang zum Einhalten dieses Schemas erfordert ein hohes MaR an Kontrolle, Maftregelung, Auf- forderung und Einschrankung seitens der Fachkrafte gegenuber den Kindern. Ge- stresste, frustrierte, eingeengte Erzieher aber erzeugen ebensolche Kinder. Dieser Zwangskreislauf wird nur dadurch scheinbar gelost, dass der Erzieher den Kindern gegenuber machtiger ist und sich durchsetzen kann. (vgl. Bader et al 1977, S.50 f) „Wir konnen sagen: die eingeschrankten und einschrankenden materiell- raumlichen Arbeitsbedingungen der Kindertagesstatte fordern ein restriktives und fur das Kind lernbeschrankendes Klima." (ebd, S. 55) Es gab Padagoglnnen, die mit diesen Bedingungen fur die Kinder immer unzufriedener wurden und es entstand das Konzept der Offenen Arbeit. Die Geschichte des Offenen Kindergartens ist die Geschichte der Ei- geninitiative von Kindergartenteams, die in den 1990er Jahren zunehmend bekannter wurden. Sie fuhrten sie zu einem Profil mit eindeutigen Qualitatsakzenten. Das war zum einem auf den Wandel der Zeit zu reagieren und neue Erkenntnisse zu integrieren und zum anderen kindzentrierter, aber auch offen, achtsam und dialogisch mit den Kindern arbeiten zu wollen (vgl. Regel & Kuhne 2007, S.11 ff). Die eigene Unzufrie- denheit und die genaue Beobachtung der Kinder waren also Anlass etwas zu verandern. Sie starteten erste Versuche durch „Offnung der Gruppenturen" und ,,Off- nung der Gruppen". GroRere Freiheit und Freizugigkeit waren die Folge. Sie erkann- ten, dass Kinder in der Lage sind Entscheidungen fur sich zu treffen, da sie von sich aus eigenaktiv und neugierig sind. Es erwies sich als eine Entlastung fur Kinder und Padagogen. Durch das Loslassen der Kinder, entwickelte sich ein verbessertes Klima in der Einrichtung. (vgl. Regel & Wieland 1993, S.115) Regel und Kuhen begrundeten dies dadurch, weil die Kinder durch die Erzieher, nicht mehr standig kontrolliert und vor allem gemaftregelt wurden. Da die Kinder nun die Stammgruppen verlassen konn- ten, entstand die Neugier den ganzen Kindergarten kennen zu lernen aber auch der Wunsch sich mit anderen Kindern spontan zu bewegen (vgl. Regel & Kuhne 2007, S.13f). Die Kinder waren motorisch nicht mehr so eingeengt und es gab weniger Spannungen und Konflikten unter den Kindern. Dorfler sah darin auch eine Entlastung der padagogischen Fachkrafte, die nun entspannter und stressfreier ihren Aufgaben ge- recht werden konnten. Auch die vielfaltigen Moglichkeiten, die sie nun nutzen konnten urn unterschiedliche Bildungsangebote zu machen, lieft die Erzieher erkennen, dass Kinder ohne Anweisung und Vorgaben hoch motiviert und ausdauernd lernen. Den Kindern war es nun moglich ihre eigenen Erfahrungen zu machen, also das Erfah- rungslernen zu erfahren. (vgl. Dorfler 1994, S.107 ff) Lienen verglich die Erzieher nun- mehrals agierender Dozent, ein Impulsgeber, welchen die Erzieher erst mal erkennen und akzeptieren mussten. (vgl. Lienen 1993, S. 312 ff.) DerOffnung der Gruppen folgte nun die gesamte Offnung zum Offenen Kindergarten. Es wurden Funktionsraume ge- schaffen und Gruppenraume mit ihren Funktionsecken aufgelost (vgl. Colberg 1999, S.100 ff.). Die Stammgruppen Oder Basisgruppen blieben oftjedoch fur Morgenkreise erhalten (vgl. Regel & Kuhne 2007, S.71). Dadurch hatten die Kinder noch mehr Frei- raume, die ihnen bislang fehlten. Nun konnten sie sich selbstbestimmend mit anderen Kindern zusammen ohne die standige Anwesenheit der Erzieher bewegen und ihren naturlichen Spiel-, Bewegungs- und Forscherinteressen nachgehen (vgl. Regel & Kuhne 2007, S.14). Es war das Ergebnis der kritischen Reflektion der bisherigen Le- bensweise der Kinder, die durch Bewegungsmangel und ubermaftigen Medienkonsum bestimmt war. Man wollte den Kindern, durch einen offenen Bewegungskindergarten, alternative Lern- und Handlungsmoglichkeiten bieten und so auf mangelnde Erfahrungen im Lebensumfeld der Kinder reagieren. (vgl. Regel & Kuhne 2007, S.14) Diese Weiterentwicklungen gelangen dann am besten, wenn Offenheit im Team prakti- ziert und dadurch das dialogische Gesprach eroffnet wurde. Wie ein Prinzip zog sich die Offenheit durch die veranderte padagogische Arbeit, brachte den Prozess voran Oder verlangsamte ihn.“ (Regel & Kuhne 2007, S.15).
Die Offene Arbeit geht davon aus, dass das Kind Akteur seiner Entwicklung Oder auch Selbstgestalter seiner Entwicklung ist. (vgl. Regel & Kuhne 2007, S. 21) Sie stutzt sich dabei auf Aussagen reformpadagogischer als auch entwicklungspsychologischer Pa- dagogik. Autoren wie Regel, Wieland und Kuhne verweisen auf einzelne padagogische Ausrichtungen als theoretische Begrundung zur Offenen Arbeit in ,,Offene Arbeit Kon- kret“, sowie in" Padagogische Arbeit im offenen Kindergarten" (vgl. Regel & Kuhne 2007). Dabei nehmen sie Bezug auf erkenntnistheoretische Grundlagen von Jean Piaget. Auch Jean Piaget betont, dass Kinder ihre Entwicklungsprozesse selbst gestal- ten konnen, so Axel Wieland. Um ihnen das aber zu ermoglichen, bedarf es einer vor- bereiteten Umgebung, die sie einladt zum Experimentieren und Entdecken. Sie brau- chen Anregungen und Herausforderungen um ihre Welt entdecken zu konnen und letztendlich selbststandig wahrnehmen zu konnen. Fur Erwachsene heiftt das, sich als Lernbegleiter zu sehen, der sich zuruckhalt und aufVorherrschaft verzichtet. (vgl. Regel & Wieland 1993, S. 52f) ,,ln einer solchen Betrachtungsweise ist das Kind Subjekt. Es bringt sich selbst hervor [...]. Wir losen uns von der Vorstellung, das Kind zum Ob- jekt erzieherischen Handelns zu machen und wollen keine Akteure fur die Entwicklung des Kindes sein." (Regel & Wieland 1993, S. 52). Axel Wieland beschreibt, dass Kinder nach Piaget am intensivsten lernen, wenn Lernprozesse mit unmittelbaren Handlun- gen einher gehen. Kinder mussen sich mit den Dingen auseinandersetzen und damit hantieren konnen und das in ganz unterschiedlichen Situationen. „Unter dieser Pra- misse wird >Lernen aus zweiter Hand<, insbesondere durch Medien, fragwurdig, da hier nur eine mittelbare Begegnung mit dem Leben moglich wird.“( Regel & Kuhne 2007, S. 18) Es geht also nicht um die Frage, wie ein Kind zu fordern ist, sondern was in seiner Umgebung fehlt, welche Anregungen und Motivationen es benotigt, damit es sich entwickeln kann. (vgl. Regel & Wieland 1993, S. 55) Jean Piaget sah Entwicklung als einen konstruktiven, spontanen Vorgang, den der Mensch eigenverantwortlich ge- staltet und steuert. (vgl. Regel & Kuhne 2007, S. 18) Diese Auffassungen von Lernvor- gangen wurden fur den Konstruktivismus wegweisend. Er hat erkannt, dass ein Lerner zunachst immer aus eigener Aktion heraus lernt, dass er sich dabei seine Wirklichkeit konstruiert, die er dann in Abgleich mit seiner Umwelt bringen muss. In diesem Kontext bestehen zwischen Offener Arbeit und Piaget vielfaltige Bezuge. (vgl. Konig 2009, S.38) Auch Maria Montessori kam eine besondere Bedeutung zu. Bei ihren Ansatzen finden sich ebenfalls vielseitige Bezugspunkte zur Offenen Arbeit wieder, die auch in der Fachliteratur zur Offenen Arbeit Beachtung finden. Resultierend aus ihren inhaltlichen Argumentationen und theoretischen Begrundungen, also ihren l_ern und Entwick- lungstheorien. (vgl. Buchsenschutz & Regel 1991, S. 120) Maria Montessori er- forschte, als erste Frau in Italien, welchen Bedingungen es braucht, damit Kinder sich konzentrieren konnen. „Sie erkannte aufgrund ihrer Beobachtungsgabe, dass Kinder uber den Weg der Freiheit in der Lage sind, sich ausdauernd mit Dingen zu beschafti- gen und so ihr Lernen und ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen." (Regel & Kuhne 2007, S. 18) Auch sie halt die vorbereitete Umgebung, die Kinder zu vielfaltigen Tun anregt und ihnen ermoglicht eigenstandig zu lernen, als eine wichtige Vorausset- zung. Kinder mussen also in ihrer Umwelt Materialien vorfinden, mit denen sie sich selbstandig handelnd auseinandersetzen konnen. Montessori glaubte, dass sowohl Belohnungen als auch Strafen schadlich sind fur die innere Einstellung des Menschen, dass Kinder ganz naturlich aus ihrer eigenen Motivation heraus lernen wollen und sie moglichst viel Freiraum gewahrt bekommen mussen, urn Selbsttatigkeit und Spielpro- zesse nicht zu unterbrechen. Dazu gehort, dass Kinder freie Entscheidung uber Spielpartner, Spielthemen und Spieldauer haben mussen. (vgl. Regel & Wieland 1993, S. 56) Maria Montessori sieht das Kind von Geburt an als eigenstandige Person, die sich einem inneren Bauplan gemaft entwickelt. Wieland postuliert in diesem Kontext das „Reflexive Subjektmodel." „Der Mensch ist, wenn uberhaupt, nur durch seine eigenen Konstruktionen und Strukturen. Nicht Erwachsene formen das Kind, sondern es ist allein das Kind, das die Entwicklungsarbeit leistet. “ (Regel & Wieland 1993, S. 22) ,,Die Hilfe, die wir zu geben vermogen, liegt in der aufteren Welt. Dies erfordert vom Erwachsenen weise Zuruckhaltung, (Montessori 1965, S.10) Zu erwahnen ist noch, dass auch anderes reformpadagogisches Gedankengut uber die Ruckbesin- nung auf Janusz Korczak, Celestine Freinet und die Reggio - Padagogik in das Be- grundungswissen einfloss und gleichzeitig anregenden Charakter fur den Dialog gab. (vgl. Regel & Kuhne 2007, S. 18) Aber auch Aspekte der Bildungstheorien nach Laewen und Schafer wurden in den Blick genommen und bestimmen wesentlich und grundlegend das padagogische Konzept der Offenen Arbeit, (vgl. Regel & Kuhne 2007, S. 76)
Das Kind ruckt in den Mittelpunkt und wird in seiner Einzigartigkeit wahrgenommen und angenommen. Dehlfing beschreibt dies wie folgt: „Dem Kind werden gleichzeitig alle Chancen der Veranderung eroffnet." (Dehlfing 2011, S. 18) Regel verdeutlichte dies 2008 mit:
„Kinder (sind) kompetente kleine Menschen von Anfang an, den Groben gleichwertig und gleichwurdig, mit dem einen Unterschied, dass die graven Menschen schon eine Menge lernen konnten, was die kleinen Menschen noch vor sich haben". (Regel 2008, S. 176)
Regel benennt 2007 bereits folgende Punkte die unter anderem das kindliche Voran- kommen in der Offenen Arbeit positiv beeinflussen:
-Zugehorigkeit und Willkommen sein durch Akzeptanz, Nahe und Bindung;
-Geborgenheit durch Gruppengefuhle;
-Verlasslichkeit, Bestatigung, Resonanz und Anerkennung;
-Raum fur authentische Bedurfnisse und Gefuhle;
-Unabhangigkeit, Autonomie und Selbsttatigkeit durch Freiraume;
-Partizipation im sozialen Gefuge des Kindergartens; -Halt und emotionale Sicherheit durch Zugehorigkeit; -Zutrauen in kindliche Selbstregulierungskrafte;
-geduldige und unterstutzende Begleitung, die das jeweilige Tempo eines jeden Kindes akzeptiert - vor allem bei Kindern mit Entwicklungsbenachteiligungen;
-Sicherheit gebende Raum- und Zeitstrukturen:
-Bewegungs- und Aktivitatsmoglichkeiten, urn Korperfunktionen und -fahigkeiten ken- nenzulernen und darin sicher zu werden:
-Herausforderungen, Angebote, Lernwerkstatten und Forscherraume innen und au- Ben.
[...]