Dieser Praktikumsbericht entspricht einem Portfolio, dass während eines Orientierungspraktikums in einem Förderzentrum an einer Grundschule verfasst wurde.
Während des ersten Orientierungspraktikums war die eindrucksvollste Erfahrung, dass das Unterrichten einer zweiten Klasse eines Förderzentrums um Einiges mehr erfordert, als das bloße Unterrichten. Es war zwar bewusst, dass Erziehung eine wichtige Rolle spielt, allerdings wurde nicht erwartet, dass der erzieherische Aufgabenbereich solch einen großen Platz im Schulalltag einnimmt, wie es bisher erlebt wurde.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Inklusion oder Forderzentrum?
2.1. Situationsbeschreibung
2.2. Literaturbezug
3. Erlernen von Assoziationen durch die klassische Konditionierung
3.1. Situationsbeschreibung
3.2. Literaturbezug
4. Unterrichtsplanung
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Zur Vereinfachung und leichteren Lesbarkeit wird im Folgenden fur die jeweiligen Personenkategorien die mannliche Form verwendet. Selbstverstandlich ist jedoch immer auch die weibliche Form mitgemeint.
Wahrend meines ersten Orientierungspraktikums war die eindrucksvollste Erfahrung, dass das Unterrichten einer zweiten Klasse eines Forderzentrums um Einiges mehr erfordert, als das bloBe Unterrichten. Mir war zwar bewusst, dass Erziehung eine wichtige Rolle spielt, allerdings habe ich nicht erwartet, dass der erzieherische Aufgabenbereich solch einen groBen Platz im Schulalltag einnimmt, wie ich es bisher erlebt habe. Eine weitere wichtige Erkenntnis, welche ich aus dem ersten Praktikum mitnehme, ist, dass ich mir zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vorstellen kann, zukunftig als (Sonderschul-)Lehrer tatig zu sein. Dass ich kein Lehrer an einer Regelschule werden mochte, war mir bereits vor dem ersten Praktikum klar. Jedoch war ich zu Beginn des (ersten) Praktikums gegenuber dem Beruf des sonderpadagogischen Lehrers deutlich aufgeschlossener, als jetzt. Ich habe auBerdem gemerkt, dass mir die Einzelarbeit mit den Kindern am meisten SpaB bringt, was meine Position zum Lehrerwerden noch einmal verstarkt. Die Freude an dem Einzelsetting bringe ich wahrscheinlich aus meiner Ergotherapie- Ausbildung, welche ich vor dem Studium abgeschlossen habe, mit.
Zu der Haltung, keine Lehrerin werden zu wollen, kam ich, nachdem ich den Aufgabenbereich meiner Mentorin immer mehr kennengelernt habe. Aus vielen Gesprachen mit ihr habe ich beispielsweise mitgenommen, dass das Lehrerdasein nicht mit dem Schulschluss und auch nicht an Wochenenden oder den Ferien endet. Ich habe groBen Respekt gegenuber meiner Mentorin sowie dem Beruf des Lehrers im Generellen entwickelt und weiB die Arbeit sehr zu schatzen. Fur mich ist allerdings insbesondere das Abschalten nach meinem Berufsalltag sehr wichtig, weshalb ich mich in Zukunft im auBerschulischen Kontext sehe.
Fur den zweiten Teil meines Orientierungspraktikums wunsche ich mir, mehr von der Elternarbeit zu erfahren, indem ich beispielsweise an Elternabenden teilnehme. Denn davon konnte ich bisher am wenigsten fur mich mitnehmen. Von den Eltern habe ich bisher leider kaum etwas oder zum Teil gar nichts gehort bzw. konnte mich nicht mit ihnen austauschen, weil die Kinder von Fahrdiensten zur Schule gebracht und wieder abgeholt werden. AuBerdem ist seit Marz zusatzlich eine Lehrerin in der Klasse, welche vor Kurzem ihr Referendariat abgeschlossen und auch an der Europa-Universitat Flensburg studiert hat. Fur die nachsten Wochen nehme ich mir daher vor, mich vermehrt auch mit ihr uber das Unterrichten sowie das Studium auszutauschen, um noch mehr Eindrucke erhalten zu konnen.
2. Inklusion oder Forderzentrum?
2.1. Situationsbeschreibung
Wahrend meiner Praktikumszeit kam ein neuer Schuler in die Klasse, welcher bisher die erste Klasse einer Regelschule besuchte. In der vorigen Schule kam er einerseits mit den Lerninhalten und andererseits mit seinen Mitschulern nicht zurecht. Er fuhlte sich in der Schule nicht wohl und sollte die erste Klasse wiederholen, wurde jedoch vorher auf einen sonderpadagogischen Forderbedarf getestet. Aufgrund des Testergebnisses (IQ = 59) kam er in die zweite Klasse des Forderzentrums mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung.
Diese Thematik hat mein Interesse geweckt, weil ich mir nach erstmaligem Horen der Geschichte des Jungen Gedanken daruber gemacht habe, wie er wohl in der vorigen Schule zurechtgekommen war und wie er sich dort gefuhlt haben muss. Durch die Erzahlungen meiner Mentorin soll er es recht schwer gehabt haben, weshalb es fur mich umso schoner zu sehen war, wie er nun aufbluht. Aus diesem Grund stellte sich mir explizit die Frage, ob Inklusion ein Ziel darstellt, welches idealerweise auf jeden Schuler anzuwenden sei.
2.2. Literaturbezug
„Die UN-Konvention verpflichtet zur Umstellung auf ein inklusives Erziehungs- und Bildungssystem als ein unteilbares Recht fur alle Kinder und auf allen Ebenen“ (DGfE, 2011). In Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention wird festgehalten, dass „Menschen mit Behinderung nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht [...] ausgeschlossen werden" (UN-Behindertenrechtskonvention, 2008). Auch die Kultusministerkonferenz von 2011 beruft sich auf eine inklusive Beschulung, in der es heiBt: „Grundlage inklusiver Bildung sind das gemeinsame Lernen und die gemeinsame Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen [...] [,] die in einem langerfristigen Prozess zu verwirklichen ist" (Heinrich 2017, zitiert nach KMK 2011).
Jedoch bezieht sich Inklusion nicht ausschlieBlich auf das Recht der Bildung. Vielmehr ist sie auf unterschiedlichen Ebenen zu betrachten: Zugang zu (schulischer) Bildung, Akzeptanz von Schulerinnen und Schulern mit besonderen Forderbedurfnissen in Schulen, Maximierung der sozialen Partizipation sowie Verbesserung der Personlichkeits-, Lern und Leistungsentwicklung (Werning, 2014). Diese Ebenen verdeutlichen die Komplexitat von Inklusion und, dass diese zum Teil von Faktoren abhangig ist, welche kaum beeinflussbar sind. Diesen Gedankengang untermauern Cramer & Harnat (2014) in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit dem Komplex Inklusion:
„Radikale Inklusionsbestrebungen bergen das Risiko eines Perspektivenwechsels weg vom Individuum hin zur Vergemeinschaftung, was der Aufhebung individueller Benachteiligung zuwider lauft. Wird das Menschenrecht Inklusion [...] an seiner vollstandigen gesellschaftlichen Umsetzung gemessen, kann es nur scheitern [...]. Wurden ausschlieBlich inklusive Prinzipien [...] schulisches Arbeiten bestimmen, konnten einzelne Individuen potenziell schlechter gefordert werden als z. B. in einer geeigneten Sonderschule“.
2.3. Auswertung
Bevor der besagte Schuler die Schule wechselte, stand laut Aussage meiner Mentorin die Frage im Raum, ob er weiterhin in einer Regelschule (das heiBt inklusiv) oder in einem Forderzentrum (exklusiv) beschult werden sollte. Meiner Meinung nach ist Inklusion nicht fur jede Schulerin bzw. jeden Schuler geeignet. Insbesondere im Bereich der Forderung der geistigen Entwicklung erachte ich eine Beschulung im Rahmen eines Forderzentrums oftmals als einen fur das Kind sinnvolleren Weg.
Fur mich stellen die GesetzmaBigkeiten sowie die anderen theoretischen Grundlagen von Inklusion ein Ideal dar, welches zurzeit schwer umsetzbar ist. Es mag fur viele Schulerinnen und Schuler, die aufgrund ihrer geistigen Entwicklung kaum Einschrankungen haben, ein funktionierendes Konzept sein. Jedoch erachte ich es fur den GroBteil der Kinder mit (starkeren geistigen) Beeintrachtigungen als nicht sinnvoll.
Inklusion bedeutet fur mich etwas, das die Gesellschaft und die Politik fur den allgemein akzeptierten, richtigen Weg erachtet. Spricht man von Inklusion, so nehme ich es wahr, wird damit stets etwas Positives und Wunschenswertes verbunden. Was eine inklusive Beschulung jedoch fur manche Schuler im Alltag bedeuten kann, namlich ausgeschlossen oder gar gemobbt zu werden, das ruckt meiner Meinung nach dabei in den Hintergrund. Inklusion sollte kein allgemeines, fur alle Kinder geltendes Ziel sein. Das Beispiel des Jungen, welcher neu in „unsere“ Klassen gekommen war, verdeutlicht mir diese Haltung. Denn er geht seit dem Schulwechsel wieder gerne zur Schule und fuhlt sich inzwischen sehr wohl. Letztendlich sollte Inklusion fur jeden Kind zwar eine Moglichkeit, jedoch kein Muss darstellen.
3. Erlernen von Assoziationen durch die klassische Konditionierung
3.1. Situationsbeschreibung
Meine Mentorin verwendet in ihrer Klasse fur die zeitliche Orientierung der Schuler eine visualisierende Uhr (Bild s. Anhang Abb. 1). An dieser kann man die noch verbleibende Zeit (z.B. 10 Minuten Restzeit, bis die Fruhstuckspause vorbei ist) einstellen. Sobald die Zeit abgelaufen ist ertont ein Signal. Als beeindruckend empfand ich, dass sich bisher ausnahmslos alle Kinder an diese Uhr gehalten haben. Sobald der Ton zu horen ist, fangen die Schuler an, ihren Platz aufzuraumen bzw. zum Arbeiten an den Tisch zu kommen. Einige Schuler geraten regelrecht in Hektik, sobald sie den Signalton horen, was ich an ihrem Verhalten erkennen kann. Sie sehen im ersten Moment erschrocken aus und beschleunigen darauf hin ihre gesamte Bewegung. Eine weitere Beobachtung, die ich gemacht habe, ist, dass manche Schuler sogar gegen Ende der Zeit gespannt darauf warten, dass endlich der Ton erklingt. Sie fixieren die Uhr mit ihrem Blick und sagen, dass gleich die Zeit rum sei und es „piept“. Eine weitere Anwendungsmoglichkeit der Uhr ist, dass man die Schuler - mit dem Hinweisen auf die verbleibende Zeit - dazu veranlassen kann, schneller oder konzentrierter zu arbeiten. Trodelt beispielsweise ein Schuler bei der Bearbeitung einer Aufgabe, so konnte ich es beobachten, fing dieser nach dem Hinweis auf die Uhr an, wieder in einem angemessenen Tempo weiterzuarbeiten.
Aufgrund dieser Erfahrungen wahrend des Unterrichts stellte sich mir die Frage, inwieweit die Verhaltensweisen der Schuler erklarbar sind und ob diese Vorgehensweise prinzipiell auf andere Situationen ubertragbar ist?
3.2. Literaturbezug
Durch meine Recherche bin ich auf die klassische Konditionierung nach Pawlow gestoBen, welche sich meines Erachtens nach - fur die vorherig beschriebenen Erfahrungen - als eine sehr passende Theorie herausgestellt hat.
Die klassische Konditionierung oder auch Signallernen „ist der Prozess, der wiederholten Koppelung eines neutralen Reizes mit einem unbedingten Reiz, wobei der ursprunglich neutrale Reiz eine Signalfunktion ubernimmt und eine bedingte Reaktion auslost" (Hobmair, 1993). Pawlows Theorie und seine damit einhergehende Forschung konnte zeigen, dass nicht nur „nach Darbietung ursprunglich neutraler Reize bestimmte unwillkurliche physiologische Reaktionen" hervorgerufen werden konnen (s. Pawlow'scher Hund), sondern auch erklart werden kann, „wie bei Lernenden Verknupfungen zwischen kontrollierbaren Reizen der Umwelt und bestimmten Emotionen oder Einstellungen entstehen" (Mietzel, 2007). Wichtig fur eine gelingende Konditionierung sei insbesondere die raumliche bzw. zeitliche Nahe (Kontinguitat), worunter man versteht, dass der neutrale Reiz eng mit dem unbedingten Reiz gekoppelt sein muss.
„[I]m padagogischen Kontext spielt die Konditionierung eine wichtige Rolle und kann durchaus bewusst genutzt werden. So kann z. B. ein neutrales Schulfach an Attraktivitat gewinnen, wenn die Lehrkraft den Unterricht spannend und abwechslungsreich gestaltet. Die positiven Emotionen, die so durch das Auftreten der Lehrkraft geweckt werden, konnen schlieBlich mit dem Schulfach gekoppelt werden, so dass letztlich die Schuler prinzipiell schon Freude empfinden, wenn sie an das Schulfach alleine denken" (Bodenmann & Schaer, 2006).
Interessant dabei ist, dass solche konditionierten Verhaltensweisen trotz bereits erfolgreicher Umsetzung der Schuler fortwahrend wiederholt werden muss, da diese ansonsten in ihrer Auftretenshaufigkeit sinken werden. Prof. Dr. Hartwig Schroder spricht in seinem Buch Lernen - Lehren - Unterricht vom „Gesetz der Ubung", nach dem „fur eine Verknupfung von Reiz und Reaktion [...] ein mehrmaliges Zusammentreffen erforderlich [ist]. Die Verbindung wird umso starker, je haufiger sich die Reiz-Reaktions-Folge vollzieht. Wiederholung starkt die Verknupfung, mangelnder Vollzug schwacht sie ab". Ferner seien zwei weitere „Gesetze" maBgeblich: das „Gesetz der Bereitschaft [...]: [bei dem es nur dann zu einem Verhalten kommt], wenn eine Verhaltenstendenz vorliegt. Diese Bereitschaft zum Verhalten wird durch das gegebene Bedurfnis geschaffen". Zuletzt gebe es das „Gesetz des Erfolgs [...]: [bei dem] [e]ine Verbindung zwischen Situation und entsprechender Reaktion [...] herbeigefuhrt und verstarkt [wird], wenn das entsprechende Verhalten zu einer Bedurfnisbefriedigung fuhrt" (Schroder, 2002).
3.3. Auswertung
Auf die oben beschriebene Situation lieBe sich das Prinzip des Signallernens wie folgt anwenden: der neutrale Reiz ware der Signalton, der unbedingte Reiz ware die Ansage meiner Mentorin, sich zu beeilen oder aufzuraumen und die bedingte Reaktion (also die Kopplung des neutralen mit dem unbedingten Reiz) ware, dass die Schuler nach Ertonen des Signals der Uhr anfangen, aufzuraumen bzw. sich beeilen (ohne, dass dazu etwas von der Lehrerin gesagt werden muss). Das heiBt, die (oft) wiederholte Verknupfung von der Ansage aufzuraumen bzw. sich zu beeilen mit dem Signalton der Uhr fuhrte dazu, dass die Schuler nun die gewunschte Verhaltensweise bereits beim alleinigen Horen des Tons zeigen.
4. Unterrichtsplanung
4.1. Kurzinformationen
Die im Folgenden als Doppeleinheit geplanten Unterrichtsstunden zum Thema Wahrnehmen, Benennen und Differenzieren von Gefuhlen finden am 28.05.2019 von 10:30 Uhr bis 11:15 Uhr bzw. 11:35 Uhr bis 12:20 in der Klassenstufe 2 im Rahmen des Unterrichtsfachs „TZU“ (themenzentrierter Unterricht) statt und ist Bestandteil der ubergeordneten Unterrichtseinheit Gefuhle. Es sind die 3. und 4. Stunde dieser Einheit. Die Stunden sind durch eine 20-minutige Pause unterbrochen.
Die Auseinandersetzung der Schuler mit dieser Thematik ist von Bedeutung, weil das Differenzieren von Emotionen fur die sowohl im Alltag als auch in der Schule stattfindende soziale Interaktion unerlasslich ist. Durch das Wahrnehmen sowohl der eigenen Gefuhle als auch die der anderen erlangen die Kinder einen groBeren Handlungsspielraum, um beispielsweise eigene Bedurfnisse auBern oder angemessen auf ihre Mitmenschen reagieren zu konnen.
4.2. Beschreibung der Lerngruppe
In der Klasse sind 6 Schulerinnen und 2 Schuler im Alter von 8 - 9 Jahren. Alle Schuler haben den Forderschwerpunkt geistige Entwicklung, wobei auch die sozio-emotionale Forderung hier stark im Vordergrund steht. Es befinden sich neben der Klassenlehrerin und mir eine weitere Lehrerin, eine Erzieherin, eine Schulbegleiterin sowie an manchen Tagen ein weiterer Sonderpadagoge in der Klasse. SchwerpunktmaBig wird hauptsachlich handlungsorientiert und alltagsbezogen mit ihnen gearbeitet.
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