Für diese Arbeit ist neben den Positionen des klassisch islamischen Rechts zum grundlegenden Verständnis der Untersuchungsgegenstände insbesondere die Perspektive des sunnitischen Gelehrten Yūsuf al-Qaraḍāwī von Bedeutung. Anhand seiner Haltung gegenüber der Legitimität von Selbstmordoperationen in Palästina soll eingebettet in die klassisch islamrechtlichen Auffassungen die Frage beantwortet werden, welche Rolle die Konzepte von dār al-islām und dār al-ḥarb im ǧihād der Verteidigung Palästinas spielen.
Umfassend werden hierzu vorerst einige Aspekte des Rechtsverständnisses al-Qaraḍāwīs dargestellt, um möglichst eine Annäherung an dessen Spielräume und Auslegungsinstrumente zu finden, bevor sowohl klassische Konzeptionen sunnitischer Tradition als auch al-Qaraḍāwīs Interpretation der islamischen Rechtsquellen zum internationalen Recht und ǧihād untersucht werden. Auf dieser Grundlage findet schließlich eine Diskussion von al-Qaraḍāwīs Legitimierungsstrategie anti-israelischer Selbstmordoperationen im Kontext seiner Feindbilder und der Einordnung Israels nach internationalem islamischem Recht statt.
Die wissenschaftliche Forschung zum Thema ǧihād in der praktischen Anwendung durch islamistische Gruppierungen und Terrororganisationen ist stark sozialwissenschaftlich geprägt. Ziel ist, möglichst deutlich werden zu lassen, auf welche Positionen und (historische) Grundlagen sich insbesondere die Interpretations- und damit auch die Handlungsweise al-Qaraḍāwīs in diesem Kontext stützt. Hauptsächlich liegt hier Yūsuf al-Qaraḍāwīs Werk Fiqh al-Ǧihād zugrunde, welches von anderen relevanten Autoren in ihren wissenschaftlichen Arbeiten untersucht wurde und auf diese Weise für diese Analyse zugänglich ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Yusuf al-Qaraḍāwī – Die moderate Mitte des islamischen Rechts?
- Dār al-islām und dār al-ḥarb – Die Teilung der Welt aus islamischer Sicht
- Von einer dichotomen Konzeption zu pluralen Nationalstaaten – Ansätze des klassisch islamischen Rechts in der Entwicklung
- Die Perspektive al-Qaraḍāwīs auf die Grenzen des dār al-islām
- Heilige Kriege global – ğihād -Konzepte im islamischen Recht
- Offensiver und defensiver ğihād nach klassisch islamischem Recht
- Unterscheidung von Terrorismus und ğihād
- Feindbild Israel
- Al-Qaraḍāwīs Position zu Israel
- Feindbilder und ihre Hintergründe
- Verortung Israels nach internationalem islamischen Recht
- Legitimierung von Selbstmordanschlägen nach al-Qaraḍāwī
- Al-Qaraḍāwīs Position zu Israel
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Rolle des internationalen islamischen Rechts im Kontext des ğihād der Verteidigung Palästinas, insbesondere unter Berücksichtigung der Positionen des sunnitischen Gelehrten Yūsuf al-Qaraḍāwī. Die Arbeit analysiert die Konzepte von dār al-islām und dār al-ḥarb zur Teilung der Welt und untersucht verschiedene Verständnisse des islamischen ğihād, sowohl in Bezug auf das klassische islamische Recht als auch auf al-Qaraḍāwīs Interpretation.
- Das Verhältnis von dār al-islām und dār al-ḥarb im Wandel der Zeit
- Die Perspektive al-Qaraḍāwīs auf dār al-islām und seine Anwendung in der Palästina-Frage
- Die Konzepte von offensivem und defensivem ğihād im klassischen islamischen Recht
- Al-Qaraḍāwīs Positionierung zum Thema Selbstmordanschläge im Kontext der Verteidigung Palästinas
- Die Einordnung Israels im internationalen islamischen Recht und die Rolle von Feindbildern in al-Qaraḍāwīs Argumentation
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über den Konflikt um Palästina und die Rolle, die religiös motivierte Gewalt und emotionale Debatten in islamistischen Kreisen spielen. Die Arbeit stellt die zentrale Bedeutung des islamischen Rechts für das Verständnis dieser Debatten heraus und kündigt die Analyse des internationalen islamischen Rechts der Konzepte dār al-islām und dār al-ḥarb sowie des islamischen ğihād an. Al-Qaraḍāwīs Position zu Selbstmordoperationen in Palästina wird in den Kontext der klassischen islamrechtlichen Auffassungen eingebettet, um die Rolle der Konzepte von dār al-islām und dār al-ḥarb im ğihād der Verteidigung Palästinas zu beleuchten.
Kapitel II stellt Yūsuf al-Qaraḍāwī als einen der populärsten zeitgenössischen islamischen Rechtsgelehrten vor. Es wird auf sein Verständnis von wasaṭīya als „moderate Mitte“ des islamischen Rechts eingegangen und die Bedeutung dieses Konzepts für al-Qaraḍāwīs Rechtsfindung und seine Positionierung in Fragen des defensiven ğihād erläutert.
Kapitel III behandelt die Konzepte von dār al-islām und dār al-ḥarb im internationalen islamischen Recht. Es wird zunächst ein Überblick über die Entwicklung des klassischen islamischen Rechts zur Teilung der Welt gegeben, bevor al-Qaraḍāwīs eigene Perspektive auf die Grenzen des dār al-islām vorgestellt wird.
Kapitel IV befasst sich mit den Konzepten von offensivem und defensivem ğihād im klassischen islamischen Recht und der Unterscheidung von Terrorismus und ğihād.
Kapitel V untersucht al-Qaraḍāwīs Position zu Israel, insbesondere die Rolle von Feindbildern und die Einordnung Israels nach internationalem islamischen Recht. Es wird auch die Legitimierung von Selbstmordanschlägen nach al-Qaraḍāwī diskutiert.
Schlüsselwörter
Islamisches Recht, ğihād, dār al-islām, dār al-ḥarb, Yūsuf al-Qaraḍāwī, Palästina, Israel, Selbstmordanschläge, Feindbilder, wasaṭīya, internationale Beziehungen, Rechtsfindung, Tradition, Moderne, sunnitisch.
- Quote paper
- Lea Seiter (Author), 2020, Yūsuf al-Qaraḍāwī und der Kampf um Palästina, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1032480