In dieser Arbeit wird ein Erklärvideo des Kanals "MrWissen2go Geschichte" näher beleuchtet und analysiert. Dabei werden zuerst der inhaltliche Aufbau und die Machart in den Blick genommen. Anschließend wird die fachliche und geschichtsdidaktische Qualität des Videos geprüft, um in einem letzten Schritt die erkannten Schwächen des Videos, durch die Einbettung in eine Unterrichtsstunde, auszugleichen.
Erklärvideos sind in der heutigen Welt der Lernenden omnipräsent und nicht mehr wegzudenken. Tag für Tag erscheinen immer mehr Erklärvideos auf Videoplattformen wie z. B. YouTube. Dass das Konzept der Videos Erfolg hat, zeigt sich beispielsweise in einer 2019 veröffentlichten Studie des Rats für Kulturelle Bildung zur Nutzung kultureller Bildungsangebote an digitalen Kulturorten unter 12- bis 19-Jährigen. Aus dieser Studie geht hervor, dass Erklärvideos bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr beliebt sind. Sie unterstützen die Lernenden bei der Bearbeitung von Hausaufgaben und der Vorbereitung auf Leistungsnachweise. Ein besonderes Merkmal der Erklärvideos ist ihre dauerhafte Verfügbarkeit. wodurch sich die Möglichkeit des mehrfachen Ansehens ergibt. Sie zeichnen sich aber auch durch ihre anschaulichen und verständlichen Erklärungen aus. Das Stichwort hier ist Edutainment, also die Vermittlung von Inhalten durch eine unterhaltsame Art und Weise.
Dieser Entwicklungsprozess verändert das Lernverhalten und die Lernstrategien der Schülerinnen und Schüler nachhaltig. Die Plattform YouTube, die diese Entwicklung durch das Hochladen immer neuer Erklärvideos maßgeblich weitertreibt, muss deswegen als "bedeutsamer pädagogischer Akteur" angesehen werden. Mit diesen Entwicklungen und den zahlenmäßig immer weiter steigenden Abonnenten und Aufrufen der großen deutschen ‚Erklär-Kanäle‘, stellt sich jedoch auch die Frage, ob die Flut der Erklärvideos auch Risiken mit sich bringt. Diese Frage ist klar mit Ja zu beantworten. Der Umgang mit Erklärvideos stellt eine Herausforderung dar. Die angebotenen Videos unterscheiden sich maßgeblich in ihrer didaktischen und fachlichen Qualität. Es ist Vorsicht bei der Auswahl geboten, denn nicht jedes Erklärvideo schafft es, den jeweiligen Sachverhalt verständlich und korrekt zu erläutern. Es kann auch nicht ohne Weiteres darauf vertraut werden, dass die gemachten Aussagen wissenschaftlich belegt sind, da Kontrollinstanzen fehlen.
Inhaltsverzeichnis
I. Die Flut der Erklärvideos als Chance und Herausforderung
II. Inhaltlicher Aufbau und Machart des Videos
1. Allgemeines zum Erklärvideo
2. Aufbau des Videos
2.1 Inhaltlicher Aufbau
2.2 Machart des Videos
3. Fachliche Gegenstandsanalyse
4. Geschichtsdidaktische Analyse
4.1 Geschichtsdidaktische Unterrichtsprinzipien
4.2 Dimensionen des Geschichtsbewusstseins
4.3 Geschichtskultur
5. Einbettung des Erklärvideos in eine Unterrichtsstunde
III. Schlussbetrachtung
IV. Anhang
Literaturverzeichnis
Materialien für das Unterrichtsvorhaben
I. Die Flut der Erklärvideos als Chance und Herausforderung
Erklärvideos sind in der heutigen Welt der Lernenden omnipräsent und nicht mehr wegzudenken. Tag für Tag erscheinen immer mehr Erklärvideos auf Videoplattformen wie z. B. YouTube. Dass das Konzept der Videos Erfolg hat, zeigt sich beispielsweise in einer 2019 veröffentlichten Studie des Rats für Kulturelle Bildung zur Nutzung kultureller Bildungsangebote an digitalen Kulturorten unter 12- bis 19-Jährigen.1 Aus dieser Studie geht hervor, dass Erklärvideos bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr beliebt sind. Sie unterstützen die Lernenden bei der Bearbeitung von Hausaufgaben und der Vorbereitung auf Leistungsnachweise. Ein besonderes Merkmal der Erklärvideos ist ihre dauerhafte Verfügbarkeit. wodurch sich die Möglichkeit des mehrfachen Ansehens ergibt. Sie zeichnen sich aber auch durch ihre anschaulichen und verständlichen Erklärungen aus. Das Stichwort hier ist Edutainment, also die Vermittlung von Inhalten durch eine unterhaltsame Art und Weise.
Dieser Entwicklungsprozess verändert das Lernverhalten und die Lernstrategien der Schülerinnen und Schüler nachhaltig. Die Plattform YouTube, die diese Entwicklung durch das Hochladen immer neuer Erklärvideos maßgeblich weitertreibt, muss deswegen als „bedeutsamer pädagogischer Akteur“2 angesehen werden.
Mit diesen Entwicklungen und den zahlenmäßig immer weiter steigenden Abonnenten und Aufrufen der großen deutschen ‚Erklär-Kanäle‘, stellt sich jedoch auch die Frage, ob die Flut der Erklärvideos auch Risiken mit sich bringt. Diese Frage ist klar mit Ja zu beantworten. Der Umgang mit Erklärvideos stellt eine Herausforderung dar. Die angebotenen Videos unterscheiden sich maßgeblich in ihrer didaktischen und fachlichen Qualität. Es ist Vorsicht bei der Auswahl geboten, denn nicht jedes Erklärvideo schafft es, den jeweiligen Sachverhalt verständlich und korrekt zu erläutern. Es kann auch nicht ohne Weiteres darauf vertraut werden, dass die gemachten Aussagen wissenschaftlich belegt sind, da Kontrollinstanzen fehlen.3
Erklärvideos sind kein Ersatz für den schulischen Unterricht, sie können diesen jedoch unterstützen. Für die Lehrkraft ist es einerseits die Chance, die Lernenden in ihrer Alltagswelt abzuholen und Lernen mit Unterhaltung zu verbinden, andererseits stellt die Nutzung von Erklärvideos im Unterricht auch eine Herausforderung dar. Die Videos müssen im Vorhinein sorgfältig überprüft und analysiert werden, um die Integration in den Unterricht planen und Schwächen ausgleichen zu können.
Im Folgenden wird ein Erklärvideo des Kanals „MrWissen2go Geschichte“ näher beleuchtet und analysiert. Dabei werden zuerst der inhaltliche Aufbau und die Machart in den Blick genommen. Anschließend wird die fachliche und geschichtsdidaktische Qualität des Videos geprüft, um in einem letzten Schritt die erkannten Schwächen des Videos, durch die Einbettung in eine Unterrichtsstunde, auszugleichen.
II. Inhaltlicher Aufbau und Machart des Videos
1. Allgemeines zum Erklärvideo
Das ausgewählte Erklärvideo mit dem Titel „Mittelalter: Leben im Dorf – Geschichte einfach erklärt“4 behandelt das Leben im mittelalterlichen Dorf. Es wurde am 13.04.2017 auf der Videoplattform YouTube auf dem Kanal MrWissen2go Geschichte veröffentlicht und ist 8:10 Minuten lang. Die Videos, die sich vornehmlich mit Themen rund um Geschichte beschäftigen, werden seit 2017 von Mirko Drotschmann moderiert. Der Kanal hat 642.000 Abonnenten und das ausgewählte Video rund 460.000 Aufrufe.5 Mirko Drotschmann ist der Betreiber des Kanals, der Teil des Online-Medienangebots ‚funk‘ ist. Er hat laut seinem Wikipedia-Artikel Geschichte und Kulturwissenschaft studiert und Erfahrungen im Bereich Journalismus und Fernsehen gesammelt.6 Außerdem betreibt er noch einen weiteren Kanal, der circa 1,42 Millionen Abonnenten vorweisen kann. Bemerkenswert ist auch, dass alle seiner Videos fast ausschließlich positiv bewertet werden und bei den Zuseher*innen demnach sehr gut ankommen. Auch das Erklärvideo, das im Folgenden analysiert wird, verfügt über ein Like-Dislike Verhältnis von 8935 zu 298.7
2. Aufbau des Videos
2.1 Inhaltlicher Aufbau
Der inhaltliche Aufbau des Videos folgt einer sinnvollen Unterteilung in die Kernbereiche des mittelalterlichen Lebens auf dem Dorf. Stichpunktartig kann das Erklärvideo in fünf Schritte gegliedert werden. Im ersten Schritt, zu Beginn des Videos, gibt Drotschmann einen prägnanten Überblick bezüglich der Leitfragen, die durch das Video beantworten werden sollen.8 Der erste inhaltliche Punkt thematisiert den Aufbau eines typischen Dorfes. Im Anschluss daran gibt er einen Überblick über die verschiedenen Bewohner des Dorfes und deren Aufgaben und soziale Stellung. Im nächsten Punkt behandelt er den Alltag der Dorfbewohner und schließt dann mit der Rolle der Kirche im dörflichen Leben ab.
Die rein inhaltlichen Aspekte sind angemessen gegliedert. Eine Einführung in das Thema fehlt jedoch komplett und auch das Ende kommt eher abrupt, da eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte oder ein Fazit komplett fehlen.
2.2 Machart des Videos
Drotschmann ist während seinen Erklärungen und seinem Vortrag für die Zuseher*innen mit wenigen Ausnahmen, bei denen er ein Schaubild aus dem Off erläutert, sichtbar. Dieses Schaubild, dass er ausführlich behandelt stellt auch ein zusätzliches Medium zum Vortrag dar. Darstellungen9, Infokästchen10 und das Schaubild dienen dazu, die Inhalte zu veranschaulichen und zusätzliche visuelle Impulse zu setzen. Teilweise werden diese Abbildungen jedoch rein dekorativ benutzt und von Drotschmann überdeckt. Sie erscheinen dann im Hintergrund, während Drotschmann Inhalte erläutert, was stellenweise eher ablenkt. Es findet auch keine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesen Abbildungen statt.
Drotschmann hat ein angenehmes Sprechtempo, welches es ermöglicht, seinen Ausführungen zu folgen. Auch seine Sprache ist angemessen und an die Zielgruppe angepasst. So findet er eine gelungene Mischung aus Fachsprache und Umgangssprache. Drotschmann verwendet im Laufe des Videos einige Fachbegriffe, die meist, aber nicht immer erklärt werden. So stellt er beispielsweise klar, was ein Lehensverhältnis, ein Heimarbeiter oder die Dorfehrbarkeit ist. Negativ fällt auf, dass der zentrale Begriff der Ständegesellschaft nicht weiter erklärt oder definiert wird, was jedoch eine elementare Notwendigkeit in diesem Zusammenhang darstellt.
Sein Sprachstil ist objektiv und sachlich, an keiner Stelle gibt Drotschmann subjektive Meinungen und Bewertungen ab, sodass die Zuseher*innen nicht beeinflusst werden und sich ein eigenes Bild vom Leben im Mittelalter machen können.
Um die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen über die Länge des Videos aufrecht zu erhalten, baut er auf den Einsatz verschiedener Medien, die seinen Vortrag unterstützen und veranschaulichen. Besonders hervorzuheben ist das Schaubild, das im Laufe des Videos mehrfach aufgegriffen wird. Dieses wird immer wieder mit den entsprechenden Informationen, die aus dem Vortrag hervorgehen, aktualisiert. Am Ende des Themenpunkts ‚Gesellschaftlicher Aufbau des Dorfes‘ steht dann ein umfassendes und übersichtliches Schaubild, das einen Überblick über alle Bewohner und Umherziehenden des mittelalterlichen Dorfes gibt.
3. Fachliche Gegenstandsanalyse
Bevor mit der fachlichen Analyse begonnen wird, ist festzuhalten, dass sich die Informationen und Inhalte aus dem Erklärvideo bezüglich ihres Ursprungs nicht zurückverfolgen lassen. Es ist nicht ersichtlich, mit welchen Hilfsmitteln, in Form von Literatur oder Internetressourcen, der Inhalt des Videos erarbeitet wurde. Demnach ist es nicht möglich, nachzuprüfen, ob seriöse und wissenschaftliche Literatur verwendet wurde, die dem historischen Thema gerecht wird. Im Umkehrschluss bedeutet das für die Zuseher*innen, dass sie darauf angewiesen sind, zu glauben, was Drotschmann in seinem Video erzählt. Kurzgesagt fehlt die Transparenz und die geschichtlichen Informationen werden als ‚selbstverständliche Wahrheiten‘ präsentiert.
Dieser Umstand macht eine Überprüfung der fachlichen Richtigkeit, der im Video dargelegten Inhalte, unabdingbar.
Im ersten Punkt sei gesagt, dass die präsentierten Inhalte mit den geforderten Inhalten des LehrplanPLUS Geschichte/Politik/Geographie für die 6. Jahrgangstufe der Mittelschule konform gehen. In den Kompetenzerwartungen zum Lernbereich 2: Zeit und Wandel heißt es: „Die Schülerinnen und Schüler stellen die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen im Mittelalter auf dem Land und in der Stadt dar und vergleichen sie mit heute.“11 Weiter wird in den Inhalten zu den Kompetenzen das konkrete Thema „Lebensräume und Lebensbedingungen im Mittelalter“12 genannt. Somit ist festzuhalten, dass die dargestellten Inhalte des Videos auf die wesentlichen Aspekte des Themas im Unterricht zielen. Im Anschluss an das Thema ‚Leben auf dem Dorf‘ kann die Behandlung des Stadtlebens folgen, um in einem letzten Schritt die beiden Lebensräume untereinander, aber auch in Bezug zur Gegenwart, zu vergleichen.
Fachlich korrekt und vereinfacht erläutert Drotschmann das System der Grundherrschaft. Er nennt die beteiligten Parteien und erklärt die Pflichten bzw. Rechte, um in einem nächsten Punkt das daraus resultierende Abhängigkeitsverhältnis darzulegen. Er verdeutlicht stark das Machtgefälle zwischen Grundherrn und Hörigen und geht hierbei auch auf die Rangordnung und Abstufungen der Bewohner innerhalb des Dorfes ein.13 Korrekt stellt er auch das Dorf als einen eigenständigen Friedens- und Rechtsbereich dar.14 Anzumerken ist hier jedoch, dass dies ein Prozess war, denn das Dorf entwickelte sich erst im Laufe des Spätmittelalters „zu einem Rechtsverband mit eigenen Organen“.15 Drotschmann verdeutlicht die Bedeutung der Landwirtschaft und des Agrarwesens, als Ernährungs- und Existenzgrundlage.16 Er weißt jedoch nicht darauf hin, dass das Agrarwesen nicht nur die Existenzgrundlage für die Bauern, sondern für die komplette Gesellschaft war.17 In diesem Kontext versäumt er es zudem, den Begriff der Dreifelderwirtschaft einzuführen, die er zwar beschreibt, aber nicht benennt.
In einem zweiten Punkt werden nun diejenigen Inhalte des Videos beleuchtet, die sich nach der Litertaturrecherche als falsch bzw. historisch nicht nachweisbar erwiesen haben.
Die Lebenswartung im Mittelalter ist schwierig bis kaum nachzuweisen. Drotschmanns Aussage zu Folge lag diese „bei 30 bis 40 Jahren“18. An dieser Stelle unterlässt er es, nachzuweisen, auf welche Quelle er sich stützt. Er gibt weder den Zeitraum, die Region noch die Bevölkerungsschicht an, auf die diese Lebenserwartung zutrifft. Richtigerweise hebt er aber im Vorhinein die hohe Kindersterblichkeitsrate hervor, die teilweise bis zu 40% betrug.19 Dass diese hohe Rate aber auch den Wert der Lebenserwartung beeinflusst und diesen nach unten drückt, erwähnt Drotschmanns nicht. So war die Lebenserwartung für Männer und Frauen, die das Erwachsenenalter erreichten, 47 bzw. 44 Jahre.20 Insgesamt variieren diese Zahlen aber stark, sodass mit solchen Durchschnittswerten allgemein vorsichtig umgegangen werden sollte.
An einer anderen Stelle behauptet Drotschmann, dass niemand den sozialen Aufstieg schaffe.21 Diese zu pauschale Aussage vermittelt den Eindruck, dass die Ständeordnung oder auch die gesellschaftliche Ordnung innerhalb eines Dorfes statisch wäre. Diese Annahme ist jedoch falsch, da es durchaus, wenn auch wenig, soziale Mobilität im Mittelalter gab. Große Grundherren setzten beispielsweise einen Verwalter ein, der sie repräsentierte und als Mittler zwischen Hörigen und Grundherrn fungierte. Dieser Verwalter war ursprünglich meist ein Bauer mit einem oder mehreren Höfen gewesen, der durch dieses Amt eine soziale Aufstiegsmöglichkeit bekam. Mit der Zeit wurden diese Verwalter selbst zur Dorfobrigkeit, die es sich nicht nehmen ließen, selbst Abgaben zu erheben. Diese einstigen hörigen Bauern stiegen demnach sozial auf, teilweise standen sie sogar in einem Konkurrenzkampf mit den eigentlichen Grundherren.22 Dieses Beispiel ist ein Beleg, der der These von der Nicht-Existenz des sozialen Aufstiegs widerspricht.
Allgemein ist festzuhalten, dass sich Drotschmann nie auf ‚das Eine‘ Dorf bezieht. Er unterscheidet große Dörfer und kleine Dörfer, selbstverwaltete und nicht selbstverwaltete Dörfer und verschiedene Arten von Dörfern bezüglich ihrer Lage.23 Für ein prägnantes Erklärvideo ist dies eine sinnvolle Herangehensweise. Historisch gesehen behandelt Drotschmann mit seinem Video jedoch eine Zeitspanne von circa 1000 Jahren, was an keiner Stelle deutlich wird. Der Wandel des Dorflebens innerhalb des Mittelalters findet keine Erwähnung.
Zu kurz kommt in jedem Fall der Wandel der Grundherrschaft innerhalb des Mittelalters. Der Eigenwirtschaft wurde im Laufe des Mittelalters, vor allem ab dem 13. Jahrhundert, eine immer kleinere Rolle zugewiesen. Die Pacht wurde immer mehr zum bestimmenden Element in der Grundherrschaft. Beispielsweise entwickelte sich die Zeitpacht zu festen Zinssätzen und schließlich auch die Erbpacht.24 Das System der Grundherrschaft blieb zwar bestehen, jedoch wurde es im Mittelalter „zu einem flexiblen, dauernden Änderungen unterworfenen System“.25
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Erklärvideo inhaltlich eine akzeptable Qualität aufweist. Diese Bewertung ergibt sich dadurch, dass die meisten Inhalte zwar korrekt sind, Prozesse, Veränderungen und Dynamiken innerhalb des Dorflebens und der Grundherrschaft aber nur unzureichend behandelt werden. Außerdem gibt es einige Aspekte, die im Video gar keine Erwähnung finden und Aussagen, die schwer nachweisbar oder zu pauschal getroffen wurden.
In jedem Fall besticht ein Erklärvideo durch seine Prägnanz und Kürze, also durch das Behandeln eines komplexen Themas in nur wenigen Minuten. Deswegen wäre es nicht möglich, alle Aspekte, die im Laufe dieser fachlichen Gegenstandsanalyse angesprochen wurden, zu verbessern bzw. noch hinzuzufügen. Trotzdem würde vor allem die Verbesserung von Falschaussagen und die differenziertere Behandlung des Wandels des Dorflebens, die inhaltliche Qualität des Videos fördern.
4. Geschichtsdidaktische Analyse
4.1 Geschichtsdidaktische Unterrichtsprinzipien
Quellenorientierung
Eine Quelle stellt den zentralen Werkstoff für den Geschichtsunterricht dar und gibt Auskunft darüber, worauf „unser Wissen über Vergangenheit ursprünglich zurückzuführen“26 ist. Aus diesem Grund sollte möglichst an jeder Stelle im Geschichtsunterricht mit Quellen gearbeitet werden. Das geschichtsdidaktische Prinzip der Quellenorientierung findet sich im Rahmen des Erklärvideos jedoch nur unzureichend wieder. Drotschmann verwendet zwar Quellen27, jedoch dienen diese meist nur illustrativen, dekorativen Zwecken. Problematisch ist es in Bezug auf die Quellen auch, dass er keine Entstehungsdaten nennt bzw. Quellenangaben offenlegt. Folglich ist es schwer möglich, zu unterscheiden, ob es sich bei der eingeblendeten Abbildung um eine Quelle oder eine nachträglich erstellte Darstellung handelt. Somit sind die verwendeten Bilder von einer Kirche (Minute 1:04), einem Schmied (Minute 2:48), einem Tagelöhner (Minute 6:25) oder einem Händler (Minute 6:40) nicht eindeutig als Quelle oder Darstellung identifizierbar. Dieser Umstand verhindert das eigentliche Ziel der Quellenorientierung. Den Lernenden ist es durch das Erklärvideo nicht möglich, die Bedeutung von Quellen nachzuvollziehen oder aktiv mit Quellen zu arbeiten.
[...]
1 Rat für Kulturelle Bildung e.V. (2019): Jugend. YouTube. Kulturelle Bildung. Horizont. Eine repräsentative Umfrage unter 12- bis 19Jährigen zur Nutzung kultureller Bildungsangebote an kulturellen Kulturorten, URL: https://www.rat-kulturelle-bildung.de/fileadmin/user_upload/pdf/Studie_YouTube_Webversion_final.pdf
2 Quecke, Franca: Studie über YouTube-Lernen. Nichts verstanden, zurückspulen, noch mal schauen, URL: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/studie-ueber-youtube-fast-jeder-zweite-schueler-lernt-mit-videos-a-1270498.html#
3 Die Forderung nach einer kritischen Auseinandersetzung und der Klärung von Vor- und Nachteilen findet sich auch in der bereits angeführten Studie.
4 Vgl. MrWissen2go Geschichte: Mittelalter: Leben im Dorf, URL: https://www.youtube.com/watch?v=OauATwCOkxI
5 Stand der Zahlen vom 22.02.2021.
6 Vgl. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Mirko_Drotschmann
7 Stand der Zahlen vom 22.02.2021.
8 Vgl. Minute 0:03 – 0:07: „Was ein Dorf ausmacht, wie die Menschen dort leben und wer das Sagen hat.“
9 Ob es sich bei den verwendeten Darstellungen im Video, um Quellen handelt ist nicht mit letzter Sicherheit feststallbar, da keine Informationen über das Entstehungsdatum angegeben werden.
10 Einen Infokasten gibt es bei Minute 3:56 zur Dorfehrbarkeit und bei Minute 4:09 zum Grundherrn.
11 ISB – Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung: Lehrplan-PLUS für die Mittelschule. Fachlehrplan Geschichte/Politik/Geographie, https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/mittelschule/6/gpg
12 LehrplanPLUS Mittelschule GPG6.
13 Vgl. dazu Leben im Mittelalter, S. 122-128.
14 Vgl. Erklärvideo Minute 0:55.
15 Goetz, Hans-Werner: Leben im Mittelalter. Vom 7. Bis zum 13. Jahrhundert, München 1986, S. 135.
16 Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 115.
17 Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 115.
18 Vgl. Erklärvideo Minute 5:41.
19 Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 28.
20 Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 28.
21 Vgl. Erklärvideo Minute 6:19 – 6:24.
22 Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 127.
23 Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, 132-135.
24 Vgl. Goetz, Leben im Mittelalter, S. 128.
25 Goetz, Leben im Mittelalter, S. 128.
26 Brandt, Ahasver: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften, Stuttgart16 2003.
27 Z. B. wird bei Minute 6:19 die älteste gedruckte Ansicht Nürnbergs aus der Schedelschen Weltchronik (1493) gezeigt.