Die Arbeit beantwortet die Forschungsfrage: „Inwiefern unterscheiden sich die anthropologischen Prämissen von Hobbes und Rousseau?“
Die Arbeit soll dem Zweck dienen, die Perspektive der jeweiligen Philosophen, in Bezug auf ihr Menschenbild, zu verstehen. Diese Unterscheidung ist sowohl Grundvoraussetzung als auch Ausgangspunkt für den Vergleich beider Menschenbilder. Anhand einer Einzelanalyse beider Philosophen sollen diese also auf der Grundlage ihrer Hauptwerke „Leviathan“ und „vom Gesellschaftsvertrag“ gegenübergestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theorie
2.1 Thomas Hobbes
2.1.1 Vita und historischer Kontext
2.1.2 Anthropologie und Naturzustandskonzeption
2.2 Jean-Jacques Rousseau
2.2.1 Vita und historischer Kontext
2.2.2. Anthropologie und Naturzustandskonzeption
3. Vergleich: Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau
3.1 Unterschiede
3.2 Gemeinsamkeiten
4. Resümee
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“1 Anhand dieses berühmten Spruches von Albert Einstein lässt sich die Thematik der vorliegenden Hausarbeit treffend aufzeigen. Denn auch er setzt die Natur des Menschen als gegeben voraus. Bei der Literaturrecherche ließ sich feststellen, dass berühmte Philosophen, Dichter und Denker seit der Antike enorm abweichende Vorstellungen von der Natur des Menschen haben. Die Frage, die sich in Konsequenz dessen stellt, lautet: Ist der Mensch von Natur aus gut oder böse beziehungsweise besitzt dieser überhaupt eine Natur? Diese Grundfrage der Anthropologie ist bis heute unbeantwortet. Bei näherer Recherche stechen jedoch besonders zwei Philosophen heraus, die sich intensiv mit dieser Frage beschäftigten. Die Rede ist von Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau, welche „die politische Philosophie revolutioniert [haben], indem sie mit dem traditionellen Denken gebrochen, und für ihre Zeit sehr unorthodoxe Menschenbilder entworfen haben [...]2 “. Die Betrachtung dieser Theorien ist insofern spannend, als dass beide Philosophen von Grund auf differente Menschenbilder propagieren. Nun soll es jedoch nicht um die Bewertung dieser Menschenbilder gehen, sondern um das Verständnis beider Denkansätze. Vor allem in der jetzigen Gesellschaft, die durch globale Konflikte wie Klimawandel, Flüchtlingskrisen und Pandemien geprägt ist, ist die Frage nach der Natur des Menschen aktueller denn je. Die Beantwortung der Forschungsfrage: „Inwiefern unterscheiden sich die anthropologischen Prämissen von Hobbes und Rousseau?“ Soll dem Zweck dienen, die Perspektive der jeweiligen Philosophen, in Bezug auf ihr Menschenbild, zu verstehen. Diese Unterscheidung ist sowohl Grundvoraussetzung als auch Ausgangspunkt für den Vergleich beider Menschenbilder. Anhand einer Einzelanalyse beider Philosophen sollen diese also auf der Grundlage ihrer Hauptwerke „Leviathan“ und „vom Gesellschaftsvertrag“, gegenübergestellt werden.
2. Theorie
2.1 Thomas Hobbes
2.1.1 Vita und historischer Kontext
Thomas Hobbes wird am Ende des 16. Jahrunderts, 1588, in einfachen Verhältnissen in Malmesbury, einer Kleinstadt Englands geboren. Bereits seine Kindheit ist geprägt von Furcht vor dem Ausbruch eines Krieges, so schreibt er in seiner Autobiographie: „And hereupon it was my Mother Dear, Did bring forth Twins at once, both Me, and Fear.“3 Der konstante Zustand der Angst hat einen enormen Einfluss auf sein späteres Menschenbild. In seiner Kindheit fällt er jedoch besonders durch seine außergewöhnliche Intelligenz auf. Bereits in jungen Jahren lernt Hobbes Griechisch und Latein, woraufhin er sein Studium in Logik und Physik im Alter von 20 Jahren abschließt. In Folge dessen wird ihm die Arbeit als Privatdozent für die Adelsfamilie Cavendish angeboten, die er mit einigen Ruhephasen bis zu seinem Lebensende ausführt4. „Diese Position ermöglicht ihm ausgedehnte Reisen und Kontakte zu führenden Persönlichkeiten seiner Zeit“5, diese sind unter anderen Galileo Galilei und René Descartes. Von diesen großen Naturwissenschaftlern beeinflusst, übt sich auch Hobbes im analytischen und rationalen Denken, dies ist sehr bedeutend für die Auffassung seiner Anthropologie.
Die darauffolgenden Jahre verbringt Hobbes im Ausland, da sich sowohl der religiös geprägte Konflikt zwischen der englischen Krone und dem Parlament zuspitzt als auch der dreißigjährige Krieg 1618-1648. Politikwissenschaftler Alexander Schwan schreibt dazu: „Thomas Hobbes ist von zwei Grunderlebnissen geprägt worden: von der zutiefst verunsichernden Erfahrung des Bürgerkrieges in England und des Dreißigjährigen Krieges auf dem Kontinent - beide im Kern religiös-konfessionellen Charakters - einerseits, von der Begegnung mit den aufstrebenden profanen Naturwissenschaften andererseits.“6
Nachdem der englische Bürgerkrieg 1649 mit der Hinrichtung von König Karl I sein Ende findet, widmet sich Hobbes seinem Hauptwerk, dem „Leviathan“. Nach der Veröffentlichung des Werkes 1651, wird es in der derzeitig heteronomen Gesellschaft starker Kritik ausgesetzt. Hobbes wird demnach vor allem der atheistischen Haltung beschuldigt. Tatsächlich begründet Hobbes den Staat auf eine rationale Weise und bricht somit mit der theozentrischen Legitimität der Macht, also mit der Idee, dass die Macht und die politische Ordnung ein Ergebnis von Gottes Willen oder Gottes Befehl sind.7 Diese neue Ordnung, die den Anfang der Autonomie kennzeichnet, ist zu jener Zeit revolutionär. Der zweite, durch Hobbes gekennzeichnete Bruch mit der vorherrschenden Gesellschaftsordnung ist die Abwendung von dem politischen Aristotelismus. Dieser besagt, dass der Mensch von Natur aus ein „zoon politikon“8, also ein soziales und politisches Wesen ist. Demnach erfährt der Mensch erst durch die Integration in eine Gemeinschaft wahre Erfüllung und Glückseligkeit. Hobbes formuliert eine Gegenthese zu diesem, derzeit weit verbreiteten Grundsatz über die menschliche Natur, demzufolge dient die Gemeinschaft lediglich als „Mittel zum Zweck“, nämlich der Selbsterhaltung und Sicherheit der darin lebenden Individuen. So ist der Staat „ein künstliches, vom Menschen geschaffenes Gebilde, ein nützliches Instrument.“9 Auch diese Auffassung von der Rolle des Staates prägt Hobbes in sich gekehrtes Leben und somit seine politische Philosophie.
Zusammenfassen lässt sich Hobbes Vita vor allem durch zwei antithetische Umstände. Einerseits positiv, durch seine privilegierte Stellung in der Gesellschaft, die er aufgrund seines hohen materiellen, kulturellen und sozialen Kapitals innehat. Andererseits negativ, geprägt durch die ständigen Unruhen bezüglich seiner Lebenslagen Erfahrungen mit Bürger - und Religionskriegen. Aus diesen Lebensumständen entwickelt sich schließlich die Grundlage für Hobbes Mission: die in seinen Augen gescheiterte Gesellschaft mit einer neuen Ordnung zu revolutionieren. Dazu rekonstruiert Hobbes einen Naturzustand, der die Anthropologie des Menschen, also seine Natur offenbaren soll. Dieser Zustand im „bellum omnium contra om- nes“10 oder dem Krieg aller gegen alle wird nun anhand seines politischen Hauptwerkes „Leviathan“ erläutert.
2.1.2 Anthropologie und Naturzustandskonzeption
„Der leviathanische Staat wird von Menschen aus Menschen für Menschen gebaut, und damit das Werk gelingt, bedarf es einer genauen Kenntnis des Materials.“11 Dieses Zitat verdeutlicht die intensive Auseinandersetzung des Philosophen mit dem menschlichen Körper. Hobbes begründet das Leben eines Menschen auf die Schwingung von Körperchen, die „Bewegungen] des Herzens bewirken.“12 Demzufolge bedeutet Bewegung Leben und Stillstand Tod. Aus dieser Schlussfolgerung resultiert das Prinzip der Selbsterhaltung, das Prinzip ist als Leitgedanke der Menschen zu verstehen. Der Urtrieb des Menschen ist es daher, sein reines Überleben zu sichern. Hobbes betont dies, indem er jedem Menschen im Naturzustand vollkommene Freiheit zuspricht, also ein Recht auf alles, welches beinhaltet, das eigene Leben um jeden Preis verteidigen zu können.13 Die Furcht vor dem Tod ist also fortlaufend präsent. Dieses politische „worst case“ Szenario bezeichnet Hobbes als das „summum malum“14, welches aus dem Naturzustand, der Anarchie und dem Bürgerkrieg hervorgeht.15
Laut Hobbes bestimmt neben der Furcht auch das Bedürfnis nach Macht das Leben eines Menschen. Denn durch den Zwang das eigene Überleben zu sichern, entspringt Misstrauen gegenüber anderen Menschen. Das weitverbreitete Zitat „der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“16 sticht in diesem Kontext besonders heraus. Aus diesem Misstrauen entsteht das Bedürfnis nach Sicherheit, das durch Machtzuwachs garantiert werden soll. Zudem wird durch das Gefühl der Macht die Ruhmsucht der Menschen gestillt, die Hobbes als Naturgegeben betrachtet: “So finden wir in der Natur des Menschen drei Hauptursachen für Konflikte: erstens Konkurrenz, zweitens Unsicherheit, drittens Ruhmsucht.“17 Auf Grund dieser Eigenschaften herrscht im Naturzustand ein dauerhafter Krieg „eines jeden gegen jeden“18 wobei sich kein Mensch sicher fühlen kann, denn laut Hobbes sind Menschen von Natur aus gleich in ihren geistigen und physischen Beschaffenheiten. „[.. ,]so hat der Schwächste genügend Kraft, den Stärksten zu töten, entweder durch einen geheimen Anschlag oder durch ein Bündnis mit anderen, die sich in derselben Gefahr wie er befinden.“19 Herb beschreibt die Bedingungen des Hobbesschen Naturzustand daher passend:
„Der Zustand, in dem Menschen von Natur aus, unter Abstraktion von allen positiv-rechtlichen Regelungen leben, ist kein Zustand allgemeiner Harmonie und konfliktfreier Realisation individueller Freiheit und individuellen Glücks, sondern ein Zustand wechselseitiger Bedrohung und Negierung der Ansprüche auf lebenswichtige Güter, des Fehlens jeglicher Sicherheit der natürlichen Rechte und Pflichten und damit ein Zustand allgemeiner Gesetzlosigkeit.“20
Aus diesen Erkenntnissen formt sich das pessimistische Menschenbild des Philosophen. Seine anthropologischen Prämissen, welche den Menschen als egoistisch und machtgierig kennzeichnen, beruhen also auf dem Prinzip der Selbsterhaltung. Dabei beschuldigt er jedoch nicht den Menschen an sich für seine negativen Eigenschaften, sondern sieht diese als natürliche Reaktion im „Kampf ums Überleben“ im Naturzustand. Schwaabe schreibt dazu:
„Die Menschen sind eben keine selbstlosen, von Natur aus friedlichen Gesellen. Ebenso wenig sind sie aber von Natur aus schlecht, verderbt oder gar sadistisch veranlagt. Die Bedingungen und Handlungskontexte des Naturzustandes legen ihnen strategische Vorsicht nahe und machen Hobbes’ Mutmaßungen über menschliches Verhalten durchaus plausibel.“21
2.2 Jean-Jacques Rousseau
2.2.1 Vita und historischer Kontext
„Wie wird man als Unbekannter mit einem Schlag in ganz Europa berühmt?
Nun — an sich ist das ganz einfach: Man besucht seinen Freund Denis Diderot im Gefängnis, liest auf dem langen Weg in einer Ruhepause eine für diesen mitgebrachte Zeitung, und entdeckt die Preisfrage einer wissenschaftlichen Akademie mit dem Titel “Ob der Fortschritt der Wissenschaften und Künste zur Verderbnis oder zur Veredlung der Sitten beigetragen hat?“ Wenn man nun Jean-Jaques Rousseau heißt, also ein Genie ist — das wäre allerdings die Voraussetzung zum Berühmtwerden —, so erhält der eingereichte Aufsatz, der die Frage vehement verneint, den ersten Preis und der Autor ist ein allbekannter, in allen Salons gerngesehener Mann. Das war im Jahr 1750.”22
[...]
1 Corredor Joseph: Conversations avec Pablo Casals: Souvenirs et opinions d’un musicien Pablo Casals. A. Michel, 1955, S. 15; deutsche Version zitiert nach Wikiquote
2 Weis, Florian: Menschenbegriff und Naturzustand im Gesellschaftsvertrag bei Hobbes und Rousseau, Wien, 2012.
3 Hobbes, Thomas, 1588-1679: The life of Mr. Thomas Hobbes of Malmesbury written by himself in a Latine poem, and now translated into English, http://tei.it.ox.ac.uk/tcp/Texts- HTML/free/A44/A44004.html, 07.10.2020
4 Vgl. Blum, Wilhelm; Rupp, Michael.: politische Philosophen. Bay. Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München, 1992, S. 105
5 Voigt, Rüdiger (Hrsg.) 2000: Der Leviathan. Baden-Baden.
6 Lieber, Hans-Joachim: Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart, Bonn: 1993, S.178, zitiert nach: Weis, Florian: Menschenbegriff und Naturzustand im Gesellschaftsvertrag bei Hobbes und Rousseau, Wien, 2012
7 Vgl. Prof. Dr. Diehl, Paula: Vorlesungssitzung 8 „Vertragstheorien“
8 Schwaabe, Christian: politische Theorie 1, von Platon bis Locke, 2. Auflage, Wilhelm Fink, Paderborn, 2010, S.130.
9 Ebd.
10 Hobbes, Thomas/Wolfgang Kersting (Hrsg.) Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, 2. Auflage, Akademie Verlag GmbH, Berlin 2008 S.98.
11 Schwaabe, Christian: politische Theorie 1, von Platon bis Locke, S.134; zitiert nach: Kersting 2007/213.
12 Hobbes, Thomas/ Galwick, Günther (Hrsg.), Vom Menschen. Vom Bürger, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1966, S.6.
13 Vgl. Hobbes, Thomas/ Schlösser Jutta; Klenner, Hermann (Hrsg.): Leviathan, Felix Meiner Verlag GmBh, Hamburg 1996, Kapitel 14.
14 Hobbes, Thomas/Wolfgang Kersting (Hrsg.) Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, S.175.
15 Vgl. ebd.
16 Das mit Hobbes häufig in häufig in Verbindung gebrachte Zitat stammt ursprünglich von Plautus, Asinaria 495: "lupus est homo homini, non homo, quom qualis sit non Dovit" (vgl. dazu Pagallo 1998).
17 Hobbes, Thomas/ Schlösser Jutta; Klenner, Hermann (Hrsg.): Leviathan. Kapitel 13, S. 104.
18 Ebd.
19 Ebd. S. 102.
20 Herb, Karlfriedrich: Rousseaus Theorie legitimer Herrschaft - Vorraussetzungen und Begründungen, Würzburg, Königshausen u. Neumann, 1989, S.19
21 Schwaabe, Christian: politische Theorie 1, von Platon bis Locke, S.138.
22 Welcker, Ronald: Rousseau und wir heute, http://www.welcker-online.de/ Texte/Rousseau/Rousseau.pdf, 10.10.2020.