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Hausarbeit, 2020
20 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung 1
2. Analyse der Einleitung des literarischen Textes Effi Briest hinsichtlich Textsorten-, Kohärenzsignalen und Verständnisbarrieren Kohärenz beim Lesen
2.1 Theoretische Fundierung: „Kohärenz“
2.1.1 Entstehung von Kohärenz
2.1.2 Beispielhafte Erklärung der globalen und der lokalen Kohärenz
2.1.3 Textsorten-, Kohärenzsignale, Verständnisbarrieren
2.2 Analyse der Einleitung des literarischen Textes Effi Briest
2.2.1 kurzer inhaltlicher Überblick/ Eingrenzung der Textstelle zum weiteren Verständnis
2.2.2 Analyse hinsichtlich der Textsorte des literarischen Textes „Effi Briest“
2.2.3 Analyse hinsichtlich Kohärenzsignalen im literarischen Text „Effi
2.2.4 Analyse hinsichtlich Verständnisbarrieren
2.2.5 Implikationen für die Praxis, konkrete Unterrichtsausführung
3. Résumé
4. Literaturverzeichnis
5. Anhang
„In the process models of reading comprehension, inference and integration skills are needed to maintain local and global coherence”1. Die Wissenschaftler Santi und Reed vertreten die These, dass globale und lokale Kohärenz beim Lesen erst entstehen kann, wenn sich der Rezipient im Bereich Lesen bereits bestimmte Grundkompetenzen aneignen konnte.2 Während mit Inferenz die Fähigkeit angesprochen wird, zum einen aus den vorliegenden Sätzen die richtigen Zusammenhänge und Schlussfolgerungen für das Gesamtbild des Textes zu ziehen, wird anhand einer zweiten Voraussetzung, der globalen Kohärenz die Integration von bereits bestehendem Wissen gefordert.3 Auf diese Weise sollen beide Arten von Kohärenz beim Lesen entstehen, wobei ersteres meint, den Text in einen „umfassenden Zusammenhang“4 zu bringen, während die lokale Kohärenz „benachbarte Sätze in einen Zusammenhang“5 bringen möchten. Schon früh halten Wissenschaftler, wie Paul, Wegener und Bühler fest, dass das Sprachverstehen und somit die Entstehung von Kohärenz den aktiven Denkprozess des Lesers voraussetzt.6 So behauptet Dietrich Busse, Kohärenz sei „als etwas darzustellen, das von den Textrezipienten „hergestellt“ werden muss“7. Das Phänomen entsteht somit erst, wenn der Leser selbst mit dem Text interagiert. Diese Arbeit soll deshalb anhand eines konkreten literarischen Textes und der entsprechenden theoretischen Auslegung, die Entwicklung von Kohärenz untersuchen. Der im Anhang beigelegte Abschnitt des literarischen Textes Effi Briest von Theodor Fontane soll Untersuchungsgegenstand sein. Die Arbeit soll im ersten Teil die theoretischen Grundlagen rund um das Themengebiet der Kohärenz festhalten und konkrete wissenschaftliche Befunde benennen, welche belegen, wie Kohärenz beim Lesen entstehen kann. Dabei werden zum einen weitere Theorien im Bereich der Kohärenzbildung erläutert, zum anderen soll auf konkrete Textsorten und Kohärenzsignale, sowie beim Lesen entstehende Verständnisbarrieren, aufmerksam gemacht werden. Der zweite Teil setzt sich konkret mit dem literarischen Text „Effi Briest“ von Theodor Fontane auseinander. Die theoretischen Grundlagen sollen hier Anwendung finden. Es wird darauf eingegangen, inwiefern das Wissen rund um den Begriff der Kohärenz auf die Materialentwicklung und die konkrete Ausführung einer Unterrichtsstunde in einer neunten Klasse zur besseren Vermittlung des Textes und der allgemeinen Lesekompetenz der Schüler beitragen kann. Der Textausschnitt des Gesellschaftsromans „Effi Briest“ von Theodor Fontane wird als konkretes Beispiel herangezogen, da die detailreiche Beschreibung die Konzepte der Kohärenz und Texterschließung anschaulich verdeutlichen kann. Gegen Ende der Arbeit soll eine konkrete Unterrichtsausführung in einer neunten Klasse dargestellt werden, wobei der Text „Effi Briest“ von Theodor Fontane erarbeitet werden soll. Dabei soll der Inhalt und die dazugehörige Epoche beachtet werden, mit dem Beispiel soll des Weiteren auf Kennzeichen der globalen und der lokalen Kohärenz aufmerksam gemacht werden.
Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit soll zunächst der Begriff Kohärenz definiert werden. Eine Einbettung des Terminus in das Themengebiet des Lesens soll darauf festgehalten werden. Der Begriff Kohärenz kann in seiner Abgrenzung zum Terminus Kohäsion erklärt werden. Die Linguisten Halliday und Hasan halten im Jahre 1976 folgende Definition fest: „A text (...) is coherent with respect to the context of situation and it is coherent with respect to itself, and therefore cohesive.”8 Während sich die Kohäsion also mit der Oberflächenstruktur und semantischen, Innerstrukturen auseinandersetzt, stellt die Kohärenz die Verbindung zu anderen Texten oder bestimmten Kontextsituationen dar.9 Die Kohäsion setzt sich mit der grammatischen Gegebenheiten auseinander, die Kohärenz untersucht den konkreten Inhalt, prüft diesen auf Kontinuität und verknüpft ihn mit bereits vorhandenem Weltwissen.10 Die Kohärenz ist nicht abhängig von kohäsiven Mitteln, ebenfalls kann ein Text kohäsiv sein, aber trotzdem nicht kohärent.11 Zu erwähnen ist des Weiteren, dass Bestimmungen rund um den Kohärenzbegriff deswegen problematisch sein können, da unterschiedliche Definitionen existieren. Brinker benennt diese: Zum einen besteht die Festhaltung bezüglich der des semantisch-thematischen Ansatzes, wie es bereits in Bezug auf Halliday und Hasan abgehandelt wurde. Zum anderen gibt es jedoch weitere Erklärungen, die aus linguistischer Sichtweise, aus der textgrammatischen oder aus der pragmatisch- funktionalen Perspektive verfasst wurden.12 Diese Arbeit soll auf der Definition nach Halliday und Hasan aufbauen. Eine Einbettung in den Bereich Lesen kann der Begriff Kohärenz vor allem dann finden, wenn das Modell zu Prozessebenen des Lesens von Rosebrock und Nix aus dem Jahre 2005 herangezogen wird. Wie bekannt, unterteilt sich das Modell in folgenden drei Bereiche: die Soziale Ebene, die Subjektebene und die Prozessebene.13 Das Phänomen der Kohärenz lässt sich in den Ausführungen der Prozessebene wiederfinden. Wie bereits zu Beginn dieser Arbeit festgehalten, unterteilt sie sich in die lokale, sowie in die globale Kohärenz. Die Fähigkeiten, zum einen die aufeinanderfolgenden Sätze miteinander zu verknüpfen, sowie die Kompetenz, den ganzen Text als solches verstehen zu können, werden demnach angesprochen.14
Nachdem eine Definition des Kohärenzbegriffes gegeben wurde, kann sich nun mit der Frage beschäftigt werden, wie das Phänomen Kohärenz im Genauen entsteht. Wie bereits erwähnt muss zwischen der globalen und der lokalen Kohärenz unterschieden werden. Wenn also lokale Kohärenz fordert, semantische Verknüpfungen zwischen den Sätzen zu konstruieren, sollen nach der globalen Kohärenz „semantische Zusammenhänge zwischen größeren Textabschnitten mental rekonstruiert“15 werden. Brinker betont jedoch, dass vor allem schwache Leser sich vorrangig auf die Konstitution der lokalen Kohärenz konzentrieren, da er, wenn es um die Entstehung der globalen Kohärenz geht, auf wesentlich mehr kognitive Ressourcen, eine größere Arbeitsgedächtnisspanne und ein höheres Motivationsvermögen zurückgreifen.16 In dieser Arbeit soll deswegen besonders Wert darauf gelegt werden, dass die Konstitution beider Ebenen, der globalen und der der lokalen Kohärenz, vom Leser berücksichtigt und selbst in einem Prozess der Interaktion erarbeitet werden. Im Anschluss werden zwei Beispiele zur Verdeutlichung genannt: Hausenblas nennt als Beispiel für die Entstehung der lokalen Kohärenz pronominale Anaphern, für die Stützung der globalen Kohärenz kommen Hierarchiesysteme in Frage, anhand derer der Leser Strukturen erkennen kann, sie in den größeren Zusammenhang setzen und bei Verstehen mit dem eigenen Hintergrundwissen verknüpfen kann.17 Ein Beispiel für eine pronominale Anaphern könnte wie folgt lauten: „Nina schreibt die Arbeit. Sie hat Spaß.“ Das Pronomen bezieht sich zurück auf die genannte Person Nina, eine Verknüpfung und somit die lokale Kohärenz werden sichtbar. Man kann gut sehen, dass Mittel der lokalen Kohärenz im Rahmen eines Textes vorhanden sind, wenn man sich ein Beispiel anschaut, bei dem eben diese Merkmale fehlen. Ein Beispiel für eine fehlende Kohärenz lautet nach Sick wie folgt: „Die Sonne scheint. Der Hammer ist verschwunden“18. Hier ist deutlich zu erkennen, dass es keinerlei semantische, kognitive oder lexikalische Verbindungen zwischen den beiden Sätzen gibt. Im Gegensatz dazu sollen sich im Bezug auf den Gegenpart, die globale Kohärenz, „die überwiegende Mehrheit von textuellen Einheiten (...) nahtlos in eine Planhierarchie fügen“19. Hat man einen Text also in seinem Ganzen gelesen und kann man darauf die einzelnen Elemente einem größeren Gesamtbild unterordnen, muss der Leser nun zusätzlich in der Lage sein, das entsprechende Hintergrundwissen miteinzufügen. Auf diese Art und Weise kann ein Text ebenfalls eine globale Kohärenz aufweisen.
Nachdem die Entstehung von Kohärenz, sowie der Begriff in seiner theoretischen Fundierung geklärt ist, werden hier zur Verständlichkeit weitere Theorien sowie Fallstudien zur Erklärung genannt. Angefangen wird mit der globalen Kohärenz. Hierzu bietet Schwarz eine passende Ausführung. Sie nennt dabei die folgenden drei Beispiele:
„ (1) Das Tier kam laut kläffend auf ihn zu. Hans versuchte, den nächsten Baum zu erreichen.
(2) Kannst Du mal abrechnen. Das Schnitzel an Tisch 4 will bezahlen
(3) Tanja vergaß den Braten im Ofen. Er verbrannte.“20
Bei allen drei Beispielen geht Schwarz davon aus, dass der Rezipient sich eigenständig in seinem Kopf eine „mentale Repräsentation“21 des Sachverhaltes aufbaut. Wenn er das erste Beispiel liest, stellt er sich bei dem kläffenden Tier wohl einen Hund vor. Beim zweiten Exempel geht er wahrscheinlich davon aus, dass die Anweisung ein Gespräch unter Kellnern ist. Im letzten bezieht der Rezipient das Pronomen „Er“ nicht auf den Ofen, sondern er versteht die Situation so, dass eben der Inhalt dessen, der Braten, brennt.22 Dies sind Beispiele der globalen Kohärenz: sobald der Leser die geschriebenen Worte mit seinem eigenen Weltwissen verknüpft und selbst logische Schlüsse aus den aufeinanderfolgenden Sätzen zieht, so konstruiert er sich das entsprechende Textverstehen selbst. Vagheiten, die eigentlich in den Aussagen vorhanden sind, werden auf diese Art und Weise vermindert. Schwarz nennt ebenfalls weiterführende Ansätze, die minimalistische sowie die maximalistische Theorie. Während erstere davon ausgeht, dass der Rezipient Inferenzen nur dann zieht, wenn es notwendig ist, geht letztere davon aus, dass immer eine individuelle Verarbeitung und Rückbeziehung zum eigenen Weltwissen vorhanden ist.23 Diese These könnte man mit der von Brinker verbinden. Wie bereits erwähnt, betont dieser, dass vor allem schwache Leser sich aufgrund ihrer eingeschränkten kognitiven Ressourcen lediglich auf die lokale Kohärenz konzentrieren können. Das Verständnis hin zur globalen Kohärenz, also der Verknüpfung mit dem eigenen Weltwissen, sowie das Erkennen der Gesamtaussage innerhalb einer, nach Hausenbach geordneten Planhierarchie, erfordert darauf ein größeres Maß an Motivationsvermögen und eine größere Arbeitsgedächtnisspanne.24 Entsprechend könnte man davon ausgehen, dass für die Entstehung der globalen Kohärenz wohl das entsprechende Können bezüglich des Verstehens und Verarbeitens der lokalen Kohärenz Voraussetzung ist. Bei Beispielen rund um die lokale Kohärenz geht es hingegen nicht um die größere Rahmensituation, es wird auf die konkreten, semantischen Verknüpfungen zwischen den Sätzen abgezielt. Dies kann man auch als „Ebene der Proposition“25 bezeichnen. Wie bereits erwähnt müssen die Sätze hierbei kein Vorkommen des Phänomens Kohäsion vorweisen, um kohärent zu sein. Sick nennt hier ebenfalls im Gegensatz zum vorher erwähnten Exempel von „Fehlender Kohärenz“ das passende Beispiel für eine vorhandene Kohärenz. Dieses lautet wie folgt: „Die Sonne scheint. Ich ziehe mir leichte Kleidung an.“26 Es ist zu erkennen, dass hier keinerlei kohäsive Mittel, wie etwa konjunktionale Verknüpfungen, miteinspielen. Eine semantische Verknüpfung und deshalb eine lokale Kohärenz besteht aber trotzdem, wenn der Leser diese eigenständig konstruiert. Festzuhalten ist, dass in den ersten genannten Beispielen, 1)-3), immer auch ein Inferenzschluss bezüglich der lokalen Kohärenz gezogen werden muss. Dies ist, wie bereits erwähnt, Voraussetzung dafür, dass eine globale Kohärenz überhaupt erst entstehen kann. Bei der globalen Kohärenz muss jedoch das eigene Weltwissen miteinbezogen werden, außerdem geht es hier nicht, wie bei der lokalen Kohärenz, um die alleinige semantische Verknüpfung zweier aufeinanderfolgenden Sätze, sondern um die Konstruktion einer Gesamtvorstellung bezüglich einer größeren Rahmensituation oder eines längeren Textes, welcher etwa in mehrere kleine Teile gespalten und in welchem auf diese Art und Weise eine gewisse hierarchische Ordnung vorhanden ist. Das Weltwissen sowie weitere Kompetenzen, wie etwa die entsprechende Leseflüssigkeit, sowie der geforderte Grad an Motivationsvermögen, trägt dann schließlich dazu bei, dass nicht nur die lokale, sondern ebenfalls die globale Kohärenz vom Rezipienten eigenständig konstruiert wird.27 28 29
[...]
1 Santi/ Reed (2015): Improving Reading Comprehension of Middle and High School Students. S. 11.
2 Vgl. Ebd. S.11.
3 Vgl. Ebd. S. 11.
4 Woolfolk/Schönpflug (2007): Pädagogische Psychologie. S. 16.
5 Ebd. S. 16.
6 Schwarz (2000): Indirekte Anaphern in Texten. S. 20.
7 Busse (1992): Textkohärenz und Textverstehen. https://www.germanistik.hhu.de/fileadmin/redaktion/Fakultaeten/Philosophische Fakultaet/Germanistik/Ger manistische Sprachwissenschaft/Dateien/Busse/Text/Busse-UP-1992.pdf (05/08/2020). S. 2.
8 Halliday/ Hasan (1976): Cohesion in English. S.23.
9 Vgl. Feng (2003): Konzeptuelle Metaphern und Textkohärenz. S. 104.
10 Vgl. Ebd. S. 104.
11 Vgl. Sick (2004): Poltern. S. 32.
12 Vgl. Brinker/ Antos/ Heinemann/Sager (2000): Text- und Gesprächslinguistik. S. 277-279.
13 Vgl. Dröse (2019): Textaufgaben lesen und verstehen lernen. S. 10.
14 Vgl. Woolfolk/Schönpflug (2007): Pädagogische Psychologie. S. 16.
15 Brinker (2000): Text- und Gesprächslinguistik. S. 497.
16 Vgl. Ebd. S. 497.
17 Vgl. Hausenblas (2018): Spannung und Textverstehen. 4.4.
18 Sick (2004): Poltern. S. 31.
19 Hausenblas (2018): Spannung und Textverstehen. 4.4.
20 Schwarz (2000): Indirekte Anaphern in Texten. S. 21.
21 Ebd. S. 21.
22 Vgl. Ebd. S. 21.
23 Vgl. Schwarz (2000): Indirekte Anaphern in Texten. S. 21.
24 Brinker (2000): Text- und Gesprächslinguistik. S. 497.
25 Sick (2004): Poltern. S. 31.
26 Ebd. S. 31.
27 Sick (2004): Poltern. S. 31
28 Vgl. Brinker (2000): Text- und Gesprächslinguistik. S. 497.
29 Vgl. Hausenblas (2018): Spannung und Textverstehen. 4.4.