Lyrik nach der Wende
gesellschaftlicher Hintergrund
-Unzufriedenheit in Bevölkerung (teure Luxusgüter, kaum Konsumgüter)
-persönliche Unfreiheit (Stasi)
-eingeschränkte Reisefreiheit
-eingeschränkte Grundrechte (Bezogen auf Religions- und Meinungsfreiheit)
-keine beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten
-Führungsapparat SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) politische Machtlosigkeit anderer Parteien
-Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis
-Art Zwei-Klassen-System
-Generationskonflikt
Hauptgedanken
-Enttäuschung und Erstarrung (seit Mitte 60er Jahre, Höhepunkt mit Ausbürgerung Biermanns 1976)
-Hoffnungslosigkeit, deutsch-deutscher Zwiespalt
-,,tabufreies Schreiben" auf der Basis ,,festen sozialen Standpunkts", nur mit fester Integration in Sozialismus und damit in Einigkeit mit SED-Führungsspitze ist es möglich im Rahmen des Sozialismus zu schreiben
-Unverständnis füreinander in Ost und West
-Ich-Perspektive als Stück Selbstfindung
Ausbürgerung Wolf Biermann
-am 15. 11. 1936 in Hamburg als Sohn eines kommunistischen Widerstandskämpfers gegen das nationalsozialistische Regime geboren
-als Kind Konfrontation mit der Ermordung seines Vaters im KZ Auschwitz
-aus politischer Überzeugung siedelte er 1953 in die DDR über
Studium der Philosophie, politischer Ökonomie und Mathematik in Ostberlin
-nach Abschluß des Studiums Assistent am Berliner Ensemble in Ostberlin
-zu Beginn der 60er Jahre erste Gedichte und Lieder (Orientierung an Heinrich Heine, Berthold Brecht, Francois Villon), Auftritte in politischen Kabaretts
-aufgrund seiner Kritik am realen Sozialismus, der seinen Vorstellungen von einer neuen und gerechten Gesellschaft widersprach, ab 1965 Liedermacher
-daher konnten seine Werke (Lyrik: ,,die Drahtharfe" -1965, ,, Mir Marx und Engelszungen" - 1968, Schallplatte ,,Chauseestraße 131"-1972 und ,,Deutschland. Ein Wintermärchen" -1972) nur in der Bundesrepublik erscheinen
-Biermann erhält 1976 Genehmigung für Tour in der BRD, darf aber trotz vorheriger
Zusicherung nicht wieder in die DDR einreisen- diese Ausbürgerung führte zu massiven Protesten von Schriftstellerkollegen und Künstlerfreunde in der DDR _ kein Erfolg, viele Kritiker wanderten daraufhin in den Westen aus (darunter Jurek Becker und Reiner Kunze)
-nach Wende meldete sich Biermann mit zahlreichen Essays und Polemiken (,,Über das Geld und andere Herzensdinge" -1991, ,,Der Sturz des Dädalus". 1993 zurück- er kritisiert darin die mangelnde Bereitschaft der DDR-Bürger und insbesondere der ehemals staatstragenden Intellektuellen, sich mit ihrer persönlichen Vergangenheit auseinanderzusetzen
-1990 Auszeichnung mit dem Büchner Preis
-1994 Veröffentlichung der Übersetzung de großen Poems des jüdischen Dichters Jizchak Katzenelson ,,Große Gesang vom ausgerotteten Volk"
-zuletzt erschien ,,Wie man Verse macht und Lieder" 1997
Durs Grünbein
-® 9. Oktober 1962 in Dresden
-Grünbeins Vater hatte Flugzeugtechnik studiert und arbeitet in Dresden als Ingenieur für Bordelektronik, er hat ,, mit deutschem Know-How die Elektronik der Russen verbessert" spöttelte sein Sohn
-Grünbein verbrachte seinen Kindheit und Jugend in Hellerau am Stadtrand von Dresden
-nach Schulabschluß Studium der Theaterwissenschaften in Ostberlin
-nach Abbruch des Studiums 1987 wendet er sich vollständig seiner publizistischen und journalistischen Tätigkeit zu
-verfaßte Beiträge für verschiedene Zeitschriften, wirkte an mehreren Kunstbüchern mit ( z. B. Ilya Kabakov in Berlin, 1990)
-bekannt wurde er durch Performances in Zusammenarbeit mit Aktionskünstlern, Malern und Schauspielern
-1988 erschien der Gedichtband ,,Grauzone morgens", setzte 40 Jahre DDR-Lyrik außer Kraft, er schreibt über die,, Grauzonenlandschaft am Morgen" in Dresden oder Ostberlin, wo er die 80er Jahre ja verbrachte, ,,der vergiftete graue Fluß Elbe, die toten grauen Städte, die grauen, neuen Menschen getaucht in den lichtlos grauen Dämmer eines Morgens ohne Versprechen"
-danach reiste Grünbein nach Amsterdam, Paris , London, Toronto, New York, Wien
-seit 1986 lebt Grünbein in Berlin
-1991 veröffentlichte er ,,Schädelbasislektion", eine Bilanz des Zerfalls der DDR, mit eigener Mischung an Alltagssprache und Metaphorik, es schlägt sich sein Umzug vom stillstehenden Dresden in die aufbrechende Metropole Berlin deutlich im Band nieder
-für ,,Fallen und Falten" erhielt der Autor 1995 den Peter-Huchel-Preis
-im selben Jahr wurde er in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt aufgenommen und mit 33 Jahren als jüngster Preisträger überhaupt mit dem Georg BüchnerPreis ausgezeichnet
-weitere Werke: ,,Den Teuren Toten.33 Epitaphe" (1994), ,,Von der üblen Seite. Gedichte
1988-1991" (1994), ,,Galilei vermißt Dantes Hölle und bleibt an den Massen. Schriften 1989- 1995" (1996)
Volker Braun
-®_7. Mai 1939 in Dresden
-arbeitete zuerst in diversen Berufen etwa im Tief. und Tagebau, bevor er zwischen 1960 und 1964 in Leipzig Philosophie studierte
-1965 Übersiedlung nach Ostberlin
-danach bis 1966 Dramaturg am Berliner Ensemble
-nach 1972 Mitarbeiter des Deutschen Theaters
-1983 Mitglied der Akademie der Künste der DDR
-erhielt unter anderem den Heinrich-Mann-Preis (19780), den Lessing-Preis (1981)
-Werke: Gedichtbände: ,,Vorläufiges"(1966), ,,Siegfried-Frauenprotokolle-Deutscher Furor" (1986), ,,Bodenloser Satz" (1990), ,,Der Wendehals. Eine Unterhaltung" (1995), ,,Training des aufrechten Gangs" (1979) und ,,Langsam knirschender Morgen" (1987), Ausdruck zunehmender Distanzierung von den real existierenden Umständen in der DDR/ ,,Hinze-Kunze-Roman (1985)
Thomas Rosenlöcher
-® 1947 in Dresden
-Abschluß der Zehnklassenschule
-1967 Handelskaufmann
-Ehrendienst bei der NVA
-1970 Abitur an der ,,Arbeiter- und Bauernfakultät" in Freiberg
-1970-1974 Studium der Betriebswirtschaft an der TU Dresden
-war beschäftigt als Arbeitsökonom
-1976-1979 Direktstudium Literaturinstitut in Leipzig
-Mitarbeiter am Kinder- und Jugendtheater in Dresden
-1982 Herausgabe des Buches ,,Ich lag im Garten bei Kleinzschachwitz"
-1988 Herausgabe des Buches ,,Schneebier"
-1990 ,,Die verkauften Pflastersteine. Dresden Tagebuch"
-1990 erhielt er den Hugo Ball-Förderpreis
-1991 ,,Die Wiederentdeckung des Gehens beim Wandern"
-bekam das Märkische Kulturstipendium für das Jahr 1991 zugesprochen
,,Vierzigstes Jahr" von Thomas Rosenlöcher Der Engel mit der Eisenbahnermütze
Wer geht, der geht. Das geht noch gut mit mir. Er steht im Schnee, wo alle Züge enden.
Sprach ich und ging mit schütter wirrem Haare Und zählt die Toten, die man, Stück für Stück, Durch die Fontänen rauschendes Spalier, an ihm vorüberträgt, von links nach rechts. gelassen in der Gnade meiner Jahre
Doch schon bei sieben weiß er nicht mehr weiter.
die Straße lang, bis ich im Kaufhausfenster
umringt von Büchsen wen mit Bart und Bauch Daß man die Toten, die von links nach rechts sah, daß ich dachte: Seh ich schon Gespenster, an ihm vorbeigetragen worden waren, und höflich nickte. Doch er nickte auch. Erneut vorüberträgt, von rechts nach links.
Daß ich ihm, der da zuckte, wenn ich ruckte, Doch schon bei sieben weiß er nicht mehr weiter.
denn höflich hatte er noch stets, geschickt
machtlos im rechten Augenblick, genickt, So zählt er immer noch am letzten Krieg, gradwegs ins feistzufriedne Antlitz spuckte. obwohl der nächste schon gesichert ist, und wieder Tote angeliefert werden.
Das Glas traf, mich umwandt, ging, wieder heiter, doch der im Spiegel nickte immer weiter.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der gesellschaftliche Hintergrund der Lyrik nach der Wende?
Die Lyrik nach der Wende spiegelt die Unzufriedenheit der Bevölkerung wider, die durch teure Luxusgüter bei gleichzeitigem Mangel an Konsumgütern, persönliche Unfreiheit durch die Stasi, eingeschränkte Reisefreiheit, eingeschränkte Grundrechte (besonders Religions- und Meinungsfreiheit), fehlende berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, die politische Machtlosigkeit gegenüber dem Führungsapparat der SED und die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis entstanden. Auch ein Zwei-Klassen-System und ein Generationskonflikt trugen dazu bei.
Welche Hauptgedanken prägen die Lyrik nach der Wende?
Enttäuschung und Erstarrung, die bereits seit Mitte der 1960er Jahre bestanden und mit der Ausbürgerung Biermanns 1976 ihren Höhepunkt fanden, Hoffnungslosigkeit, der deutsch-deutsche Zwiespalt, das "tabufreie Schreiben" auf der Basis eines "festen sozialen Standpunkts" (was bedeutete, nur in Einigkeit mit der SED-Führungsspitze schreiben zu können), Unverständnis zwischen Ost und West sowie die Ich-Perspektive als Stück Selbstfindung sind zentrale Themen.
Was führte zur Ausbürgerung von Wolf Biermann?
Wolf Biermann wurde 1976 aus der DDR ausgebürgert, nachdem er eine Genehmigung für eine Tour in der BRD erhalten hatte. Trotz Zusicherung durfte er nicht in die DDR zurückkehren. Dies führte zu massiven Protesten von Schriftstellerkollegen und Künstlerfreunden in der DDR. Seine Kritik am real existierenden Sozialismus, der seinen Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaft widersprach, war ein wesentlicher Grund.
Wer war Durs Grünbein?
Durs Grünbein wurde am 9. Oktober 1962 in Dresden geboren. Er studierte Theaterwissenschaften in Ostberlin, brach das Studium aber ab und widmete sich seiner publizistischen und journalistischen Tätigkeit. Er wurde bekannt für seine Gedichte, die die Grauzonenlandschaft der DDR der 1980er Jahre thematisieren, und erhielt 1995 den Georg Büchner-Preis.
Wer war Volker Braun?
Volker Braun wurde am 7. Mai 1939 in Dresden geboren. Er arbeitete in verschiedenen Berufen, bevor er Philosophie studierte. Er war Dramaturg am Berliner Ensemble und Mitarbeiter des Deutschen Theaters. Seine Werke zeigen eine zunehmende Distanzierung von den real existierenden Umständen in der DDR.
Wer war Thomas Rosenlöcher?
Thomas Rosenlöcher wurde 1947 in Dresden geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Handelskaufmann, leistete Ehrendienst bei der NVA und studierte Betriebswirtschaft. Er arbeitete als Arbeitsökonom und war Mitarbeiter am Kinder- und Jugendtheater in Dresden. Seine Werke, wie "Ich lag im Garten bei Kleinzschachwitz" und "Schneebier", thematisieren das Leben in der DDR und nach der Wende.
Was thematisiert Rosenlöchers Gedicht "Vierzigstes Jahr"?
"Vierzigstes Jahr" von Thomas Rosenlöcher thematisiert die Auseinandersetzung mit dem Alter, dem Tod und der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Es spiegelt eine melancholische Betrachtung der Vergangenheit und eine gewisse Ratlosigkeit angesichts der Gegenwart wider.
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- Birgit Großmann (Author), 2001, Lyrik nach der Wende, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/100112