Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung 1
II. Die Stellung der Frau in der Familie - ein historischer Überlick
II.1. Feudal-ständische Gesellschaft
II.2. Bürgerlicher Patriarchalismus
II.3. Die Frau in der Arbeiterfamilie
II.4. Die Frau im Nationalsozialismus
II.5. Frauen in Familien nach dem Zweiten Weltkrieg
II.6. Die Frau in der Familie der 50-er Jahre
II.7. Die Frau in der Familie der 60-er Jahre
III. Geschlechter- und Sozialpolitik als Familialisierungspolitik
III.1. Sozialpolitik und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse
III.2. Privilegierung der Ernährer/Hausfrauenehe durch die staatliche Sozialpolitik
III.3. Des Mannes Normalbiographie, des Weibes Lebenszusammenhang
III.4. Ein dritter Zugangskanal zur sozialen Sicherung für Frauen
III.5. Sozialpolitik als Familialisierungs- und Individualisierungspolitik
III.5.1. Das Gleichbehandlungspaket
III.6. Schlussfolgerungen
IV. Geschlechterkonstrukte
IV.1. Geschichtlicher Abriss: Der Bedeutungswandel der Rolle der Frau im öffentlichen und privaten Bereich
IV.1.1. Liberalistische Position
IV.1.2. Die klerikal-konservative Position
IV.1.3. Position der Arbeiterschaft
IV.2. Instrumentalisierung von politischen Konstrukten
IV.3. Sozialpolitik am Beispiel der Pensionspolitik
IV.3.1. Fortschreibung der Familialisierung unter der Einkommensunterschiede im Pensionsrecht
IV.4. Legitimation der Ungleichheit durch gesellschaftliche Konstrukte
V. Drei Konzepte zur Familienpolitik innerhalb der EU
V.1. Die Konzeption der Sozialdemokraten
V.2. Die liberale Konzeption
V.3. Die konservative Position
V.4. Schlussfolgerung
VI. Familiäre Arbeitsteilung
VI.1. Frauenbericht 1995
VI.2. Die Studie ,,Frauenzeit"
VI.2.1. Arbeitsteilung in Haushalten höherer Bildungsschichten
VI.2.2. Beeinflussung der Frauenarbeitszeit durch Haushaltsgeräte
VII. Frauenpolitische Argumentationen des Verfassungsgerichtshofes
VII.1. Erkenntnis vom 12. März 1992
VII.2. Erkenntnis vom 6. Dezember 1990
VII.3. Die markantesten Punkte der beiden Urteile
VIII. Zusammenfassung
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Im ersten Teil dieser Arbeit geben wir einen historischen Überblick über die Stellung der Frau in der Familie. In einem straffen Abriss, der die uns am wichtigsten erscheinenden Epochen erfasst, werden wir aufzeigen, wie die Position der Frau innerhalb der Familie und der Gesellschaft von der feudal-ständischen Gesellschaft bis in die 1960-er Jahre war.
Es wird ersichtlich, dass die Kriegsjahre des Zweiten Weltkrieges und die Nachkriegszeit ein wenig die patriarchalischen Familienstrukturen veränderten. Doch in den 50-er und 60-er Jahren wurde auf das traditionelle Konzept der bürgerlichen Familie des 18. Jahrhunderts wieder zurückgegriffen. Dies zeigt besonders deutlich die massive Familienpropaganda in dieser Zeit.
Im zweiten Teil dieser Arbeit geht es darum, welche Auswirkungen die Ausrichtung der Sozialpolitik auf die Lebensgestaltung von Frauen hat bzw. haben kann. Es ist wohl klar, dass jede Politik ein bestimmtes Konzept oder Modell verfolgt, nachdem sie den jeweiligen Gesellschaftsbereich beeinflussen will. Es spielt beispielsweise eine große Rolle, nach welchem Leitbild die verantwortlichen Politiker ihre Gesellschaftspolitik i. S. von policy gestalten. Ob die Frau in der Gesellschaftspolitik als Mutter, als kinderlos, als alleinerziehend, als erwerbstätig, als ledig oder verheiratet angesprochen wird, hat einen großen Einluss auf die Förderung bzw. Ausgrenzung von Frauen.
Außerdem ist dasjenige Frauenbild, das die Sozialpolitik anleitend, ein Kriterium dafür, inwieweit die sozialpolitischen Maßnahmen selbst noch der gesellschaftlichen Entwicklung entsprechen oder nicht. In einem relativ kurzen Abriss wird deshalb einmal der Frage nachgegangen, welche Bedeutung die staatliche Sozialpolitik für die ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen von Frauen hat.
Als nächstes wird ein geschichtlicher Überblick über die Geschlechtskonstruktionen in der Sozialpolitik gegeben. Daran anschließend versuchen wir zu zeigen, dass sich in den traditionellen Geschlechtskonstruktionen selbst heute in der EU nichts Wesentliches geändert hat. Dabei werden drei Konzepte der Familienpolitik - die ja indirekt immer auch Frauenpolitik ist - vorgestellt.
Am Ende dieses Kapitels werden anhand des ,,Pensionsrechts" die Ungleichstellungen und Ungerechtigkeiten der gegenwärtigen Gesellschaftspolitik aufgezeigt.
Der abschließende Teil der Arbeit geht detailliert auf die heutige familiäre Arbeitsteilung ein.
Es werden die Ergebnisse zweier Studien vorgestellt, die sich unter anderem mit der unterschiedlichen Freizeitdisposition von Männern und Frauen, mit dem Zeitaufwand für hauswirtschaftliche Tätigkeiten und mit der Frage, ob ein höheres Bildungsniveau eine gerechtere Verteilung gewährleistet, beschäftigen.
Weiters stellen wir zwei Urteile des Verfassungsgerichtshofes vor, die frauen- und familienpolitische Konsequenzen haben. Dabei handelt es sich um ein Erkenntnis zum Frauennachtarbeitsgesetz und um jenes zur Aufhebung der Regelungen über das unterschiedliche Pensionsalter von Mann und Frau.
II. Die Stellung der Frau in der Familie - Ein historischer Überblick
II.1 Feudal-ständische Gesellschaft
Die Frau war in der patriarchalischen1 Familie der feudal-ständischen Gesellschaft dem Mann untergeordnet. Allerdings nicht als Frau dem Mann, sondern als Hausfrau, Magd oder Tochter dem Hausvater. Der Hausvater besaß die patriarchalische Gewalt durch den unmittelbaren Zusammenhang aller Lebensbereiche im ,, ganzen Haus". Denn das ,, ganze Haus" bildete die Basis der Produktion und Reproduktion des materiellen Lebens und die politisch rechtliche Einheit der Gesellschaft.
Das Verhältnis der Geschlechter zueinander steht in engem Zusammenhang mit der jeweiligen Rolle im sozialen Beziehungssystem innerhalb des Hauses. Die zentrale Rolle in diesem Beziehungssystem hatte der Mann, der Hausvater inne. Er vereinigte die gesellschaftlichen Funktionen - einerseits in der Verfügung über die Bedingungen und die Leitung der familienwirtschaftlichen Produktion, andererseits in der Teilnahme an militärischpolitisch-rechtlichen Belangen der Gesellschaft. Diese Vereinigung der Funktionen kam aber nur in den besitzenden Schichten der Gesellschaft zur vollen Entfaltung, also beim Adel, der städtischen Kaufmannschaft und in der Schicht der Handwerker.
In der Lebensrealität dieser besitzenden und politisch berechtigten Schichten wurde der Patriarchalismus begründet. Er entfaltete sich in der alteuropäischen Gesellschaft zum gesamtgesellschaftlichen Wertmuster. Dies nahm aber nicht den Charakter einer Diskriminierung der Frau als solche, als Geschlechtswesen an. Frauen waren zwar im
Allgemeinen, aber nicht völlig und grundsätzlich von der zentralen Rolle im Haus ausgeschlossen. So etwa wurde einer Witwe durchaus zugetraut, die Position des Hausvaters innezuhaben.
Weiters konnte sich der Patriarchalismus bei der arbeitenden Bevölkerung nicht gänzlich entfalten. Denn je geringer die Bedeutung der Vertretung des Hauses nach außen war und je weniger die hausväterliche Gewalt durch materiellen Besitz und politische Rechte begründet und legitimiert war, umso schmäler war die Basis des Patriarchalismus. Dies trifft gerade auf bäuerliche Haushalte zu. Hier wies die Stellung und das Ansehen der Frau eine starke Vielfalt auf, je nach Bewirtschaftungsform und Arbeitsleistung. Die Wirtschaftsformen Ackerbau und Viehzucht gestatteten eine ausgeprägte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, da eine starke Trennung zwischen häuslichen und außerhäuslichen Tätigkeiten stattfand. Folglich wurde die Frau auf den häuslichen Bereich fixiert.
Im Weinbau hingegen war eine intensive Zusammenarbeit aller Familienmitglieder nötig, was eine Fixierung von Geschlechterrollen und eine patriarchalische Familienstruktur erschwerte.
In der ländlichen Hausindustrie (bei Messer- und Nagelschmieden, Spinnern oder Webern) erfolgte eine starke Angleichung der Arbeitstätigkeit von Mann und Frau, eine Gleichstellung der Geschlechter war also zu beobachten. Weiters kam es keineswegs zu einem ,,Rollenproblem" wenn der Mann Hausarbeiten übernahm, um die Frau nicht bei ihrer Arbeit zu stören. Also waren auch Umkehrungen der Arbeitsteilung gang und gebe. In dieser sozialen Schicht nahmen Frauen auch an politischen Aktionen teil.
Der feudal-ständische Patriarchalismus nahm seinen Höhepunkt an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert und fand seinen Ausdruck in der sogenannten ,, Hausväterliteratur". In diesen Schriften wurde die Rollenfixierung und die Vormachtstellung des Hausvaters dargestellt und legitimiert.
II.2 Bürgerlicher Patriarchalismus
Im 17. und noch mehr im 18. Jahrhundert gewann2 eine andere Entwicklunglinie an Bedeutung, die die Institution Familie mit ihren Lebenszusammenhängen angriff und in Frage stellte.
Die staatliche und ständische Verwaltung wuchs und führte zu einem Ansteigen der Beamtenschaft, wodurch wiederum eine Trennung von Beruf und Familie, von Arbeitsplatz und Wohnung erfolgte. Die Ausgliederung der Erwerbstätigkeit aus der Familie nahm also zu.
Auch mit der Entwicklung des Manufakturwesens fielen Haus bzw. Familie und Arbeit auseinander. Somit war für die bürgerliche Gesellschaft des 18. Jahrhunderts der Funktionszusammenhang des ,,ganzen Hauses" obsolet geworden. Arbeit und Familie, Beruf und Privatleben, fielen auseinander und gewannen eigenständigen Charakter. Dies bedeutete aber keineswegs eine Veränderung in den Geschlechterrollen. Ganz im Gegenteil konnte der Hausvater seine Position stärken. Ihm allein fiel die Sorge um die materielle Sicherstellung der Familie zu. In umso stärkerem Maß war die Frau nun an die Hausarbeit verwiesen. Ihre Bindung an das Haus wurde gestärkt und die Mutterrolle wurde ihr zugeordnet.
Die Autorität des Mannes in der bürgerlichen Familie war zwar gestärkt, aber nicht mehr unbedingt ideologisch abgesichert. Sie bedurfte ideologischer Rechtfertigung als Werkzeug zur Überbrückung der auseinanderfallenden Lebensbereiche. Das wurde umso notwendiger, als sich der absolutistische Staat gegen die unbeschränkte hausväterliche Gewalt richtete und in den bürgerlichen Revolutionsbewegungen - besonders in Frankreich und Amerika - Forderungen für eine Gleichberechtigung der Frau hörbar wurden.
Die Frau in bürgerlichen Familien führte zwar hauswirtschaftliche Tätigkeiten durch, doch wurde sie zur Hüterin des ,,Wahren, Großen und Schönen", was in der deutschen klassischen Dichtung deutlichen Ausdruck fand. Diese Erhöhung der Frau bedeutete aber gleichzeitig eine neue Form der Erniedrigung, da dem Geschlecht an sich bestimmte Charaktermerkmale zugeschrieben wurden, die sich als ,, Geschlechtscharaktere" verdichteten. Diese ,, Geschlechtscharaktere", die im 18. Jahrhundert geprägt wurden, sind bis heute schwer zu erschüttern und schreiben kurz gesagt dem Mann Rationalität und Aktivität, der Frau Passivität und Emotionalität zu. Diese Ideologie hatte natürlich einen spezifischen Bezug zur Realität. Die Frau wurde von Öffentlichkeit und Beruf ausgeschlossen und ihrer Entfaltungsmöglichkeiten beraubt. Weiters wurden die ,, Geschlechtscharaktere" auch als Erziehungsmodell formuliert. ,,Männliche" und ,,weibliche" Eigenschaften wurden anerzogen und in Lehrplänen ergänzt.
Die zuvor beschriebene Ideologie war aber nur in den höher gebildeten Schichten zu verorten. In der industriellen Bourgoisie, die unter kapitalistischem Konkurrenzkampf stand, wurde das familiäre Heim geschätzt. Der rational kalkulierende Kapitalist ,,forderte" eine gefühlvolle Frau und Mutter. In dieser Schicht waren weitere Aspekte der Unterdrückung der Frau zu finden. Durch den Wohlstand gewann die geregelte Weitergabe des Besitzes an Bedeutung. Die geforderten ehelichen Nachkommen erzwangen die Treue der Frau und festigten das Sexualmonopol der Ehe.
Im Zuge der industriellen Revolution, die ökonomische und soziale Veränderungen mit sich brachte, reduzierten sich die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten der bürgerlichen Frau. In vielen bürgerlichen Mittelschichten reichte das Einkommen des Mannes allerdings nicht mehr aus, um das Auskommen der Töchter bis zur Heirat zu finanzieren. Qualifizierte Bildung und Berufsausbildung blieben Frauen aber weiterhin verwehrt. Als Reaktion darauf entwickelten sich bürgerliche Frauenbewegungen, die um das Recht auf Arbeit und Bildung kämpften. Nachdem die ,,weiblichen" Wesensbestimmungen akzeptiert wurden, wurden Berufe wie Erzieherin, Kindergärtnerin oder Tätigkeiten in der Krankenpflege angestrebt. Um die Jahrhundertwende waren auch Tätigkeiten zumindest auf unterer Ebene in Banken, Versicherungen, im Handel oder öffentlichen Dienst gefragt.
Die Frauenbewegung ist nur eine der Krisenerscheinungen der bürgerlichen Familie. Die Ideologie der ,, Geschlechtscharaktere" wurde im 18. Jahrhundert durch ihre angebliche Natürlichkeit legitimiert. An der Wende zum 20. Jahrhundert sollten diese ,,wissenschaftlich" nachgewiesen werden anhand von Schädelmessungen und Gehirnwägungen. Dies trieb den bürgerlichen Patriarchalismus an die Spitze.
II.3 Die Frau in der Arbeiterfamilie
Die Phase der Frühindustrialisierung war von3 weitgehender Familienlosigkeit gekennzeichnet. Die ersten Generationen der industriellen Arbeiterschaft bestanden aus ledigen Personen beiderlei Geschlechts.
Zwischen den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts und dem Übergang zum 20. Jahrhundert vollzog sich ein entscheidender Wandel. Erst am Ende dieser Periode treten Familien in der industriellen Arbeiterschaft auf. In der ersten Phase des industriellen Kapitalismus gestattete eine primitive Technologie die Verwendung von unqualifizierten Arbeitern und bedurfte keiner Reproduktion. Der Übergang zur Hochindustrialisierung mit zunehmend komplizierter Technologie machte einen Arbeiterzuwachs nötig, der von Geburt an zu industrieller Disziplin erzogen worden werden sollte. Hier bot sich die Familie als einzige Sozialform an, um die Bedingungen zur alltäglichen Wiederherstellung der Arbeitskraft (Bedürfnisse nach Nahrung, Wohnung) und die Erziehung der folgenden Arbeitergeneration zu gewährleisten.
Auf dieser Basis reproduzierte sich die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der bürgerlichen Familie in der industriellen Arbeiterschaft. Der Mann war der Haupternährer der Familie, die Tätigkeiten der Frau lagen in der privaten Hauswirtschaft. Dieses Modell war aber in Bezug auf die Arbeiterfrau widersprüchlich. Denn der Mitverdienst der Frau war stets eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Nachdem die Sozialisation von Arbeitermädchen nicht auf eine Berufslaufbahn sondern auf Heirat und Haushaltsführung erfolgte und später eine Doppelbelastung durch Arbeit und Haushalt bestand, wurden Arbeiterfrauen in unqualifizierte und niedrig entlohnte Berufe gedrängt. Dies wiederum führte dazu, dass ihre Arbeit als bloß ergänzende Tätigkeit eingeschätzt wurde.
Nicht berufstätige Arbeiterfrauen wurden durch das niedrige Einkommen des Mannes und durch Lohn- und Preisbewegungen vielfach zu alleinigen Verwalterinnen des Familieneinkommens. Eine Möglichkeit, das Familieneinkommen zu erhöhen, war die Aufnahme von Untermietern oder Bettgehern. Diese Erscheinung an der Wende zum 20. Jahrhundert wird als ,, halboffene Familienstruktur" bezeichnet, in der Frauen wesentliche Entscheidungen über das Familienleben zukamen.
II.4 Die Frau im Nationalsozialismus
Im Nationalsozialismus - dem wohl frauenfeindlichsten4 System - war die Entrechtung und Herabwürdigung der Frau zur Gebärmaschine und zum Arbeitstier Alltag geworden. In Familien- und Frauenfragen ging man reaktionär vor, die Denk- und Verhaltensmuster waren besonders konservativ. Der Nationalsozialismus brauchte in diesen Angelegenheiten nur an bereits vorhandene Schemata anknüpfen und sie für seine Zwecke auszubauen. Denn die Familie mit ihrer Struktur hatte eine wichtige Funktion in einem solchen autoritären Regime.
Die Familie mit der unbestrittenen Vorherrschaft des Vaters fand ihren Niederschlag im Führerprinzip, dem Kernelement des Faschismus. Der autoritäre Staat garantierte seine rechtliche, soziale und wirtschaftliche Vorherrschaft, genauso wie der Vater als schützende Autorität anerkannt wurde. Die Familie war also die sogenannte ,,Nation im kleinen" und weiters die Reproduktionsstätte des autoritären Führergedankens.
Der Faschismus betrieb einen regelrechten Mutterkult, um einerseits viele Kinder entstehen zu lassen und um andererseits durch die Familie die Bindung an den Staat und seine Ideologie zu festigen. Gleichzeitig erfolgte ein Kampf des Regimes gegen kinderlose Ehen und Junggesellen. So wurde 1933 das ,,Gesetz zur Förderung der Eheschließungen" verabschiedet. Ehestandsdarlehen konnten durch eine wachsende Kinderanzahl getilgt werden, wenn die Frau keiner außerhäuslichen Arbeit nachgeht. Dadurch wurde der Arbeitsmarkt entlastet und die Geburtenrate erhöht. Das Werbeverbot für empfängnisverhütende Mittel und langjährige Gefängnisstrafen für Ärzte, die Abtreibungen durchführen, dienten ebenso zur Steigerung der Geburtenrate. Die von Himmler gegründete Aktion ,,Lebensborn e.V." bot ledigen Müttern die Möglichkeit, kostenlos zu entbinden und auch ,,rassisch einwandfreien" Frauen die Möglichkeit, sich durch ,,Zeugungshelfer" - meist aus der SS stammend - schwängern zu lassen. Weiters konnten Ehen, die nach fünf Jahren kinderlos blieben, geschieden werden, da der Staat an kinderlosen Ehen kein Interesse hatte.
Diese Maßnahmen machen die Stellung der Frau in der NS-Gesellschaft und der Familie nur allzu deutlich. Innerhalb der Familie und der Gesellschaft wurde die Frau nicht als Mensch, sondern als untergeordnetes Objekt betrachtet, das dem Mann, der Familie und der Nation zu dienen hatte. Frauen sollten sich ausschließlich auf den Haushalt und auf das Gebären von Kindern konzentrieren, ihre außerhäuslichen Berufe aufgeben und sich aus der Politik heraushalten.
Der Nationalsozialismus spiegelte sein Bild der deutschen Frau in der Propaganda, in Malerei, Literatur und Film wider. Ihr Bild war jenes der Mutter, der häuslichen Arbeitskraft und des Sexualobjekts - kurz, einer Frau, die sich ständig opfert.
Die Realität im Krieg stand aber in Widerspruch zu der propagierten Frauenrolle. Denn in Deutschland stellten Frauen zuletzt 3/5 der Arbeitskräfte. Das Argument dazu war, dass der Platz der Frau zwar das Heim ist, doch ganz Deutschland als Heim betrachtet werden muss und ihm zu dienen sei. So erbrachten Frauen ihren Arbeitseinsatz, der allerdings nicht als Dauerzustand gedacht war, in ,,art- und naturgemäßer" Frauenarbeit, etwa als Haushaltshilfe, Verkäuferin oder Krankenschwester.
II.5 Frauen in Familien nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg veränderte durch den Kriegseinsatz der Männer die Familienstruktur, da Frauen die Stelle des Familienoberhauptes einnahmen. Männer, die aus dem Krieg und der Gefangenschaft heimkehrten, wurden mit dieser veränderten Familienstruktur konfrontiert. Dies und ihre grundsätzlich verschiedenen Erfahrungen während der Trennung führten zum sogenannten ,, Heimkehrerkonflikt".
Die Erfahrungen der Frauen lagen in der Verpflichtung für den Reproduktionsbereich, also für die materielle und emotionale Versorgung der Familie. Sie organisierten den familiären Alltag und waren für die täglich notwendigen Arbeiten zuständig. Dies hatte einen Zuwachs an Selbständigkeit und die Erweiterung von Handlungskompetenzen zur Folge. Durch die Abwesenheit der Männer und die sich verschlechternden Lebensbedingungen wurden Beziehungen zu Verwandten und Nachbarn aktiviert und intensiviert.
Für die heimkehrenden Männer führte das Kriegsende und vor allem das Ende der Gefangenschaft zum Zusammenbruch ihrer bislang gültigen Orientierungsmuster und zu weitgehender Orientierungslosigkeit.
Die Frauen versprachen sich durch die Rückkehr der Männer eine Entlastung bei der Bewältigung des Alltags und der familiären Arbeiten. Die Männer weigerten sich aber, Hausarbeiten zu leisten und sich an der Subsistenzarbeit zu beteiligen. Sie bestanden auf die Wiederherstellung ihrer Vormachtstellung in der Familie, was aber weder von den Frauen noch von den Kindern in allen Fällen widerspruchslos hingenommen wurde. Daraus resultierten familiäre Konflikte, die oft zur Zerrüttung oder Scheidung führten.5
Alleinstehende Frauen wurden einerseits aus wirtschaftlichen Gründen und andererseits durch ihre öffentliche Diskriminierung und Diffamierung (wieder) in die Ehe gedrängt. Auch mit der Zunahme der Arbeitslosigkeit wurden Frauen in ihre traditionelle Rolle zurückgebracht. Der vorher beschriebenen Orientierungslosigkeit der Männer und dem Zuwachs an Selbstbewusstsein der Frauen konnte nur durch rasche ,,Normalisierung" des Ehe- und Familienlebens beigekommen werden.6,,Normalisierung" bedeutete die Reetablierung der bürgerlichen Kleinfamilie und das Festschreiben patriarchalischer Prinzipien und Rollenvorstellungen.
Was den Wiederaufbau nach dem Krieg betrifft, so hatten Frauen einen entscheidenden Anteil daran. Die sogenannten ,, Trümmerfrauen" wurden zur Beseitigung des Schuttes herangezogen. Sie leisteten schwere körperliche Arbeit.7
Oft mussten Frauen ihre Arbeitsstellen zu Gunsten der heimkehrenden Männer aufgeben. Dies wurde aber nicht als individuelles Schicksal empfunden, sondern als allgemeine Nachkriegsentwicklung akzeptiert. Trotzdem waren vor und in der Nachkriegszeit in Österreich etwa 40% der Beschäftigten Frauen.8
II.6 Die Frau in der Familie der 50-er Jahre
In den 50-er Jahren wurde die Ehe und Familie als einzig sinnvolles Lebensziel für Frauen propagiert. All jene, die diesem Bild nicht entsprachen, verloren gesellschaftliche Achtung.
Schon vorher wurde die ,,Normalisierung" der Familienverhältnisse angesprochen. Um diese anzutreiben, setzte eine massive Ehe- und Familienpropaganda ein. Sie forderte die Wiederherstellung traditioneller Rollenbilder und stellte die Ehe als ,,alleinige, gesellschaftlich völlig akzeptierte Form des menschlichen Lebens" dar. Die Kirche spielte hier eine entscheidende Rolle. Für sie war die Ehe eine von Gott gewollte und bestimmte Ordnung. Das Familienideal bestand in der Kleinfamilie. Andere Lebensformen, wie uneheliche Lebensgemeinschaften, Frauenhaushalte oder alleinerziehende und alleinstehende Frauen galten als Abweichung von der sozialen Norm.
Zweck der Ehe und Familie - sogar oberstes Ziel - war die Zeugung und Erziehung von Kindern. In den späten 40-er und frühen 50-er Jahren war ein Geburtenrückgang zu verzeichnen. 1953 zählte Österreich zu den geburtenschwächsten Staaten Europas. So setzte eine noch massivere Familienpropaganda ein. Sicherlich kam in den nachgewachsenen Generationen noch die nationalsozialistische Familienpolitik zum Tragen.
Die Propaganda der Ehe und Familie beinhaltete auch die Forderung nach der Wiederherstellung der traditionellen und angeblich ,,natürlichen" Rollenverteilung. Die Zuständigkeit des Mannes lag in der außerhäuslichen Erwerbsarbeit, die der Frau im Haushalt und der Pflege der Kinder.9 Dem Mann wurde die Funktion des Familienoberhauptes zugeschrieben und somit eine ,,natürliche Autorität" zur Führung von Frau und Kindern. Die Frau hatte mit selbstloser Aufopferungsgabe für das häusliche Wohl zu sorgen. Die Entscheidungsfindung lag einzig bei den Männern. Die traditionelle Trennung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, zwischen beruflicher und familiärer Arbeit war also wieder hergestellt.10
Bei der ,,natürlichen" Rollenverteilung berief man sich auf das ,,natürliche" Wesen der Frau, wobei ihre Fähigkeiten nur in ihrem Dasein als Ehefrau und Mutter zur vollen Entfaltung kommen. Eigenschaften wie Opferbereitschaft, Geduld, Anpassungsfähigkeit, mütterlicher Instinkt und Sparsamkeit wurden postuliert. Wäre ein Frau berufstätig, würde sie Gefahr laufen, ihre weiblichen Wesenszüge zu verlieren. Diese bewusste Zuschreibung von Charaktereigenschaften zu einem Geschlecht, die schon im 18. Jahrhundert anzutreffen war, setzte sich also bis in die 50-er Jahren fort und prägte wieder stark das Gesellschaftsbild.
Standen junge Frauen im Berufsleben, so wurde das bloß als Übergangslösung bis zur Heirat angesehen. Die zentrale Rolle der Frau lag in ihrer Gebärfähigkeit. Deshalb wurden Mädchen in der Erziehung auf ihre zukünftige Rolle als Mutter vorbereitet. Weiters sollte die Frau eine sparsame Hausfrau und gute Köchin sein.
Die Gesetzgebung in Familienangelegenheiten hielt starr an einer patriarchalen Linie fest. Ledige und Alleinstehende wurden beispielsweise mit der ,,Ledigensteuer" belastet. Weiters erfolgte eine soziale Trennung von ,,vollständigen" Familien und jenen, die dem Idealbild nicht entsprachen.11
II.7 Die Frau in der Familie der 60-er Jahre
Als Ende der 50-er Jahre das Wirtschaftswachstum auch in der Bevölkerung spürbar wurde, veränderte sich auch langsam das Bild der Frauen in der Öffentlichkeit.
Eine Studie von Christine Feldmann-Neubert zeigt die Entwicklungsstufen des Frauenbildes in drei Phasen:12 In der ersten Phase von 1948 bis 1957 wird eine Berufstätigkeit der Frau als Übergangslösung bis zur Wiederherstellung der Ordnung gesehen. Danach konnte die Frau ihrer eigentlichen Bestimmung als Ehefrau und Mutter folgen. Die zweite Phase umfaßt den Zeitraum von 1955 bis 1964. In dieser Zeit war die Berufstätigkeit der Frau gewünscht, Berufsausübung von Müttern hingegen wurde abgelehnt (kam aber in der Realität häufig vor). Durch die Heirat wurde die Frau zur Hausfrau, in der Mutterschaft lag ihre natürliche Bestimmung, da erst die Mutterschaft eine Frau zur Frau machte. Vor dem ,,Hausmütterchen" wurde allerdings gewarnt. Eine Frau, die sich zu wenig um ihre Attraktivität für den Mann kümmerte, wurde zum Negativbild. Die Ehe blieb das Ziel jeder Frau. In Phase drei von 1963 bis 1968 wird das Hausfraudasein und die Hausarbeit abgewertet. Daher wurde zu ,,maßvoller" Berufstätigkeit geraten, wenn dies für Ehe und Familie förderlich war. Allerdings schlossen sich Mutterschaft und Berufstätigkeit nach wie vor aus.
In den 60-er Jahren erfolgte eine zunehmende Entspannung auf dem Arbeitsmarkt, was sogar zu einem Arbeitskräftemangel führte. So wurde die Teilzeitarbeit gefördert und das ,,Dreiphasen-Modell" propagiert. Demnach sollte eine ledige Frau voll im Erwerbsleben integriert sein. Nach der Geburt des ersten Kindes sollte sie sich aus der Berufstätigkeit zurückziehen und sich ihren Sozialisationsaufgaben widmen. Sobald das jüngste Kind nicht mehr schulpflichtig ist, sollte sie wieder ins Berufsleben einsteigen.
Dieses Modell entspricht aber sicherlich nicht der Realität, denn eine Wiederaufnahme des Berufes nach so langer Pause ist nur wenigen Frauen gelungen.
Selbst Ende der 1960-er Jahre wurde die Ehe noch als einzige Existenzform der Frau angesehen.13
Das Konzept der bürgerlichen Familie aus dem 18. Jahrhundert hat sich also bis in die 1960- er Jahre fortgesetzt, abgesehen von den veränderten Lebensbedingungen während des Krieges und in der frühen Nachkriegszeit.
III.Geschlechter- und Sozialpolitik als Familialisierungspolitik
III.1 Sozialpolitik und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse
Zentrale Aufgabe der Sozialpolitik ist es, dafür zu sorgen,14 dass Menschen in sozialen Notlagen v. a. finanziell ausreichend unterstützt werden. Die Sozialpolitik gibt aber auch Rahmenbedingungen vor, wie die Mitglieder einer Gesellschaft zusammenleben sollen, um möglichst stark von den sozialpolitischen Maßnahmen profitieren zu können. Dabei fördert sie eine bestimmte Lebensform und grenzt andere in gewisser Weise aus.
Wie könnte eine Sozialpolitik aussehen, die die Geschlechterverhältnisse weitgehend gerecht zu gestalten versuchte? Nach Rosenberger, auf deren Aufsatz wir uns in diesem Teil weitgehend stützen, müsste eine solche Sozialpolitik die Illusion einer männlichen Normalbiographie und eines weiblichen Lebenszusammenhangs durchbrechen15. Das Konzept des weiblichen Lebenszusammenhangs bezieht sich auf die Frau als Mutter und Hausfrau mit einem Mann an ihrer Seite, der für die Ernährunng der Familie zuständig ist. Die Frau wird in diesem Konzept familialisiert. - Deshalb auch der Name Familialisierungspolitik.
Auch Wörister und Talos sprechen in ihrem Beitrag für den Frauenbericht 199516 von einer strukturellen Benachteiligung von Frauen im Bereich der Sozialpolitik.17 Beispielsweise ist das ,,in Österreich bestehende System der Sozialversicherung [ist] nicht nur dominant an Erwerbstätigen orientiert. Es honoriert im besonderen die Dauer von Erwerbstätigkeit wie auch die Höhe des Erwerbseinkommens."18 Die Benachteiligung von Frauen ergibt sich zum einen dadurch, dass viele von ihnen durch ihrer Arbeitsleistung im Haushalt in keinem Vollzeitarbeitsverhältnissen stehen können. Zum anderen müssen sie durch die Geburt eines Kindes ihren Job aufgeben und verlieren dadurch Versicherungszeiten. Dies alles macht deutlich, dass die Sozialpolitik zumindest im Bereich der Sozialversicherung sich noch immer an einer männlichen Normalbiographie orientiert und keine geeigneten Maßnahmen geschaffen hat, um den Lebenszuammenhängen von Frauen, die eben nicht nur Mutter und Hausfrau sind, eben nicht bloß von ihrem Mann finanziell abhängig sein wollen oder können, Rechnung zu tragen.
III.2 Privilegierung der Ernährer/Hausfrauenehe durch die staatliche Sozialpolitik
Es stellt sich die Frage, ob die gegenwärtige Sozialpolitik sich noch immer nach der klassischen Ernährer/Hausfrauenehe richtet und diese dementsprechend vor anderen Lebensformen privilegiert.
Das Prinzip der Mitversicherung beispielsweise weicht von der klassischen Erwerbsorientierung von sozialpolitischen Maßnahmen ab. Trotzdem bedeutet es in Wahrheit eine Subventionierung des Ehemannes als Ernährer. Der Mann kann sich durch den Umstand, dass seine Frau und Kinder bei ihm mitversichert sind, eine Familie ,,leisten"; er kann eine Frau ernähren, die ihm die Haushalts- und große Teile der Erziehungsarbeit abnimmt. Dass sich in der Gegenwart zwar in dem Bereich der Aufteilung der Haushalts- und Erziehungsarbeit einiges tut, ändert nichts an dem Umstand, dass die staatlichen Maßnahmen die Entwicklung hin zur Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau im Haushalt nicht unterstützen. Rosenberger äußert sich dazu folgendermaßen: ,, Die Sozialpolitik entschädigt jene Menschen, die Versorgungsleistungen erbringen; sie zahlt (...) an Mütter und Ehefrauen für deren Arbeit als Mütter und Ehefrauen."19
Es ist also zu konstatieren, dass die Sozialpolitik auch in der Gegenwart noch eine ,,geschlechterhierarische Arbeitsteilung"20 unterstützt. Die Eigenarbeit - jene Tätigkeiten, die nicht über den Markt laufen, wie den Haushalt führen, Kinder betreuen, einkaufen gehen - wird in diesem System vom männlichen Erwerbstätigen an die Frau abgegeben. So haben wir in der Gesellschaft zwei weitere Idealtypen: ,, Arbeiter-Bürger" (der Mann bzw. Ehemann) und ,, Mutter-Bürger" (die Frau bzw. Ehefrau und Mutter)21.
Am Beispiel des sogenannten Erziehungsgeldes lässt sich die eben genannte Gestaltung der Sozialpolitik zeigen: Das Erziehungsgeld wird von einigen Ländern, z. B. Vorarlberg, aus allgemeinen Steuermittel gewährt. Allerdings erhalten das Erziehungsgeld nicht jene Bürger und Bürgerinnen, die Kinder zu erziehen haben, wie man aus dem Namen vielleicht folgern könnte. Vielmehr werden die finanziellen Mittel dann gewährt, wenn ein Elternteil um der Erziehung seiner Kinder willen den Beruf aufgibt. Das heißt also, dass das Modell der Ernäher/Hausfrauenehe somit indirekt gefördert wird und dass beispielsweise Alleinerzieherinnen in dieser Hinsicht leer ausgehen. Ähnliches ist aus dem Beispiel der Haushaltsbesteuerung und des Allleinverdienerabsetzbetrags ersichtlich22.
III.3 Des Mannes Normalbiographie, des Weibes Lebenszusammenhang
Das Konzept der männlichen Normalbiographie richtet sich nach einer männlichen, frei verfügbaren Arbeitskraft, die keine Unterbrechungen wegen Kindererziehungszeiten kennt und ihre Eigenarbeit an eine andere Person delegieren kann. Die männliche Normalbiographie ist also geprägt von Kontinuität und Klarheit. Im Gegensatz dazu steht der weibliche Lebenszusammenhang. Dieser ist gekennzeichnet von einem ständigen Hin und Her zwischen öffentlichem und privaten Bereich: Von den Normalarbeitsverhältnissen abweichende Arbeitsformen, Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung, Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt, Wiedereinstieg. Der weibliche Lebenszusammenhang ,,vollbringt das Kunststück, das Öffentliche und Private in einer Person zu vereinbaren."23
Traditionell war stets die männliche Normalbiographie fiktiver Maßstab für die Ausrichtung der Sozialpolitik. Nach Neyer24 wurde und wird zunehmend je nach Nutzen auch der weibliche Lebenszusammenhang zur Norm erhoben. Denn am Arbeitsmarkt scheint das ,,männliche Normalarbeitsverhältnis" immer antiquierter zu werden. Trotzdem wird es als Maßstab herangezogen, sobald es darum geht, nicht auf die kontinuierliche Erwerbstätigkeit bezogene Lebensverläufe zu sanktionieren. Dies ist dann der Fall, wenn sich die sozialpolitische Debatte um die Ausgaben für z. B. Arbeitslose, kranke Menschen oder sonst um die Unterstützung für BürgerInnen dreht, die sich dem Diktat der Erwerbsarbeit nicht beugen wollen oder können. Ein Beispiel gibt unserer Ansicht nach die Debatte um die Einführung einer Grundsicherung, die bekanntlich auf breite gesellschaftliche Ablehnung stößt.
Im Gegensatz dazu wird aber der weibliche Lebenszusammenhang bzw. das ,,weibliche Arbeitsverhältnis" (Teilzeitarbeit, Jobwechsel) dann als Maßstab herangezogen, wenn es um Deregulierungen, um Flexibilisierungen von Arbeitsverhältnissen geht. Dann gilt der weibliche Lebenszusammenhang plötzlich als ,,zukunftsweisend".
Inwieweit die Sozialpolitik auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen - also auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie - unterstützend eingewirkt hat oder nicht, werden wir anhand des Frauennachtarbeitsverbots im nächsten Teil erörtern. Hier möchten wir nur das Beispiel des Elternkarenzurlaubs erwähnen. Der Elternkarenzurlaub wurde im Rahmen des Familienpakets (1989/1990) erstmals ermöglicht. Diese Maßnahme wurde und wird von den Müttern angenommen. Hinsichtlich der Arbeitsaufteilung zwischen den Geschlechtern greift er aber nicht. Im Juli 1994 waren über 120.000 Mütter, aber nur 1.023 Väter auf Karenzurlaub. Rosenberger kritisiert die Unterlassung von Maßnahmen, die es Vätern attraktiver machten, den Karenzurlaub zu beanspruchen.25 Prinzipiell stellt sich die Frage, warum Frauen zwei Jahre lang ihren Beruf unterbrechen, obwohl sie wissen, dass der Wiedereinstieg gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Ein wichtiger Grund hierfür liegt im Mangel an öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen. Andererseits aber fehlt es auch an verfügbaren Vätern. Dadurch wird die Berufsunterbrechung der Frauen (Mütter) wegen ihrer Aufgaben in der Familie begünstigt und somit eine Familialisierung der Frauen durch die Politik forciert.26
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass viele der sozialpolitischen Maßnahmen reaktiv auf die sich ändernden gesellschaftlichen Verhältnisse antworten. Die Probleme von Frauen, die zwischen Markt und Familie hin und her pendeln, werden zwar aufgegriffen, es kommt aber zu keiner strukturellen Lösung des Konflikts. Privilegiert sind weiterhin jene Frauen, die Beruf und Familie nicht vereinbaren müssen und sich als ,,Mutter-Bürger" und Mitversicherte in das traditionelle frauenpolitische Konzept einfügen.
III.4 Ein dritter Zugangskanal zur sozialen Sicherung für Frauen
Das österreichische System kennt traditionell zwei Zugangskanäle zur sozialen Sicherung. Der Hauptzugangskanal ist die Erwerbsarbeit, entsprechend des Familienmodells kann aber auch die Angehörigen- und Mutterschaft als weiterer Zugangskanal zu staatlichen Sozialleistungen betrachtet werden. In den letzten Jahren ist aber auch ein Modell der ,, staatsbürgerlichen Versorgung"27 diskutiert worden. Hier soll dem Rechnung getragen werden, dass Menschen unabhängig von ihrem Familienstand und ihrer Erwerbsarbeit soziale Leistungen erhalten sollen. Im Grunde läuft die Forderung nach einer staatsbürgerlichen Versorgung darauf hinaus, dass der Staat einen Teil der Eigenarbeit seiner Bürgerinnen entschädigt.
In Österreich sind Ansätze für eine Aufweichung der Erwerbsarbeitszentrierung bei der Gewährung von Sozialleistungen - zwar spärlich, aber doch - zu finden. Seit 1993 werden beispielsweise Kindererziehungszeiten in die Berechnung der Pensionsversicherungsleistungen einbezogen. Bei Müttern bzw. Vätern, die aus dem Berufsleben aufgrund der Kindererziehung aussteigen, werden vier Jahre als Ersatzzeit in der Pensionsversicherung angerechnet. Allerdings können Mütter, die ihren Beruf weiterhin ausüben, keine Kindererziehungszeiten beanspruchen. Deshalb ist diese Maßnahme insofern problematisch, als sie frauenpolitisch betrachtet eine familialisierende Tendenz aufweist. Denn durch sie wird die Frau animiert, wieder in den privaten Bereich der Familie zurückzukehren. Rosenberger konstatiert dazu: ,, Diese Ambivalenz der Wirkungen, nämlich einerseits Realitäten und Wünsche aufzugreifen und andererseits eben diese Realitäten und Wünsche festzuschreiben, ist typisch für sozialpolitische Maßnahmen, die das sogenannte weibliche Arbeitsvermögen ,würdigen'."28
III.5 Sozialpolitik als Familialisierungs- und Individualisierungspolitik
Die Sozialpolitik kennt zwei ambivalente Tendenzen. Einerseits familialisiert sie die Frauen indem sie sie als Mütter, Ehe- und Hausfrauen anspricht und unterstützt. Gleichzeitig muss die Sozialpolitik aber auch auf die zunehmende Individualisierung der Menschen antworten. Individualisierung bezeichnet einen Prozess, in dem Menschen aus ihren traditionellen Bindungen herausgelöst werden und auf sich selbst gestellt sind. Für Frauen bedeutet die Individualisierung mehr Unabhängigkeit von ihren Ehemännern, da sie sich über die eigene Erwerbsarbeit versorgen.29 Individualisierung kann aber auch die Individualisierung von Risiken bedeuten. Ob dieser Prozess und damit die Erwerbsarbeit für Frauen tatsächlich ein Mehr an Autonomie bringt, hängt stark davon ab, inwiefern die Politik die Einkommensunterschiede auszugleichen versteht und auf den spezifisch weiblichen Lebenszusammenhang Rücksicht nimmt. Während im Bereich der Arbeitslosenversicherung die Leistungsunterschiede geringfügig abgenommen haben, sind die Einkommensunterschiede bei Frauen und Männern aber geblieben.30 Im Sozialbericht 1998 wird beispielsweise festgestellt, dass Frauen um 28 Prozent weniger verdienen als Männer. Ohne Berücksichtigung der Beamten lag der Unterschied sogar bei 32 Prozent. Das mittlere Erwerbseinkommen der Männer beläuft sich auf 25.300 Schilling, das der Frauen auf nur 18.300 Schilling.31 Ein weiterer problematischer Punkt ist die Teilzeitarbeit, die den Frauen in der Regel die Chance nimmt, unabhängig von ihren Ehemännern zu werden und sie nur zu ,,Zuverdienerinnen" in der Familie macht. Dem ideologischen Druck, dass man/frau hauptsächlich über Erwerbsarbeit zu Identität und Selbstbewusstsein finden könne, geben viele Frauen nach und setzen sich so noch stärkeren Belastungen aus. Man kann im Zusammenhang der Förderung von Teilzeitarbeit durch die Politik von einer ,, Familialisierung des Arbeitsmarkts 32 " sprechen, da Teilzeitarbeit die Abhängigkeit in der Ehe erhöht und die Frau fester an das traditionelle Familienbild bindet.
III.5.1 Das Gleichbehandlungspaket
Das Gleichbehandlungspaket, das 1993 in Kraft getreten ist, soll die Fortschreibung von diskriminierenden Maßnahmen der Sozialpolitik mildern. Es umfasst einen großen Teil der österreichischen Gleichbehandlungspolitik. Folgende Punkte sind in diesem Paket unter anderem beinhaltet33:
- Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes - der Begriff der mittelbaren Diskriminierung wurde erstmals eingeführt
- Änderungen des Arbeitsverfassungsgesetzes - Einführung von Frauenförderungsprogrammen durch Betriebsvereinbarungen
- Ausdehnung der Pflegefreistellung auf maximal zwei Wochen pro Jahr
- Änderungen im Heimarbeitsgesetz
III. 6 Schlussfolgerungen
Frauenrelevante Sozialpolitik steht, gesellschaftlich betrachtet, im Schmarotzereck. In der Diskussion um die Reduzierung von wohlfahrtstaatlichen Leistungen wird vor allem und zuerst bei ledigen bzw. alleinerziehenden Müttern begonnen. Die Phrase, dass nur diejenigen soziale Unterstützung erhalten sollen, die sie ,,wirklich" brauchen, wird für solche Zwecke missbraucht. Alleinerzieherinnen und alleinstehende Frauen stehen so ständig unter Missbrauchsverdacht von sozialen Leistungen.34
Obwohl eine wachsende Aufweichung der Erwerbarbeitszentrierung von staatlichen Leistungen zu bemerken ist, sind wir noch weit von einer staatsbürgerlichen Versorgung der Frauen entfernt. In der österreichischen Sozialpolitik wurde außerdem der Schritt vom Kriterium einer Angehörigenschaft hin zu einer eigenständigen Versorgung als Grundlage für Ansprüche von sozialen Leistungen noch nicht vollständig vollzogen.
Die wohlfahrtstaatlichen Leistungen antworten noch immer reaktiv auf die gesellschaftlichen Veränderungen und setzen keine Maßnahmen für eine gerechte Umverteilung von Arbeit und Einkommen zwischen den Geschlechtern. Aufgrund der ideologischen Verbrämung der Sozialpolitik, die unter der gegenwärtigen Regierung sicherlich noch zunehmen wird, können wir sogar sagen, dass die grundsätzliche Struktur der Arbeits- und Einkommensverteilung eher noch gefestigt wird.
IV. Geschlechterkonstrukte
Gleichheit und Differenz sind35 zentrale Begriffe in der politischen Diskussion rund um die Sozialpolitik.36 Von feministischer Seite wird gefordert, die Sozialpolitik solle die differenten Lebensgestaltungen von Frauen und Männern anerkennen und demgemäß ihre Maßnahmen ausrichten. Leider wird diese Forderung nicht selten instrumentalisiert und in eine familialisierende Frauenpolitik umgewendet, die die ökonomischen und sozialen Differenzen von Frauen und Männern nicht nur festschreibt, sondern noch vergrößert. Statt mehr Autonomie für Frauen zu schaffen, wird größere Abhängigkeit hergestellt.
Die Konzeptionen von Sozialpolitik als Geschlechterpolitik greifen immer wieder zurück auf bestimmte Geschlechterkonstrukte. Hier erscheint die Frau in der Regel nicht als autonomes Subjekt, sondern - wie Prokop sagt - ,,im Paar"37. Den Geschlechterkonstrukten ist es wesentlich, dass ihr Bedeutungsgehalt veränderbar und nicht klar festschreibbar ist. Eine bloß binäre Differenzierung zwischen ,,weiblich" und ,,männlich" griffe zu kurz, denn auch in den Begriffen ,,Vaterschaft/Mutterschaft", ,,Familie", ,,Lohnarbeiterschaft" schwingen verschiedenste Bedeutungsgehalte bezüglich der Geschlechterkonstrukte mit.
IV.1 Geschichtlicher Abriss: der Bedeutungswandel der Rolle der Frau im öffentlichen und privaten Bereich
IV.1.1 Liberalistische Positionen
Von der Mitte des 18.Jahrhunderts bis zum Regierungswechsel 1879 war der Liberalismus die dominante Ideologie. Die Frauenlohnarbeit wurde als integraler Bestandteil der staatlichen Wirtschaftspolitik gefördert. Durch die Heranziehung der ,,billigen Arbeitskraft der Frauen"38 versprach man sich eine schnellere Erreichung einer konkurrenzfähigen Industrie, um im Wettbewerb mit dem Ausland bestehen zu können. In der Folge kam es zur Aufhebung von Beschränkungen für die Frauenarbeit. Dies ist ein markantes Zeichen für die ,,Liberalisierung" der Frauenarbeit und hatte außerdem den Zweck, die Löhne zu senken. Kaiserin Maria Theresia begründete beispielsweise die Zulassung von Frauen zur Webstuhlarbeit damit, dass der Winderlohn zu hoch sei und man mit dieser Maßnahme die Löhne drücken könne.39
Die Gewerbeordnung von 1859 führte zur vollständigen ,,Liberalisierung" der Frauenerwerbsarbeit. Die Fabriksarbeit bildete eine zentrale Maßnahme zur Verringerung der Armen- und Wohlfahrtsausgaben des Staates. Fabriken als ,,'die besten Versorgungsanstalten' für Weiber und Kinder"40 Männer protestierten gegen die Fabriksarbeit von Frauen, weil sie sich durch diese mit einer permanenten Lohnsenkung konfrontiert sahen. Sie forderten also nicht etwa eine Angleichung, sondern dass Frauen in bestimmten Männerdomänen überhaupt nicht mehr arbeiten sollten.
Von politischer Seite scheint es war die Steigerung der Produktion, das wirtschaftliche Wachstum Ziel aller staatlichen Maßnahmen. Die Regierungen beriefen sich auf das ,,freie Vertragsverhältnis" von Unternehmern und LohnarbeiterInnen.41
Neyer zieht angesichts dieser Entwicklung folgendes Fazit: ,,Während somit die Arbeiterschaft selbst auf eine differenzierende Behandlung von Frauen und Männern drängte, beharrten die Regierungen auf dem Prinzip der Gleichbehandlung von weiblichen und männlichen Arbeitskräften." 42
Insgesamt kann man konstatieren, dass innerhalb der politischen Ideologien, die liberalistische die weitaus dominanteste war. Dies ist auch daran ersichtlich, dass sich der Staat nicht als eine Instanz verstand, die einen gerechten Ausgleich zwischen Arbeit und Kapital regeln sollte, sondern meinte, er müsse paternalistische Aufgaben übernehmen. Die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt, also in der öffentlichen Sphäre, wurde hineinverlegt in den privaten Bereich. In die ,,Vertragsfreiheit" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin dürfe der Staat eben nicht eingreifen, so die allgemeine politische Rechtfertigung.43 Grundlage dieses Arguments war die postulierte Gleichheit von der Arbeitskraft Frau und der Arbeitskraft Mann. Dass dies nicht den Realitäten entsprach, schien durch die ideologische Brille nicht erkannt worden zu sein. Der hier formulierte Gleichheitsgedanke war ja in Wahrheit eine ,,Gleichheit vor der Ausbeutung". Die auch heute noch gängige und wiederbelebte Straprazierung des Freiheitsbegriffs in der Phrase der ,,freien" Lohnarbeitskraft, des ,,freien" Vertragsverhältnisses ist bekanntlich eine Verzerrung. Wesentliche Grundlage diese Begriffs ist ja nicht ,,Freiheit" sondern ,,Willkür". Weiters diente die Instrumentalisierung des Gleichheitsbegriffs zur Reduktion von Löhnen und der Aufhebung von existierenden Arbeistrechten und -schutzbestimmungen.
IV.1.2.Die klerikal-konservative Position
Mit dem Regierungswechsel 1879, mit dem Graf Taaffe Ministerpräsident wurde, begann ein intensiveres Eingreifen des Staates in die Wirtschaft. Es setzte eine Rekonstruierung der ökonomischen Verhältnisse nach christlich-konservativen Vorstellungen ein. Hinter den Maßnahmen stand das Ziel einer paternalen Organisation der Gesellschaft -Die politischen Debatten waren getragen von Antiindustrialismus und Antiliberalismus. Der kleinbetriebliche Mittelstand wurde gefördert, und im sozialen Bereich dominierte der patriarchale Familialismus. Basis der ökonomischen Existenz war nicht mehr das ,,freie" Indivdiuum sondern die Kleinfamilie.
Zwei Tendenzen verfolgte die Sozialpolitik zwischen 1879 und 1893:
1. Geschlechterdifferenzierende sozialpolitische Maßnahmen im Lohnarbeitsbereich
2. Restauration patriarchaler Familienstrukturen im privaten Bereich
Die Konstitutierung der staatlichen Sozialpolitik in der Ära Taaffe ist der Beginn der österreichischen Sozialpolitik als Geschlechter- und Familialisierungspolitik. Hier beginnt der Prozess, der die Frau ihres Subjektstatus beraubt.
1885 trat eine Gewerbeordnugsnovelle in Kraft, die folgende Schutzbestimmungen für Frauen enthielt:44
- Nachtarbeitsverbot für Frauen in Fabriken
- Viewöchiges Beschäftigungsverbot für Wöchnerinnen
- Beschäftigungsbeschränkungen für Frauen (und Jugendliche) in gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Bereichen
Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit gab es allerdings in Bereichen, in denen traditionell viele Frauen beschäftigt waren. In der Diskussion rund um das Nachtarbeitsverbot ging es vor allem darum, Frauen aus bestimmten Bereichen der Erwerbsarbeit auszuschließen. Die Beschränkung der Arbeitszeit der Frau war getragen von dem Wunsch, sie der Familie ,,zurückzugeben" und nicht davon, sie autonom zu machen.
Die Agumentation der Konservativen zum Nachtarbeitsverbot macht deutlich, dass sie einen spezfisch weiblichen Ort und eine spezifisch weibliche Zeit konstruierten. Die Frau gehöre ,,ins Haus"45 und das vor allem in der Nacht. Dies bedeutet eine Zuweisung von gesellschaftlichen Räumen und Zeiten an die Frau, eine Einschränkung ihrer Autononie, nicht nur in der öffentlichen, sondern auch in der privaten Sphäre.
IV.1.3 Position der Arbeiterschaft
Auch die Arbeiter wollten eine Beschränkung der Frauenerwerbsarbeit. Dies vor allem, um ihre eigenen Arbeitsplätze und Löhne zu sichern. Die Argumentation der Arbeiterschaft basierte auf biologistischen Grundlagen: Die körperliche und geistige Konstitution der Frau prädestinierten sie für familiäre Aufgaben. Die weibliche Arbeitskraft wurde insgesamt vor allem als Konkurrenz betrachtet. Die Arbeiterschaft plädierte nicht für eine völlige Trennung der Geschlechterspähren wie die Konservativen, wohl aber für eine Einschränkung der Frauenlohnarbeit. Dies war auch die Folge davon, dass die Geschlechterkonstrukte der Arbeiterschaft von einer Anerkennung partieller Gemeinsamkeiten von Mann und Frau getragen waren. Allerdings wurden gleichzeitig die Differenzen dort betont, wo es den männlichen Arbeitern nutzte.
IV. 2 Instrumentalisierung von politischen Konstrukten
Aus dem kurzen geschichtlichen Abriss der Argumentationsweisen der Vertreter verschiedener politischer Ideologien, ist ersichtlich, dass die Bildung von spezifischen Geschlechterkonstrukten nicht von philosophischen oder auch nur moralischen Überzeugungen bzw. Erkenntnissen, sondern von Interessen geleitet ist. Je nach der Machtposition innerhalb der Gesellschaft, je nach egoistischen Gruppeninteressen werden Aussagen über den Ort, die Zeit und den sozialen Aufgaben der Frau in der Gesellschaft getroffen. Geschlechterkonstruktionen sind also nicht statisch, sondern variabel, nicht einheitlich, sondern vielfältig. Im Übrigen können auch die Begriffe Gleichheit und Differenz als Konstruktionen verstanden werden.
Ein weiteres Merkmal des Diskurses innerhalb der Sozialpolitik ist die Fixierung und Definition nur eines Geschlechts, des weiblichen. Die Frau wird dabei nicht nur bestimmt, sondern auch aufgespalten. Neyer stellt dazu folgendes fest: ,, Die sozialpolitischen Regelungen (...) schaffen real, was ihnen argumentativ unterlegt wird, nämlich einen sozial, familiär, moralisch, biologisch zerrissenen ,Lebenszusammenhang' von Frauen."46 Der Mann hingegen als ,, das Geschlecht, das nicht definiert ist"47, kann durch diese Undefiniertheit als ,,Einheit" imaginiert werden.
IV.3 Sozialpolitik am Beispiel der Pensionspolitik
Ein Blick in das Pensionsrecht ermöglicht eine gewisse48 Verdeutlichung der Position der Frau in der Sozialpolitik.
IV.3.1 Fortschreibung der Familialisierung und der Einkommensunterschiede im Pensionsrecht
Die Einführung der Witwerpension gibt ein Beispiel für die Vernutzung des Begriffs ,,Gleichheit" in der Geschlechterdebatte. Die postulierte Gleichheit von Frau und Mann führte im Pensionsrecht zur Einführung der Witwerpension, versuchte aber nicht, die bestehenden Unterschiede der Pensionshöhen von Frauen und Männern zu mildern oder gar auszugleichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Entnommen aus: Bericht über die soziale Lage 1992, Datenband, Wien 1993, S. 100)
1) Die Witwerpension betrug 1992 40 % der Pension der verstorbenen Ehefrau
2) Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter
3) Pensionsversicherugsanstalt der Angestellten
Diese Tabelle zeigt u. a. Folgendes:
1. Die mittlere Höhe49 der Frauenpension ist nicht einmal halb so hoch wie die mittlere Höhe der Männerpension. Das Verhältnis der Männerpensionen zu den Pensionen der Frauen hat sich noch dazu in den letzten Jahren verschlechtert.
2. Von der unterschiedlichen Bezahlung von Arbeitern und Angestellten sind auch die Frauen betroffen (ATS 4.800,-- bei den Arbeiterinnen, ATS 8.442,-- bei den Angstellten).
Durch die Einführung der Witwerpension haben die Ungleichheiten zugenommen. Männer erhalten nach dem Tod ihrer Ehefrauen ungeachtet ihrer eigenen Pension eine Ehemännerpension in Form der Witwerpension.50 Dies führt dazu, dass im Namen der Gleichheit die Ungleichheiten zugenommen haben. Denn diese Reform bedeutet für Frauen, dass sie ,, nach ihrem Tod mit den Männern gleichgestellt [werden]; (...) Gleichheit nach dem Tod führt aber bekanntlich nicht zu mehr Gleichheit (...) unter den Lebenden."51
Unter dem Gesichtspunkt der Familialisierung der Frau ist die Tatsache interessant, dass die mittlere Höhe der Witwenpension höher liegt als die der Alterspension für Arbeiterinnen, wie in folgender Tabelle ersichtlich ist:
Verteilung der neu zuerkannten Frauenpensionen im Jahr 1992 in der Pensionsversicherung der Arbeiter in Schilling:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Entnommen aus: Bericht über die soziale Lage 1992, Datenband, Wien 1993, S. 100)
*Die Witwenpension wird nach der Höhe der Pension des Ehemannes berechnet und beträgt 60 % derselben.
Aus der subjektiven Perspektive von Frauen betrachtet, ist gewissermaßen ein gut verdienender Ehemann für viele von ihnen eine größere materielle Sicherstellung als jahrelange Erwerbsarbeit. Nimmt man den gesellschaftlichen Standpunkt ein, so könnte man sagen, dass der Staat mit der Witwenpension zwar die Eigenarbeit der Frau als Ehefrau, Hausfrau und Mutter indirekt honoriert, diese Eigenarbeit bei Frauen, die in einem jahrelangen Erwersarbeitsverhältnis stehen aber ,,vergisst". Jedenfalls ist hier ersichtlich, dass die unterschiedlichen Einkommenshöhen von Frauen und Männern Konsequenzen haben bis ins Pensionsrecht hinein, die Ungleichheiten also perpetuiert werden und hier paradoxe Auswirkungen zeigen.
Frauen, die aufgrund ihres Lebenszusammenhanges weniger Zeit für Erwerbsarbeit haben und auch deshalb weniger verdienen, ziehen den Kürzeren. Hier werden Rechtsnormen, die strukturell auf den männlichen Lebenszusammenhang abgestimmt sind, ,,geschlechtsneutral" auf Frauen angewendet. Hieden-Sommer spricht hier von ,, mittelbarer Diskriminierung" 52.
Für viele Frauen ist also nur dann ein Minimum an materieller Sicherheit im Alter gewährleistet, wenn sie Anspruch auf Eigenpension und Witwenpension haben. Die Konzeption der Witwenpension ist angeleitet von dem Grundsatz, die Ehefrau nach dem Tod des Ehemanns finanziell sicher zu stellen. Genauer betrachet ist die Witwenpension ,, ein Anspruch des Mannes auf Absicherung seiner Ehefrau nach seinem Tod"53. Die Witwenpension hat so - wie viele sozialpolitische Maßnahmen für Frauen - einen doppelgesichtigen Charakter: Einerseits bringt sie tatsächlich eine finanzielle Absicherung von Ehefrauen, andererseits festigt sie aber die Strukturen und fördert die Fortschreibung der Ernährer/Hausfrauenehe. Letztere wiederum dient der Rechtfertigung für niedrigere Frauenlöhne und ungeschützte Erwerbsarbeitsverhältnisse für Frauen. Dass die bürgerliche Versorgungsehe als Ernährer/Hausfrauenehe in den unteren Einkommensklassen nie den Realitäten entsprochen hat, wird dabei im Übrigen übergangen. Frauen von Ehemännern der niedrigen Einkommensschicht waren immer schon zum ,,Dazuverdienen" gezwungen (vergleiche auch: Kapitel II.3 ).
IV.4 Legitimation der Ungleichheit durch gesellschaftliche Konstrukte
Die ,Ehe' bzw. die ,Familie' wird in der politischen Diskussion als Einheit betrachtet. Implizit angenommen wird dabei, dass in dieser Einheit Personen mit sich ergänzenden Interessen leben. Eine eigenständige Existenzsicherung der Frau kommt deshalb erst gar nicht in den Blick.
Wird die wirtschaftliche Situation von Familienhaushalten diskutiert, so wird die Eigenarbeit der Frau immer wieder diskret übergangen. Die wirtschaftliche Leistung der Versorgungsarbeit kommt nicht zur Sprache.
Die Kategorisierung von Frauen in ,,Hausfrauen" und ,,berufstätige Frauen" in den Untersuchungen und Studien von Sozial- und Wirtschaftswissenschaftern verzerrt die Tatsache der Mehrfachbelastung von berufstätigen Frauen. Hier werden Gegenbegriffe konstruiert, die der Realität nicht entsprechen.
V. Drei Konzepte zur Familienpolitik innerhalb der EU
Die Familienpolitik fällt eigentlich nicht in den54 Aufgabenbereich der EU als suprastaatliche Organisation, sondern in die Kompetenz ihrer Mitgliedsstaaten. Trotzdem stoßen in sozialpolitischen Diskussionen immer wieder verschiedene Denktraditionen aufeinander.
Schunter-Kleemann spricht in ihrem Beitrag von drei Varianten von Frauen- und Familienpolitik55, die innerhalb der Gremien der EU in Widerstreit zueinander stehen.
V.1 Die Konzeption der Sozialdemokraten
Im Denken der Vertreter der sozialdemokratisch-sozialistischen Position wird die ökonomische Unabhängigkeit der Frau als Voraussetzung ihrer gesellschaftlichen Gleichstellung betrachtet. Dementsprechend fordern die Sozialdemokraten massiv eine Verbesserung im Bereich der Erwerbsintegration von Frauen. Eine soziale Sicherstellung von Frauen unabhängig davon, ob sie einer Erwerbsarbeit nachgehen oder nicht, wird konsequenterweise hier nicht angedacht. Weiters muss festgestellt werden, dass die Vereinbarkeit von Beruf und den familiären Aufgaben hauptsächlich als ,,Frauenproblem"56 diskutiert wird.
V. 2 Die liberale Konzeption
Eine Verbesserung der Situation der Frauen in Familie und Gesellschaft soll sich nach der Konzeption der Liberalen in der EU über die Teilhabe am Markt einstellen. Die Liberalen plädieren für gleiche Bildungs- und Beschäftigungschancen und wollen Unternehmen animieren, mehr in die Arbeitskraft ,,Frau" zu investieren. Leitfigur dieser Konzeption ist die ,, Karrierefrau", die meist als alleinstehend und kinderlos imaginiert wird. Die Vertreter der liberalen Position setzen deshalb auch auf die Frau als ,freies Individuum', das sich von paternalistischen Bindungen lösen und neue Bindungen zum Markt bzw. zum Arbeitgeber eingehen soll.
Es ist wohl klar ersichtlich, wie wenig diese Konzeption der Realität entspricht, in der der Arbeitsmarkt sehr wenige Frauen dieses Typs kennt. Deutlich wird die ideologische Verbrämung dort, wo es um die Position zu wohlfahrtsstaatlichen Leistungen geht. Diesen stehen die Liberalen mit Vorbehalten gegenüber. Staatliche Sozialleistungen für Frauen werden hier sehr schnell zur ,, staatlichen Bevormundung".
Die Liberalen stehen aber auch den von der Ehe abgeleiteten sozialen Ansprüchen kritisch gegenüber und wollen sie durch individuelle Rechtsansprüche ersetzt sehen. Das Gleichheitsverständnis der Liberalen, das ein ,,freies Individuum" Frau konzipiert, führt auch zur Forderung des Abbaus von Frauenschutzrechten wie z. B. des Nachtarbeitsverbots für Frauen (vergleiche auch Kapitel VII.1).
In der liberalen Position wird der tatsächliche Lebenszusammenhang der Frau zwischen privaten und öffentlichen Bereich dahingehend beschnitten, als sie nur noch als in der öffentlichen Sphäre sich bewegend gesehen wird. Die Situation der Frau als Hausfrau, Ehefrau und Mutter wird ignoriert. Dadurch fingiert die liberale Position die Chancengleichheit der Frau am Arbeitsmarkt. Dementsprechend sehen die Liberalen auch keinen Anlass, Kindereinrichtungen staatlich zu fördern.
V. 3 Die konservative Position
Die Vertreter der konservativen Linie akzeptieren ein gleiches Recht der Frauen auf Erwerbsarbeit aufgrund ihrer Familienideologie nicht. Sie setzen sich eher ein für die Unterbrechung der Erwerbsarbeit für die Familienarbeit bzw. untersützen den Wunsch nach Teilzeitarbeit.
Die konservative Position ist außerdem geprägt von einem Festhalten an einem von der Ehe abgeleiteten Anspruch auf soziale Sicherheit. Eine eigenständige soziale Sicherung für Frauen ist nicht erwünscht. Überhaupt wollen die Konservativen die traditionelle bürgerliche Versorgungsehe aufrecht erhalten.
Hauptgesichtspunkt dieser Position ist die Verhinderung einer finanziellen Benachteiligung von Frauen mit Kindern gegenüber kinderlosen Frauen durch steuerliche Unterstützung Erstgenannter. Kindereinrichtungen werden von den französischen und belgischen Konservativen eher befürwortet, von den Konservativen in den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien eher abgelehnt.
V. 4 Schlussfolgerungen
Allgemein kann gesagt werden, dass sich das Interesse der EU hinsichtlich der Familienpolitik weniger an eine Veränderung der Geschlechterkonstruktionen orientiert. Auch haben sich die Positionen der sozialdemokratischen, liberalen und konservativen Parteien in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich verändert. Das Interesse der EU richtet sich eher auf demographische Veränderungen und ökonomische Fragestellungen. Der europaweite Geburtenrückgang, der die natürliche Regeneration der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet und die stark ansteigende Scheidungsrate sind die Themen, die in der EU zur Sprache kommen. Dabei trat ins Zentrum der Debatte die Frage ,, ob die traditionale Familie als Keimzelle des Staates und der europäischen Kulturüberleben wird"(sic!)57.
VI Familiäre Arbeitsteilung
VI.1 Frauenbericht 1995
Nach wie vor liegt in Österreich die Hauptverantwortung für Haushalt und Kinder in der Hand der Frauen. Der Alltag der meisten erwachsenen Frauen wird laut Frauenbericht des Frauenministeriums aus dem Jahr 1995 durch familiäre Zusammenhänge bestimmt: ,,Ihr Leben ist in erster Linie ein Leben für andere, ein durch die Bedürfnisse und Fixpunkte anderer Personen strukturiertes Leben." 58 Laut des Berichts wird der Alltag vieler Frauen von außen gesetzten Zeitrastern - wie etwa Arbeitszeiten und Arbeitsbeginn des Mannes und Öffnungszeiten von Kindergärten - bestimmt. Um solche Zeitraster und die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Zeiteinteilung aufzuzeigen, wurden 1981 und 1992 vom Frauenministerium zwei Untersuchungen zum Zeitbudget durchgeführt und miteinander verglichen. Im Folgenden stellen wir die Ergebnisse zusammenfassend dar.
Fazit 1: Männer haben mehr Freizeit
In diesem Vergleich zeigte sich, dass 1992 Männer eindeutig mehr Freizeit zur Verfügung hatten als Frauen. Frauen hatten an normalen Werktagen durchschnittlich 4 Stunden und 9 Minuten59 freie Zeit zur Verfügung, während Männer im Schnitt 4 Stunden und 45 Minuten Zeit für sich hatten. Auch am Wochenende hatten Männer mehr Zeit zum Entspannen:
Sonntags stehen 6 Stunden 46 Minuten bei Frauen 8 Stunden und 22 Minuten Freizeit bei Männern gegenüber. Frauen verwendeten 1992 für Hausarbeit und Kinderbetreuung während der Woche mehr Zeit als für Freizeitaktivitäten. Der Zeitaufwand der Männer für Haushalt und Kinder war nicht einmal halb so groß wie der der Frauen.60
Fazit 2: Große Unterschiede bei Erwerbsbeteiligung
Was die Erwerbsbeteiligung betrifft, haben sich laut dieser Studie zwischen 1981 und 1992 die geschlechtsspezifischen Unterschiede zwar etwas verringert, trotzdem ist der Unterschied noch groß: 1981 waren 55,2% der befragten Männer über 19 berufstätig, aber nur 29,5% der befragten Frauen. 1992 hatte sich der Anteil bei den Männern nur unwesentlich, nämlich auf 56,4%, erhöht, bei den Frauen waren hingegen immerhin 33,7% haupt- oder nebenbeschäftigt.61
Im Gegensatz zur Erwerbsbeteiligung haben sich aber die geschlechtsspezifischen Unterschiede, was die reale Arbeitszeit betrifft, in den letzten zehn Jahren vergrößert. Das wird in erster Linie auf die Zunahme der Teilzeitbeschäftigungen bei Frauen zurückgeführt.62
Fazit 3: Hausarbeit ist noch immer in erster Linie ,,Frauensache"
Interessant ist, dass laut dieser Studie 1992 insgesamt mehr Zeit für Hausarbeit verwendet wurde als 1981. Ein Großteil der durch Arbeitszeitverkürzungen frei gewordenen Zeit wird offensichtlich für den Haushalt verwendet. Als mögliche Ursachen dafür geben die AutorInnen gestiegene Ansprüche an die Sauberkeit der eigenen Wohnung, die deutlich größere Wohnfläche pro Kopf und die größere Anzahl an Zweitwohnsitzen an.63
Der Anteil jener Personen, die Hausarbeit leisten, ist vor allem bei den Männern seit 1981 stark gestiegen. Männer übernahmen 1992 deutlich öfter Tätigkeiten im Haushalt, und sie verrichteten auch jenen Teil, der als wenig attraktiv gilt. Inzwischen sind kochen, aufräumen und waschen nicht mehr ausschließlich Frauensache. Dennoch sind wir von ,,Halbe/Halbe" noch sehr weit entfernt. Laut der Studie war 1992 unter den Frauen der Anteil derer, die kochen, aufräumen oder waschen dreimal so hoch wie bei den Männern. Und der Anteil einkaufender Frauen war doppelt so hoch.64
Auch was die Kinderbetreuung betrifft trugen 1992 meistens Frauen die Hauptverantwortung. Der Anteil kinderbetreuender Frauen war 1992 doppelt so hoch wie der der Männer. Der Beitrag der Väter zur Kinderbetreuung konzentrierte sich vor allem auf gemeinsame Freizeitaktivitäten. Das bloße Beaufsichtigen ist bei Vätern nicht sehr beliebt. Am unbeliebtesten ist das Lernen mit den Kindern. Dies war 1992 nach dieser Studie praktisch ausschließlich ,,Frauenangelegenheit".65
Insgesamt gesehen werden in Österreich rund drei Viertel der erbrachten Dienstleistungen in privaten Haushalten von Frauen erbracht.66
Fazit 4: Es bestehen altersspezifische und sozioökonomische Unterschiede
Die bisher genannten Zahlen sind Durchschnittswerte, das heißt, auf die Gesamtbevölkerung bezogen, ohne dabei die unterschiedlichen Lebenszusammnenhänge zu berücksichtigen. Um einen genaueren Einblick in die geschlechtsspezifisch unterschiedliche Zeiteinteilung zu bekommen, differenziert der Frauenbericht bezüglich Alter und sozio-ökonomischer Unterschiede.
a) Alter
Bemerkenswert ist, dass laut dieser Studie die geschlechtsspezifischen Unterschiede hinsichtlich der Hausarbeit schon bei Jugendlichen zu beobachten sind. In der Altersgruppe der 19 bis 24-Jährigen leisteten 1992 Frauen oft doppelt so viel Hausarbeit wie Männer.67 Mit der ersten eigenen Wohnung und der Gründung einer Familie ändert sich die Zeitverwendung stark. Bei den 30 bis 34-jährigen Frauen nimmt laut dieser Studie die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit ab und der Zeitaufwand für Haushaltsarbeiten und Kinderbetreuung zu. Bei den Männern dieses Alters steigt die tägliche Arbeitszeit. Bemerkenswert ist dabei, dass bei den Männern - verglichen mit der Altersgruppe der 19 bis 24-Jährigen - gleichzeitig mit der Arbeitszeit auch der Zeitaufwand für Hausarbeit und Kinderbetreuung steigt. Trotzdem hatten 1992 Männer nur ein Drittel des Zeitaufwandes in Haushalt und Familie, den Frauen gleichen Alters hatten.68
Die geringsten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Zeitverwendung gab es bei den älteren Menschen. Ältere Männer beschäftigen sich, so die Studie, häufiger und länger mit Hausarbeit.69
b) Erwerbsarbeit
Ob Frauen berufstätig sind oder als Hausfrauen einen Großteil der Hausarbeit übernehmen, hat starken Einfluss auf weibliche und männliche Lebenszusammenhänge. Berufstätige Frauen sind in unserer Gesellschaft am stärksten mit Arbeit belastet. Im Durchschnitt arbeiteten berufstätige Frauen Anfang der Neunziger täglich 5 Stunden und 28 Minuten außer Haus und 4 Stunden und 13 Minuten zu Hause. Die Hauptverantwortung für Haushalt und Kinder bleibt auch bei den Frauen, wenn sie erwerbstätig sind. Wenn Männer erwerbstätig sind, haben sie meistens längere Arbeitszeiten. Zugleich reduzieren viele Männer jedoch den Aufwand für Hausarbeit und Kinderbetreuung. Jeder dritte berufstätige Mann beteiligte sich laut der Studie an einem durchschnittlichen Tag überhaupt nicht an Hausarbeit und Kinderbetreuung. Erwerbs- und Hausarbeit zusammen erforderten bei berufstätigen Männern 8 Stunden und 45 Minuten pro Tag, bei berufstätigen Frauen hingegen 9 Stunden und 41 Minuten.70
Besser als den berufstätigen Frauen geht es den nicht-berufstätigen Hausfrauen. Sie haben deutlich mehr Freizeit. Gleichzeitig verwenden sie durchschnittlich mehr Zeit für Hausarbeit und können seltener mit Mithilfe der anderen Familienmitglieder im Haushalt rechnen.71
Fazit 5: Sozio-ökonomische Unterschiede
Bezüglich der sozio-ökonomischen Unterschiede in Erwerbsarbeit, Zeit für Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung sowie Freizeit, stellt die Studie fest, dass je höher die schulische Qualifikation und die berufliche Position erwerbstätiger Frauen ist, desto länger wird täglich gearbeitet. Mit der Höhe der beruflichen Platzierung von Frauen sinkt weiters die für Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung aufgewendete Zeit. Womit ihnen mehr freie Zeit bleibt.
Dies begründet die Studie folgendermaßen:72
1) Beruflich hochqualifizierte Frauen haben im Durchschnitt kleinere Haushalte mit meist nur ein oder zwei Kindern.
2) Mit der Höhe der eigenen Schulbildung und des sozialen Status und auch mit der Bildung des Partners steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen eine gerechtere Aufgabenteilung durchsetzen.
3) Mit der Höhe des Einkommens erhöhen sich die Möglichkeiten, Haushaltsarbeiten auszulagern.
VI.2 Die Studie ,,Frauenzeit"
VI.2.1 Arbeitsteilung in Haushalten höherer Bildungsschichten
Der oben genannten Einschätzung des Frauenberichts, Frauen aus73 höheren sozio- ökonmischen Schichten könnten mit Mithilfe im Haushalt rechnen, widerspricht die ,,Frauenzeit" - Studie in gewisser Weise. Die Untersuchung des österreichischen ÖkologieInstitutes und der Grünen Wiener Frauen aus dem Jahr 1999 zeigt, dass auch oft in jüngeren Haushalten mit höherem Bildungsniveau die traditionelle geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung vorherrscht. Im Rahmen dieser Studie wurde die Arbeitsteilung in 30 Wiener Haushalten sowie die Auswirkungen des Einsatzes von Haushaltsgeräten und Fertigprodukten auf die Verteilung der Hauhaltsarbeit untersucht.
Die Haushalte kommen, wie die Autorinnen selbst schreiben, aus dem ,,Umfeld der Grünen" 74 und somit aus einer höheren sozialen Schicht. Von den befragten Hauhalten mit Kindern gilt nur in einem ,,Halbe/Halbe". Bei den kinderlosen Haushalten gibt es überraschenderweise ebenfalls nur einen, bei dem die Hausarbeit gleichmäßig aufgeteilt ist. In diesem Haushalt leben Mutter und Sohn zusammen.
Die Autorinnen kommen zum selben Schluss wie der Frauenbericht: Frauen arbeiten unabhängig vom Ausmaß der Berufstätigkeit in Haushalten mehr als Männer75. Nicht einmal die Arbeitslosigkeit des Mannes bewirkt ein Mehr an Hausarbeit.76. Die einzigen Haushaltstätigkeiten, die Männer mehr oder fast genauso viel wie Frauen ausführen, sind Müllentsorgung und Reparaturen77.
VI.2.2 Beeinflussung der Frauenarbeitszeit durch Haushaltsgeräte
Besonders interessant an dieser Studie ist, dass die Anschaffung von Haushaltsgeräten - die die Hausarbeit ja eigentlich erleichtern sollen - offensichtlich nicht zur Verringerung der Frauenarbeitszeit führt.
Am Beispiel Geschirrspüler: Ohne Geschirrspüler verbrachten die Männer der 30 untersuchten Haushalte mehr Zeit mit Abwaschen als Frauen. Doch ist eine Geschirrspülmaschine da, kehrt sich dieses Verhältnis um.78 Die Autorinnen der Studie fragen sich an dieser Stelle: ,,Könnte es nicht sein, dass ein Mann einen Geschirrspüler kauft, um sich Arbeit zu ersparen?"
Ein anderes Beispiel gibt uns der Mikrowellenherd: Ist ein solcher vorhanden, wenden Frauen mehr Zeit für die Zubereitung von Mahlzeiten auf und Männer weniger. Die Autorinnen vermuten, dass die Frauen vorkochen, damit sich die anderen Familienmitglieder das Essen in der Mikrowelle aufwärmen können.79
Angesichts dieser Ergebnisse kommen die Autorinnen zu dem Schluss, dass der Maschineneinsatz vorwiegend den Männern nützt.80
Bemerkenswert ist an dieser Studie auch, dass es offensichtlich Haushaltsarbeit gibt, die bei Männern besonders unbeliebt ist. Es wurde untersucht, ob das Waschen in einer Gemeinschaftswaschküche den Zeitaufwand für das Wäsche waschen verändert. In diesem Zusammenhang kamen die Autorinnen zu einem überraschenden Ergebnis: Ist keine eigene Waschmaschine vorhanden sondern nur eine Gemeinschaftswaschküche, beteiligen sich Männer überhaupt nicht an dieser Haushaltsarbeit.81
VII. Frauenpolitische Argumentationen des Verfassungsgerichtshofes
Unsere Gesellschaft ist noch weit von einer gerechten Arbeitsteilung im Bereich Haushalt und Kindererziehung entfernt. Dies bestätigen auch verschiedene Urteile des Verfassungsgerichtshofes. Er berücksichtigte in der Vergangenheit immer wieder die ungleiche Arbeitsbelastung von Frauen und Männern.
VII.1 Erkenntnis vom 12. März 1992
1992 wurde ein Antrag auf Aufhebung des Nachtarbeitsverbot für Frauen gestellt. Frauen, die auf einem Markt arbeiteten und erst ab 6 Uhr dort arbeiten durften, die Ware aber schon um 4 Uhr vorbereiten sollten, fühlten sich durch das Nachtarbeitsverbot für Frauen ungleich behandelt. Sie sagten, ihnen drohe durch dieses Gesetz die Kündigung. Das Frauennachtarbeitsgesetz sei ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, weil es Frauen schlechter stelle als Männer - so die Antragstellerinnen.
Der VfGH widersprach dieser Sichtweise, lehnte den Antrag ab und begründete diese Entscheidung folgendermaßen: ,,Frauen sind bei den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt doch (noch) häufig besonderem Druck zurübernahme von Nachtarbeit ausgesetzt, da es ihnen diese ermöglicht, sich tagsüber häuslichen Angelegenheiten zu widmen." 82
Das Verbot der Nachtarbeit soll Frauen, so der Verfassungsgerichtshof, vor unerwünschten Folgen wirtschaftlicher Zwänge schützen. Der VfGH geht davon aus, dass das ,,traditionelle Rollenbild der Frau in der Haushaltsführung und Kindererziehung nur allmählich einem partnerschaftlichen Verhalten weicht." 83 Der VfGH führte weiter aus, dass Frauen nur durch ein generelles Nachtarbeitsverbot vor dieser Mehrbelastung wirksam geschützt werden könnten und dass Frauen, die dieser Mehrbelastung nicht ausgesetzt sind und nachts arbeiten wollen, zugemutet werden müsse, dass sie in Solidarität mit den betroffenen Frauen auf Nachtarbeit verzichten.
VII.2 Erkenntnis vom 6. Dezember 1990
In diesem Urteil hob der Verfassungsgerichtshof Wortfolgen wie ,, bei männlichen Versicherten bzw. nach Vollendung des 50. Lebensjahres bei weiblichen Versicherten" in verschiedenen Gesetzesstellen (ASVG) als verfassungswidrig auf. Begründet wurden die Aufhebung mit dem Argument, die Regelungen seien ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der Verfassungsgerichtshof betont zwar, dass der Gleichheitsgrundsatz nicht automatisch zu einer absoluten Gleichbehandlung der Geschlechter verpflichtet (siehe Urteil zum Frauennachtarbeitsgesetz). Der VfGh weist aber auch darauf hin, dass nur ,,solche Ungleichheiten (vorübergehend) sachlich sein können, die wenigstens in der Richtung eines Abbaues der Unterschiede wirken." 84
Dies trifft laut VfGH für die Regelungen des unterschiedlichen Pensionsalters für Frauen und Männer nicht zu.
Um dieses Urteil verständlich zu machen, muss erst einmal dargestellt werden, wie der Gesetzgeber das unterschiedliche Pensionsalter rechtfertigte:85
1. Die körperliche Beschaffenheit der Frauen rechtfertigen die Annahme, dass Frauen früher arbeitsunfähig sind als Männer.
2. Frauen sind in erster Linie mit Haushalt und Kindererziehung betraut und dadurch im Fall der Berufstätigkeit der Frau einer größeren Belastung als Männer ausgesetzt.
Beiden Begründungen widerspricht der VfGH:
1. ,,Gegen eine sich aus der körperlichen Beschaffenheit der Frauen ergebende frühere Arbeitsunfähigkeit spricht vor allem die erheblich höhere durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen gegenüber jener der Männer." 86
2. Auch die ,, Doppelbelastung der Frau durch Beruf und Haushalt stellt kein entscheidendes Argument für die unterschiedliche Behandlung dar. Hier berücksichtigt das Gesetz zunächst nicht, daßein nicht unerheblicher Teil (...) der berufstätigen Frauen alleinstehend ist." 87
Als weiterer Grund für seine Entscheidung gibt der Verfassungsgerichtshof an, dass durch die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkung der Ehe im Jahr 1975 - mit dem der Grundsatz der partnerschaftlichen Ehe festgelegt wurde - die Zahl der doppelbelasteten Frauen abnimmt.
Gleichzeitig stellt der VfGH aber weiter unten fest, er gehe davon aus, dass ,,viele Frauen aufgrund ihrer traditionellen gesellschaftlichen Rolle besonderen Belastungen durch die Haushaltsführung und Obsorge für Kinder ausgesetzt waren und noch ausgesetzt sind." 88
Dass er trotzdem die Aufhebung der Wortfolgen beschließt, begründet er so: ,,...daßauch bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung die Festlegung eines unterschiedlichen Pensionsalters für Frauen und Männer kein geeignetes Mittel ist, um den Unterschieden in der gesellschaftlichen Rolle der Frauen und Männer angemessen Rechnung zu tragen." 89
Da eben, so der VfGH weiter, eine ,,nicht unerhebliche Anzahl" berufstätiger Frauen dieser Doppelbelastung gar nicht ausgesetzt sei und die Regelung auch nicht berücksichtige, in welchem Maße Frauen tatsächlich durch die Haushaltsführung und Kindererziehung besonders belastet seien, sei ein generell niedriges Pensionsanfallsalter für sozialversicherte Frauen kein ,,adäquater Ausgleich" für die ,,bei einer bestimmten Anzahl der Frauen bestehende Doppelbelastung durch Familie und Beruf."
Das niedrige Pensionsanfallsalter komme eher jener Gruppe von Frauen zugute, deren Berufslaufbahn nicht durch Haushaltsführung und Obsorge von Kindern unterbrochen war und die mehr Versicherungszeiten erworben hat, als jene Gruppe, deren Belastung abgegolten werden soll.90
Zusammenfassend meint der VfGH:
- Der Gesetzgeber soll unterschiedliche Belastungen von Personengruppen bei der Pensionsversicherung zwar berücksichtigen. Jedoch berücksichtigen die angefochtenen Regelungen - die bloß nach dem Geschlecht unterscheiden - nicht die Besonderheiten, mit denen sie vom Gesetzgeber gerechtfertigt werden.
- Denn das ,,unterschiedliche Maßder Belastung von Frauen und die tatsächliche körperliche Beanspruchung findet in derart undifferenzierten Regelungen keinen Niederschlag." 91
- Der Gesetzgeber muss Regelungen schaffen, die einen ,,allmählichen Abbau der bloßgeschlechtsspezifischen Unterscheidung bewirken." 92
VII.3 Die markantesten Punkte der beiden Urteile:
Der Verstoß dieser Regelungen gegen den Gleichheitsgrundsatz besteht nicht darin, dass die Regelungen zwischen Männern und Frauen unterscheiden, sondern darin, dass sie die unterschiedlichen Lebenszusammenhänge von Frauen nicht berücksichtigten. Vielmehr werfen sie alle Frauen ,,in einen Topf". Dazu ist zu sagen, dass der VfGH bei seinem Erkenntnis über das Nachtarbeitsgesetz genau dies tut: Er wirft alle Frauen ,,in einen Topf", egal ob sie tatsächlich einer Doppelbelastung ausgesetzt sind oder nicht. Er verlangt von jenen Frauen, für die Nachtarbeit ohne besondere Belastung möglich wäre, Solidarität mit den Frauen, die einer Doppelbelastung ausgesetzt sind. In gewisser Weise widerspricht das eine Urteil dem anderen.
Darüber hinaus - so behauptet der VfGH jedenfalls - nützen diese Regelungen eben nicht jenen Frauen, die einer Doppelbelastung ausgesetzt sind. Ihnen aber sollen sie ja laut Gesetzgeber nützen.
VIII. Zusammenfassung
Im ersten Teil der Arbeit wurde ersichtlich, wie sich der Patriarchalismus begründete. Er war Lebensrealität der besitzenden und politisch berechtigten Schichten. In dieser Lebensrealität war die Frau dem Mann untergeordnet und hatte keinerlei Entscheidungsbefugnis. Innerhalb der arbeitenden Bevölkerung und in bäuerlichen Haushalten konnte sich der Patriarchalismus nicht völlig entfalten. Denn hier fehlten materieller Besitz und politische Rechte, die die hausväterliche Gewalt legitimieren würden.
Obwohl in der bürgerlichen Gesellschaft Haus/Familie und Arbeit auseinanderfielen, veränderten sich die Geschlechterrollen nicht. Vielmehr wurde die Bindung der Frau an das Haus gestärkt.
Die Frau erfuhr eine drastische Erniedrigung, indem ihr gewisse Charaktereigenschaften zugeschrieben wurden. Diese werden in der Literatur als ,,Geschlechtscharaktere" bezeichnet und sind bis heute schwer zu erschüttern.
Es wurde gezeigt, wie diese ,,Geschlechtscharaktere" immer wieder herangezogen wurden, um die Verweigerung des Zutritts der Frauen in den öffentlichen Bereich zu legitimieren. Gerade in den 50-er und 60-er Jahren, als eine massive Familienpropaganda einsetzte, wurde stets auf die angebliche Emotionalität und Passivität der Frau verwiesen. Dies sollte rechtfertigen, dass Frauen im häuslichen Bereich zur Subsistenzarbeit und Kinderpflege bleiben und nicht in das Erwerbsleben eintreten.
Während des Zweiten Weltkrieges änderte sich die Position der Frau in der Familie und der Gesellschaft durch die Abwesenheit der Männer. In dieser Zeit übernahmen sie die Stellung des Familienoberhauptes und erfuhren dadurch einen Zuwachs an Selbstbewusstsein.
Nach dem Krieg wurden die Frauen durch die Heimkehr der Männer vor eine schwierige Situation gestellt, da die Männer ihre ehemalige Vormachtstellung innerhalb der Familie zurückerobern wollten. Dies führte zum sogenannten ,,Heimkehrerkonflikt", der zahlreiche Familien zerrüttete.
Die Kriegszeit und die unmittelbare Nachkriegszeit stellt also eine Zäsur in der Stellung der Frau dar, die sich aber nicht festigen konnte. Denn nach dem Krieg setzte sehr bald eine Politik ein, die die traditionellen Familienstrukturen mit dem Mann als Oberhaupt förderte und schließlich auch reetablieren konnte.
Im Rahmen des zweiten Teils dieser Arbeit wurde die Sozialpolitik als Geschlechter- und Familialisierungspolitik untersucht. Die Darstellung vollzog sich entlang einer Linie, die die Sozialpolitik hinsichtlich ihrer Rücksichtnahmen auf die männliche Normalbiographie und den weiblichen Lebenszusammenhang befragte. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Frau in der Regel familialisiert, d. h. als Mutter, Ehe- und Hausfrau angesprochen wird. Es wurde die Privilegierung der Ernährer/Hausfrauenehe durch die staatlichen Maßnahmen im Sozialbereich aufgezeigt und auf die Mitversicherung hingewiesen, die als eine der wenigen sozialen Regelungen von der Orientierung an die Erwerbsarbeit als Zugangskanal für soziale Sicherung abweicht.
Anhand der traditionellen Orientierung der Sozialpolitik an der männlichen Normalbiographie wurden die daraus resultierenden Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen in den sozialen Regelungen gezeigt. Allerdings wiesen wir auch darauf hin, dass je nach arbeitsmarktpolitschen Interessen auch der weibliche Lebenszusammenhang als Vorbild herangezogen wird.
Ein weiterer wichtiger Themenbereich dieser Arbeit war die Untersuchung der ambivalenten Tendenzen, die der Sozialpolitik inhärent sind. Einerseits fördern sozialpolitische Maßnahmen die Familialisierung der Frauen, andererseits müssen sie auf die gesellschaftliche Individualisierung antworten. Weiters ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass die Sozialpolitik auf Wünsche und Realitäten reagiert, diese dadurch aber auch festschreibt.
Im Rahmen des Themas ,,Geschlechterkonstrukte" wurde festgestellt, dass der ihnen gegebene Bedeutungsgehalt nicht statisch sondern veränderbar ist. Außerdem wurde die bloß binäre Differenzierung von ,,männlich" und ,,weiblich" als massive Vereinfachung entlarvt. Anhand der Schilderung der Entwicklung der Geschlechterkonstrukte in den verschiedenen politisch-ideologischen Positionen im 18. und 19. Jahrhundert konnten wir zeigen, dass die Zuhilfenahme von Konstrukten von ,,Frau" und ,,Mann" nicht zweckungebunden, sondern interessengeleitet war.
Am Beispiel des Pensionsrechts wurde die Familialisierung und die Fortschreibung der Einkommensunterschiede gezeigt. In diesem Bereich wurde mit dem oberflächlichen Argument, eine Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu erreichen, eine Witwerpension eingeführt. Daraus resultierte eine ,,mittelbare Diskriminierung" und die Ungleichheiten der Frauen- und Männerpensionen nahmen zu.
Abschließend stellten wir die Positionen der in der EU vertretenen ideologischen Richtungen dar, die sich nicht wesentlich von jenen im 19. Jahrhundert unterscheiden.
Im dritten Abschnitt dieser Arbeit stellten wir die Ergebnisse zweier Untersuchungen zur familiären Arbeitsteilung vor. Der Frauenbericht aus dem Jahr 1995 ergab, dass Männer mehr Freizeit als Frauen haben und zwar relativ unabhängig von ihrer Familiensituation. Weiters zeigten sich große Unterschiede bei der Erwerbsbeteiligung, wonach wesentlich mehr Männer berufstätig waren als Frauen gleichen Alters. Allgemein zeigte sich, dass Hausarbeit und Kinderbetreuung praktisch ausschließlich ,,Frauenangelegenheiten" sind.
Hinsichtlich der sozio-ökonomischen Unterschiede in Erwerbsarbeit, Zeit für Haushaltsarbeit, Kinderbetreuung und Freizeit konstatierte die Studie, dass mit einer höherqualifizierten beruflichen Ausbildung und Position der Frau eine gerechtere Aufgabenteilung einher geht. Mit der Höhe des Einkommens steigen auch die Möglichkeiten, Haushaltsarbeiten auszulagern. Weiters sind in diesem Bereich meist kleinere Haushalte angesiedelt.
Diesem Ergebnis widerspricht die zweite von uns behandelte Studie ,,Frauenzeit". Sie zeigt, dass auch oft in jüngeren Haushalten mit höherem Bildungsniveau die traditionelle geschlechterdifferente Arbeitsteilung vorherrscht.
Abschließend beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit zwei Urteilen des Verfassungsgerichtshofes, die den Einfluss der Geschlechterkonstrukte auf rechtliche Entscheidungen zeigen. Im Zusammenhang mit dem Urteil zum Nachtarbeitsverbot rechtfertigte der Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung, dass dieses keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darstellt, durch die Zuhilfenahme von traditionellen weiblichen Rollenbildern. Durch das Vorschützen von einem vermeintlichen gesellschaftlichen Druck, den die Frauen durch die Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes ausgesetzt wären, legitimierte der VfGH seine Entscheidung der Antragsablehnung.
Allerdings wird nicht darauf eingegangen, inwiefern hier nicht eine Unterscheidung zwischen typisch männlichen und typisch weiblichen Erwerbsarbeitsbereichen zu treffen gewesen wäre. In letzteren gibt es ja bekanntlich genügend Ausnahmen des Nachtarbeitsverbotes.
Das zweite Urteil beschäftigte sich mit bestimmten geschlechterdifferierenden Wortfolgen im ASVG. Es wurden die in sich widersprüchlichen Argumente des VfGH aufgewiesen und somit gezeigt, dass auch hier Geschlechterkonstrukte und bestimmte politische Anschauungen eine große Rolle spielten.
IV. Literaturverzeichnis
Teil I
- Ehmer, Josef: Die Stellung der Frau in der Familie. In: Weinzierl, Erika u.a. (Hg.): Justiz und Zeitgeschichte. Symposionsbeiträge 1973-1993, Band 1, Wien 1995
- Maimann, Helene: Zur Frauen- und Familienideologie des Nationalsozialismus. In: Weinzierl, Erika u.a. (Hg.): Justiz und Zeitgeschichte. Symposionsbeiträge 1973-1993, Band 1, Wien 1995
- Meyer, Sibylle; Schulze, Eva: Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges auf Familien. In: Bandhauser-Schöffmann, Irene; Hornung, Ela (Hg.): Wiederaufbau weiblich. Dokumentation der Tagung ,,Frauen in der österreichischen und deutschen Nachkriegszeit". Wien, Salzburg 1992
- Reitermaier, Cornelia: Frauenbild und Mädchenleben in der österreichischen Nachkriegszeit, DA, Wien 1996
- Rohrmoser, Maria: Die Stiefkinder des Wirtschaftswunders. Zur sozialen und ökonomischen Situation alleinstehender Frauen in den fünziger Jahren. DA, Salzburg 1997
- Thurner, Erika: Frauen-Nachkriegsleben in Österreich - im Zentrum und in der Provinz. In: Bandhauser-Schöffmann, Irene; Hornung, Ela (Hg.): Wiederaufbau weiblich. Dokumentation der Tagung ,,Frauen in der österreichischen und deutschen Nachkriegszeit". Wien, Salzburg 1992
- Tomasini, Claudia: Frauenbilder im Wirtschaftswunder. Die Auswirkungen des österreichischen Wirtschaftswunders auf Frauen in den 50er und 60er Jahren. DA, Salzburg 1996
Teil II
- Hieden-Sommer, Helga: Die Bürgerliche Versorgungsehe als Leitbild des Sozialrechts. In: Bundeskanzleramt/Frauenministerium (Hg.): Frauenwirtschaftskonferenz. Eine Dokumentation der Veranstaltung der Bundesministerin für Frauenangelgenheiten vom 24. Juni 1994, Wien 1995
- Neyer, Gerda: FeMale. Geschlechterkonstruktionen in der Sozialpolitik. Das Beispiel der Lohnarbeitsmarkt- und Sozialpolitikformierung in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert. In: Kreisky, Eva; Sauer, Birgit (Hg.): Das geheime Glossar der Politikwissenschaft. Frankfurt/Main 1997
- Rosenberger Sieglinde: Auswirkungen sozialpolitischer Maßnahmen auf die Gestaltung der Geschlechterverhältnisse. In: Bundesministerium für Frauenangelegenheiten/Bundeskanzleramt (Hg.): Bericht über die Situation der Frauen in Österreich. Wien 1995
- Schunter-Kleemann, Susanne: Die Familienpolitik der europäischen Union - zwischen Markt- und Mütterfallen. In: Badelt, Christoph (Hg.): Familien zwischen Gerechtigkeitsidealen und Benachteiligung. Sozialpolitische Schriften Bd. 3. Wien; Köln; Weimar: Böhlau 1994
- Standard vom 30. März 2000:,,330.000 Österreicher gelten als arm" Url: http://193.154.165.41/archshow.asp?artfn=/archiv/20000330/45.htm&strTitle=330%2E000+ %D6sterreicher+gelten+als+arm (abgerufen am 10. Mai 2000)
- Wörister, Karl; Tálos, Emmerich: Materielle Sicherung und Versorgung von Frauen durch staatlich geregelte soziale Sicherung. In: Bundesministerium für Frauenangelegenheiten / Bundeskanzleramt (Hg.): Bericht über die Situation der Frauen in Österreich. Wien 1995
Teil III
- Faßmann, Heinz: Zeitbudget und familiäre Arbeitsteilung. In: Bundesministerium für Frauenangelegenheiten/Bundeskanzleramt: Bericht über die Situation der Frauen in Österreich, Wien 1995
- Mraz, Gabriele; Wenisch, Antonia: Frauenzeit. Ein Projekt des Österreichischen ÖkologieInstitutes und und der Grünen Frauen in Wien. Wien. 1999
- Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1992, erstes Halbjahr 1992, Erkenntnisnummer 13038
- Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1990, zweites Halbjahr 1990, Erkenntnisnummer G 223/88, G 235/88, G 33/90, G 63/90, G 144/90
[...]
1 vgl. Ehmer, Josef: Die Stellung der Frau in der Familie. In: Weinzierl, Erika u.a.(Hrsg.): Justiz und Zeitgeschichte. Symposionsbeiträge 1976-1993, Band 1, Wien 1995, S. 205ff.
2 vgl. ebd. S.209ff.
3 vgl. ebd. S. 214ff.
4 vgl. Maimann, Helene: Zur Frauen- und Familienideologie des Nationalsozialismus. In: Weinzierl, Erika u.a.: (Hrsg.): Justiz und Zeitgeschichte. Symposionsbeiträge 1976-1993, Band 1, Wien 1995, S. 219ff.
5 vgl. Meyer, Sibylle; Schulze, Eva: Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges auf Familien. In: Bandhauer-Schöffmann, Irene; Hornung, Ela (Hrsg.): Wiederaufbau weiblich. Dokumentation der Tagung ,,Frauen in der österreichischen und deutschen Nachkriegszeit". Wien, Salzburg 1992, S. 112ff.
6 vgl. Thurner, Erika: Frauen-Nachkriegsleben in Österreich - im Zentrum und in der Provinz. In: Bandhauer-Schöffmann, Irene; Hornung, Ela (Hrsg.): Wiederaufbau weiblich. Dokumentation der Tagung ,,Frauen in der österreichischen und deutschen Nachkriegszeit". Wien, Salzburg 1992, S. 10f.
7 vgl. Reitermaier, Cornelia: Frauenbild und Mädchenleben in der österreichischen Nachkriegszeit. DA, Wien 1996, S. 16
8 vgl. Thurner, Erika: a.a.O., S.9
9 vgl. Rohrmoser, Maria: Die Stiefkinder des Wirtschaftswunders. Zur sozialen und ökonomischen Situation alleinstehender Frauen in den fünfziger Jahren. DA, Salzburg 1997, S. 27f.
10 vgl. Reitermaier, Cornelia: a.a.O. S. 21f.
11 vgl. Rohrmoser, Maria: a.a.O., S. 103
12 vgl. Feldmann-Neubert, Christine zit. in: Tomasini, Claudia: Frauenbilder im Wirtschaftswunder. Die Auswirkungen des österreichischen Wirtschaftswunders auf Frauen in den 50er und 60er Jahren. DA, Salzburg 1996, S. 65f.
13 vgl. ebd. S. 67
14 vgl. Rosenberger, Sieglinde: Auswirkungen sozialpolitischer Maßnahmen auf die Gesaltung der Geschlechterverhältnisse. In: Bundesministerium für Frauenangelegenheiten/Bundeskanzleramt (Hrsg.), Bericht über die Siuation der Frauen. Wien 1995, S. 387 - 397
15 vgl. ebd. S. 387
16 vgl. Wörister, Karl;Talos, Emmerich: Materielle Sicherung und Versorgung von Frauen durch staatlich geregelte soziale Sicherung. In: Bundesministerium für Frauenangelegenheiten (Hrsg.), Bericht über die Situation von Frauen in Österreich. Wien 1995, S. 398 - 415
17 vgl. ebd. S. 406
18 ebd. S. 406
19 Rosenberger, Sieglinde: a.a.O., S 388
20 ebd., S. 388
21 vgl. ebd., S. 389
22 vgl. ebd., S. 389
23 ebd., S. 390
24 vgl. Neyer, Gerda: FeMale. Geschlechterkonstruktionen in der Sozialpolitik. In: Das geheime Glossar der Politikwissenschaft, Kreisky, Eva; Sauer, Birgit (Hrsg.). Frankfurt/Main, 1997, S. 153
25 vgl. ebd., S. 390
26 vgl. ebd. S. 394
27 vgl. ebd., S. 391
28 ebd. S. 392
29 ebd. S. 393
30 vgl. ebd. S. 393
31 vgl. Der Standard vom 30. März 2000, URL: http://193.154.165.41/archshow.asp?artfn=/archiv/20000330/45.htm&strTitle=330%2E000+ %D6sterreicher+gelten+als+arm, abgerufen am 10. Mai 2000
32 vgl. Rosenberger, Sieglinde: a.a.O., S. 393
33 vgl. ebd. S. 395
34 vgl. ebd., S. 396
35 vgl. Neyer, Gerda: a.a.O., S. 137 - 160
36 vgl. ebd., S. 137f.
37 Prokop, Ulrike (Die Illusion vom Großen Paar, Bd. I: Weibliche Lebensentwürfe im deutschen Bildungsbürgertum 1750 - 1770, Frankfurt/M.) zitiert von Neyer, Gerda: a.a.O., S. 138
38 vgl. Neyer, Gerda: a.a.O., S. 140
39 vgl. ebd. S. 140
40 vgl. ebd. S. 141
41 vgl. ebd. S. 142
42 ebd. S. 142
43 vgl. ebd. S. 144
44 vgl. ebd. S. 147
45 Graf Belcredi, Konzipient der Gewerbenovelle, zitiert von Neyer, Gerda: a.a.O., S. 149
46 ebd., S. 152
47 ebd., S. 152
48 vgl. Hieden-Sommer, Helga: Die bürgerliche Versorgungsehe als Leitbild des Sozialrechts. In: Frauenwirtschaftskonferenz. Eine Dokumentation der Veranstaltung der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten vom 24. Juni 1994. Bundeskanzleramt/Bundesministerium für Frauenangelegenheiten (Hrsg.), Wien 1995, S. 68 - 79
49 Die mittlere Pensionshöhe meint nicht die Durchschnittshöhe, sondern dass 50 % der Pensionen unter der mittleren Pension liegen bzw. diesen Wert erreichen und 50 % darüber bzw. diesen Wert erreichen
50 vgl. ebd., S. 70
51 ebd., S. 70
52 vgl. ebd. S. 71
53 ebd. S. 72
54 vgl. Schunter-Kleemann, Susanne: Die Familienpolitik der europäischen Union - zwischen Markt- und Mütterfallen. In: Badelt Christoph (Hrsg.), Familien zwischen Gerechtigkeitsidealen und Benachteiligungen, Sozialpolitische Schriften Band 3, Wien; Köln; Weimar: Böhlau 1994, S. 157 - 173
55 vgl. ebd. S. 160
56 ebd. S. 162
57 ebd., S. 168
58 Bundesministerium für Frauenangelegenheiten/Bundeskanzleramt: Bericht über die Situation der Frauen in Österreich. Wien 1995, S 36
59 Diese Zahlen kamen durch einen Mikrozensus zustande: Es werden die Arbeitszeiten der befragten Personen summiert und dann auf die Gesamtbevölkerung (alle über 19) umgelegt. Der Mikrozensus gibt tägliche Durchschnittswerte wieder (Montag bis Sonntag).
60 vgl. Bundesministerium: a.a.O., S 37
61 ebd. S 38
62 ebd. S 38
63 ebd. S 39
64 ebd. S 39
65 ebd. S 39
66 ebd. S 41
67 ebd. S 43
68 ebd. S 43
69 ebd. S 45
vgl. Frauenbericht, S 45
71 ebd., S 45/46
72 ebd., S 49
73 Mraz, Gabriele; Wenisch, Antonia: Frauenzeit. Ein Projekt des Österreichischen Ökologieinstitutes und der Grünen Frauen in Wien. Wien, 1999
74 ebd. S 11
75 vgl. ebd. S 7
76 vgl. ebd. S 11
77 vgl. ebd. S 32
78 vgl. ebd. S 33
79 ebd. S 33
80 ebd. S 33
81 ebd. S 30
82 Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, 1. Halbjahr 1992, Erkenntnis-Nr. 13038, S 451
83 Erkenntnisse des VfGH, 1/1992., S 451/52
84 Erkenntnisse des VfGH, 2/1990, S 569
85 ebd.; S 569
86 ebd., S 569
87 Erkenntnisse des VfGH, 2/1990, S 570
88 ebd., S 580
89 ebd., S 580
90 Erkenntnisse des VfGH, 2/1990, S 581
91 ebd., S 584
Häufig gestellte Fragen
Was behandelt die Einleitung dieser Arbeit?
Die Einleitung gibt einen historischen Überblick über die Stellung der Frau in der Familie, von der feudal-ständischen Gesellschaft bis in die 1960er Jahre. Sie beleuchtet, wie Kriege und Nachkriegszeit patriarchalische Strukturen veränderten, aber auch die Rückkehr zum traditionellen Familienkonzept in den 50er und 60er Jahren.
Welche Auswirkungen hat Sozialpolitik auf die Lebensgestaltung von Frauen?
Die Arbeit untersucht, wie Sozialpolitik die Lebensgestaltung von Frauen beeinflusst, insbesondere in Bezug auf Mutterschaft, Erwerbstätigkeit und Familienstand. Sie analysiert, inwieweit staatliche Maßnahmen Frauen fördern oder ausgrenzen und ob diese Maßnahmen noch der gesellschaftlichen Entwicklung entsprechen.
Welche Geschlechtskonstruktionen werden in der Sozialpolitik beleuchtet?
Es wird ein geschichtlicher Überblick über Geschlechtskonstruktionen in der Sozialpolitik gegeben. Die Arbeit zeigt, dass sich traditionelle Geschlechtskonstruktionen in der EU kaum geändert haben und stellt drei Konzepte der Familienpolitik vor.
Was wird anhand des "Pensionsrechts" aufgezeigt?
Anhand des "Pensionsrechts" werden Ungleichstellungen und Ungerechtigkeiten der gegenwärtigen Gesellschaftspolitik aufgezeigt.
Was wird im abschließenden Teil der Arbeit untersucht?
Der abschließende Teil der Arbeit geht auf die heutige familiäre Arbeitsteilung ein und stellt die Ergebnisse zweier Studien vor, die sich mit Freizeitdisposition, Zeitaufwand für hauswirtschaftliche Tätigkeiten und der Frage nach gerechter Verteilung bei höherem Bildungsniveau beschäftigen.
Welche Urteile des Verfassungsgerichtshofes werden vorgestellt?
Zwei Urteile des Verfassungsgerichtshofes werden vorgestellt: ein Erkenntnis zum Frauennachtarbeitsgesetz und eines zur Aufhebung der Regelungen über das unterschiedliche Pensionsalter von Mann und Frau. Die Urteile werden auf ihre frauen- und familienpolitischen Konsequenzen hin analysiert.
Wie war die Stellung der Frau in der Familie in der feudal-ständischen Gesellschaft?
In der patriarchalischen Familie der feudal-ständischen Gesellschaft war die Frau dem Mann untergeordnet, allerdings als Hausfrau, Magd oder Tochter dem Hausvater. Der Hausvater besaß die patriarchalische Gewalt durch den unmittelbaren Zusammenhang aller Lebensbereiche im "ganzen Haus".
Was war die Rolle der Frau in der Arbeiterfamilie?
Die Frau in der Arbeiterfamilie sah sich dem Widerspruch zwischen der Notwendigkeit eines Mitverdienstes und der Sozialisation zur Haushaltsführung gegenüber. Arbeiterfrauen wurden in unqualifizierte und niedrig entlohnte Berufe gedrängt.
Wie sah die Rolle der Frau im Nationalsozialismus aus?
Im Nationalsozialismus war die Frau zur Gebärmaschine und zum Arbeitstier degradiert. Die Familie mit der unbestrittenen Vorherrschaft des Vaters fand ihren Niederschlag im Führerprinzip. Das Regime betrieb einen Mutterkult, um einerseits viele Kinder entstehen zu lassen und andererseits durch die Familie die Bindung an den Staat und seine Ideologie zu festigen.
Wie gestaltete sich das Frauenbild in den 50er Jahren?
In den 50er Jahren wurde die Ehe und Familie als einzig sinnvolles Lebensziel für Frauen propagiert. Wer diesem Bild nicht entsprach, verlor gesellschaftliche Achtung. Es wurde eine massive Ehe- und Familienpropaganda betrieben, die die Wiederherstellung traditioneller Rollenbilder forderte.
Wie hat sich das Frauenbild in den 60er Jahren verändert?
Mit dem Wirtschaftswachstum änderte sich das Frauenbild langsam. Eine Studie zeigte, dass die Berufstätigkeit der Frau in dieser Zeit gewünscht war, allerdings wurde die Berufsausübung von Müttern weiterhin abgelehnt. Erst später wurde zu "maßvoller" Berufstätigkeit geraten, wenn dies für Ehe und Familie förderlich war.
Was versteht man unter "Familialisierungspolitik"?
Familialisierungspolitik bezieht sich auf Sozialpolitik, die die Frau als Mutter und Hausfrau mit einem Ernährer an ihrer Seite familialisiert. Es wird kritisiert, dass diese Politik die Illusion einer männlichen Normalbiographie und eines weiblichen Lebenszusammenhangs fördert.
Was ist die männliche Normalbiographie und der weibliche Lebenszusammenhang?
Die männliche Normalbiographie richtet sich nach einer männlichen, frei verfügbaren Arbeitskraft ohne Unterbrechungen. Der weibliche Lebenszusammenhang ist durch ein ständiges Hin und Her zwischen öffentlichem und privaten Bereich gekennzeichnet, mit abweichenden Arbeitsformen und Unterbrechungen wegen Kindererziehung.
Welche drei Konzepte zur Familienpolitik gibt es innerhalb der EU?
Es gibt die Konzeption der Sozialdemokraten, die die ökonomische Unabhängigkeit der Frau als Voraussetzung für Gleichstellung betrachtet, die liberale Konzeption, die auf Teilhabe am Markt setzt, und die konservative Position, die am traditionellen Familienbild festhält.
Was zeigt der Frauenbericht 1995 zur familiären Arbeitsteilung?
Der Frauenbericht 1995 zeigt, dass Männer mehr Freizeit als Frauen haben, große Unterschiede bei der Erwerbsbeteiligung bestehen und Hausarbeit noch immer hauptsächlich Frauensache ist. Es gibt altersspezifische und sozioökonomische Unterschiede in der Arbeitsteilung.
Was zeigt die Studie "Frauenzeit"?
Die Studie "Frauenzeit" zeigt, dass auch in jüngeren Haushalten mit höherem Bildungsniveau oft die traditionelle geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung vorherrscht. Die Anschaffung von Haushaltsgeräten führt nicht unbedingt zur Verringerung der Frauenarbeitszeit.
Wie argumentierte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis zum Nachtarbeitsverbot für Frauen?
Der Verfassungsgerichtshof lehnte den Antrag auf Aufhebung des Nachtarbeitsverbots für Frauen ab, da Frauen bei den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt häufig besonderem Druck zur Übernahme von Nachtarbeit ausgesetzt seien, da es ihnen diese ermögliche, sich tagsüber häuslichen Angelegenheiten zu widmen.
Was kritisierte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis zur unterschiedlichen Pensionsalter für Frauen und Männer?
Der Verfassungsgerichtshof hob Wortfolgen auf, die ein unterschiedliches Pensionsalter für Frauen und Männer festlegten, da dies ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sei. Er argumentierte, dass eine höhere Lebenserwartung der Frauen und eine partnerschaftliche Ehe gegen die Annahme sprechen, Frauen seien früher arbeitsunfähig.
- Arbeit zitieren
- Britta Mallinger (Autor:in), Birgit Böhm (Autor:in), Martina Stemmer (Autor:in), 2000, Die EU und die Frauen Europas. politologie der Gleichbehandlung und heterogene Lebensweisen. Zwischen Markt und Familie., München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/99370