Die hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Folgenden mit der diachronen Entwicklung der Negation in verschiedenen europäischen Sprachen, wie dem Deutschen, dem Englischen und dem Französischen. In diesem Kontext wird lediglich die Satznegation untersucht, da die Berücksichtigung der Verneinung mit Indefinita oder der Sondernegation zu weit führen würde.
Zunächst werden also die Entwicklungen in den Einzelsprachen aufgezeigt, bevor sie mit Hilfe des Jespersen Zyklus in einen größeren Zusammenhang eingebettet werden, wodurch sich nun Parallelen oder Differenzen hinsichtlich der Evolution ergeben können.
Die Verneinung gilt als sprachliches Universale, also etwas, das es in allen natürlichen Sprachen gibt. Tatsächlich verfügt jede Sprache über eine Satznegation mit denkbar simpler Semantik. Negiert wird die Proposition eines Satzes, indem ihr ihr Komplement, d.h. die Menge der Situationen, in denen sie nicht wahr ist, zugewiesen wird.
Das Phänomen der Negation beruht darauf, dass ihre universalen Qualitäten im syntaktischen, semantischen, prosodischen sowie morphologischen Bereich zu finden sind.
Als syntaktische Kategorie kann für die Negation eine feste strukturelle Position innerhalb eines Satzes in Bezug auf die Verbalphrase (VP) angenommen werden, wodurch die Proposition des Satzes in ihren Bereich rückt. Auch in der generativen Grammatik wird eine spezielle Negationsphrase vorausgesetzt, die eine Stellung in der Hauptprojektionslinie von V (Verb) nach C (Komplementierer) einnimmt, zumeist zwischen IP (Flexionsphrase) und VP.
Im semantischen Bereich der Negation muss zwischen den Begriffen Geltungsbereich oder Skopus und Fokus unterschieden werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Diachrone Entwicklung der Negation in diversen Sprachen
2.1 Die Negation im Deutschen
2.1.1 Negation mit einfacher, präverbaler Partikel
2.1.2 Negation durch präverbale + freie Partikel
2.1.3 Negation durch freie Partikel
2.2 Die Negation im Französischen
2.3 Die Negation im Englischen
3 Der Jespersen-Zyklus
4 Conclusio
Bibliographie
1 Einleitung
Die Verneinung gilt als sprachliches Universale, also etwas, das es in allen natürlichen Sprachen gibt. Tatsächlich verfügt jede Sprache über eine Satznegation mit denkbar simpler Semantik. Negiert wird die Proposition eines Satzes, indem ihr ihr Komplement, d.h. die Menge der Situationen, in denen sie nicht wahr ist, zugewiesen wird. (vgl. Horn 2010: 1ff.)
Das Phänomen der Negation beruht darauf, dass ihre universalen Qualitäten im syntaktischen, semantischen, prosodischen sowie morphologischen Bereich zu finden sind.
Als syntaktische Kategorie kann für die Negation eine feste strukturelle Position innerhalb eines Satzes in Bezug auf die Verbalphrase (VP) angenommen werden, wodurch die Proposition des Satzes in ihren Bereich rückt. Auch in der generativen Grammatik wird eine spezielle Negationsphrase vorausgesetzt, die eine Stellung in der Hauptprojektionslinie von V (Verb) nach C (Komplementierer) einnimmt, zumeist zwischen IP (Flexionsphrase) und VP.
Im semantischen Bereich der Negation muss zwischen den Begriffen Geltungsbereich oder Skopus und Fokus unterschieden werden. In einfachen Sätzen beinhaltet der Skopus den gesamten Satz, also das Prädikat mit seinen Argumenten.
(1) Maria kommt nicht. Es ist nicht der Fall, dass Maria kommt.
Jedoch schon in wenig komplexen Sätzen liegen nicht zwingend alle Elemente im Geltungsbereich der Verneinung.
(2) Maria kommt leider nicht. *Es ist nicht der Fall, dass Maria leider kommt. Es ist leider nicht der Fall, dass Maria kommt.
Negierte Sätze dienen in der Regel der Korrektur einer Aussage oder Erwartung und dabei gewöhnlich nur gewisser Aspekte. Somit kann der Fokus der Negation maximal ihrem Geltungsbereich entsprechen, meistens umfasst er aber nur einen Ausschnitt davon. Je nach Fokus ist also von Satz- oder Sondernegation die Rede. Daraus lässt sich schließen, dass z.B. für die Stellung der deutschen Negationspartikel nicht nicht deren Skopus, sondern deren Fokus maßgeblich ist.
(3) Roman liebt Nora nicht. Roman liebt nicht Nora(, sondern Barbara).
Da der Fokus der Negation kontrastiv sein kann, finden sich in der gesprochenen Sprache besondere Intonationsmuster. Durch die Prosodie wird die Negation des hervorgehobenen Materials bewirkt, die eine Klasse möglicher Alternativen eröffnet.
(4) Otto fährt nicht nach Hause. OTTO fährt nicht nach Hause. à{ Hans, Peter, Klaus, … } fährt nach Hause. Otto FÄHRT nicht nach Hause. à Otto { geht, fliegt, läuft, … } nach Hause. Otto fährt nicht nach HAUSE. à Otto fährt { nach Wien, zu einem Freund, … } .
Trägt die Negation den Hauptakzent in der gesprochenen Sprache, so handelt es sich um einen weiten Fokus, also um eine Satznegation, wird jedoch eine Phrase fokussiert, sprechen wir von einem engen Fokus, also einer Sondernegation. In geschriebener Sprache sind beide häufig nicht voneinander zu unterscheiden. (vgl. Wemke / Kunkel-Razum 72005: 920f.)
Morphologisch finden sich in jeder Sprache Mittel zum Ausdruck der Negation, wobei eine große Vielfalt an Negationsmitteln in den verschiedenen Sprachen identifizierbar ist. Typologische Untersuchungen nennen folgende morphologische Mittel für eine Standardnegation, was bedeutet, dass der gesamte Aussagesatz im Skopus der Negation liegen muss (vgl. Dahl 2010: 9ff):
(a) ein affixales Morphem im Bestand des Vollverbs z.B. im Japanischen oderTürkischen
(5) düşün ürüm düşün me m (Türkisch) Ich denke Ich denke nicht
(b) eine Partikel z.B. im Deutschen oder den slawischen Sprachen
(6) Ja radim Ja ne radim (Serbokroatisch) Ich arbeite Ich arbeite nicht
(c) ein Hilfsverb z.B. im Finnischen
(7) (minä) puhun (minä) en puhu (sinä) puhut (sinä) et puhu Ich spreche Ich spreche nicht Du sprichst Du sprichst nicht
(d) ein Hilfsverb und eine Partikel z.B. im Englischen
(8) I go I do not go
Die hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Folgenden mit der diachronen Entwicklung der Negation in verschiedenen europäischen Sprachen, wie dem Deutschen, dem Englischen und dem Französischen. In diesem Kontext wird lediglich die Satznegation untersucht, da die Berücksichtigung der Verneinung mit Indefinita oder der Sondernegation zu weit führen würde.
Zunächst werden also die Entwicklungen in den Einzelsprachen aufgezeigt, bevor sie mit Hilfe des Jespersen Zyklus in einen größeren Zusammenhang eingebettet werden, wodurch sich nun Parallelen oder Differenzen hinsichtlich der Evolution ergeben können.
2 Diachrone Entwicklung der Negation in diversen Sprachen
2.1 Die Negation im Deutschen
2.1.1 Negation mit einfacher, präverbaler Partikel
In althochdeutscher Zeit wurde die Negation mit der meist präverbalen Partikel ni ausgedrückt. Diese wird als proklitisch bezeichnet, denn sie bildet oft eine graphische Einheit mit dem nachfolgenden Verb oder verschmilzt im Falle eines vokalischen Anlauts sogar mit ihm (9). Doch selbst wenn die Partikel und das Verb getrennt geschrieben werden, ist der Begriff Klitikon legitim, da ni keinen eigenen Akzent besitzt und auch keine eigene Konstituente ist. Belege dafür sind, dass die Partikel auch dann vor das Verb gesetzt wird, wenn dieses den Satz eröffnet, beispielsweise in Entscheidungsfragen (10) oder Imperativsätzen (11) mit verbreiteter V1-Stellung.
(9) uuant ér giuuisso thín nist (Otfrid II 14,54) weil er gewiss dein NEG=ist weil er gewiss nicht deiner ist
(10) Ni uuildu spréchan […] zi mír (Otfrid IV 23,35) NEG willst=du sprechen zu mir Willst du nicht zu mir sprechen?
(11) ni láz thir nan ingángan (Otfrid IV 37,11) NEG lass dir ihn entgehen Lass ihn dir nicht entgehen!
Durch die Nebensilbenabschwächung wurde die Partikel ni schon im Spätalthochdeutschen zu ne und tritt im Mittelhochdeutschen als ne, en oder n auf. Diese können sowohl proklitisch (12) mit dem nachfolgenden Verb als auch enklitisch (13) mit dem vorangehenden Wort verschmelzen.
(12) ich en weiz, wer mirz geriet (Eneit 10182, zit. n. Hoffmann von Fallersleben, 290) ich NEG=weiß, wer mir=es riet ich weiß nicht, wer es mir riet
(13) i ne weiz, wer si des bæte (Parzival 4961 = 167,1) ich NEG weiß, wer sie dessen bäte ich weiß nicht, wer sie darum bat
Während die Negation mittels einfacher präverbaler Partikel den Haupttypus zur althochdeutschen Zeit darstellt, wird er im Mittelhochdeutschen schon wesentlich seltener angewandt und geht während der frühneuhochdeutschen Periode verloren. (vgl. Fleischer / Schallert 2011: 227ff.)
2.1.2 Negation durch präverbale + freie Partikel
Neben der Verneinung mit der einfachen, präverbalen Partikel ni existiert schon im Althochdeutschen die Möglichkeit, diese um ein negiertes Indefinitum, wie beispielsweise niowiht zu ergänzen, wodurch sich zwei Negationsträger in einem Satz befinden, was als Negationshäufung oder pleonastische Verneinung bezeichnet wird.
Entstanden ist das negative Indefinitum aus der Kombination des Negationsträgers ni mit dem Substantiv wiht, was urspürnglich „Wesen“ oder „Ding“ bedeutete. Vor der Mitte des 11. Jahrhunderts, also in althochdeutscher Zeit, hat niowiht als Indefinitpronomen hauptsächlich Subjekts- oder Objektsfunktion und muss als Vorläufer des neuhochdeutschen nichts betrachtet werden. Jedoch weisen einige wenige Belege (14) auf die folgende Desemantisierung des Indefinitums hin, wodurch es zu einer freien Negationspartikel wird, die der Negationsverstärkung dient und somit als Vorgänger des nhd. nicht angesehen werden muss. (vgl. Donhauser 1998: 206ff.)
(14) ni zaweta imo es niawiht (Otfrid II 5,12) NEG gelang ihm dessen NEG=etwas es gelang ihm nicht
Ab 1050 findet sich bei Notker III von St. Gallen (15) eine breitere Anwendung des adverbiellen, negationsverstärkenden niht. Obwohl diese Form der doppelten Verneinung seit dem Mittelhochdeutschen auftritt und sich teilweise bis heute in dialektaler Form erhalten hat, muss doch angemerkt werden, dass es sich zu keiner Zeit um den Haupttypus der Verneinung im Deutschen handelte. (vgl. Fleischer / Schallert 2011: 230ff.)
(15) ih ne habo niêht in gemeitun sô uilo geuueinôt (Notker II 16,11 zit. nach Piper) ich NEG habe NEG grundlos so viel gemweint ich habe nicht grundlos so viel geweint
Schon ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts werden die Fälle der alleinigen Verwendung von niht immer häufiger.
2.1.3 Negation durch freie Partikel
Das Verschwinden der mhd. Negationspartikel en/ne/n wird von innersprachlichen Faktoren bedingt. Besonders früh werden sie vor Verben mit unbetontem Präfix ausgelassen, wohingegen sie sich am längsten in Nebensatzkonstruktionen unmittelbar nach niht erhalten. Resultat ist der Verbleib des ehemaligen negativen Indefinitums niht als verbalem Negator. Diese Form der Negation, die im Wesentlichen dem neuhochdeutschen Standard entspricht, galt schon zur Zeit des Mittelhochdeutschen als relativ konventionell. (vgl. Fleischer / Schallert 2011: 232f.)
(16) nû siln wir niht verliesen (Parzival 1862 = 63,10) nun sollen wir NEG verloren gehen nun wollen wir nicht untergehen
Somit zeigt sich folgendes Schema für die Entwicklung der Negation im Deutschen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Szczepaniak 2009: 44)
2.2 Die Negation im Französischen
Der heutige standardisierte französische Negationsträger ne … pas entwickelte sich aus dem Lateinischen, dessen Negationspartikel zunächst ne lautete. Im Spätlateinischen wurde die Negation durch die Partikel non, einer Fusion von ne oenum, „nicht eines“, ausgedrückt, die relativ frei in einer präverbalen Position stand. Im Altfranzösischen war in der Folge das lateinische non wiederum zu ne abgeschwächt und schließlich als emphatische Negation nach dem Muster der Emphase auf einen Ausdruck der minimalen Quantität durch pas verstärkt worden. Für die Negationspartikel pas ist klar, dass die Wortbedeutung nicht mehr auf ihre ursprüngliche Semantik, im Sinne von „Schritt“, beschränkt ist, da sie sich mit Verben verbindet, für die ihre Grundbedeutung nicht geeignet wäre. (vgl. Lenz 1996: 183f.)
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