In dieser Arbeit wird das Ölgemälde „Das Frühstück der Ruderer“ von Pierre-August Renoir mit besonderem Fokus auf der Wiedergabe der Zeit interpretiert.
Das impressionistische Werk „Das Frühstück der Ruderer“ wurde in den Jahren 1880 und 1881 von Pierre-Auguste Renoir in Frankreich erschaffen. Konkret handelt es sich um eine Ölmalerei auf einer Leinwand. Es nimmt ein Maß von 129,5 mal 172,7 Zentimetern an und gilt somit als querformatig. Die Wahl des Querformats ist eng mit dem gewählten Genre, dem Gruppenporträt, verknüpft.
Auch sind Elemente der Landschaftsmalerei wiederzuerkennen. Zwei Genres treffen demnach in „Das Frühstück der Ruderer“ aufeinander, wobei ersteres, das Gruppenporträt, im Fokus steht.
Das Sujet, welches sich aus dem Werk und dem Titel ablesen lässt, ist die lustvolle Freizeitbeschäftigung oder auch das gesellige Beisammensein. Unter diesen Themen wird das Frühstück in der Natur zum Motiv des Gemäldes.
Inhaltsverzeichnis
1 Erste Eindrücke
2 Allgemeine Fakten zum Werk
3 Beschreibung des Sichtbaren
4 Analyse
5 Hintergrundwissen
5.1 Zur Entstehungszeit
5.2 Zum Künstler
5.3 Zu den dargestellten Personen
6 Interpretation
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Erste Eindrücke
Es ist ein warmer Sommermorgen. Die Sonnenstrahlen streichen einen Teil meiner Haut und durchfluten meinen ganzen Körper mit einer wohlig angenehmen Wärme. Auch die Menschen um mich herum strahlen Wärme aus. Ich fühle Glück, Lebendigkeit und die Vibrationen meiner Umgebung. Von Einsamkeit bin ich weit entfernt. Stattdessen bin ich amüsiert und fühle Harmonie.
Ich rieche die frische Luft, die grünen Gräser, Sträucher und Bäume und auch den leicht fischig-schlammigen Geruch des Wassers. Der süße Duft der saftigen Früchte auf dem Tisch und die alkoholischen Ausdünstungen des Weines dringen gleichsam bis zu mir durch. Außerdem werden die aufgetragenen Düfte durch die Bewegung und das Treiben der Menschen mit einem leicht schweißigen Geruch gepaart. Auch der kleine Hund bringt seinen Eigengeruch mit.
Ich schmecke den Saft der knackigen Trauben, wenn sie in meinem Mund platzen. Auch der Geschmack vergorener Früchte im Wein und der Süße der knackigen Birne und Äpfel benetzen meine Zunge. Ja selbst der leicht salzige Geschmack des Schweißes macht sich bemerkbar. All diese Gerüche und Geschmäcke machen die Lebendigkeit auf angenehme Weise noch bewusster.
Der Menschentrubel unter der Markise ähnelt nahezu einem Rummel aus Fröhlichkeit. Das Gemurmel der Masse ist nicht zu überhören. Wie die junge Frau in kindlicher Sprache zu ihrem Hund spricht, das herzhafte Lachen der Männer, das zurückhaltende Gekicher der Frauen und das Klirren des Geschirrs, alles dringt zu meinen Ohren vor. Eine leichte Windbriese, die die Blätter aneinander reiben und die Zipfel der Markise wehen lässt, werden durch diese lebendige Gruppe beinah gänzlich übertönt.
Neben den Männern und Frauen, die unter der Markise stehen und sitzen, den benutzten Tischgedecken und dem Obst fällt mit gleichsam auf, was sich hinter dem lustvollen Trubel befindet. Mein Auge nimmt die Natur wahr. Ein Fluss, Schilf, Gräser und Bäume entfalten sich in ihrer Schönheit und lassen mich Freiheit sehen und fühlen.
All diese Sinneseindrücke und Assoziationen entstehen bei der Erstbetrachtung des Werks „Das Frühstück der Ruderer“ von Pierre-Auguste Renoir (siehe Abb. 1). Im Folgenden wird dieses noch näher in den Fokus gerückt. Es folgen zunächst allgemeine Fakten zum Werk, woraufhin sich eine Analyse anschließt. Danach wird beleuchtet, in welchen Kontexten „Das Frühstück der Ruderer“ entstand. Letztlich bildet ein Interpretationsversuch mit dem Schwerpunkt .Wiedergabe von Zeit', in dem bis dahin aufgeführte Ergebnisse der Bildbetrachtung einfließen, den Abschluss dieser Auseinandersetzung.
2 Allgemeine Fakten zum Werk
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Pierre-Auguste Renoir „Das Frühstück der Ruderer“
Das impressionistische Werk „Das Frühstück der Ruderer“ wurde in den Jahren 1880 und 1881 von Pierre-Auguste Renoir in Frankreich erschaffen (Hagen & Hagen, 2011, S. 661). Konkret handelt es sich um eine Ölmalerei auf einer Leinwand (ebd., S. 661). Es nimmt ein Maß von 129,5 mal 172,7 Zentimetern an und gilt somit als querformatig (ebd., S. 661). Die Wahl des Querformats ist eng mit dem gewählten Genre, dem Gruppenporträt, verknüpft. So können beispielsweise mehrere Menschen besser auf dem Gemälde abgebildet werden. Auch sind Elemente der Landschaftsmalerei wiederzuerkennen. Zwei Genres treffen demnach in „Das Frühstück der Ruderer“ aufeinander, wobei ersteres, das Gruppenporträt, im Fokus steht. Das Sujet, welches sich aus dem Werk und dem Titel ablesen lässt, ist die lustvolle Freizeitbeschäftigung oder auch das gesellige Beisammensein. Unter diesen Themen wird das Frühstück in der Natur zum Motiv des Gemäldes.
Genauere Informationen zur Entstehungszeit, zur Epoche des Impressionismus sowie zum Künstlers Pierre-Auguste Renoir sind ab Kap. 4 niedergeschrieben.
3 Beschreibung des Sichtbaren
Nun soll zunächst die Frage geklärt werden, welche Elemente im vorliegenden Werk abgebildet sind. Hierbei wird in Anlehnung an die Bildzonen-Systematik vorgegangen.
Im Vorder- und Mittelgrund des Gemäldes sind insgesamt 14 Charaktere unter und rechterhand einer rot-weiß gestreiften Markise an einem sonnigen Tag umgeben von der Natur dargestellt. Die Markise wird von einem braun-schwarzen Stangengerüst gehalten, führt leicht nach rechts ins Bild hinein und rahmt das Geschehen von oben ein. Einen weiteren Rahmen bildet das parallel und unterhalb zur Markise gemalte Geländer aus einem Holzbalken und grauen Streben. Von den 14 Personen, die frontal, im Halbprofil und auch in Rückenansicht dargestellt wurden, verteilen sich fünf um den dargestellten Tisch im Vordergrund und neun um den leicht angedeuteten Tisch im Mittelgrund. Beide Tische sind mit einer weißen Tischdecke verkleidet. Auf ihnen befinden sich weiße, benutzte Servietten, halb ausgetrunkene Weinflaschen, verschiedene, teilweise gefüllte Spirituosengläser sowie eine reich gefüllte Obstschale mit Trauben und Birnen. Die teils sitzenden, teils stehenden Personen haben unterschiedliche Kleidung an, was für unterschiedliche soziale Stände und gesellschaftliche Rollen spricht. Einige Frauen tragen zur damaligen Zeit als zeitgenössisch geltende, aufwändige, feine Kleider mit Rüschen und Bordüren verziert, Handschuhe und mit Blüten geschmückte Hüte. Dies trifft etwa auf die Frau am vorderen Tisch links außen oder auch auf die stehende Dame im Mittelgrund rechts außen, an deren Taille ein Mann seine Hand legt, zu. Andere tragen weniger vornehme, einfachere Kleider, einen zurückhaltend verzierten Strohhut oder eine Baskenmütze und zeigen ihre nackten Unterarme wie etwa die am ersten Tisch an der rechten hinteren Ecke sitzende Frau oder die im Mittelgrund sich auf dem Geländer aufstützende Dame. Allen Frauen allerdings gleich ist ihr jugendliches Aussehen. Auch die Männer unterscheiden sich durch ihre Kleidung. So tragen die gehobeneren Herren zumeist Melonen oder Zylinder und schicklich bedeckende Stadtanzüge mit Kragenhemd darunter. Andere wiederum tragen lässige, ärmellose Hemden oder ein weiß-rot gestreiften Pullover, dunkle Hosen und einfache Strohhüte mit einem einfarbigen Band. Zwei dieser Männer befinden sich beispielsweise am vorderen Tisch. Einer dieser steht und stützt sich auf das Geländer auf. Der zweite sitzt am rechten Tischrand gelassen auf seinem Stuhl und legt seine Hände auf der Lehne auf. Dieses legere Erscheinungsbild vermittelt eine Art Leichtigkeit. Die zwei Herren zeichnen sich außerdem durch ihre muskulösen Arme aus. Einige der Personen sprechen miteinander, wenden sich offen zueinander und stehen direkt in Kontakt wie etwa im Vordergrund die Frau an der hinteren Tischecke und der sich über sie lehnende Mann im hellen Sakko. Ebenso im Mittelgrund scheinen die zwei Männer, welche am weitesten hinten stehen, eine Unterhaltung zu führen. Auch die junge Frau am linken unteren Bildrand tritt verspielt mit einem kleinen, schwarzen Terrier in Kontakt, dessen Oberkörper sie auf Augenhöhe hochhält. Andere Personen wiederum kommunizieren nicht direkt miteinander, sondern durch ihre Haltung und ihren Gesichtsausdruck. So nehmen sich beispielweise der sich am Geländer aufstützende Mann oder die am zweiten Tisch sitzende Frau, die gerade ihr Glas an den Mund hält, aus den Gesprächen raus, scheinen in Gedanken zu sein und wirken jedoch durch ihren entspannten Blick immer noch freundlich und zufrieden. Zusammengefasst sprechen diese Beziehungskonstellationen für ein harmonisches, ausgelassenes und fröhliches Miteinander. Auch die Bildinhalte im Hintergrund, welche sich nach dem Geländer, der Markise und den fernsten Personen anschließen, tragen zur Harmonie und dem im Werk herrschenden Freiheitsgefühl bei. In diesem malte Renoir viele Naturelemente. So etwa grüne Sträucher, Bäume und auch Schilf. Ebenso ist ein Gewässer erkennbar, auf dem Segelboote treiben. Außerdem ist ein Ufer mit weiteren Pflanzen und einem Haus angedeutet.
Nicht unerwähnt, soll das Signum des Künstlers und das Entstehungsjahr des Gemäldes am rechten unteren Rand des Werks bleiben.
Im anschließenden Kapitel folgt nun eine analytische, formale Betrachtung des eben beschriebenen Sichtbaren in „Das Frühstück der Ruderer“ unter Einbezug epochenrelevanter Merkmale.
4 Analyse
Mit Hinblick auf den Interpretationsschwerpunkt wird an dieser Stelle davon abgesehen, eine vollständige Analyse darzulegen. Folgend stehen primär die Komposition, die Malweise, der Einsatz von Farben sowie die Wiedergabe von Licht und Schatten im Fokus. Kompositorisch betrachtet verfügt das Gemälde über eine diagonale Ausrichtung, welche durch das Geländer, das von links unten nach rechts bildeinwärts führt, abzulesen ist. Dies entspricht der Leserichtung unserer Kultur und erzeugt dadurch ein Gefühl von Harmonie und Entspannung. Die Kanten des oberen Holzbalkens des Geländers fluchten auf einen Punkt rechts oben, außerhalb des Werks zu (siehe Abb. 2). Auch wird dieser Fluchtpunkt und die unter anderem dadurch erzeugte Frontperspektive durch die rechte und linke Tischkante angedeutet. Unter anderem diese Diagonalen, wie sie auch in der Markise wiederzufinden sind, verleihen der vorliegenden Malerei ihre räumliche Tiefenwirkung und geben ihr einen weniger konstruierten, sondern mehr authentischen und bewegten Charakter.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Senkrechte, Vertikale & Richtungslinien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 Die Diagonalen im Werk
Neben Diagonalen leiten auch die Senkrechten sowie Waagerechten im Werk die Blickführung des Betrachters (siehe Abb. 3). Diese sind in den Gerüststangen der Markise, der vordersten Tischkante, den zwei vordersten gedachten Tischbeinansätzen sowie in den vertikalen Streben des Geländers erkennbar. Die hierzu zählende angedeutete Horizontlinie im Hintergrund verleiht dem Gemälde seine Weitläufigkeit und vermittelt dadurch ein Gefühl von Freiheit. Alle weiteren statischen Elemente erzeugen eine für sie typisch ruhige und stabile Atmosphäre (Gärtner, S. 1). So etwa rahmen die vertikalen Gerüststangen Einzelpersonen wie den stehenden Mann am Geländer, die mit dem Hund spielende Dame oder die sich am Geländer aufstützende junge Frau ein. Diese Aufteilung verleiht dem Betrachter eine Übersicht im Vergleich zur rechten Bildhälfte, die ungefähr durch die rechte Markisenstange markiert wird. Auf dieser Seite ballen sich mehrere Richtungslinien, die immer für eine Person stehen. Diese Ballung erzeugt eine größere, dynamische Lebendigkeit und kann erst beim zweiten Hinschauen besser strukturiert werden. Beiden Hälften gemein sind - wenn auch nicht mengenmäßig gleich - die Überschneidungen zwischen den einzelnen Personen und auch den dargestellten Gegenständen, wodurch ebenfalls Bewegung erzeugt wird.
Schließlich ist das Werk konzeptionell so angelegt, dass sich der Betrachter durch die Raumkomposition und die motivische Realitätsnähe unweigerlich im Geschehen fühlt und zum alles überblickenden Beobachter wird. Dennoch bleibt ihm auf einen zweiten Blick die aktive Teilnahme durch die teils schleierhafte, nebulöse Wirkung des Werks verweigert. Diese ist vor allem auf die Maltechnik und die Farbgebung zurückzuführen. Besonders charakteristisch sticht der kommaähnliche Pinselduktus hervor, der typisch für die hier zugrundeliegende Primamalerei ist. Sowohl Kleidungsstücke, menschliche Haut, Gegenstände und auch Naturelemente werden nicht von harten Konturen umrahmt, sondern bestehen aus kurzen, dynamischen Pinselzügen. Besonders im Hintergrund breitet sich ein Netzwerk aus unterschiedlich gerichteten Pinselstrichen aus, welches das Dargestellte in einer schwammigen Weichheit zerfließen lässt. Diese in allen Motiven wiederzufindende Technik lässt unterschiedliche Oberflächen teilweise in derselben Stofflichkeit erscheinen. So korrespondiert beispielsweise die Kleidung des Mannes in Rückenansicht in der Mitte des Gemäldes mit der diffusen Beschaffenheit der Gläser. Beide scheinen rein von der malerischen Ausführung aus derselben Substanz zu bestehen.
Viele der nebeneinandergesetzten Striche stehen in Kontrast zueinander und entfalten ihren Eindruck erst über die simultane Wahrnehmung und das optische Mischen im Auge des Betrachters. So etwa wurden die Komplementärkontraste blau-orange in den ärmellosen Hemden, rot-grün in der Markise oder auch Hell-Dunkel-Kontraste in den Strohhüten und den Sträuchern eingearbeitet. Das Verhältnis dieser Farbstriche trägt maßgebend zu der Intensität ihrer Wirkkraft bei (Kirschenmann & Schulz, 2012, S. 12). Je gegensätzlicher und leuchtender sie sind, umso größer ihre Wirkung (ebd., S. 12). Entsprechend wirken die ärmellosen Hemden viel intensiver als der Holzbalken und die Sträucher dahinter.
Auffällig ist außerdem die nach hinten abnehmende Weißqualität und Darstellungsschärfe. Im Vordergrund scheint das Gemalte mehr ausdifferenziert zu sein als im verschwommeneren Mittel- und Hintergrund des Werks. Der vorn verwendete, hell leuchtende Weißton wird auch mengenmäßig nach hinten reduziert und teilweise abgedunkelt. Dies trägt letztlich wieder zur Tiefenräumlichkeit des Gemäldes bei und ist als realistische Konsequenz aus der im Werk aufgegriffenen Sonnenstrahlung zu betrachten.
Nicht unerwähnt soll der teils deckende, opake und teils pastose Farbauftrag bleiben. Dieser ist zurückzuführen auf die hier angewandte Plein-air Malerei, bei der Farben oft direkt aus der Tube auf die Leinwand aufgetragen wurden.
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- Arbeit zitieren
- Jennifer Scharf (Autor:in), 2019, Die Wiedergabe von Zeit in Renoirs "Das Frühstück der Ruderer", München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/992088