Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Domitianbild, welches Publius Papinius Statius in seiner Gedichtsammlung "Silvae" vermittelt. Hierbei liegt der Schwerpunkt der Arbeit darauf, welche Mittel Statius einsetzt, um Domitian als besonders groß und mächtig darzustellen.
Dazu werden besonders die Silven analysiert und unter Berücksichtigung von Forschungsliteratur interpretiert, die speziell Domitian als Adressaten besitzen und ihn mit anderen Kaisern vergleichen, um daraufhin zu versuchen, das Domitianbild, sowie den Stil und Zweck der Kaiservergleiche darzustellen und zuletzt ein Fazit zu ziehen.
Inhalt
Einleitung
Hauptteil
Silve 1.1
Silve 1.6
Silve 4.1
Silve 4.2
Silve 4.3
Das Domitianbild
Die Kaiservergleiche
Fazit
Literaturliste
Einleitung
In der vorliegenden Hausarbeit werde ich mich mit dem Bild von Domitian, welches Statius in den Silven entwirft, sowie der Art und Weise, wie er andere Kaiser mit Domitian vergleicht, beschäftigen.
Dazu werde ich zunächst im Hauptteil die Silven, welche speziell Domitian als Adressaten besitzen (wozu also nicht die Silven zählen, in welchen Domitian erwähnt, aber nicht adressiert wird1 ) mit besonderem Fokus auf die in diesen vorgenommen Vergleiche mit anderen Kaisern einzeln analysieren und unter Berücksichtigung der Forschungsliteratur interpretieren (denn „Kein Bereich der Silvae ist so kontrovers diskutiert worden wie die Gruppe der unmittelbar auf Domitian bezogenen Gedichte“2 ), um daraufhin zu versuchen, mithilfe der aus den Silven gewonnen Informationen das Domitianbild in den Silven sowie den Stil und Zweck der Kaiservergleiche darzustellen und zuletzt ein Fazit zu ziehen.
Hierbei möchte ich darauf achten, keine Überinterpretationen vorzunehmen (wozu sich der metaphorische Schreibstil des Statius hervorragend eignet) und kritisiere dementsprechend die Forschungsliteratur besonders dann, wenn aus meiner Perspektive für Interpretationen (die durchaus einfallsreich und in sich stimmig sein können) Anhaltspunkte in den Silven fehlen.
Hauptteil
Silve 1.1
In dieser Silve wird Domitian mit Caesar verglichen.
Mit der Textpassage von Vers 22-28, in der dies geschieht, beginnt Statius eine Ekphrasis, in welcher er die Umgebung der Reiterstatue von Domitian aus Sicht von dieser beschreibt.
Gegenüber von ihr liegt der Tempel für den vergöttlichten Caesar, welcher nun anerkennt, dass Domitian friedfertiger ist als er und sozusagen überhaupt keinen Bürgerkrieg benötigt hätte, da Pompeius und Cato ohnehin zu ihm übergelaufen wären.
Somit wird Domitian als Friedensfürst und als Person mit großer Autorität skizziert.
Jens Leberl hebt hierbei hervor, dass in der Silve mehrfach auf Domitians Siege in Germanien angespielt und Domitian in der Silve im Allgemeinen als erfolgreicher Feldherr dargestellt wird3.
Diese „scheinbar gegensätzlichen Paare Macht und Milde, Krieg und Frieden“4 verbindet Leberl nun, indem er deutlich macht, dass Domitian Statius zufolge nur Kriege führt, „um Ruhe und Frieden zu schaffen“5.
Hiermit macht Statius deutlich, dass Domitian zwar den Frieden als sein oberstes Ziel hat, aber dennoch kein „naiver“ bzw. „gutgläubiger“ Kaiser ist, welcher das Reich nicht zusammenhalten und beschützen kann.
Außerdem bezieht sich der Aspekt des Friedenskaiser vor allem auf die Verhinderung von Bürgerkriegen, womit Kriege gegen äußere Feinde nicht ausgeschlossen seien müssen.
Ein weiterer Vergleich mit Caesar findet sich in Vers 84-90, in welchem zunächst beschrieben wird, dass Caesar seinen eigenen Kopf auf eine Alexanderstatue montieren ließ (womit Statius geschickt auch einen Alexandervergleich aufmacht).
Laut Statius ist es hierbei schwer zu erkennen, wie weit Domitians Reiterstandbild auf jene Statue herabblickt, was natürlich dafür stehen soll, dass Domitian um Längen mächtiger bzw. bedeutsamer als Caesar (und Alexander) ist. Daraufhin fragt er rhetorisch, wer „dumm genug“ sei, dies nicht zu erkennen.
Raymond Marks geht nun davon aus, dass bereits unter Domitians Herrschaft das Caesarbild positiv geworden wäre, während man sonst denke, dies sei erst „with the reign of Trajan“6 geschehen und führt dazu neben Martial und Silius Italicus auch Statius heran.
Für ihn lässt sich an der Silve 1.1 nur ablesen, dass „Although Caesar suffers by comparision with Domitian in both cases, there is nothing exceptionally negative or cynical about them“7.
Stattdessen fokussiert er sich auf Silve 2.7, anhand derer er zeigt, dass Caesar nicht mit dem Bürgerkrieg in Verbindung gebracht wird8 und weder in das Elysium noch in den Tartarus kommt, woraus Marks schließt, Caesar würde von Statius als Gott angesehen werden.9
Auch wenn ich diesen Teil der Argumentation schlüssig finde, kann man ihn meiner Meinung nach nicht mit Silve 1.1 in Einklang bringen, worin Caesar ausdrücklich wegen seinem Bürgerkrieg gegen Pompeius und Cato unter Domitian gestellt wird und zwar als Gott bezeichnet wird, aber dieses Attribut erst munere prolis, also sozusagen „von Augustus Gnaden“ erhielt.
Damit spielt Statius wohl darauf an, dass er die Vergöttlichung Caesars für einen taktischen Zug des Octavian hielt, da er sich so selbst als „Sohn eines Gottes“ bezeichnen konnte.
Leberl sieht nun einen Grund im Caesarvergleich darin, Domitians Milde darzustellen, da „Caesar als der Inbegriff der Milde“10 dient und trotzdem von Domitian auch in dieser Kategorie überragt wird.
Dieser Deutung würde ich allerdings widersprechen, da Caesar in der Silve vor allem als „Kriegstreiber“ und Mitverantwortlicher des Bürgerkrieges skizziert und Domitian ihm somit als Friedenskaiser eher entgegengestellt wird.
Silve 1.6
In dieser Silve wird Domitian mit keinem bestimmten Kaiser verglichen, sondern vielmehr mit der gesamten römischen Vergangenheit.
In dieser sei es Vers 35-50 zufolge niemals möglich gewesen, dass Volk so gut zu versorgen wie es Domitian während dem Fest des ersten Dezembers vermag.
Hierbei betont Statius, dass Domitian parvi, femina, plebs, eques, senatus 11 (Kinder, Frauen, das Volk, Ritter und der Senat), also alle freien Römer am Fest teilnehmen lässt12, weswegen selbst inops beatus convivam ducis esse gloriatur 13 (ein Armer glücklich gerühmt wird, Gast eines Fürsten zu sein).
Domitian wird also in Silve 1.6 als Kaiser inszeniert, welcher in der Lage ist, alle Teile der römischen Bevölkerung zufriedenzustellen und insbesondere dafür sorgt, dass die Armen einen höheren Lebensstandard genießen können, was beides noch keinem Kaiser vor ihm gelungen sei.
Newlands zufolge, die in ihrer subversiven Lesart die Silven als versteckten Spott auf Domitian betrachtet, welcher nicht gebildet genug gewesen sei, diesen zu erkennen, wird diese angebliche Gleichheit der Bevölkerungsschichten während des Festes durch die Sonderstellung, die Domitian immer noch innehat14 sowie die Kämpfe von Frauen und Zwergen, über welche sich die Zuschauer lustig machen, sodass es doch zu einer Ausgrenzung schwacher sozialer Gruppen kommt15, ins Lächerliche geführt.
Doch für mich ist es nur logisch, dass ein panegyrisches Werk, welches die Überlegenheit des Kaisers gegenüber allen anderen Menschen zeigen möchte, die Überlegenheit des Kaisers gegenüber allen anderen Menschen auch zeigt.
Und die Ausgrenzung von Frauen und Zwergen mit der Ausgrenzung aller sozial schwachen Gruppen zu assoziieren, ist kein antiker, sondern ein moderner Gedanke, da in der Antike der Kampf von Frauen während einem den Saturnalien ähnlichen Fest, auf dem die üblichen sozialen Rollen getauscht wurden, nicht unüblich erschienen sein muss.
Weiterhin wird für Newlands die Meinungsfreiheit während der Saturnalien durch das Fehlen direkter Rede in der Silve16 sowie das viele Essen durch einen ironischen Vergleich mit dem goldenen Zeitalter17 mokiert. Für beide Thesen fehlen mir jedoch Anhaltspunkte in der Silve.
Denn ohne diese ist die erstgenannte These für mich zu abstrakt, während sich mir nicht erschließt, weshalb der Vergleich mit dem goldenen Zeitalter ironisch sein soll, wo er doch hervorragend ins Bild von Domitian als Wohltäter hineinpasst, wie es Leberl in Silve 1.6 gezeichnet sieht18.
Ebenso betont er im Gegensatz zu Newlands, dass durch die Silve Domitians Nähe zu seinem Volk, seine „civilitas“ betont werden sollte19.
Ich würde nun, da es für beide Ansichten unterstützende Textstellen gibt, beide Ansichten zusammenbringen und Domitian in der Silve 1.6 als Kaiser sehen, welcher sich trotz seiner gewaltigen Überlegenheit den Gästen gegenüber aus seiner Güte heraus dazu „herablässt“, gemeinsam mit dem einfachen Volk zu feiern.
Silve 4.1
In dieser Silve wird Domitian mit Augustus verglichen.
Im Kontext der Verleihung des siebzehnten Konsulats an Domitian lässt Statius Janus rhetorisch fragen, ob jemand in der Vergangenheit diese Anzahl an Konsulaten übertreffen könne, wobei er ihn bittet, nur die zu nennen, quae sola meus dignetur vincere Caesar (welche allein würdig sind, meinen Kaiser zu besiegen), was eben ausschließlich Augustus zugetraut wird.
Dadurch macht Statius deutlich, dass für ihn Augustus der einzige Kaiser ist, bei dem es nicht lachhaft sei, ihn mit Domitian zu vergleichen, da Domitian den Rest so weit überflügelt.
Doch auch Augustus mit seiner dreizehnfachen Erlangung der Konsulwürde konnte Domitian mit deren siebzehnfacher Erlangung nicht schlagen, wobei Domitian sie bereits als junger Mann (mit 22 Jahren) erhielt, während Augustus erst spät damit angefangen habe.
Damit überbot Domitian Statius zufolge Augustus sogar in der Kategorie der Leistungen als junger Mann, was bemerkenswert ist, wenn man bedenkt, dass Augustus bereits mit 19 Jahren zum großen Gegen-(und Mit-)spieler Mark Antons und dadurch mit ihm zum mächtigsten Mann des römischen Reichs wurde.
Ausgerechnet Augustus als Vergleich zu nehmen statt z.B. Caesar, welcher erst in hohem Alter große Macht erlangte, macht deutlich, dass Statius einen so schwierigen Gegner wie möglich für Domitian auswählte, um dessen „Sieg“ als noch ruhmreicher darzustellen.
Kreuz macht nun die meiner Observation auf den ersten Blick widersprechende Feststellung, dass Statius das Konsulatsamt nicht wirklich achtet.
So wird das Forum Romanum in der Silve als ein veralteter Raum dargestellt, der „nur noch einen ehren- und bedeutungsvollen, doch realer Macht weitgehend entkleideten“20 Platz einnimmt, da das Forum, auf welchem die Inaugurationsriten für die Konsulatsübernahme traditionell ausgeführt wurden, nicht erwähnt wird21, sondern vielmehr andere Orte, wo in der Kaiserzeit tatsächlich die Machtzentralen lagen, wie z.B. auf dem Palatin22, was sinnbildlich für die Bedeutungslosigkeit der alten Ämter wie dem Konsulat und die Verschiebung der Macht auf den Kaiser und dessen Umgebung steht.
Für mich macht dies umso deutlicher, dass Statius nicht glaubte, mit dem Konsulat würde Domitian mehr Macht erlangen.
Vielmehr wollte er wohl Domitians Überlegenheit gegenüber Augustus auf einer symbolischen Ebene demonstrieren.
[...]
1 Vgl. Rühl (2006) 308
2 Kreuz (2011) 49
3 Vgl. Leberl (2004) 148f
4 Rühl (2006) 320
5 Leberl (2004) 150
6 Marks (2010) 13
7 Marks (2010) 29
8 Vgl. Marks (2010) 30-32
9 Vgl. Marks (2010) 32
10 Leberl (2004) 154
11 Stat.silv. 1,6,44
12 Trotzdem werden die Gruppen nach Status geordnet (von niedriger Status zu hoher Status)
13 Stat.silv. 1,6,49f
14 Vgl. Newlands (2002) 240f
15 Vgl. Newlands (2002) 243f
16 Vgl. Newlands (2002) 239
17 Vgl. Newlands (2002) 245
18 Vgl. Leberl (2004) 186
19 Vgl. Leberl (2004) 190
20 Kreuz (2011) 222
21 Vgl. Kreuz (2011) 218
22 Vgl. Kreuz (2011) 222f