Die Hausarbeit gibt einen Überblick über Intertextualität am Beispiel moderner Märcheninterpretationen. Die behandelten Texte sind das Märchen "Dornröschen" der Brüder Grimm, die Kurzgeschichte "Der geduldige Prinz" von Karen Duve und das Gedicht "Mädchen, pfeif auf den Prinzen!" von Josef Reding.
Dazu wird die Arbeit zunächst einen Blick auf den Begriff der Intertextualität als solches werfen. Im Hinblick auf die zu untersuchenden Texte eignen sich dazu insbesondere die Überlegungen von Gérard Genette und Broich und Pfister. Nach diesem allgemeinen kurzen Einstieg wird die Parodie als eine Sonderform der Intertextualität thematisiert, da sich parodistische Züge vor allem in der modernen Märcheninterpretation von Duve wiederfinden lassen. Nachdem der theoretische Teil der Arbeit abgeschlossen ist, folgt die genauere Betrachtung der gewählten Texte. Dazu wird zunächst das Ursprungsmärchen Dornröschen betrachtet, hierbei geht es vor allem um die Darstellung der inhaltlichen Unterschiede in den verschiedenen Fassungen der Märchen der Brüder Grimm und um den für Märchen typischen Schreibstil, der an einigen Stellen deutlich wird.
Danach wird Duves Erzählung genauer analysiert und mit dem ursprünglichen Märchen verglichen, wobei die Analyse anhand vier verschiedener Gesichtspunkte aufgeteilt werden soll. Im Kontrast zum Märchen der Brüder Grimm werden Schreibstil und Wortwahl genauer betrachtet. Inhaltliche Besonderheiten und Unterschiede werden in Duves Interpretation besonders deutlich an ihrer Darstellung der Figuren. Daher werden je ein Unterkapitel der Auseinandersetzung von ihr mit den Hauptpersonen des Ursprungsmärchens, eines der bösen Fee, und das letzte dem Prinzen Alphons als weitere Hauptperson gewidmet.
Im letzten Kapitel vor dem abschließenden Fazit wird das Gedicht von Josef Reding genauer betrachtet. Diese Betrachtung wird aufgrund der deutlich kürzeren Länge des Gedichts nicht in einzelne Teile untergliedert werden, sondern in einem Kapitel abgehandelt werden. Besonderes Augenmerk soll dabei auf den Fragen liegen wo Bezugnahmen auf das ursprüngliche Märchen der Brüder Grimm zu finden sind, ob und wann dem Leser deutlich wird, dass sich das Gedicht überhaupt auf ein früheres Märchen bezieht und was die Intention des Gedichts sein könnte.
Inhalt
1 Einleitung
2 Begriff der Intertextualität
2.1 Fünf Typen nach Gérard Genette
2.2 Broich & Pfister
3 Parodie als Sonderform der Intertextualität
4 Ursprüngliche Fassung des Märchens Dornröschen der Brüder Grimm
5 Moderne Interpretationen
5.1 Karen Duve: Der geduldige Prinz
5.1.1 Schreibstil & Wortwahl
5.1.2 Darstellung der Hauptpersonen des ursprünglichen Märchens
5.1.3 Kontrastierende Darstellung der bösen Fee
5.1.4 Prinz Alphons als weitere Hauptperson
5.2 Josef Reding: Mädchen, pfeif auf den Prinzen!
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
7.1 Primärliteratur
7.2 Sekundärliteratur
1 Einleitung
Karen Duves Erzählung Der geduldige Prinz und das von Josef Reding verfasste Gedicht Mädchen, pfeif auf den Prinzen! - was haben diese beiden Texte außer der Erwähnung eines Prinzen im Titel miteinander gemeinsam? In beiden Fällen lassen sich intertextuelle Bezüge herstellen, und zwar zu demselben Ursprungstext: dem von den Brüdern Grimm geschriebenen Märchen Dornröschen. Diese intertextuellen Bezüge sollen im Folgenden genauer untersucht werden.
Dazu wird die Arbeit zunächst einen Blick auf den Begriff der Intertextualität als solches werfen. Im Hinblick auf die zu untersuchenden Texte eignen sich dazu insbesondere die Überlegungen von Gérard Genette und Broich und Pfister. Nach diesem allgemeinen kurzen Einstieg wird die Parodie als eine Sonderform der Intertextualität thematisiert, da sich parodistische Züge vor allem in der modernen Märcheninterpretation von Duve wiederfinden lassen.
Nachdem der theoretische Teil der Arbeit abgeschlossen ist, folgt die genauere Betrachtung der gewählten Texte. Dazu wird zunächst das Ursprungsmärchen Dornröschen betrachtet, hierbei geht es vor allem um die Darstellung der inhaltlichen Unterschiede in den verschiedenen Fassungen der Märchen der Brüder Grimm und um den für Märchen typischen Schreibstil, der an einigen Stellen deutlich wird.
Danach wird Duves Erzählung genauer analysiert und mit dem ursprünglichen Märchen verglichen, wobei die Analyse anhand vier verschiedener Gesichtspunkte aufgeteilt werden soll. Im Kontrast zum Märchen der Brüder Grimm werden Schreibstil und Wortwahl genauer betrachtet. Inhaltliche Besonderheiten und Unterschiede werden in Duves Interpretation besonders deutlich an ihrer Darstellung der Figuren. Daher werden je ein Unterkapitel der Auseinandersetzung von ihr mit den Hauptpersonen des Ursprungsmärchens, eines der bösen Fee, und das letzte dem Prinzen Alphons als weitere Hauptperson gewidmet.
Im letzten Kapitel vor dem abschließenden Fazit wird das Gedicht von Josef Reding genauer betrachtet. Diese Betrachtung wird aufgrund der deutlich kürzeren Länge des Gedichts nicht in einzelne Teile untergliedert werden, sondern in einem Kapitel ab gehandelt werden. Besonderes Augenmerk soll dabei auf den Fragen liegen wo Bezugnahmen auf das ursprüngliche Märchen der Brüder Grimm zu finden sind, ob und wann dem Leser deutlich wird, dass sich das Gedicht überhaupt auf ein früheres Märchen bezieht und was die Intention des Gedichts sein könnte.
Daran anschließend folgt das Fazit dieser Arbeit.
2 Begriff der Intertextualität
In den folgenden beiden Unterkapiteln wird - wie in der Einleitung bereits angemerkt - auf zwei Theorien zum Begriff der Intertextualität eingegangen. Zunächst wird die Theorie von Gérard Genette genauer betrachtet. In diesem Zusammenhang soll das Hauptaugenmerk auf den von ihm eingeführten fünf Begriffen liegen, die verschiedene Arten von Beziehungen zwischen Texten beschreiben. Zwei dieser Begriffe werde ich dazu näher erklären.
Im Anschluss wird das Modell zu intertextuellen Bezügen von Broich und Pfister genauer analysiert. Sie erkennen auch bereits die Parodie als eine besondere Form der Intertextualität. Diese wird im darauffolgenden Kapitel genauer erfasst, da vor allem bei Duves Erzählung parodistische Merkmale im Hinblick auf den Ursprungstext erkennbar sind.
2.1 Fünf Typen nach Gérard Genette
Gérard Genette bezeichnet in seinen Erklärungen zu intertextuellen Bezügen im Allgemeinen diese nicht mit dem Oberbegriff der Intertextualität, was auf den ersten Blick verwirren mag. Er spricht stattdessen von „fünf Typen transtextueller Beziehungen“1, nutzt diese Bezeichnung also als Oberbegriff für die Darstellung seiner fünf Fachbegriffe. Die von ihm eingeführten fünf Typen bezeichnet er mit den Begriffen Intertextualität, Paratextualität, Metatextualität, Hypertextualität und Architextualität.2
Im Folgenden genauer betrachtet werden die Form der Intertextualität und die der Paratextualität. Als Intertextualität gelten für Genette „die Beziehungen eines Textes zu anderen Texten (in der Regel auch anderen Autoren)“3, also grundlegende Beziehungen, die auch zwischen der Erzählung Duves beziehungsweise dem Gedicht Redings und dem Märchen Dornröschen der Brüder Grimm vorhanden sind. Als Beispiele für diese Art der Beziehung werden „das Zitat, das Plagiat und die Anspielung“4 genannt.
Insbesondere die Anspielung als letztgenannte der drei Beispiele liegen in Texten wie denen von Duve und Reding besonders häufig vor. Beschrieben werden Anspielungen als „weniger explizit und weniger wörtlich [...]. Sie sind als ,Quasi-Zitate‘ gemeint, die weder markiert noch wortidentisch sind“5. Diese Anspielungen machen einen großen Teil der Beziehung zwischen Dornröschen und seinen beiden modernen Bearbeitungen aus. Reding spielt auf einen Prinzen und ein dazugehöriges Mädchen an, welches sein Leben „blöd verdöst“6, was einen Hinweis auf Dornröschen und ihren hundertjährigen Schlaf geben soll. Duves Text beinhaltet mehrere solcher Anspielungen. Diese entstehen schon allein aufgrund der Tatsache, dass sich der Aufbau Duves Erzählung insgesamt grundlegend an Grimms Märchen orientiert: Eine Königstochter wird von einer nicht eingeladenen Fee nach ihrer Geburt verflucht, sie fällt an ihrem fünfzehnten Geburtstag in einen tiefen Schlaf und erwacht schließlich nach hundert Jahren wieder. Einige Anspielungen ergeben sich bereits aus dem grundsätzlich ähnlichen Konstrukt beider Geschichten. Diese Anspielungen sind allerdings in beiden Texten - wie Genette es beschreibt - nicht in irgendeiner Form vom Verfasser markiert. So wird für den Leser nicht direkt deutlich, dass hier etwas aus einem anderen Text übernommen worden ist. Außerdem sind die Texte nicht komplett identisch in ihrem Wortlaut und stimmen so nicht direkt mit der Vorlage überein.
Die zweite der fünf von Genette definierten transtextuellenBeziehungen, die genauer betrachtet wird, ist die Paratextualität. Mit diesem Begriff werden „Beziehungen eines Textes zu Elementen [...], die irgendwie zu diesem Text gehören, irgendwie aber auch nicht“7 bezeichnet. Folgende Begriffe werden als Beispiele für den Paratext angeführt: „Titel, Untertitel, Zwischentitel, Vorworte, Nachworte, Hinweise an den Leser, Einleitungen usw“8. V or allem der Titel spielt sowohl b ei Duve als auch bei Reding eine wichtige Rolle: Bei Redings Gedicht werden schon direkt im Titel Mädchen, pfeif auf den Prinzen! das Mädchen und der Prinz erwähnt, die auch im Gedicht die beiden wichtigsten Charaktere sind. Mit der Verwendung der Bezeichnung Prinz wird hier direkt eine Assoziation zu Märchen im Allgemeinen hergestellt. Auch bei Duve hat der Titel Der geduldige Prinz eine ganz ähnliche Wirkung. Verstärkt wird die Paratextualität hier allerdings noch durch den weiteren Aspekt, dass Duve ihre Erzählung nicht isoliert veröffentlicht hat, sondern zusammen mit Interpretationen anderer Märchen der Brüder Grimm in einem gemeinsamen Werk. Das gesamte Werk trägt den Titel Grrrimm. Auch dies liefert dem Leser bereits einen Hinweis, bevor die eigentliche Erzählung beginnt.
2.2 Broich & Pfister
Auch die Theorie von Broich und Pfister spielen für die Intertextualität der hier angebrachten Beispiele eine wichtige Rolle. Grundlegend für die Theorie von Broich und Pfister sind zunächst einmal ihre zwei Kategorien: „Es gibt den Text (den der Autor ges chrieben hat und den der Leser liest) und den Prätext, der diesem Text sowohl zeitlich als auch räumlich vorausgeht“9.
Duves und Redings Werke sind nach dieser Definition als Texte einzuordnen, das ursprüngliche Märchen Dornröschen von den Brüdern Grimm als Prätext. Innerhalb ihres gesamten Modells zur Intertextualität wollen Broich und Pfister nun „Grade von Intensität des intertextuellen Bezugs unterscheiden und abstufen“10, es soll also unterschieden werden zwischen Texten die einen sehr hohen intertextuellen Bezug zu ihrem Prätext aufweisen und Texten, die eben nur vereinzelt auf einige wenige Dinge ihres dazugehörigen Prätextes verweisen. Zum einen sei die Intensität abhängig davon, wie häufig intertextuelle Bezüge in einem Text vorkommen und wie dicht in bestimmten Textabschnitten sie aufeinander folgen11, zum anderen „hängt die Intensität zusätzlich von sechs Kriterien ab, so dass zwischen (ganz) schwacher und (ganz) starker Intertextualität auch mittlere Stufen [...] messbar werden“12.
Eines der wichtigsten im Hinblick auf die behandelten Texte ist dabei das sechste Kriterium: die Dialogizität, die bezeichnet wird als „der spannungsgeladene Austausch zwischen Text und Prätext“13. Laut Broich und Pfister ist dieser Austausch zwischen den beiden Kategorien Text und Prätext „von umso höherer intertextueller Intensität [...], je stärker der ursprüngliche und der neue Zusammenhang in semantischer und ideologischer Spannung zueinander stehen [sic]“ 14 Ebendieses Spannungsverhältnis zum Prätext liegt in beiden Texten vor: Zu finden ist dieses Spannungsverhältnis zum einen in der semantischen Spannung durch modernere Sprache und Wortwahl, die bei Duve außerdem durch leicht parodistische Züge ergänzt wird (siehe Kapitel Schreibstil & Wortwahl). Ebenfalls erkennbar ist die ideologische Spannung zwischen den Texten, die durch den großen Unterschied zwischen einem traditionellen Märchen auf der einen und Texten mit modernen Ansichten auf der anderen Seite, entsteht. Diese drückt sich zum Beispiel in den ganz unterschiedlichen Frauenbildern aus: Bei Duve wird eine eigenwillige und selbstbestimmte junge Prinzessin beschrieben, Redings Gedicht ist ein Aufruf zu mehr Selbstbestimmung und Emanzipation des angesprochenen Mädchens und im Gegensatz dazu wird in Dornröschen ein junges Mädchen abgebildet, das nach hundertjährigem Schlaf nicht von selbst erwacht, sondern erst durch einen Prinzen wachgeküsst wird. Insgesamt wird also deutlich, dass auch anhand der Definition von Broich und Pfister beide Texte mit klaren intertextuellen Bezügen zu Dornröschen versehen sind.
3 Parodie als Sonderform der Intertextualität
Unter anderem von Beate Müller in ihrem Werk Komische Intertextualität. Die literarische Parodie wird die „Intertextualität [.] - neben Komik - als das wichtigste, charakteristischste Merkmal der Parodie“14 15 genannt. Eine Parodie kann demnach nur dann entstehen, wenn zum einen komische Elemente vorliegen und zum anderen ein anderer Text herangezogen wird, der als Vorlage für die Parodie selbst dient.
Ein aus der Intertextualität als wichtiges Merkmal logisch folgendes Kriterium ist die Tatsache, dass „die Leser der Parodie [.] beide Textwelten kennenlernen [müssen], um die komische Diskrepanz zwischen ihnen zu empfinden“16. Das heißt es reicht nicht aus, wenn der Leser nur den vorliegenden Text liest und kennt, er muss auch immer die dazu passende Vorlage kennen.
Es ist daher essenziell, dass der Leser auch den dazugehörigen Prätext entweder gelesen hat oder zumindest mit dessen Inhalt insoweit vertraut ist, dass er in der Lage ist die parodistischen Bezüge auf diesen zu erkennen. So ist es auch bei der Erzählung von Duve und dem Gedicht Redings der Fall Das Märchen Dornröschen muss bekannt sein, damit der Leser erkennen kann, dass es sich in beiden Fällen um eine Interpretation dieses Märchens handelt und er die komischen Elemente beider Texte einordnen kann.
Wenn der Leser den Prätext kennt, ist es auch für den Autoren möglich, seine intertextuellen Bezüge zu variieren: „Die Vorlage muß [sic] nicht explizit genannt werden, Namen aus dem Prätext können variiert werden, Anspielungen auf Sachverhalte brauchen nicht als deutliche Hinweise formuliert zu werden“17 Das passiert vor allem im Gedicht Redings: Erwähnt wird Dornröschen namentlich nicht. Stattdessen wird mit weniger expliziten Hinweisen auf den Märchenkontext verwiesen, indem beispielsweise das angesprochene Mädchen aufgefordert wird, sich „selbst vom Dauerschlaf“18 zu befreien, der auf den langen Schlaf Dornröschens abzielt. Als weiteres Beispiel ist der Aufruf im letzten Vers „pfeif auf den Prinzen im Märchenbuch“19 zu nennen. Genauso bei Duve: Der Name Dornröschen wird auch hier nicht verwendet. Stattdessen erhalten alle Figuren neue, modernereNamen, die Anspielungen auf die grundlegende Märchenstruktur der Brüder Grimm bleiben jedoch erhalten.
Abschließend führt Müller ein Merkmal an, das ebenfalls wieder deutlich in Duves Interpretation des Märchens wiederzufinden ist. Sie erklärt, dass sich in den meisten Fällen „das Geschehen sowie die Figuren des Parodierten als diejenigen Komplexe [erweisen], deren Elemente - oft nachdem sie parodistisch bearbeitet worden sind - Eingang finden in die Parodie, während das setting [sic] oft eine untergeordnete Rolle spielt“.20
Dies ist genau so auch in Duves Der geduldige Prinz wiederzufinden: Das Grundgeschehen der Märchenvorlage und auch die Hauptfiguren wie Dornröschen, ihre Eltern, die böse Fee und der Prinz, der sie wieder aufweckt, sind alle auch in Duves modernen Interpretation zu finden, allerdings (siehe Kapitel 5.1.2 bis 5.1.4) mit parodistischen Zügen.
Wie Müller erklärt, spielt das Setting der Vorlage dagegen eine weniger wichtige Rolle in parodistischen Interpretationen. So auch bei Duve: Das traditionelle Setting des Märchens wird bereits dadurch unterbrochen, dass eine große Episode der Handlung der Teil ist, indem die Prinzessin und ihr Hofstaat in ihrem hundertjährigen Schlaf liegen. Denn während dieses Schlafes wird mit der Geschichte um Prinz Alphons ein ganz neuer Teil zusätzlich zum ursprünglichen Märchen hinzugedichtet wird, wodurch auch das Setting in diesem Teil der Erzählung ein ganz anderes ist.
4 Ursprüngliche Fassung des Märchens Dornröschen der Brüder Grimm
Entscheidend ist, dass es nicht die eine ursprüngliche Fassung des Märchens Dornröschen gibt, die die Brüder Grimm einmalig niedergeschrieben haben und mit der man alle darauffolgenden Texte problemlos in Bezug setzen könnte. Stattdessen ist die Entstehung des Märchens ein längerer Prozess, in dem über mehrere Jahre hinweg ein Märchen immer weiterentwickelt, geändert und angepasst worden ist. In den meisten Fällen beziehen sich die im Verlauf der weiteren Arbeit angeführten Vergleichspunkte auf die Fassung des Märchens von 1918. Ein interessantes Beispiel für die teilweise größeren Unterschiede der verschiedenen Fassungen führt Rölleke an:
„Unter dem Titel Dornröschen wurde das hier in Rede stehende Märchen weltberühmt. Um so auffallender muß [sic] es anmuten, daß [sic] dieser schöne, bezeichnende und nachmals so berühmte Name im Text der 1810 von Jacob Grimm aufgezeichneten Urfassung der Geschichte gar nicht begegnet. “21
Erst in der Fassung des Märchens, die 1819 niedergeschrieben worden ist, taucht der Name Dornröschen auf und wird dadurch auch zum Titel des Märchens.
Inhaltlich ist ein anderer Punkt besonders auffällig, wenn man sich näher mit dem Märchen Dornröschen beschäftigt:
„Das Märchen macht nicht das geringste Aufheben um das wunderbare Zentralmotiv [die Zeitlosigkeit]; es erzählt gleichsam darüber hinweg. Märchenheld und andere Märchenfiguren sehen keinen Grund, sich beim Erwachen aus dem hundertj ährigen Zauberschlaf zu verwundern, sondern gehen sofort ihren nächstliegenden Beschäftigungen weiter nach, als sei nichts geschehen [...] Der Märchenerzähler und der Märchenhörer halten es genauso“.22
[...]
1 Berndt, Frauke; Tonger-Erk, Lily: Intertextualität. Eine Einführung. Berlin 2013, hier S. 114. Im Folgenden zitiert mit dem Kurztitel Intertextualität sowie derentsprechenden Seitenzahl, Nachweise erfolgen als Fußnoten.
2 Vgl.: Intertextualität, S. 114.
3 Intertextualität, S. 117.
4 Intertextualität, S. 114.
5 Intertextualität, S. 116.
6 Reding, Josef: Mädchen, pfeifauf den Prinzen. In: Karl-Ernst Jeismann (Hrsg.): Wort undSinn. Lesebuch für den Deutschunterricht, Bd. 9. Paderborn 1981, S. 175, hier V. 2. Im Folgenden zitiert mit dem Kurztitel Mädchen, pfeif auf den Prinzen! sowie dem entsprechenden Vers, Nachweise erfolgen als Fußnoten.
7 Intertextualität, S. 117.
8 Intertextualität, S. 117.
9 Intertextualität, S. 146.
10 Intertextualität, S. 149.
11 Vgl.: Intertextualität, S. 149.
12 Intertextualität, S. 149.
13 Intertextualität, S. 150.
14 Intertextualität, S. 150.
15 Müller, Beate: Komische Intertextualität. Die literarische Parodie. Trier 1994, hier S. 147. Im Folgenden zitiert mit dem Kurztitel Komische Intertextualität sowie der entsprechenden Seite, Nachweise erfolgen als Fußnoten.
16 Rose, Margaret: Parodie, Intertextualität, Interbildlichkeit. Bielefeld 2006, hier S. 20. Im Folgenden zitiert mit dem Kurztitel Parodie, Intertextualität, Interbildlichkeit sowie der entsprechenden Seite, Nachweise erfolgen als Fußnoten.
17 Komische Intertextualität, S. 221.
18 Mädchen, pfeif auf den Prinzen!, V. 7.
19 Mädchen, pfeif auf denPrinzen!, V. 16.
20 Komische Intertextualität, S. 221.
21 Rölleke, Heinz: Die Märchen der Brüder Grimm. Eine Einführung. Stuttgart 2012, hier S. 157. Im Folgenden zitiert mit dem Kurztitel Die Märchen der Brüder Grimm sowie der entsprechenden Seite, Nachweise erfolgen als Fußnoten.
22 Die Märchen der Brüder Grimm, S. 159.