In dieser empirischen Hausarbeit werden im Rahmen des quantitativen Forschungsansatzes die Ausprägungen von arbeitsbedingten psychischen Belastungen in der stationären Krankenpflege untersucht und auf der Studiengrundlage Maßnahmen skizziert, welche die psychische Gesundheit von Pflegekräften erhalten beziehungsweise diese fördern können.
Die Coronakrise in diesem Jahr brachte erneut zum Vorschein, wie knapp die Ressource Pflegepersonal tatsächlich ist. Die Brisanz wird durch die aktuellen politischen Entscheidungen deutlich, so wurden bedingt durch die Corona-Pandemie Personaluntergrenzen in der stationären Krankenpflege ausgesetzt und kürzlich in Niedersachen eine Arbeitszeiterhöhung für Pflegekräfte von 60 Stunden pro Woche gesetzlich legitimiert. Bereits heute ist von einem erheblichen Fachkräftemangel in der stationären Krankenversorgung auszugehen, Berechnungen zufolge fehlen 131.500 Pflegekräfte in stationären Einrichtungen. Der Fachkräftemangel wird sich voraussichtlich durch die zukünftigen Bevölkerungs- und Beschäftigungsstrukturen weiter verschärfen. Dies stellt vor dem Hintergrund einer stetigen Ökonomisierung im Gesundheitswesen eine große Herausforderung für die Branche dar.
Die einhergehende Arbeitsverdichtung in der stationären Krankenversorgung scheint sich auf die Gesundheit der Mitarbeiter auszuwirken. Pflegende weisen erhöhte Ausfallzeiten auf, ca. 17,9% der Fehltage resultieren aus psychischen Störungen. Arbeitsbedingte psychische Belastungen können langfristig die Entstehung von psychischen Erkrankungen begünstigen und weisen eine Kausalität zum vorzeitigen Ausstieg aus dem Pflegeberuf auf.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Spannungsfeld stationäre Krankenpflege
2.1. Zukünftige Herausforderungen für die stationäre Krankenpflege
2.2. Arbeitsbedingte psychische Belastungen in der Pflege
2.3. Auswirkungen von arbeitsbedingten psychischen Belastungen
3. Methodik
3.1. Forschungsdesign und Untersuchungsinstrument
3.2. Datengrundlage und Stichprobe
3.3. Datenerhebung
3.4. Datenauswertung
4. Ergebnisse
4.1. Bewertung der arbeitsbedingten psychischen Belastungsfaktoren
4.2. Abgeleitete Maßnahmen aus den Studienergebnissen
5. Diskussion
5.1. Diskussion der Studienergebnisse
5.2. Methodenkritik
6. Resümee und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anlagen
1. Einleitung
Die Coronakrise in diesem Jahr brachte erneut zum Vorschein, wie knapp die Ressource Pflegepersonal tatsächlich ist. Die Brisanz wird durch die aktuellen politischen Entscheidungen deutlich, so wurden bedingt durch die Corona-Pandemie Personaluntergrenzen in der stationären Krankenpflege ausgesetzt und kürzlich in Niedersachen eine Arbeitszeiterhöhung für Pflegekräfte von 60 Stunden pro Woche gesetzlich legitimiert. Bereits heute ist von einem erheblichen Fachkräftemangel in der stationären Krankenversorgung auszugehen, Berechnungen zufolge fehlen 131.500 Pflegekräfte in stationären Einrichtungen (PwC, 2010). Der Fachkräftemangel wird sich voraussichtlich durch die zukünftigen Bevölkerungs- und Beschäftigungsstrukturen weiter verschärfen. Dies stellt vor dem Hintergrund einer stetigen Ökonomisierung im Gesundheitswesen eine große Herausforderung für die Branche dar.
Die einhergehende Arbeitsverdichtung in der stationären Krankenversorgung scheint sich auf die Gesundheit der Mitarbeiter1 auszuwirken. Pflegende weisen erhöhte Ausfallzeiten auf, ca. 17,9% der Fehltage resultieren aus psychischen Störungen (TK, 2019). Arbeitsbedingte psychische Belastungen können langfristig die Entstehung von psychischen Erkrankungen begünstigen und weisen eine Kausalität zum vorzeitigen Ausstieg aus dem Pflegeberuf auf (vgl. Hasselhorn et al., 2005).
In dieser empirischen Hausarbeit werden im Rahmen des quantitativen Forschungsansatzes die Ausprägungen von arbeitsbedingten psychischen Belastungen in der stationären Krankenpflege untersucht und auf der Studiengrundlage Maßnahmen skizziert, welche die psychische Gesundheit von Pflegekräften erhalten bzw. diese fördern können.
2. Spannungsfeld stationäre Krankenpflege
Im Jahr 2004 wurde bedingt durch das „Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser“ das DRG-System verbindlich in Deutschland implementiert. Die neue Finanzierungsgrundlage wirkte sich sichtbar auf die Personalstrukturen in den deutschen Kliniken aus. Die Zahl der Ärzte stieg sukzessive an und aufgrund des erhöhten administrativen Aufwands stieg die Anzahl der Mitarbeiter in der Verwaltung ebenfalls. Bei der Summe an Pflegekräften hingegen ist ein Rückgang zu verzeichnen: „Grund dafür war der gestiegene Bedarf an Personal, das abrechenbare Leistungen generieren kann, und die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, anderweite Personalkosten, die nicht unmittelbar erlösrelevant sind, zu senken“ (Grootz, Brandstädter, Schaefer & Huthwelker, 2018, S. 2). Die Autoren erkennen einen Rückgang an Pflegekräften um rund 13% bei einer parallelen Fallzahlsteigerung um knapp 12% in den Kliniken seit 1995. Damit einhergehend ist eine Zunahme an administrativen Tätigkeiten und eine Reduzierung von Verweildauern, welche zu einer erhöhten Arbeitsbelastung für Pflegekräfte führen (Grootz et al., 2018).
Diese Tatsache spiegelt sich in der Studie „ Nurse-to-Patient-Ratios “ wieder, dort verschafften sich die Forscher einen internationalen Überblick zur Mindestbesetzung im Pflegedienst der Krankenhäuser. Die Studie ergab, dass in Deutschland eine Pflegekraft 13 Patienten zu betreuen hat und somit im Vergleich zu weiteren 11 europäischen Staaten und den USA Spitzenreiter ist (Simon & Mehmecke, 2017).
Durch die stetige Ökonomisierung des deutschen Gesundheitswesens resultiert eine steigende Arbeitsverdichtung in der Pflege, welche sich in Anbetracht der sich verändernden Bevölkerungs- und Beschäftigungsstrukturen sowie des prognostizierten Fachkräftemangels verschärfen wird.
2.1. Zukünftige Herausforderungen für die stationäre Krankenpflege
Der Mangel an Pflegekräften schreitet rasant voran. Berechnungen zufolge fehlen bereits heute 131.500 Pflegekräfte in stationären Einrichtungen, für das Jahr 2030 wird ein Defizit von 351.500 Krankenpflegern prognostiziert (PwC, 2010).
Das Bundesministerium für Gesundheit erkennt: „Bereits heute ist nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für den gesamten Pflegebereich von einem bundesweiten Fachkräftemangel auszugehen […]“ (ebd., 2019, S. 13) und entwickelte zur Gegensteuerung in Zusammenarbeit mit relevanten Akteuren der Branche die Konzentrierte Aktion Pflege. Hierfür wurde ein umfassender Maßnahmenkatalog erarbeitet, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege sowie die Attraktivität des Berufes per se zu verbessern. Die damit verbundene Ausbildungsoffensive Pflege setzt sich zum Ziel, bis zum Jahr 2023 die Ausbildungskapazitäten um 10% zu steigern und die Anzahl der Studienplätze für die hochschulische Pflegeausbildung zu erhöhen. Weitere Schwerpunkte der Initiative liegen unter anderem in der Rekrutierung von Pflegefachkräften aus dem Ausland, sowie innovativen Versorgungsansätzen und dem Ausbau der Digitalisierung, um den zukünftigen Bedarf decken zu können (Bundesgesundheitsministerium, 2019).
Für die kommenden Jahrzehnte wird ein deutlicher Mehrbedarf an pflegerischer Versorgung prognostiziert, welcher auf die zukünftig zu erwartenden Bevölkerungs- und Beschäftigungsstrukturen zurückzuführen ist. Das Statistische Bundesamt beschreibt auf Grundlage der vergangenen Bevölkerungsvorausberechnung eine zunehmende Alterung der Bevölkerung einhergehend mit einem Rückgang von Menschen im erwerbstätigen Alter in der Bundesrepublik. Die Anzahl der Menschen über 80 Jahren stieg zwischen 1990 und 2018 um 54% an, auch prospektiv ist hier von einem kontinuierlichen Wachstum auszugehen. Die erwerbstätige Bevölkerungsgruppe hingegen wird trotz Zuwanderung voraussichtlich bis 2035 um 4 bis 6 Millionen schrumpfen (Destatis, 2019).
Aus der sich verändernden Altersstruktur resultieren vermehrt altersbedingte Erkrankungen sowie ein Anstieg an Pflegebedürftigkeit in Deutschland. Grootz et al. (2018) stellen fest: „Aktuell sind etwa 3,3 Mio. Menschen pflegebedürftig. Diese Tendenz ist ebenso steigend wie die Nachfrage nach professioneller Pflege und Unterstützung. Der demografische Wandel betrifft die Pflege also in doppelter Weise: Mit der Alterung der Bevölkerung steigt die Nachfrage nach professioneller Pflege. Zugleich sinkt aber das Arbeitskräftepotenzial, aus dem der Bedarf an Pflegekräften gedeckt werden kann“ (ebd, S. 7).
Um den quantitativen Personalbedarf langfristig decken zu können, werden Lösungen benötigt, um es einer älter werdenden Belegschaft zu ermöglichen, die Tätigkeit bis zum Rentenalter auszuführen. Daneben führen hohe physische und psychische Belastungen zu einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Beruf, wodurch ein zusätzlicher Personalbedarf entsteht (Loffing & Loffing, 2010).
2.2. Arbeitsbedingte psychische Belastungen in der Pflege
Hohe physische und psychische Belastungen in der stationären Krankenpflege führen zu einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Beruf und können Einfluss auf den Gesundheitszustand der Beschäftigten nehmen. Die Techniker Krankenkasse berichtete in ihrem Gesundheitsreport über erhöhte Ausfallzeiten bei den Beschäftigten in der Pflegebranche, wobei rund 17,9% aller Fehltage aus psychischen Störungen resultieren (TK, 2019). Herr Dr. Baas gab in diesem Zusammenhang an: „[…] Ja, es geht Deutschlands Kranken- und Altenpflegern gesundheitlich überdurchschnittlich schlecht. Sie sind öfter und länger krank als Menschen in anderen Berufen. Kranken- und Altenpfleger fallen durchschnittlich jährlich für rund 23 Tage krankheitsbedingt aus, das sind acht Tage mehr, als in der Vergleichsgruppe aller Beschäftigten (15 Tage). Analog dazu erhalten sie durchschnittlich mehr Arzneimittel und davon auch größere Mengen. Besonders die Psyche ist beim Pflegepersonal vergleichsweise stark betroffen […]“ (TK, 2019).
Dieses Phänomen spiegelt sich auch in der beruflichen Praxis der Autorin wieder, auffallend viele Pflegekräfte frequentieren die Klinik für Psychiatrie, um professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die Ursachen für erhöhte psychische Belastungen im Pflegeberuf sind vielseitig. Schichtdienst, im Besonderen Nachtarbeit, als auch häufiges Einspringen und Mehrarbeit können als Grund identifiziert werden. Ferner spielen arbeitsbedingte psychische Traumatisierungen eine große Rolle. Auch geringe Aufstiegschancen und schlechte materielle Rahmenbedingungen in Bezug auf ausbleibende Honorierung sowie unterdurchschnittliche Bezahlung können psychische Belastungen begünstigen. Psychische Belastungen wirken sich auf die Entstehung von psychischen Erkrankungen aus, darunter zählen unter anderem Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörungen und Burnout. Für Letzteres definiert der Autor die mangelnde Abgrenzung von der Arbeit als Risikofaktor und erkennt eine deutlich erhöhte Prävalenz bei Pflegekräften. In Hinblick auf die Entstehung von Depressionen gelten fehlende Kompensationsmöglichkeiten, wie Supervision oder Unterstützung im Team, als Risikofaktor, da die Belastungen in den Freizeitbereich der Beschäftigten gelangen (Köllner, 2015).
Gewalt und Aggressionen gegen Pflegende stellen einen weiteren Belastungsfaktor dar, welcher zur Entstehung von Posttraumatischen Belastungsstörungen führen kann (Richter, Fuchs & Bergers, 2001). Gerade der psychiatrische Bereich ist hiervon besonders betroffen und gilt als Hochrisikobereich, da grundlegend davon ausgegangen werden kann, dass das Gewaltrisiko bei psychisch kranken Menschen um ein fünffaches erhöht ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Needham & Sauter, 2011).
In der Literatur kristallisieren sich fünf Dimensionen heraus, welche nachweisbar mit hohen psychischen Belastungen in der stationären Krankenpflege in Verbindung stehen:
- Quantitative Arbeitsbelastung
- Qualitative Arbeitsbelastung
- Arbeitsorganisation
- Soziales Arbeitsumfeld
- Außerberufliche Situation
Das Merkmal „Quantitative Arbeitsbelastung“ bildet ein erhöhtes Arbeitspensum sowie mangelnde Zeitkapazitäten ab. Die Dimension „Qualitative Arbeitsbelastung“ erfasst typische Arbeitsbelastungen der stationären Krankenpflege, wie etwa Aggressivität, mangelnde Motivation oder die Aussichtslosigkeit auf Besserung des Zustandes von Patienten. In „Arbeitsorganisation“ werden wichtige Ressourcen erfragt, die es den Pflegekräften ermöglichen, ihren Arbeitsalltag mitzugestalten, wie etwa die freie Einteilung von Pausen. Die Kategorie „Soziales Arbeitsumfeld“ bildet Beziehungen am Arbeitsplatz ab, welche Auskunft über die interdisziplinäre Kommunikation und Kooperation geben. Das Merkmal „Außerberufliche Situation“ dient als Anhaltspunkt für den Grad der Beanspruchung und erfasst die Arbeitszufriedenheit und berufliche Belastung (BGW, 2017).
Die fünf aufgeführten Merkmale können als Grundlage für eine Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen in der stationären Krankenpflege dienen. Diese ermöglicht ein rechtzeitiges Erkennen von Gefährdungen, bevor diese zu negativen gesundheitlichen Folgen führen (BGW, 2017).
2.3. Auswirkungen von arbeitsbedingten psychischen Belastungen
Negative gesundheitliche Folgen können eine temporäre Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben und zu einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit führen. So wurden Betroffene, welche im Jahr 2018 an einer psychischen Erkrankung litten, im Durchschnitt 33,7 Tage krankgeschrieben (Statista, 2020). Rund jede zweite neue Erwerbsminderungsrente ist auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen, dabei liegt das Durchschnittsalter der Betroffenen bei 49 Jahren (Ärzteblatt, 2014).
Der dadurch entstandene Personalausfall kann sich erheblich auf das Merkmal der „quantitativen Arbeitsbelastung“ auswirken. In der Praxis wird dieser Personalausfall von den noch verbleibenden Pflegekräften kompensiert, wodurch eine erhebliche Mehrarbeit für die Beschäftigten entsteht. Einspringen aus dem Frei kann mit einer Überschreitung der vereinbarten Arbeitszeit einhergehen, zu Lasten von Erholungsphasen in der Freizeit. Kann der krankheitsbedingte Personalausfall nicht gedeckt werden, entsteht aufgrund der Unterbesetzung eine enorme Arbeitsverdichtung beim verbleibenden Personal. Diese Gegebenheiten können zu arbeitsbedingten psychischen Belastungen bei den Beschäftigten führen und sich langfristig negativ auf deren Gesundheitszustand auswirken.
Psychische Belastungen gelten als einer der Gründe für den vorzeitigen Ausstieg aus dem Pflegeberuf. Zu diesem Ergebnis kamen die Forscher der großangelegten NEXT-Studie (nurses‘ early exit study), die in zehn europäischen Ländern durchgeführt wurde und an der sich 39.898 Pflegekräfte beteiligten. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis: „Burnout als Indikator für psychische Erschöpfung war bei Männern und Frauen deutlich mit der Absicht des Berufsausstiegs assoziiert“ (Hasselhorn et al., 2005, S. 143). Neben dem Indikator Gesundheit stehen auch Arbeitsbedingungen in Zusammenhang mit der Absicht den Pflegeberuf zu verlassen. In der Next-Studie gaben 18,4% der deutschen Teilnehmer an, intensiv über den Berufsausstieg nachzudenken (Hasselhorn et al., 2005).
Das Ökonomisierungsstreben im Gesundheitswesen und der bereits vorhandene Fachkräftemangel, welcher sich voraussichtlich durch die zukünftigen Bevölkerungs- und Beschäftigungsstrukturen weiter verschärfen wird, stellen die Gesundheitsbranche vor eine große Herausforderung. Pflegekräfte weisen überdurchschnittlich viele Fehlzeiten auf, welche vermehrt auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind. Als Ursache für die Entstehung von psychischen Erkrankungen gelten arbeitsbedingte psychische Belastungen, die auch eine Kausalität zu dem vorzeitigen Ausstieg aus dem Pflegeberuf aufweisen.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich für diese Hausarbeit folgende Fragestellung: Wie stark sind arbeitsbedingte psychische Belastungen in der stationären Krankenpflege ausgeprägt?
3. Methodik
Um die genannte Forschungsfrage adäquat beantworten zu können, ist es notwendig, den passenden Forschungsansatz auszuwählen.
In der empirischen Pflegeforschung haben sich zwei große Paradigmen etabliert, welche sich in wesentlichen Aspekten voneinander unterscheiden: der quantitative und der qualitative Forschungsansatz.
Das quantitative Forschungsparadigma orientiert sich am Positivismus und dem kritischen Rationalismus. Dieser Ansatz hat das Ziel Gesetzmäßigkeiten zu erforschen, um zu einer objektiven Wahrheit zu gelangen. Ontologisch betrachtet existiert im positivistischen Paradigma eine gegebene, mit den Sinnen wahrnehmbare Wirklichkeit, welche durch Messen und Zählen objektivierbar gemacht werden kann. Diese eine Realität ist für alle Menschen gleich. In Hinblick auf die Epistemologie, welche Auskunft über die Beziehung zwischen dem Forschenden und der Wirklichkeit gibt, gilt der Beobachtende in der quantitativen Forschung als unabhängig. Die Ergebnisse werden dabei nicht durch den Forschenden beeinflusst. Bezüglich der Methodologie orientiert sich der quantitative Forschungsansatz an einer deduktiven Vorgehensweise, um eine bestehende Theorie zu überprüfen. Das Ziel liegt dabei auf der Verallgemeinerung. Das positivistische Paradigma weist einen hohen Grad an Standardisierung bei der Datenerhebung und deren Auswertung auf (Mayer, 2019).
Der qualitative Forschungsansatz beruht auf einem interpretativen Paradigma, dabei steht das Verstehen von menschlichen Erfahrungen im Mittelpunkt, wie etwa in der Phänomenologie oder der Grounded Theory. Der interpretative Forschungsansatz vertritt die Grundannahme einer subjektiven Wirklichkeit, welche ein Konstrukt des Individuums ist und immer auch in dessen Lebenszusammenhang betrachtet werden muss (ganzheitlicher Ansatz). Der Forschende ist dabei nicht unabhängig, da dieser mit dem untersuchten Gegenstand interagiert. Das interpretative Paradigma folgt einer induktiven Vorgehensweise, um aus Beobachtungen eine Theorie zu generieren. Die Datenerhebung sowie die Auswertungsmethoden werden flexibel und offen gewählt, um ein bestimmtes Phänomen zu untersuchen (Mayer, 2019).
In Hinblick auf die Fragestellung „Wie stark sind arbeitsbedingte psychische Belastungen in der stationären Krankenpflege ausgeprägt?“ wird der quantitative Forschungsansatz gewählt.
Die Erforschung von Ausprägungen ist dem positivistischen Paradigma zuzuordnen, da durch Messen oder Zählen die Realität objektivierbar gemacht werden kann. Charakteristisch ist dabei das Prinzip der Kausalität, welche in Form von Hypothesen formuliert werden. Im Rahmen der deduktiven Vorgehensweise werden diese theoretischen Annahmen überprüft, um aus den Ergebnissen Gesetzmäßigkeiten abzuleiten (Mayer, 2019). Die Verifikation von wissenschaftlichen Hypothesen nimmt einen hohen Stellenwert ein, denn: „Je häufiger eine Aussage bestätigt (verifiziert) wird, desto höher ist ihr Vorhersagewert für künftige Ereignisse“ (Mayer, 2019, S. 25).
Hypothesen spezifizieren wissenschaftliche Annahmen über Problemstellungen, indem Beziehungen zwischen den zu erforschenden Merkmalen bzw. Variablen festgelegt werden. In diesem Zusammenhang werden zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen unterschieden. Dabei wird angenommen, dass die unabhängige Variable die abhängige Variable in deren Ausprägungen manipuliert. Die abhängige Variable, auch Reaktionsvariable genannt, gibt Auskunft über die Reaktion aufgrund von Veränderungen der unabhängigen Variablen. Die Forschungshypothese geht von einer Beziehung zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variablen aus und gibt Auskunft über das zu erwartende Ergebnis (Mayer, 2019).
Vor dem Hintergrund der Forschungsfrage ergibt sich für diese Hausarbeit folgende Forschungshypothese:
Die gegebenen quantitativen und qualitativen Arbeitsbedingungen sowie die Arbeitsorganisation, das soziale Arbeitsumfeld und die außerberufliche Situation (unabhängige Variablen) führen zu starken arbeitsbedingten psychischen Belastungen (abhängige Variable) bei Pflegekräften der stationären Krankenpflege.
3.1. Forschungsdesign und Untersuchungsinstrument
Um die Forschungshypothese korrekt zu verifizieren bzw. zu falsifizieren ist die Auswahl eines passenden Forschungsdesigns essenziell.
Das Forschungsdesign beschreibt die Vorgehensweise bei der Forschungsarbeit und hängt unter anderem vom Studienzweck, dem Ziel der Studie, der Häufigkeit der Datenerhebung sowie einer etwaigen Manipulation ab (Mayer, 2019).
Vor dem Hintergrund der Fragestellung wird ein deskriptives Forschungsdesign gewählt. Das Ziel dieser beschreibenden Studie ist es, den Ist-Zustand einer bestimmten Situation abzubilden und diesen zu analysieren. Mayer (2019) definiert deskriptive Designs wie folgt: „Sie werden eingesetzt, um bestimmte Populationen zu beschreiben, Zusammenhänge zwischen bestimmten Eigenschaften herzustellen und Trends zu beschreiben. Dieses Design wird gewählt, wenn es darum geht, genaue Informationen über die Merkmale bestimmter Gruppen, Institutionen und Situationen oder über die Häufigkeit eines bestimmten Phänomens zu sammeln“ (ebd., 2019, S. 123).
Im Rahmen des positivistischen Forschungsparadigmas werden durch das deskriptive Forschungsdesign quantitative Daten erhoben, welche die Ausprägungen von arbeitsbedingten psychischen Belastungsfaktoren in der stationären Krankenpflege abbilden. Vor diesem Hintergrund wird zur Datenerhebung die Methode der schriftlichen Befragung verwendet, welche charakteristisch für den quantitativen Forschungsansatz stark standardisiert, strukturiert und prädeterminiert erfolgt (Mayer, 2019).
Als Untersuchungsinstrument wird ein vollstandardisierter Fragebogen der BGW2 zur psychischen Belastung in der stationären Krankenpflege genutzt. Das Assessment ist dem Anhang dieser Hausarbeit zu entnehmen.
Die BGW entwickelte insgesamt zehn spezifische Fragebögen für fünf Branchen des Gesundheitswesens, um psychische Belastungen und psychische Beanspruchungen zu erfassen. Die Fragebögen wurden auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Expertenbefragungen konzipiert und nach einer Pilotbefragung und der Durchführung von statistischen Tests einem Praxistest unterzogen. An der großangelegten Befragung beteiligten sich insgesamt 80 Einrichtungen mit insgesamt 2996 Beschäftigten der stationären Krankenpflege, der ambulanten Pflege, der stationären Altenpflege, der stationären Behindertenhilfe sowie Werkstätten der Behindertenhilfe (BGW, 2017). Das Erhebungsinstrument wird als „effizient, theoriebasiert und wissenschaftlich geprüft“ (BGW, 2017, S. 7) bewertet.
Das Assessment erfasst im Rahmen der präventiven Arbeitsgestaltung die Ausprägungen von psychischen Belastungen und Beanspruchungen der Mitarbeiter in den jeweiligen Einrichtungen und ermöglicht es, rechtzeitige Erkenntnisse über potenzielle Gefährdungen zu gewinnen, noch bevor diese zu negativen gesundheitlichen Folgen führen. Auf Grundlage der Ergebnisse können dann passende Interventionen abgeleitet werden, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten bzw. diese zu fördern (BGW, 2017).
Für die fünf Branchen im Gesundheitswesen wurden jeweils zwei Fragebögen konzipiert. Das erste Erhebungsinstrument erfasst die spezifischen psychischen Belastungen in den jeweiligen Arbeitsbereichen, der zweite Fragebogen bildet psychische Beanspruchungen ab. Der Beanspruchungsfragebogen erfasst persönliche Einschätzungen der Mitarbeiter zu ihrem körperlichen und psychischen Gesundheitszustand. Die BGW empfiehlt, diesen Fragebogen aufgrund der Thematik von einem Betriebsarzt durchführen zu lassen (BGW, 2017).
Als Untersuchungsinstrument für die Forschung wird aus diesem Grund ausschließlich der Fragebogen „Psychische Belastung in der stationären Krankenpflege“ verwendet. Das Assessment bildet die in Kapitel 2.2. beschriebenen Dimensionen ab, welche das Ausmaß von psychischen Belastungen erfasst und kategorisiert.
Die fünf Dimensionen werden durch 22 Aussagen und Fragen präzisiert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die dargestellten Aussagen und Fragen werden anhand einer Likert-Skala mit den Merkmalsausprägungen „nein, gar nicht – eher nein – teils, teils – eher ja – ja, genau“ von den Studienteilnehmern beantwortet.
[...]
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text ausschließlich die männliche Form gewählt, es sind stets Personen aller Geschlechter gemeint.
2 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege