Bericht über das lebenspraktische Training „Vorbereitung und Durchführung eines Festes“ : Kaffeerunde
Durchgeführt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie H., Station..., mit Pat. 1 Einweisungsdiagnose: Wahnhafte Depression
1.Einführung:
Patientin kommt zum ersten stationären Aufenthalt in einer Psychiatrie. Erstmanifestation der Depression 1988 nach dem Tod des Ehemannes. Patientin war seither in ambulanter Behandlung. Die Patientin war bei Aufnahme allseits orientiert, das formale Denken negativ eingeengt. Es besteht ein Verarmungswahn, Versündigungswahn, Hoffnungslosigkeit und Suizidgedanken. Patientin ist jedoch bündnisfähig.
Patientin ist sehr gesprächig, jedoch sehr eingeengt auf ihre Problematik zu Hause, dass sie ihr ganzes Leben nichts „geschafft“ habe. Pat. selber fühlt sich kerngesund, man könne ihr nicht helfen, sie habe das so verdient.
Da die Patientin sich nutzlos hält, in ihrem Denken sehr eingeengt ist, war es für mich interessant, die Patientin in eine Gruppenaktivität einzubinden. Mit der schriftlichen Reflexion des LPT möchte ich die Wirksamkeit meines Trainings überprüfen, Ressource der Patientin stärken und Defizite ausgleichen.
2.Pflegeerhebung anhand der psychiatrischen ATL´s
Atmung:
R1: Pat. mobil, geht gerne an die frische Luft
Regulation der Körpertemperatur:
R1: Pat. meldet sich bei Temperaturen
Ernährung:
R1: Pat. kann alles essen
P1: Pat. hat Angst, sich ihr Essen nicht mehr leisten zu können
Ausscheidung:
R1: Ausscheidung geregelt
Ruhen und Schlafen:
R1: Pat. kann bei Nacht schlafen
P1 Pat. empfindet Schlaf als nicht erholsam
Sicherheit:
R1: Pat. hat sich freiwillig in stationäre Behandlung begeben
P1: Pat. fühlt sich auf Station“ gefangen“
Körperpflege:
R1: Pat. kleidet sich angemessen
R2: Pat. achtet auf Körperhygiene
P1: Pat. hat Angst, dass ihre Kleidung nicht ausreicht
Mobilität:
R1: Pat. mobil
R2: Pat. hat Führerschein
R3: Pat. geht gerne spazieren
P1: Pat. darf alleine die Station nicht verlassen
Informieren und Orientierung:
R1: Pat. findet sich auf Station zurecht
Kommunikation:
R1: sozial-kommunikativ keine Einschränkung
Stimmungen wahrnehmen und leben:
R1: Pat. kann von ihren Gefühlen und Stimmungen sprechen
P1: Pat. ist in ihrem Denken negativ eingeengt
Verantwortungsfähigkeit:
R1: Pat. daran interessiert, dass ihr geholfen wird
P1: Pat. fühlt sich schnell überfordert
R2: Pat. kann Überforderung mitteilen
Sinn finden:
R1: Pat. hat gerne Kontakt zu anderen Menschen
R2: Pat. gestaltet aktiv ihren Lebensabend
P1: Pat. sieht momentan keinen Sinn mehr darin, hat Angst vor Bestrafung
Sinnvolle Zeitgestaltung:
R1: Pat. geht regelmäßig baden
R2: Mitglied in mehreren Vereinen, z.B.: Landfrauen
R3: Passt regelmäßig auf ihre Enkelkinder auf
P1: Pat. sieht ihre momentane Situation als Bestrafung für ihr aktives Leben
Arbeit:
R1: Pat. hat (nicht mehr bewirtschafteten) Bauernhof
R2: Pat. ist Rentnerin
Persönlichen Besitz verwalten und finanzielle Sicherheit:
R1: Pat. lebt in geordneten finanziellen Verhältnissen
P1: Pat. fühlt sich hoch verschuldet
Wohnen:
R1: eigener Bauernhof, Pat. lebt alleine dort
Sich als Mann/Frau/Kind/Jugendlicher fühlen und verhalten:
Rechte wahrnehmen und Pflichten erfüllen:
R1: Pat. interessiert an Stationsdiensten
P1: Pat. neigt zur Überforderung
Sterben:
P1: Pat. hat Suizidgedanken R1: Pat. bündnisfähig
3. Pflegediagnose
Patientin war bis vor ihrer Erkrankung eine sehr aktive Frau, die sich auch sehr für ihre Mitmenschen eingesetzt hat. Nun bezieht die Patientin alles auf sich, hat Angst Fehler zu machen, fühlt sich überflüssig und nutzlos. Deswegen zieht sich Pat. sehr ins Zimmer zurück, nimmt aber bei Ansprache gut Kontakt auf. Im Gespräch sehr klagend und selbstabwertend.
Vorbereitung und Planung einer soziotherapeutischen Einzel-oder Gruppenaktivität:
1. Ziel
1.1. Begründung für die Maßnahme lt. Stationsziel/Handbuch
1.2. Was soll den PatientInnen vermittelt werden
Die Patientin soll durch eine Gruppenaktivität Anschluss an Mitpatienten finden.
Durch die Beschäftigung soll sie von ihren negativen Gedanken abgelenkt werden, sie soll ihre Stimmungen besser wahrnehmen können.
1.3 . Die PatientInnen sollen:
1.3.1. kognitiv
bei den Vorbereitungen und Durchführen gemeinsam mit den anderen Patienten benennen können, was man für die Kaffeerunde am Freitag benötigt
1.3.2. affektiv
trotz ihrer niedergeschlagenen Stimmung bei den Vorbereitungen helfen können, durch Lob wieder mehr Selbstvertrauen in ihre Ressourcen bekommen
1.3.3. sozial-kommunikativ
auftretende Probleme äußern können; Überlastung äußern können
1.3.4. psychomotorisch
die Pat. soll sich nicht überfordern, sie soll nicht alles alleine machen
2.Zielgruppe
2.1. Wer soll angesprochen werden
Außer Pat. M. haben sich noch zwei weitere Patienten gemeldet, die bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung helfen möchten.
2.2. Teilnahmekriterien
Teilnehmen können alle Patienten
2.3. Teilnahmeausschluss
2.4. Gruppengröße
3 Patienten, 1 Pflegekraft
3. Planung
3.1. Zeitpunkt
Freitag, , zwischen 14.30Uhr und 16.00 Uhr
3.2. Dauer
Die Dauer beträgt ca. 1,5 Stunden
3.3. Ort
Küche/Speisesaal der Station
3.4. Personalbedarf
1 Pflegekraft
3.5. Material
Geschirr wird von Station bereitgestellt
Kaffee und Milch wird von der Krankenhausküche bezogen Kuchen wird am Tag zuvor von der Backgruppe gebacken
3.6. Finanzierung
Die Kosten für die Kaffeerund werden Abteilungsintern übernommen
3.7. Vorgehen/Methode
Es handelt sich um eine aktivierend-fördernde Gruppenaktivität. Sie findet regelmäßig jeden Freitag um 15.15 Uhr statt. Die Gruppe ist verantwortlich für die Vorbereitung des Speisaals, das Kaffeekochen, das Bereitstellen der Kuchen und das anschließende Aufräumen.
4.Programmablauf / Maßnahmen
fiktiver Ablauf
- Absprache im Team über teilnehmende Personen
- Vorbesprechen mit den Patienten: wer macht was?
- Wer räumt anschl. Küche auf, wer den Speisesaal?
- Durchführung: ca. 1,5 Stunden, inklusive aufräumen
5. Mögliche Probleme & Alternativen
5.1. mögliche Probleme
a) Pat. kann an diesem Tag nicht motiviert werden
b) Pat. will alles alleine machen, überfordert sich
c) Ist mit dem Ablauf nicht zufrieden
5.2. Alternativen
a) Pat. Hilfe anbieten, erklären, dass sie nicht alleine ist Pat. in der Vorbesprechung sagen, dass sie nicht alleine verantwortlich ist
b) Aufgaben in der Vorbesprechung klar verteilen
c) Positiv reflektieren
6. Auswertung
6.1. in der Gruppe
- Blitzlicht
- Feed-back
Durch die Vorbesprechung waren die Aufgaben in der Gruppe klar gegliedert. Die Patientin war jedoch mit sich nicht zufrieden, sie würde den Speisesaal schöner schmücken. Sie konnte den Vorschlag annehmen, im Garten Blumen zu pflücken. Dabei erzählte sie viel von ihrem zu Hause und ihrem Garten. Danach war die Patientin etwas entspannter und zufriedener. Die Patienten wurden für das schöne herrichten und die Vorbereitungen gelobt.
6.2. Reflexion mit Kolleginnen (Co-)
Im Team wurde es als wichtig angesehen, dass die Patientin vermehrt in Stationsaktivitäten mit eingebunden wird. Allerdings sollte sie nicht überfordert werden. Ihre negative Denkweise kann durch Lob und Anerkennung durchaus verändert werden.
Um die Patientin nicht zu überfordern, gleichzeitig eine Bindung an die Station und die Mitarbeiter zu schaffen, soll Pat. nächste Woche noch einmal die Kaffeerunde übernehmen, und evtl. einen kleinen Dienst am Montag in der Vollversammlung.
6.3. Bericht im Team
Die Patientin übernahm am Montag in der Vollversammlung zusammen mit zwei anderen Patienten die Aufgabe, die Kaffeerund mit vorzubereiten. Nach der Vollversammlung erklärte ich der Patientin, was sie am Freitag machen soll. Die Patientin war sehr skeptisch, wollte diesen Dienst auch gleich wieder abgeben. Auch während der Woche sprach sie mich mehrmals auf Freitag an, ließ sich jedoch im Gespräch immer wieder beruhigen und motivieren.
Am Freitag trafen wir uns zur Vorbesprechung um 13.30 Uhr. Dabei wurden die Aufgaben für den Nachmittag verteilt. Hier war Patientin erneut sehr skeptisch und wertete sich ab. Die Pat. erklärte sich von sich aus bereit, die Tische im Speisesaal zu decken. Sie machte das kompetent, hatte genaue Vorstellungen wie der Raum aussehen sollte, war aber am Schluss nicht zufrieden, da der Raum nicht schön geschmückt war. Sie nahm das Angebot an, mit in den Garten zu gehen, und Blumen zu pflücken. Diese pause konnte die Patientin gut nutzen, sie erzählte viel von sich zu Hause. Während dem Kaffeetrinken konnte sich die Pat. zunehmend entspannen, es freute sie auch, dass sie Besuch von ihrer Tochter erhielt. Mein Lob in Anwesenheit der Tochter wehrte sie ab, sie habe nur das getan, was man ihr gesagt habe.
Beim Aufräumen war die Pat. sehr aktiv und gewissenhaft.
6.4. Dokumentation (analog1.3.)
kognitiv: Pat. konnte die Vorbereitung im Speisesaal gut durchführen, hatte keine Probleme
affektiv: Pat. nahm trotz ihrer skeptischen und selbst-abwertenden Haltung an den Vorbereitungen teil, war nicht zufrieden mit sich, konnte Lob nur schwer annehmen sozial-kommunikativ: Pat. konnte sich gut mitteilen
psychomotorisch: die Pat. neigt zur Überforderung mit anschließender Selbstabwertung, benötigt in dieser Hinsicht noch viel Unterstützung
7. Evaluation
Sicher war es schon ein Erfolg, die Patientin zur Teilnahme an den Vorbereitungen zu gewinnen. Es hat sich gezeigt, dass Pat. sehr viele Ressourcen hat. Diese Ressourcen gilt es weiterhin zu fördern, die Pat. durch Lob zu motivieren. Es hat sich aber auch deutlich gezeigt, dass die Pat. zur Überforderung neigt. Hier sollte darauf geachtet werden, dass die Pat. nicht zu viele Dienste übernimmt. Sinnvoll wäre am Anfang noch Dienste in Begleitung mit dem Personal.
8.Zusammenfassung/Resümee
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Ziel des lebenspraktischen Trainings "Vorbereitung und Durchführung eines Festes: Kaffeerunde"?
Das Ziel ist, die Patientin durch eine Gruppenaktivität an Mitpatienten anzuschließen, sie von ihren negativen Gedanken abzulenken und ihre Stimmungen besser wahrnehmen zu lassen. Es soll auch die Wirksamkeit des Trainings überprüft, Ressourcen der Patientin gestärkt und Defizite ausgeglichen werden.
Wer nimmt an der Kaffeerunde teil?
Neben der Patientin M. haben sich noch zwei weitere Patienten gemeldet, die bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung helfen möchten. Es ist auch eine Pflegekraft anwesend.
Wann und wo findet die Kaffeerunde statt?
Die Kaffeerunde findet jeden Freitag zwischen 14:30 Uhr und 16:00 Uhr in der Küche/Speisesaal der Station statt. Die Dauer beträgt ca. 1,5 Stunden.
Welche ATL-Bereiche (Aktivitäten des täglichen Lebens) werden in Bezug auf die Patientin erfasst?
Atmung, Regulation der Körpertemperatur, Ernährung, Ausscheidung, Ruhen und Schlafen, Sicherheit, Körperpflege, Mobilität, Informieren und Orientierung, Kommunikation, Stimmungen wahrnehmen und leben, Verantwortungsfähigkeit, Sinn finden, Sinnvolle Zeitgestaltung, Arbeit, Persönlichen Besitz verwalten und finanzielle Sicherheit, Wohnen, Sich als Mann/Frau/Kind/Jugendlicher fühlen und verhalten, Rechte wahrnehmen und Pflichten erfüllen, Sterben.
Welche Probleme können bei der Durchführung der Kaffeerunde auftreten?
Mögliche Probleme sind, dass die Patientin an diesem Tag nicht motiviert werden kann, alles alleine machen will und sich überfordert, oder mit dem Ablauf nicht zufrieden ist.
Wie werden die Probleme bei der Durchführung der Kaffeerunde gelöst?
Der Patientin wird Hilfe angeboten und erklärt, dass sie nicht alleine ist. Aufgaben werden in der Vorbesprechung klar verteilt. Es wird positiv reflektiert.
Wie wird die Kaffeerunde ausgewertet?
Die Auswertung erfolgt in der Gruppe durch Blitzlicht und Feed-back. Zudem findet eine Reflexion mit Kolleginnen statt, und es erfolgt ein Bericht im Team.
Welche Rolle spielt die Patientin bei der Vorbereitung der Kaffeerunde?
Die Patientin soll bei den Vorbereitungen helfen und ihre Stimmungen besser wahrnehmen können. Sie soll durch Lob wieder mehr Selbstvertrauen in ihre Ressourcen bekommen. Sie kann Aufgaben wie Tische decken oder Blumen pflücken übernehmen.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Evaluation des lebenspraktischen Trainings?
Die Patientin hat viele Ressourcen, die gefördert werden müssen. Sie neigt aber auch zur Überforderung. Daher sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht zu viele Dienste übernimmt. Sinnvoll wäre am Anfang noch Dienste in Begleitung mit dem Personal.
Wie wird die Patientin nach der Kaffeerunde weiter gefördert?
Um die Patientin nicht zu überfordern und gleichzeitig eine Bindung an die Station und die Mitarbeiter zu schaffen, soll sie evtl. einen kleinen Dienst am Montag in der Vollversammlung übernehmen.
- Quote paper
- Michael Waibel (Author), 2000, Aktivitäten des täglichen Lebens - Vorbereitung eines Festes, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/98726