Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit lautet: Wie veränderte das dreidimensionale Klimamodell von James Hansen im Jahr 1988 die öffentliche Debatte in der Gesellschaft um den Klimawandel? Um die Frage beurteilen zu können, soll zunächst auf die Klimamodellierung durch Zirkulationsmodelle eingegangen und die neuen Erkenntnisse der darauf basierenden drei Emissionsszenarien herausgegriffen werden. Da James Hansen bei einer Anhörung im Senat 1988 mit Ergebnissen der Emissionsszenarien argumentierte und damit die öffentliche Debatte stark beeinflusste, wird dies als nächstes thematisiert. Dabei wird die zunehmende Relevanz des Klimawandels in den Medien und in der Bevölkerung aufgezeigt.
Prinzipiell ist das Thema gut erschlossen und bietet eine große Fülle an Quellen und Sekundärliteratur, besonders Anhand von Quellen der Medien. Da der Zeitpunkt unmittelbar nach der Veröffentlichung des Klimamodells und der Anhörung im Senat einen signifikanten Einschlag in der Öffentlichkeit zeigt, wird zur Untersuchung die Methode des synchronen Ansatzes verwenden und sich auf diesen Zeitpunkt beschränkt. Zur Bearbeitung der zentralen Fragestellung wird folgende These aufgestellt: Durch das Klimamodell der drei Emissionsszenarien 1988 und der darauffolgenden Anhörung im Senat von James Hansen kam es zu einem Durchbruch der Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels in der US-amerikanischen Gesellschaft. Besonders Hansens dominante Stellung in der Öffentlichkeit führte zu einer steigenden Thematisierung des Klimawandels in den Medien und zu einem Anstieg der Wahrnehmung des wissenschaftlichen Konsenses in der Gesellschaft.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Klimamodellierung durch Zirkulationsmodelle
2.1 Die allgemeinen Zirkulationsmodelle I und II des Goddard Institute for Space Studies
2.2 Die Modellberechnung der drei Emissionsszenarien
4. Aufmerksamkeit in den Medien
5. Wahrnehmung in der Gesellschaft
6. Fazit
7. Quellenverzeichnis
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In den 1980er Jahren begann die steigende Thematisierung von wissenschaftlichen Befunden über den menschengemachten Klimawandel in der Öffentlichkeit. Eine wichtige Rolle spielten dabei Erkenntnisse der Klimawissenschaft, welche die Stimmung in der Bevölkerung beeinflussten.1 In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Klimawandel nur gelegentlich außerhalb wissenschaftlicher Kreise erwähnt. Ende der 1980er Jahre wurden jedoch die Öffentlichkeit und die Politik in die globalen Klimadiskussionen eingebracht. Die Kontroverse aus wissenschaftlicher Sicht war mehr als einhundert Jahre alt, die öffentliche Debatte über die Erderwärmung jedoch relativ neu. Da die Wissenschaft des Klimawandels enorm komplex ist und trotz jahrelanger Forschung viele Unsicherheiten bestehen, ist diese Debatte eine der anspruchsvollsten und heftigsten wissenschaftspolitischen Kontroversen der jüngeren Geschichte.
Um die Debatte historisch in den richtigen Kontext zu bringen, ist es wichtig festzuhalten, dass die Entstehung von Klimamodellen bis in die 60er Jahre zurück reicht. Die Modelle entwickelten sich von dem Eindimensionalen Klimamodell über vielerlei verschiedene Ansätze. 1969 entwickelte Bryan nach vielen theoretischen Studien das erste Zirkulationsmodell des Ozeans. Zur selben Zeit fanden Atmosphärenzirkulationsmodelle ihre erste Anwendung. Die beiden Modelle wurden zu Atmosphären-Ozeanmodellen gekoppelt. Damit entstand der Grundstein für weitere Modelle, welche großskalige dreidimensionale Strukturen und das Verhalten der Atmosphäre auf der Basis von dynamischen Gleichungen beschreiben. Im Laufe dieser Forschungen kam es zu Entwicklungen von neuen dreidimensionalen Klimamodellen.
Die Besorgnis um den Klimaschutz in der Öffentlichkeit wiederrum begann in den 70er Jahren, jedoch war das Thema aufgrund der geringen Anzahl von Forschungen und Publikationen noch nicht sehr präsent in der Öffentlichkeit. Einen Einschlag und einen Wendepunkt in der Geschichte des globalen Klimawandels im öffentlichen Kontext, gab es 1988 aufgrund mehrerer Ereignisse.2 In dieser Arbeit möchte ich den Fokus auf die Auswirkungen von zwei Ereignissen legen, welche zu einem Anstieg der Repräsentation in den Medien und zur steigenden Wahrnehmung in der Gesellschaft führte. Folgende Ereignisse führten zur steigenden Rolle der Erderwärmung im öffentlichen Diskurs. Das Goddard-Instituts für Weltraum Studien (GISS) der NASA veröffentlichte 1988 ein Klimamodell mit drei Emissionsszenarien. Anschließend verkündete der Direktor des GISS James Hansen im Ausschuss für Energie und natürliche Ressourcen des U.S. Senats, dass er sich zu 99% sicher sei, dass die globale Erwärmung existiere. Hansens Aussage machte weltweit Schlagzeilen und löste einen Medienhype aus, der eine bis heute andauernde politische Debatte über die globale Erwärmung auslöste.3
Aufgrund diesem Wendepunkt in der Geschichte, welcher die Wahrnehmung des globalen Klimawandels in der Öffentlichkeit prägte, komme ich zu meiner zentralen Fragestellung: Wie veränderte das dreidimensionales Klimamodell von James Hansen im Jahr 1988 die öffentliche Debatte in der Gesellschaft um den Klimawandel? Um die Frage beurteilen zu können, möchte ich zunächst auf die Klimamodellierung durch Zirkulationsmodelle eingehen und die neuen Erkenntnisse der darauf basierenden drei Emissionsszenarien herausgreifen. Da James Hansen bei einer Anhörung im Senat 1988 mit Ergebnissen der Emissionsszenarien argumentierte und damit die öffentliche Debatte stark beeinflusste, werde ich darauf als nächstes eingehen. Dabei zeige ich die zunehmende Relevanz des Klimawandels in den Medien und in der Bevölkerung. Prinzipiell ist das Thema gut erschlossen und bietet eine große Fülle an Quellen und Sekundärliteratur, besonders Anhand von Quellen der Medien. Da der Zeitpunkt unmittelbar nach der Veröffentlichung des Klimamodells und der Anhörung im Senat einen signifikanten Einschlag in der Öffentlichkeit zeigt, werde ich zur Untersuchung die Methode des synchronen Ansatzes verwenden und mich auf diesen Zeitpunkt beschränken. Zur Bearbeitung meiner zentralen Fragestellung stelle ich folgende These auf: Durch das Klimamodell der drei Emissionsszenarien 1988 und der darauffolgenden Anhörung im Senat von James Hansen kam es zu einem Durchbruch der Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels in der US-amerikanischen Gesellschaft. Besonders Hansen’s dominante Stellung in der Öffentlichkeit führte zu einer steigenden Thematisierung des Klimawandels in den Medien und zu einem Anstieg der Wahrnehmung des wissenschaftlichen Konsenses in der Gesellschaft.
2. Klimamodellierung durch Zirkulationsmodelle
Die Grundlage von globalen Zirkulationsmodellen basiert auf den ersten Modellierungen von klimatologischen Veränderungen, welche bis in die 60er Jahre zurück gehen. Dies begann mit dem Aufkommen der digitalen Computer und dem ersten Versuch eines amerikanischen Teams das Wetter zu modellieren. Darauf folgten Versuche, die gesamte allgemeine Zirkulation der Atmosphäre darzustellen. Im Laufe der 1960er Jahren verbreitete sich die Modellierung des Klimas, bis in den 1970er Jahren die ersten realistischen Modelle eines regionalen Klimamusters des Planeten erstellt wurden. Das Interesse an der Arbeit nahm zu, als die Modellierer*innen versuchten, den Anteil der Treibhausgase zu erhöhen. Durch diese Resultate stellten sie eine ernsthafte globale Erwärmung fest.4
Generell ermöglichen Klimamodelle die Simulation von Auswirkungen von Treibhausgasen in der Zukunft, basierend auf dem derzeitigen Verständnis der Physik und Chemie der Atmosphäre. Dabei verwenden allgemeine Zirkulationsmodelle (GCMs) ein System mathematischer Gleichungen, um die Bewegung von Masse und Energie von in der Atmosphäre zu simulieren. Zirkulationsmodelle werden in einem globalen Maßstab über Jahrhunderte erstellt.5
In diesem Kapitel möchte ich zunächst die allgemeinen Zirkulationsmodelle I und II des Goddard Institute for Space Studies genauer erläutern, da diese die Grundlage für die Berechnungen der drei Emissionsszenarien bilden. Im nächsten Schritt werde ich dann die Erkenntnisse der Szenarien darlegen.
2.1 Die allgemeinen Zirkulationsmodelle I und II des Goddard Institute for Space Studies
Die Klimamodellierung des Goddard Institute for Space Studies (GISS) ist auf die Entwicklung gekoppelter Atmosphäre-Ozean-Modelle zur Simulation des Klimasystems der Erde ausgerichtet. Dabei liegt der Fokus auf der Untersuchung der globalen und regionalen Klimasensitivität, einschließlich der Reaktion des Klimasystems auf verschiedene Einflüsse wie Sonnenvariabilität, Vulkane, anthropogene und natürliche Emissionen von Treibhausgasen und Aerosole. Generell liegt der Schwerpunkt der GISS Simulationen auf Untersuchungen des menschlichen Einflusses auf das Klima und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt.6
Das anfängliche Zirkulationsmodell I (Goddard Institute for Space Studies General Circulation Model I, GISS GCM Model I) wurde für 60 Experimente mit Integrationszeiten von 3 Monaten bis 5 Jahren verwendet. Diese Experimente bestimmen die Abhängigkeit von verschiedenen physikalischen Annahmen und Modellparametern. Die Klimasimulationen des Modells wurden mit Beobachtungen verglichen. Darüber hinaus wurde eine Studie über die Auswirkungen der horizontalen Auflösung in der Atmosphäre durchgeführt. Mit diesem Modell wurde gezeigt, dass die Hauptmerkmale des globalen Klimas für eine vertikale Höhe von bis zu 1000 km realistisch simuliert werden können.
Das zweite Zirkulationsmodell (GISS GCM Model II) ist eine Überarbeitung des ersten Modells. Es ermöglicht als globales Atmosphärenmodell mathematische Klimaexperimente, indem es die Gleichungen zur Erhaltung von Masse, Energie und Impuls sowie die Zustandsgleichung löst.7
2.2 Die Modellberechnung der drei Emissionsszenarien
Die ersten Modellvorhersagen mit zeitabhängigen Treibhausgas-Szenarien wurden 1988 in einem Paper mit dem Titel Global Climate Changes as Forecast by Goddard Institute for Space Studies Three-Dimensional Model unter dem Leitautor James Hansen und sieben Koautoren veröffentlicht. Das Neue an dieser Modellierung war, dass Hansen und sein Team die globalen Temperaturen über das Ende des Jahrhunderts hinaus, bis 2020 projizierten. Um den künftigen Klimawandel unter verschiedenen Szenarien vorherzusagen wurde das allgemeine Zirkulationsmodell (GISS GCM Model II) verwendet. Dabei wurden die globalen Klimaauswirkungen zeitabhängiger Variationen atmosphärischer Spurengase und Aerosole simuliert. Das Modell führte Experimente für drei Szenarien der atmosphärischen Zusammensetzung mit einem Kontrolllauf von 100 Jahren durch. Die Experimente beinhalteten gemessene oder geschätzte Veränderungen von atmosphärischem CO2, CH4, H2O, Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) und stratosphärischen Aerosolen.
Die für die Szenarien A, B und C berechnete globale mittlere Oberflächenlufttemperatur sind in Abbildung 1 dargestellt. Die drei verschiedenen Szenarien zeigen die durchschnittlichen Temperaturänderungen für die Akkumulation von Treibhausgasen. Den größten Temperaturanstieg zeigt Szenario A mit einem Anstieg von etwa 0± 04 ° C zwischen 1987 und 1997. Dieses Szenario geht dabei von einem anhaltenden exponentiellen Treibhausgaswachstum aus. Szenario B nimmt ein reduziertes lineares Wachstum der Emissionsakkumulation an, während Szenario C eine starke Emissionssenkung prognostiziert, womit der Nettoklimazuwachs nach dem Jahr 2000 nicht mehr zunehmen würde. Grundsätzlich weisen die Szenarien B und C einen deutlich geringeren Temperaturanstieg als Szenario A auf.8
Abbildung 1: Climate model calculations carried out in 1987.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusammenfassend kommt das Modell auf folgende Hauptergebnisse. In allen drei Szenarien tritt eine globale Erwärmung auf. Je nach Treibhausgaswachstum gibt es dramatische Unterschiede im Ausmaß der zukünftigen Erwärmung. In der Ausarbeitung des Modells wird prognostiziert, dass Ozeane in niedrigen Breiten, in China und in innere Gebiete in Asien, sowie Ozeangebiete in der Nähe der Antarktis und des Nordpols am meisten betroffen sein werden. Die berechneten Änderungen und der Vergleich mit früheren Klimatrends zeigt, dass die Temperaturänderungen ausreichend groß sein würden um Auswirkungen auf den Menschen und andere Teile der Biosphäre zu haben.9
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1 Timothy O'Donnell: Of loaded dice and heated arguments: Putting the Hansen? Michaels global warming debate in context. In: Social Epistemology 14 (2000), S. 113.
2 Lydia Gates: Ein kurzer Überblick über die Geschichte der Klimamodellierung. In: promet 29 (2003), S. 3-5.
3 O'Donnell: Of loaded dice and heated arguments: Putting the Hansen? Michaels global warming debate in context, S.109.
4 James Ladyman, Wayne Myrvold: The development of general circulation models of climate. In: Studies in History and Philosophy of Modern Physics 41 (2010), S.208.
5 Hannah Lee: Climate Change Biology. Santa Barbara 2015, S. 41-42.
6 Goddard Institute for Space Studies: Global Climate Modeling, [online] https://www.giss.nasa.gov/projects/gcm/ [27.07.2020].
7 James Hansen u.a.: Efficient three-dimensional global models for climate studies: Models I and II. In: Monthly Weather Review 111 (1983), S. 609.
8 O'Donnell: Of loaded dice and heated arguments: Putting the Hansen? Michaels global warming debate in context, S.117.
9 James Hansen u.a.: Global Climate Changes as Forecast by Goddard Institute for Space Studies ThreeDimensional Model. In: Journal of Geophysical Research 93 (1988), S. 9341.