Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwiefern die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern gefördert werden kann. Dazu wird zunächst der Begriff der Lesekompetenz definiert, wobei sowohl auf die Definition der PISA-Studie als auch auf die Definition der Lesesozialisationsforschung eingegangen wird. Aufbauend auf dem zuletzt genannten Ansatz wird anschließend das literarische Unterrichtsgespräch nach dem Heidelberger Modell als eine Methode zur Förderung der Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern im Schulunterricht herangezogen.
Die Fähigkeit, geschriebene Worte und Texte lesen und damit auch verstehen zu können, wird als ein universelles Kulturwerkzeug bezeichnet, dessen Erwerb die Teilhabe an vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ermöglicht und als wichtiger Bildungsauftrag aller grund- und weiterbildenden Schulen verstanden wird. Doch trotz dieser hohen Bedeutung des Lesens gelten noch immer knapp 20 Prozent der deutschen Schülerinnen und Schüler als sogenannte Risikokinder.
Diesen Kindern ist das sinnentnehmende Lesen nicht oder nur bedingt möglich und ihre Lesekompetenz – sowohl in der Grund- als auch in der weiterführenden Schule – liegt unter dem Niveau von nahezu all ihren Mitschülern und Mitschülerinnen. Diese Diskrepanz zieht zum Teil weitreichende Folgen nach sich, da aufgrund der zentralen Funktion des Lesens für den Wissenserwerb schwächere Leistungen nicht nur mit Nachteilen für den schulischen, sondern insbesondere auch für den beruflichen Werdegang verbunden sind.
Als im Jahr 2000 die Ergebnisse der ersten PISA-Studie, welche von der OECD durchgeführt wurde und unter anderem die Überprüfung der Lesekompetenz von Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich zum Ziel hatte, veröffentlicht wurden, rückte der Begriff der Lesekompetenz in Deutschland erstmals in den öffentlichen Fokus. Dies lag nicht zuletzt an dem vergleichsweise schlechten Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass seit Veröffentlichung der ersten Studie hierzulande zahlreiche unterschiedliche Ansätze entwickelt wurden, um die Lesekompetenz zu fördern.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Lesekompetenz
2.1. Ansatz der PISA-Studie
2.2. Ansatz der Lesesozialisationsforschung
2.3. Zwischenfazit
3. Förderung der Lesekompetenz
4. Das literarische Unterrichtsgespräch
4.1. Vorbereitung eines literarischen Unterrichtsgespräches
4.2. Durchführung eines literarischen Unterrichtsgespräches
4.3. Lernmöglichkeiten / Förderung der Lesekompetenz durch das literarische Unterrichtsgespräch
5. Fazit
Quellenverzeichnis
Literaturquellen
Internetquellen
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 1: Teilkompetenzen und Struktur der Lesekompetenz des PISA-Ansatzes
Abb. 2: Lesekompetenzmodell der Lesesozialisationsforschung
Tab. 1: Vergleich der vorgestellten Lesekompetenz-Modelle
Abkürzungsverzeichnis
bzw. beziehungsweise
ebd. Ebenda
et al. et alii (und andere)
ggf. gegebenenfalls
Hrsg. Herausgeber
o.A. ohne Autor(en)
o.O. ohne Ortsangabe
OECD Organisation for Economic Cooperation and Development
PISA Programme for International Student Assessment
S. Seite
Vgl. vergleiche
z.B. zum Beispiel
1. Einleitung
Die Fähigkeit, geschriebene Worte und Texte lesen und damit auch verstehen zu können, wird als ein „universelles Kulturwerkzeug“1 bezeichnet, dessen Erwerb die Teilhabe an vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ermöglicht und als wichtiger Bildungsauftrag aller grund- und weiterbildenden Schulen verstanden wird. Doch trotz dieser hohen Bedeutung des Lesens gelten noch immer knapp 20% der deutschen Schülerinnen und Schüler als so genannte Risikokinder, denen das sinnentnehmende Lesen nicht oder nur bedingt möglich ist und deren Lesekompetenz – sowohl in der Grund- als auch in der weiterführenden Schule – unter dem Niveau von nahezu all ihren Mitschülern und Mitschülerinnen liegt. Diese Diskrepanz zieht zum Teil weitreichende Folgen nach sich, da aufgrund der zentralen Funktion des Lesens für den Wissenserwerb schwächere Leistungen nicht nur mit Nachteilen für den schulischen, sondern insbesondere auch für den beruflichen Werdegang verbunden sind.2
Vor dem Hintergrund dieser Problematik beschäftigt sich die vorliegende Hausarbeit mit der Fragestellung, inwiefern die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern gefördert werden kann. Dazu wird zunächst der Begriff der Lesekompetenz definiert, wobei sowohl auf die Definition der PISA-Studie als auch auf die Definition der Lesesozialisationsforschung eingegangen wird. Aufbauend auf dem zuletzt genannten Ansatz wird anschließend das literarische Unterrichtsgespräch nach dem Heidelberger Modell als eine Methode zur Förderung der Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern im Schulunterricht herangezogen.
2. Lesekompetenz
Als im Jahr 2000 die Ergebnisse der ersten ‚PISA‘-Studie (Programme for International Student Assessment), welche von der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) durchgeführt wurde und unter anderem die Überprüfung der Lesekompetenz von Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich zum Ziel hatte3, veröffentlicht wurden, rückte der Begriff der Lesekompetenz in Deutschland erstmals in den öffentlichen Fokus4. Dies lag nicht zuletzt an dem vergleichsweise schlechten Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler, was unter anderem zur Folge hatte, dass seit Veröffentlichung der ersten Studie hierzulande zahlreiche unterschiedliche Ansätze entwickelt wurden, was der Begriff der Lesekompetenz überhaupt bezeichnet und wie diese gefördert werden kann5.
Eine rein wörtliche Definition des Wortgefüges ‚Lesekompetenz‘ fällt dabei nicht schwer, kann es doch in die zwei Bestandteile ‚Lesen‘ und ‚Kompetenz‘ gegliedert werden. Während ‚Lesen‘ generell das Erfassen und Verstehen von schriftsprachlicher Sprache bezeichnet6, ist unter ‚Kompetenz‘ das Potenzial einer Fähigkeit zu verstehen, „das einen Menschen in Bezug auf relevante Anforderungen und Ziele handlungsfähig macht“7. Aber durch welche Aspekte und Anforderungen zeichnet sich die Lesekompetenz genau aus? Und welche Strukturen und Prozesse spielen bei ihrem Erwerb eine Rolle? Das sind weiterführend genau die inhaltlichen Fragen, bei denen sich die entwickelten Ansätze zur Definition der Lesekompetenz voneinander unterscheiden und welche insbesondere bei der Frage nach der Förderung der Lesekompetenz eine wichtige Rolle spielen.
Im Folgenden werden zum einen der kognitionstheoretisch orientierte Ansatz der PISA-Studie und andererseits der kulturwissenschaftlich orientierte Ansatz der Lesesozialisationsforschung zur inhaltlichen Begriffsdefinition vorgestellt. Die Unterscheidung ist deshalb wichtig und ebenso notwendig, um einerseits ein besseres Verständnis für die unterschiedlichen Schwerpunkte der Ansätze erhalten zu kön- nen und um andererseits im weiteren Verlauf der Hausarbeit nachvollziehen zu können, warum das literarische Unterrichtsgespräch insbesondere nach dem Ansatz bzw. nach dem Modell der Lesesozialisationsforschung als Methode zur Förderung der Lesekompetenz in Frage kommt.
2.1. Ansatz der PISA-Studie
Leitend für den Ansatz der PISA-Studie ist das so genannte Literacy-Konzept. ‚Literacy‘ ist von dem englischen Adjektiv ‚literate‘ abgeleitet und bedeutet wörtlich übersetzt ‚zum Lesen und Schreiben fähig zu sein‘8. In der Bildungswissenschaft kommt dem Begriff jedoch eine lebensbezogene und praktisch orientierte Dimension hinzu, welche ausdrückt, dass schulische Inhalte so gelehrt werden sollen, dass sie für Schüler und Schülerinnen in deren heutigen und späteren Lebenswelt einen Gebrauchswert für die Praxis besitzen9. Konkreter sind damit insbesondere Kompetenzen gemeint, „welche in modernen Gesellschaften für eine befriedigende Lebensführung in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht sowie für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben notwendig sind“10.
Mit dem Begriff der Lesekompetenz, im Englischen ‚Reading Literacy‘ genannt11, wird demnach nicht bloß die Fähigkeit zum Entziffern von Schriftsprache, sondern vielmehr ein Werkzeug verstanden, das für die Bewältigung der verschiedenen Kommunikations- und Handlungsanforderungen, denen ein Teilnehmer der Gesellschaft in seinem Alltag und in seinem Beruf ausgesetzt ist, erforderlich ist12. Aus dieser Definition wird deutlich, dass der Lesekompetenz hier also vor allem eine gesellschaftlich-pragmatische Bezugsnorm zugrunde liegt, welche auf einem Modell der Lesekompetenz aufbaut (Abb. 1), das sich an kognitionspsychologischen – d.h. auf die Informationsverarbeitung abzielenden – Dimensionen des Textverstehens orientiert13.
Auf der obersten Ebene dieses Modells findet dabei eine Unterscheidung der Teilkompetenzen bzw. Leistungen hinsichtlich des Verstehens eines Textes statt: Einerseits stellen die im Text enthaltenen Informationen eine ausreichende Grundlage für das Textverstehen dar (linke Seite Abb.1), andererseits muss für das Verstehen eine Interpretation unter Rückgriff auf externes, d.h. nicht im Text enthaltenes Wissen entwickelt werden (rechte Seite Abb.1). Auf der untersten, konkretesten Ebene des Modells werden diese beiden Verstehensleistungen in fünf weitere Dimensionen ausdifferenziert. Auf der Seite der im Text enthaltenen Informationen sind dies Ein allgemeines Verständnis des Textes entwickeln, Informationen ermitteln und Eine textbezogene Interpretation entwickeln, wohingegen Über den Inhalt eines Textes reflektieren sowie Über die Form eines Textes reflektieren die Dimensionen auf der Seite des nicht im Text enthaltenen Wissens darstellen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Teilkompetenzen und Struktur der Lesekompetenz des PISA-Ansatzes14
2.2. Ansatz der Lesesozialisationsforschung
In der Lesesozialisationsforschung wurde hingegen ein Ansatz entwickelt, welcher den Fokus sowohl auf die Wechselwirkungen der historisch-gesellschaftskulturellen und der sozialen Umwelt, in welchen sich ein Individuum befindet, richtet15 als auch auf eine Subjektbildung des Individuums durch das Lesen16 (Abb. 2). Die Rede ist hierbei auch von dem ‚ Lesekompetenzmodell nach Hurrelmann ‘, welches nach Bettina Hurrelmann, einer im Jahr 2015 verstorbenen Universitätsprofessorin, die sich in ihrer beruflichen Karriere insbesondere mit der Lesesozialisationsforschung und der Literaturdidaktik beschäftigte, benannt ist17.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Lesekompetenzmodell der Lesesozialisationsforschung18
Wie der Abbildung zu entnehmen ist, bezieht sich der Lesekompetenzbegriff der Lesesozialisationsforschung im Gegensatz zum PISA-Modell nicht nur auf die kognitive Dimension des Lesens, sondern umfasst ebenso motivationale, emotionale, reflexive und interaktive Dimensionen, denen weiterführend jeweils verschiedene Merkmale bzw. Fähigkeiten zugeordnet werden können.
So ist etwa die Lesemotivation nicht nur auf den bloßen Einsatz zum Lesen begrenzt, sondern umfasst auch auf die Fähigkeiten, aufkommende Schwierigkeiten etwa durch Zielstrebigkeit oder Ausdauer zu überwinden und schriftsprachliche Texte grundlegend als bedeutungsvoll wahrzunehmen19. Die emotionale Ebene bezieht sich hingegen insbesondere auf die Fähigkeiten, Texte nach eigenen Bedürfnissen auszuwählen, eigene Gefühle und Erfahrungen mit Lektüre zu verbinden, sich beispielsweise mit Protagonisten eines Textes zu identifizieren sowie die Äs- thetik eines Textes wahrnehmen und genießen zu können20. Zu der reflexiven Di- mension zählt nicht nur – wie es im PISA-Modell der Fall ist – die kritische Auseinandersetzung mit dem Gelesenen, sondern auch eine Form der Selbstreflexion, indem beispielsweise eigene Überzeugungen und Einstellungen mit dem Gelesenen gegenüberstellt und abgeglichen werden21. Nicht zuletzt gehört zur Lesekompetenz in der Lesesozialisationsforschung auch die Anschlusskommunikation (rot markiert). Die Anschlusskommunikation umfasst insbesondere die Fähigkeiten, sich mit anderen Personen über gelesene Texte auszutauschen, Toleranzen bei unterschiedlichen Eindrücken und Interpretationen zu entwickeln und ggf. einen Konsens zur Bedeutung eines Textes mit anderen aushandeln zu können22.
Außer der beschriebenen Erweiterung der kognitiven Dimension um motivationale, emotionale und interaktive Aspekte werden in diesem Modell die dem Leseprozess logisch vorauslaufenden Bedingungen und nachfolgend erwarteten Wirkungen mit einbezogen23.
2.3. Zwischenfazit
Nach der Betrachtung der beiden Ansätze bzw. Modelle der Lesekompetenz wird deutlich, dass sie sich sowohl in normativer als auch in deskriptiver Hinsicht voneinander unterscheiden und jeweils unterschiedliche Merkmale bzw. Dimensionen des Lesekompetenzbegriffs in den Fokus stellen. Während das Modell der PISA-Studie insbesondere auf den messbaren Vergleich von internationalen Schulleistung abzielt und das Lesen mehr oder weniger als ein pragmatisches Werkzeug für die Bewältigung des Alltags bezeichnet, stellt bei dem Modell der Lesesozialisationsforschung der Prozess eines Kompetenzerwerbs im Sinne einer sprachlich-literarischen Bildung von Subjekten (bzw. Schülerinnen und Schülern) im Fokus, welcher ebenfalls motivationale, emotionale sowie interaktive Dimensionen des Textverstehens umfasst (Tab. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Bettina Müller & Tobias Richter: „Lesekompetenz“. In: Joachim Grabowski (Hrsg.): Sinn und Unsinn von Kompetenzen: Fähigkeitskonzepte im Bereich von Sprache, Medien und Kultur (2013). S. 29-50, hier S. 29.
2 Vgl. Müller & Richter: „Lesekompetenz“, S. 29f.
3 Vgl. Bettina Hurrelmann: „Modelle und Merkmale der Lesekompetenz“. In: Andrea Bertschi-Kaufmann (Hrsg.): Lesekompetenz. Leseleistung. Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialie n (2008). S. 18-29, hier S. 19.
4 Vgl. Müller & Richter: „Lesekompetenz“, S. 30.
5 Vgl. Hurrelmann: „Modelle und Merkmale der Lesekompetenz“, S. 19.
6 Vgl. ebd., S. 20.
7 Hurrelmann: „Modelle und Merkmale der Lesekompetenz“, S. 21.
8 Vgl. dict.cc 2018
9 Vgl. Rudolf Messner: „PISA und Allgemeinbildung“. In: Zeitschrift für Pädagogik, Jahrgang 49 Heft 3 (2003). S. 400-412, hier S. 403.
10 Artelt et. al.: „Ländervergleich zur Lesekompetenz“. In: Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.): PISA 2000. Die Länder der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich. S. 55-94, hier S. 58.
11 Vgl. Messner: „PISA und Allgemeinbildung“, S. 403.
12 Vgl. Hurrelmann: „Modelle und Merkmale der Lesekompetenz“, S. 21.
13 Vgl. Bettina Hurrelmann: „Leseleistung – Lesekompetenz“. In: Kaspar Spinner (Hrsg.): Praxis Deutsch, Ausgabe 176 (2002). S. 6-18, hier S. 8.
14 Hurrelmann: „Leseleistung – Lesekompetenz“, S. 8 ; eigene Darstellung.
15 Vgl. Hurrelmann: „Leseleistung – Lesekompetenz“, S. 12.
16 Vgl. Hurrelmann: „Modelle und Merkmale der Lesekompetenz“, S. 21.
17 Vgl. uni-koeln.de 2018.
18 Hurrelmann: „Leseleistung – Lesekompetenz“, S. 12; eigene Darstellung.
19 Vgl. Hurrelmann: „Modelle und Merkmale der Lesekompetenz“, S.24.
20 Vgl. Hurrelmann: „Leseleistung – Lesekompetenz“, S. 13f.
21 Vgl. Hurrelmann: „Modelle und Merkmale der Lesekompetenz“, S.24f.
22 Vgl. Hurrelmann: „Leseleistung – Lesekompetenz“, S. 14.
23 Vgl. ebd., S. 16.