Brief Hannah Kennedys an Melvil
Treuer Melvil!
Ein Jahr ist es nun schon her, dass man sie richtete, unsere Maria, die wir so lange kannten, auch wenn wir sie manchmal nicht wiederzuerkennen vermochten.
Wie jung und unerfahren sie war und doch immer die Königin, zu der sie geboren ward! Immer war ich ihr so nahe, jedoch all die Jahre gab es jene stille Übereinkunft zwischen uns, dass ich ihre Amme, ihre Freundin war, aber eben nicht mehr. Hätten wir uns vielleicht mehr einmischen müssen, Melvil, sie bewahren vor dem Einfluss derer, die stets versuchten sie auszunutzen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen? Ihr eigenes Volk brachte man schließlich gegen sie auf, so dass sie fliehen musste und sich schutzlos ihrer Schwester ausliefern. Ja, ihrer königlichen Schwester, denn zu ihrer Feindin war sie nur geworden durch widrige Umstände und treulose Verbündete! Doch auch Elisabeth war schwach, indem sie sich von übereifrigen Staatstreuen einreden ließ, Maria sei eine Gefahr für sie und ganz England gewesen. Sie hatte wenigstens noch ein paar gute Berater, doch zog sie es vor, Gehör nur zu schenken den Besessenen und ihrer eigenen Rachsucht. Aber hatte sie wenigstens einen treuen Menschen, der versuchte, ihr ihren Irrtum klar zu machen und vielleicht hat der Bruch Shrewsburys mit ihr sie ja etwas zur Vernunft gebracht.
Doch wer war bei Maria in solchen Momenten, Melvil? Sicher, wir waren anwesend, doch wir haben geschwiegen. Müssen wir uns nicht fragen, ob wir unsere Königin nicht mit zu vielem alleine ließen, anstatt der jungen Dame die sie war, helfend zur Seite zu stehen? Deshalb ist es eigentlich völlig unwichtig, ob das Todesurteil gegen sie rechtens war oder nicht - nach Kurls berichtigter Aussage war die Anklage selbst unrechtmäßig, doch bin ich mir sicher, sie hätten sie eines anderen Vergehens angeklagt - sie hatte schon längst keinen freien Willen mehr, so sehr war sie verstrickt in das Netz aus fremden Interessen und auch eigenen Fehlern. Insofern könnte man es beinahe als Erlösung bezeichnen. Das war es wohl auch für unsere Maria, wo gefasst ging sie in den Tod, endlich im Frieden mit sich selbst und dem Herrn, wohl in der Gewissheit, dass dieses verzwickte Leben auf Erden nun ein Ende haben würde, während andere noch viele falsche Spiele spielen müssten und noch viel falschen Rat bekommen würden.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Brief von Hannah Kennedy an Melvil?
Der Brief ist eine Reflexion von Hannah Kennedy, der Freundin und Amme von Maria Stuart, über Marias Hinrichtung. Sie hinterfragt, ob mehr hätte getan werden können, um Maria vor den Einflüssen anderer zu schützen und ob die Hinrichtung wirklich notwendig war.
Wer war Maria Stuart?
Maria Stuart war eine Königin, die schließlich von ihrer Cousine Elisabeth I. von England hingerichtet wurde. Der Brief deutet an, dass Maria in politische Intrigen verwickelt war und von anderen ausgenutzt wurde.
Was sind Hannah Kennedys Hauptbedenken?
Hannah Kennedy äußert Bedenken darüber, ob sie und Melvil Maria ausreichend unterstützt und beschützt haben. Sie fragt sich, ob sie die junge Maria nicht zu sehr allein gelassen haben und ob sie hätten eingreifen müssen, um sie vor falschen Ratschlägen zu bewahren.
Was sind die Vorwürfe gegen Elisabeth I.?
Der Brief kritisiert Elisabeth I. dafür, dass sie sich von übereifrigen Staatstreuen beeinflussen ließ und Maria als Bedrohung ansah. Es wird angedeutet, dass Elisabeth Rachsucht und falsche Berater eine Rolle bei der Entscheidung spielten, Maria hinzurichten.
Was ist die Rolle von Kurls Aussage im Brief?
Kurls Aussage wird als Beweis dafür angeführt, dass die Anklage gegen Maria unrechtmäßig war. Dennoch glaubt Hannah Kennedy, dass Maria ohnehin verurteilt worden wäre, da sie zu sehr in fremde Interessen verstrickt war.
Welche Alternative zur Hinrichtung wird vorgeschlagen?
Hannah Kennedy schlägt vor, dass Maria als Herrin einer Grafschaft hätte geduldet werden können. Sie glaubt, dass sie mit Hilfe und Unterstützung zu sich selbst hätte finden können, wenn sie nicht im Zentrum politischer Macht gestanden hätte.
Was wünscht sich Hannah Kennedy von Melvil?
Hannah Kennedy wünscht sich von Melvil zu erfahren, wie es ihm ergangen ist und wie seine neue Lebensaufgabe aussieht. Sie sehnt sich nach Austausch und Verbundenheit mit ihrem Freund.
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- Hendrik Everding (Author), 2000, Schiller, Friedrich - Maria Stuart - Brief Hannah Kennedys an Melvil, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/98377