Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet: Inwiefern zeigen sich in der Tageszeitung "DIE WELT" in ausgewählten Artikeln der letzten fünf Jahre orientalistische Muster in Bezug auf die Darstellung von Muslima?
Mercedes Kierpacz, Fatih Saraçoğlu, Said Nesar Hashemi, Gökhan Gültekin, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Hamza Kurtović, Ferhat Unvar, Gabriele R., Sedat Gürbüz. Sie alle sind die Opfer des rassistischen Attentats in Hanau am 19. Februar 2020. An den Morden zeigt sich in aller Grausamkeit, welche verheerenden Folgen antimuslimischer Rassismus hat. 2017 rief die Partei DIE LINKE im Bundestag dazu auf, "islamfeindliche" Straftaten gesondert in der Statistik über politisch motivierte Kriminalität (PMK) zu erfassen. Allein im Jahr 2018 wurden ca. 813 solcher anti-muslimischer Straftaten registriert, die Dunkelziffer liegt deutlich höher – viele Ermittlungsbehörden hielten sich nicht an die neue Einordnung. Häufig kommt es vor, dass Mädchen und Frauen die Kopftücher heruntergerissen, sie bespuckt, beleidigt und auf offener Straße geschlagen werden. Wie kann es sein, dass eine Person mit spezifisch kodierten äußerlichen Merkmalen Gewalt zu befürchten hat?
Für die Kodierung von äußerlichen Merkmalen ist Sprache zuständig. Eines der Hauptwerke des Theoretikers Edward Said untersucht den europäischen Diskurs über Muslim:innen, "den Islam" und den Orient: In "Orientalismus" geht es um die sprachliche Konstruktion eines Orients, dessen Bevölkerung, Kultur und geografische Lage durch den "Westen" definiert wurde, um koloniale Herrschaft zu ermöglichen, die eine Machtasymmetrie konstituiert. Die deutsche Wissenschaft habe durch einen verspäteten Beginn der Rezeption von "Orientalismus" einiges aufzuholen, um die eigene Beteiligung am Diskurs aufzuarbeiten. Neben Said möchte ich durch den Einbezug der Theoretiker:innen Meyda Yeğenoğlu und Leila Ahmed, die die Konstruktion des Orients aus feministischer Perspektive untersuchten, zur Dekonstruktion des vermeintlichen "Wissens" über den Orient und damit einhergehend Oriental:innen beitragen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zentrale Begriffe
- Feministischer Orientalismus
- Antimuslimischer Rassismus
- Forschungsstand
- Edward Said: Orientalismus
- Meyda Yeğenoğlu: Veiled Fantasies - Cultural and Sexual Difference in the Discourse of Orientalism
- Leila Ahmed: Western Ethnocentrism and Perceptions of the Harem
- Methodik
- Diskurstheoretische Grundlagen
- Materialauswahl
- Diskursiver Kontext
- Ergebnisse der Analyse
- Dichotomie
- Das „fremde Andere“
- Die undemokratische „Vormoderne“
- Emotionalität
- Sexualisierung
- Frauen als Opfer ihrer Religion
- Frauen als Täterinnen
- Paradoxie: Das Patriarchat im Anderen
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Muslima in der Tageszeitung „DIE WELT“ mit dem Ziel, die Verwendung orientalistischer Muster in der Berichterstattung der letzten fünf Jahre zu analysieren. Der Fokus liegt dabei auf der Konstruktion des „Orients“ und seiner Bewohner:innen als „fremde Andere“ durch den Einsatz spezifischer sprachlicher Mittel und Stereotype.
- Der Beitrag des „Orientalismus“ zur Konstruktion des „Orients“ als „fremde Andere“
- Die Rolle der Sexualisierung und der Darstellung von Frauen als Opfer und Täterinnen in antimuslimischen Diskursen
- Die Verwendung von Stereotypen und Dichotomien zur Abgrenzung von „Westen“ und „Orient“
- Die Kritik an der deutschen Wissenschaft und ihrer Beteiligung am Diskurs des „Orientalismus“
- Die Relevanz des „feministischen Orientalismus“ für die Analyse der Darstellung von Muslima
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des antimuslimischen Rassismus ein und beleuchtet dessen verheerende Folgen am Beispiel des rassistischen Attentats von Hanau. Anschließend wird die Forschungsfrage formuliert, welche die Verwendung orientalistischer Muster in der Darstellung von Muslima in der Tageszeitung „DIE WELT“ untersucht. Die Bedeutung des Begriffs „Orientalismus“ nach Edward Said, sowie dessen Rezeption in der deutschen Wissenschaft, wird im Kontext der Arbeit erörtert.
Das zweite Kapitel definiert die zentralen Begriffe der Arbeit, den „feministischen Orientalismus“ und „Antimuslimischen Rassismus“. Es werden die Merkmale und die Relevanz der beiden Konzepte im Kontext der Forschungsfrage erläutert.
Im dritten Kapitel werden die zentralen Werke von Edward Said, Meyda Yeğenoğlu und Leila Ahmed, die sich kritisch mit der Konstruktion des „Orients“ aus feministischer Perspektive auseinandersetzen, vorgestellt. Die Arbeiten dienen als theoretische Grundlage für die Analyse.
Das vierte Kapitel erläutert die methodischen Grundlagen der Arbeit und die Auswahl des Analysematerials. Im Fokus steht dabei die Anwendung der Kritischen Diskursanalyse nach Siegfried Jäger, um die orientalistischen Muster in den ausgewählten Artikeln der „DIE WELT“ zu identifizieren.
Das fünfte Kapitel präsentiert die Ergebnisse der Analyse und beleuchtet die zentralen Ergebnisse. Es werden die gefundenen orientalistischen Muster und die Verwendung von Stereotypen in Bezug auf die Darstellung von Muslima in den Artikeln der „DIE WELT“ dargestellt. Die Analyse umfasst die Untersuchung von Dichotomien, der Konstruktion des „fremden Anderen“, der Darstellung von Emotionalität, Sexualisierung, Frauen als Opfer und Täterinnen sowie die Paradoxie des Patriarchats im „Anderen“.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen „Orientalismus“, „feministischer Orientalismus“, „Antimuslimischer Rassismus“, „Diskursanalyse“, „Medienforschung“, „Darstellung von Muslima“, „Stereotypen“, „Fremdzuschreibung“, „Gender“ und „Dekoloniale Praxis“.
- Quote paper
- Kaya Olshausen (Author), 2020, Orientalismus und die Darstellung von Muslima in der "WELT". Eine kritische Diskursanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/980749