In dieser Arbeit werden die Konstellationen der Prinzipal-Agent-Theorie innerhalb der stationären Jugendhilfe genauer betrachtet. Hierfür wird zuerst einmal die Prinzipal-Agent-Theorie erklärt (Kapitel 2.). Diese beinhaltet eine kurze Information darüber woher die Theorie stammt, wie sich die Beziehungen zwischen Prinzipal und Agent zusammensetzen, welche Probleme durch die asymmetrischen Informationsverteilung entstehen und letztendlich welche Problemansätze existieren. Anschließend wird (Kapitel 3.) die Prinzipal-Agent-Theorie mit Hilfe von Beispielen in der stationären Jugendhilfe betrachtet. Nach einer kurzen Begriffserklärung der stationären Jugendhilfe, werden die dort vorzufindenden Prinzipal-Agent Beziehungen dargestellt, um anschließend mit Hilfe einer solchen Beispielbeziehung die Probleme mit möglichen Lösungen zu beschreiben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Prinzipal-Agent-Theorie
2.1 Prinzipal-Agent-Beziehung
2.2 Prinzipal-Agent-Probleme
2.3 Prinzipal-Agent-Lösungsansätze
2.3.1 Lösungsansätze zur Reduzierung von Adverse Selection
2.3.2 Lösungsansätze zur Reduzierung von Moral Hazard
2.3.3 Lösungsansätze zur Reduzierung von Hold-up
3. Prinzipal-Agent Konstellation innerhalb der vollstationären Kinder- und Jugendhilfe
3.1 Vollstationäre Jugendhilfe
3.2 Prinzipal-Agent Beziehungen in der vollstationären Jugendhilfe
3.3 Prinzipal-Agent-Probleme zwischen Gruppenleitung und Betreuer/-in der vollstationären Jugendhilfe
3.3.1 Adverse Selektion (dt. negative Auslese)
3.3.2 Moral Hazard (dt. moralisches Risiko)
3.3.3 Hold-up (dt. Überfall oder Störung)
3.4 Prinzipal-Agent-Lösungsansätze für die Probleme zwischen Gruppenleitung und Betreuer/-in der vollstationären Jugendhilfe
3.4.1 Lösungsvorschläge zur Reduzierung von Adverse Selektion
3.4.2 Lösungsvorschläge zur Reduzierung von Moral Hazard
3.4.3 Lösungsvorschläge zur Reduzierung von Hold-up
4. Fazit
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Asymmetrien haben immer einen Grund und eine Wirkung.“ (Stamm, 2009, S. 45)
Prinzipal-Agent-Theorien beschreiben das geschäftliche Verhältnis eines Prinzipals (Auftraggeber) und seines Agenten (Auftragnehmer) sowie die Probleme dieses Verhältnisses. Dabei steht die Fragestellung im Vordergrund, wie der Prinzipal sicherstellen kann, dass der Agent in seinem Sinne (zum Besten des Prinzipals) handelt. Probleme können sich aus der sogenannten asymmetrischen Informationsverteilung ergeben (Gärtner, 2017). Doch wie PETER STAMM in seinem Buch Agnes (2009) bereits festgehalten hat, haben alle Asymmetrien einen Grund und eine Wirkung. Die in beinahe allen Bereichen der Wirtschaft zum Einsatz kommenden Prinzipal-Agenten-Theorien bieten hierfür bedeutsame Erklärungsansätze und mögliche Problemlösungen an, um kostspielige Fehlbesetzungen zu vermeiden. So spielen sie auch in sozialen Organisationen eine wichtige Rolle und können z.B. helfen, eine optimale Zuordnung von Menschen und Arbeitsplätzen zu finden und den am besten geeigneten Bewerber zu identifizieren. Denn je besser die Qualität und das Potenzial der eingestellten Mitarbeiter sind, desto größer der Erfolg der Organisation (vgl. Schreyögg & Steinmann, 2005, S. 761).
In dieser Arbeit werden die Konstellationen der Prinzipal-Agent-Theorie innerhalb der stationären Jugendhilfe genauer betrachtet. Hierfür wird zuerst einmal die Prinzipal-Agent-Theorie erklärt (Kapitel 2.). Diese beinhaltet eine kurze Information darüber woher die Theorie stammt, wie sich die Beziehungen zwischen Prinzipal und Agent zusammensetzen, welche Probleme durch die asymmetrischen Informationsverteilung entstehen und letztendlich welche Problemansätze existieren. Anschließend wird (Kapitel 3.) die Prinzipal-Agent-Theorie mit Hilfe von Beispielen in der stationären Jugendhilfe betrachtet. Nach einer kurzen Begriffserklärung der stationären Jugendhilfe, werden die dort vorzufindenden Prinzipal-Agent Beziehungen dargestellt, um anschließend mit Hilfe einer solchen Beispielbeziehung die Probleme mit möglichen Lösungen zu beschreiben.
2. Prinzipal-Agent-Theorie
Der historische Ausgangspunkt der Prinzipal-Agent-Theorie liegt in der Neoklassik, die kurz ausgedrückt einen Gleichgewichtszustand für den Markt formuliert, der dadurch gekennzeichnet ist, dass vollkommen rationale Entscheidungsträger mit absolut perfektem Informationsstand Güter miteinander tauschen. Das aber durch die Neoklassik Prozesse der Entstehung und Veränderung von Institutionen weder erfasst noch erklärt werden konnten, führte unter den Ökonomen zusehend zu Unbehagen. So entwickelten sich im Laufe der Zeit zahlreiche Theorien die unter dem Begriff „Neue Institutionenökonomik“ zusammengefasst wurden (vgl. Alparslan, 2006, S. 1). Die Institutionenökonomik umfasst eine Reihe von ökonomischen Forschungstraditionen, die sich mit der Rolle von sozialen Institutionen in der Produktion, Verteilung und dem Konsum sowie mit den aus ihnen resultierenden sozialen Beziehungen beschäftigen (vgl. Hodgson, 2001, S. 345f.). Die Prinzipal-Agent-Theorie gehört dabei mit zu den bedeutendsten verschiedenen existierenden Forschungsgebieten (vgl. Leschke, o.J.).
Das Kernstück der Prinzipal-Agent-Theorie ist die Beziehung zwischen Auftraggeber (Prinzipal) und Auftragnehmer (Agent), welche durch eine dynamische, wechselseitige Abhängigkeit (Interdependenz) gekennzeichnet ist (vgl. Ridder 2015, S. 64). Die Theorie umfasst sowohl positive Ansätze als auch normative Ansätze und beschäftigt sich mit der Analyse opportunistischer Verhaltensstrukturen unter der Annahme, dass die Akteure eigennutzorientiert handeln und Informationen asymmetrisch verteilt sind (vgl. Welge, Al-Laham, & Eulerich, 2012, S. 50). Der normative Prinzipal-Agent-Ansatz, hält sich an die gängige Mikroökonomik und behandelt Probleme, in denen individuelle Nutzenfunktionen einer Maximierung unter Nebenbedingungen unterzogen werden, wogegen sich der positive Prinzipal-Agent-Ansatz , mit der „Technologie von Überwachung und Kaution in Form von „Verträgen und Organisationen“ befasst. Diese Art der Analyse erfolgt ohne jede ausdrückliche mikroökonomische Fundierung. Der erste Ansatz ist kurz gesagt mathematisch und nicht empirisch orientiert, während die „positive“ Theorie im Allgemeinen nicht-mathematisch, dafür mehr empirisch orientiert ist (vgl. Elsner, 2008).
2.1 Prinzipal-Agent-Beziehung
Die Prinzipal-Agent-Beziehungen werden mittels eines Vertrages geregelt, indem der Prinzipal zur Realisierung seiner Interessen bestimmte Aufgaben und Entscheidungskompetenzen an den Agenten gegen eine Vergütung überträgt. Der Prinzipal kann sich so die Handlungskompetenzen und das spezifische Fachwissen des Agenten zu Nutzen machen (vgl. Schnabel, 2013, S. 68). Das Handeln des Agenten bestimmt die Höhe des zu erzielenden Ergebnisses und damit die Wohlfahrt beider Parteien (vgl. Kah, 1994, S. 16).
Prinzipal-Agent-Beziehungen finden sich z.B. zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern innerhalb eines Unternehmens, zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, zwischen Sozialarbeiter/-innen und Klienten oder auch zwischen Eltern und Erzieher/-in. Typischerweise ist eine Person in mehrere Prinzipal-Agent-Beziehungen involviert, sowohl als Prinzipal als auch als Agent. Diese Beziehungen können sich überlappen. In diesem Sinne sind Organisationen als Geflecht von Prinzipal-Agent-Beziehungen zu verstehen (s. Abb.1) (vgl. Hess, 2002, S. 94).
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Abbildung 1: Das Unternehmen als Vertragsnetzwerk
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Alparslan 2006, S. 12)
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Aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass in einem Unternehmen nicht nur reine Prinzipale und reine Agenten im Vertragsnetzwerk agieren. Ein Agent kann
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von einem in der Hierarchie höherstehenden Prinzipal beauftragt werden, jedoch auch selbst Prinzipal sein , wenn er ebenso mit Agenten Verträge abschließt. Prinzipale und Agenten können auch von außerhalb des Unternehmens kommen.
2.2 Prinzipal-Agent-Probleme
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Abbildung 2: Prinzipal-Agent-Problematik
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Herrmann, 2005)
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Die vorherrschende unterschiedliche Risiko-, Informations- und Interessenverteilung zwischen dem Principal und dem Agenten bilden die Grundlage aller Principal-Agent-Beziehungen und können durch Informationsasymmetrien, Interessendivergenzen und Opportunismus (s. Abb. 2) zu Problemen führen (vgl. Jensen und Meckling 1976; Beckmann 2006; Grothe 2006, zitiert nach Welge & Eulerich, 2014, S. 14).
Man unterscheidet im Rahmen der normativen Prinzipal-Agent-Theorie die folgenden drei Problemtypen, deren Klassifizierung aus der Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agent und dem Gegenstand sowie Entstehungszeitpunkt von Informationsdefiziten resultieren (vgl. Roiger, 2007, S.12):
1. Moral Hazard (dt. moralisches Risiko): Bei dieser nachvertraglichen (ex post) Informationsasymmetrie entstehen erst nach zustandekommen eines Vertrages Informationsdefiziete auf Seiten des Prinzipals durch Opportunistisches und moralisch fragwürdiges Verhalten des Agent, welches versteckte Informationen (engl. Hidden Information) oder versteckte Handlungen (engl. Hidden Action) zur Folge hat. Bei der Betrachtung des Arbeitseinsatzproblems ist dabei nicht die Qualität der Anstrengung des Agent maßgeblich, sondern das Anstrengungsvolumen (vgl. Schulz, 2000, S. 58f.).
- Hidden Information (dt. versteckte Information): Hier bleibt dem Prinzipal in der Entscheidungsfindungsphase (ex post) die Informationslage des Agenten verborgen, wodurch der Prinzipal so gut wie gar nicht einschätzen kann, ob der Agent in seinem Interesse gehandelt hat, da er die Auswirkungen von exogenen Störgrößen nicht kennt. Selbst wenn der Prinzipal die Ausprägungen der exogenen Störgrößen beobachten kann, ist es jedoch möglich, dass er diese (z.B. aufgrund fehlenden Hintergrundwissens) nicht in die Beurteilung der Qualität der Aktion des Agenten einfließen lassen kann (vgl. ebd., S. 30f., Welge & Eulerich, 2014, S. 15).
- Hidden Action (dt. versteckte Handlungen): Im Gegensatz zu Hidden Characteristics sind dem Prinzipal bei Hidden Action die Eigenschaften des Agenten zwar bekannt, jedoch ist die Ergebnisbeurteilung problematisch. Der Prinzipal ist bei Hidden Action durch die häufig große räumliche Distanz sowie fehlender Überwachungsmechanismen nur eingeschränkt in der Lage die Ausprägung der exogenen Störgrößen und die Aktion des Agenten zu beobachten. Dies kann den Agenten dazu verleiten, die Qualität seiner erbrachten Leistung entweder zu mindern oder eine Handlung vorzunehmen, die ex post nicht beobachtbar ist. Ein positives Auftragsergebnis kann somit auch das Ergebnis einer stark wirkenden Störgröße sein, wobei dem Prinzipal der tatsächliche Anteil des Agenten am Ergebnis unbekannt bleibt (vgl. Jost 2001, S. 25f.).
2. Adverse Selektion (dt. negative Auslese): Liegt bereits vor Zustandekommen eines Vertrages (ex ante) ein Informationsdefizit vor, spricht man von einer vorvertraglichen Informationsasymmetrie durch versteckte Eigenschaften (engl. Hidden Characteristics).
- Hidden Characteristics (dt. versteckte Eigenschaften): Hierbei handelt es sich um unveränderbare (bzw. nicht kostenlos veränderbare) Eigenschaften des Agenten (oder der von ihm angebotenen Ware/ Dienstleistung), die der Prinzipal vor dem Vertragsabschluss (ex ante) nicht erkennen konnte und diese sich erst nach Vertragsschluss (ex post) offenbaren. Dabei kann es sich sowohl um erwünschte, aber nicht vorhandene, als auch um unerwünschte aber bis zum Vertragsabschluss unerkannte Eigenschaften handeln. Der Agent kann demnach dem Prinzipal ex ante falsche Tatsachen vorspielen. Aus dieser Informationsasymmetrie resultiert die Gefahr der adversen Selektion, also des Risikos der Auswahl unerwünschter Vertragspartner (vgl. Stiller, o.J.).
3. Hold up (dt. Überfall oder Störung): Verschweigt eine der beiden Parteien vor Vertragsabschluss (ex ante) gewisse Ziele und Beweggründe, können diese verborgenen Absichten zu einer Störung nach Vertragsschluss (ex post) führen. Dieses Informationsdefizit kann zum Beispiel vorliegen, wenn der Prinzipal Vorleistungen in Form von spezifischen Investitionen erbringt und daher einseitig vom Agenten abhängig ist. Aus dieser Abhängigkeit entsteht die Gefahr von opportunistischen Handlungen durch Versteckte Absichten (engl. Hidden Intention).
- Hidden Intention (dt. versteckte Absicht): Dem Prinzipal bleiben hier die wahren Absichten des Agenten auch ex post verborgen. Er ist daher auf die Loyalität des Agenten angewiesen und der Gefahr eines eigenmotivierten Handelns seitens des Agenten ausgesetzt, was sich negativ auf die Zielerreichung des Prinzipals auswirkt (vgl. Welge & Eulerich, 2014, S. 15).
Aufgrund der dargestellten Probleme und dem Versuch sie zu lösen, entstehen immer dann, wenn Delegationsverhältnisse bestehen, Agenturkosten (engl. Agency-Kosten) (vgl. Jensen & Meckling, 1976). Zwischen diesen Kosten besteht eine sogenannte Trade-off Beziehung, was so viel wie ökonomischer Zielkonflikt mit dem Abwägen von zwei Aspekten bedeutet, auch wenn eine Problemlösung zugleich eine Verschlechterung nach sich zieht (www.betriebswirtschaft-lernen.net, o.J.). Um institutionelle Arrangements zu beurteilen, zieht die Prinzipal-Agent-Theorie die Agenturkosten heran und sucht das Arrangement mit den geringsten Kosten (Hess, 2002, S. 95). Agenturkosten setzen sich aus den Überwachungs- und Kontrollkosten des Prinzipal (z.B. durch Kosten des externen Berichtswesens, des internen Controllings und der Abschlussprüfung), den Risiko- und Garantiekosten (z.B. in Form einer variablen Vergütung) sowie der Opportunitätskosten und dem Wohlfahrtsverlust (z.B. durch eine reduzierte Arbeitsleistung des Agenten) zusammen (vgl. ebd. S.95f., Jensen & Meckling, 1976).
Abbildung 3 dient der Übersicht und kennzeichnet die Problemtypen der normativen Prinzipal-Agent-Theorie vergleichend anhand des Gegenstandes und des Entstehungszeitpunktes der Informationsasymmetrie sowie den daraus resultierenden Problemen und Konflikten (inkl. Beispiele eventuell entstehender Kosten) für den Prinzipal.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Vergleich von Problemtypen der Prinzipal Agent Theorie
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Küppers 2008, S.83)
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