Übung im Handelsrecht: § 15 III HGB (Die positive Publizität des Handelsregisters) - FAQs
Was ist der Sachverhalt in diesem Handelsrechtsfall?
Alf, Berthold und Christoph gründen die B,C und Co- OHG und beantragen die Eintragung ins Handelsregister. Durch einen Fehler des Gerichts wird die Gesellschaft in der Tageszeitung fälschlicherweise mit Ulf, Berthold und Christoph als Gesellschafter eingetragen. X, der von dem vermeintlichen Gesellschafter Ulf ausgeht, verkauft der OHG ein Fahrzeug für 50.000 DM. Nachdem X die Zahlung vom unwissenden Ulf verlangt, stellt sich der Fehler heraus. X möchte nun den Kaufpreis von Ulf zurückfordern.
Kann X den Kaufpreis von Ulf verlangen?
Nein, X kann den Kaufpreis von Ulf nicht verlangen. Obwohl ein wirksamer Kaufvertrag zwischen X und der OHG besteht, war Ulf nie Gesellschafter. Ein Anspruch nach § 433 II BGB i.V.m. § 128 HGB besteht somit nicht.
Welche Rechtsgrundlage könnte für einen Anspruch von X gegen Ulf in Betracht kommen?
§ 15 III HGB könnte in Betracht kommen, da diese Norm den Außenstehenden schützt, die im Vertrauen auf eine falsche Bekanntmachung im Handelsregister handeln. Allerdings setzt dies voraus, dass die falsche Eintragung eintragungspflichtig ist (auch wenn falsch), zum Geschäftsverkehr gehört, X keine Kenntnis vom wahren Sachverhalt hatte und im Vertrauen auf die falsche Bekanntmachung handelte.
Warum ist § 15 I HGB nicht anwendbar?
§ 15 I HGB schützt das Vertrauen auf eine zum Zeitpunkt der Rechtshandlung wahre Tatsache, die nicht eingetragen oder bekanntgemacht wurde. Ulf war aber niemals Gesellschafter, daher ist § 15 I HGB nicht anwendbar.
Welche Voraussetzungen müssen für die Anwendung von § 15 III HGB erfüllt sein?
Es muss sich um eine eintragungspflichtige und falsch bekanntgemachte Tatsache handeln (auch wenn die konkrete Tatsache falsch ist, muss sie eintragungspflichtig sein, wenn sie wahr wäre), die zum Geschäftsverkehr gehört. Der Dritte (X) darf keine Kenntnis vom wahren Sachverhalt haben und muss im Vertrauen auf die falsche Bekanntmachung gehandelt haben.
Sind die Voraussetzungen von § 15 III HGB im vorliegenden Fall erfüllt?
Die Gründung einer OHG und die Eintragung der Gesellschafter sind eintragungspflichtig (§ 106 I und II HGB). Die Tatsache war falsch bekanntgemacht. Die Eintragung der Gesellschafter gehört zum Rechtsverkehr. X hatte keine Kenntnis des wahren Sachverhalts. X handelte im Vertrauen auf die unrichtige Bekanntmachung.
Warum kann X trotz scheinbar erfüllter Voraussetzungen von § 15 III HGB den Kaufpreis nicht von Ulf verlangen?
Die herrschende Meinung begrenzt die Anwendbarkeit von § 15 III HGB auf Fälle, in denen der Betroffene die falsche Eintragung zurechenbar veranlasst hat (Veranlassungsprinzip). Ulf hat die falsche Eintragung nicht veranlasst. Eine Mindermeinung beschränkt die Anwendung auf Personen, die mit „solchen Angelegenheiten“ zu tun haben – was auf Ulf nicht zutrifft.
Was ist das Ergebnis des Falls?
X kann von Ulf die Zahlung des Kaufpreises nicht verlangen, da keine Anspruchsgrundlage besteht.
Jörg Herpertz
Übung im Handelsrecht; Thema: § 15 III HGB (Die positive Publizität des Handelsregisters)
Sachverhalt: Alf, Berthold und Christoph gründen die B,C und Co- OHG und beantragen die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Die Eintragung erfolgt, jedoch wird in der Tageszeitung durch einen Fehler des Gerichts die Gesellschaft als "B,C und Co-OHG" mit den Gesellschaftern ULF, Berthold und Christoph eingetragen.
X liest diese Bekanntmachung und freut sich, daß der wohlhabende Ulf am Geschäftsleben teilnimmt. Er verkauft daher der Gesellschaft ein Transportfahrzeug zum Preis von 50.000,00 DM.
Erst als er von dem nichtsahnenden Ulf Zahlung des Kaufpreises verlangt, stellt sich der Irrtum heraus. X ist der Auffassung, Ulf müsse für den Fehler geradestehen. Dieser meint, ihn treffe keine Verantwortung für den Fehler; er habe nichts getan, insbesondere keinen Antrag gestellt und mit der Gesellschaft nichts zu tun.
Kann X die Kaufpreiszahlung in Höhe von 50 TDM von Ulf verlangen ?
Lösung:
Anspruchsgrundlage für die Kaufpreiszahlung durch Ulf könnte § 433 II BGB i.V.m. § 128 HGB sein. Dazu müßte zwischen der OHG und X ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein. Hiervon ist entsprechend dem Sachverhalt auszugehen. Außerdem müßte Ulf Gesellschafter der OHG sein. Ulf ist jedoch nie Gesellschafter der OHG gewesen, somit ist ein Anspruch des X gegenüber Ulf zunächst nicht gegeben.
X könnte sich jedoch auf eine Haftung des Ulf aus § 15 HGB berufen.
§ 15 I HGB ist jedoch nicht anwendbar, da diese Norm das Vertrauen auf eine zum Zeitpunkt der Rechtshandlung wahre Tatsache schützt, die nicht eingetragen oder bekanntgemacht wurde. Ulf ist jedoch niemals Gesellschafter der OHG gewesen, bzw. als solcher vorgesehen gewesen oder eingetragen worden.
Anwendbar wäre jedoch u.U. § 15 III HGB, da diese Norm den Außenstehenden im Vertrauen auf die Richtigkeit einer falschen Bekanntmachung i.S.v. § 10 HGB schützt.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit wäre, daß es sich um eine eintragungspflichtige und falsch bekanntgemachte Tatsache handelt, daß diese Handlung zum Geschäftsverkehr gehört und daß X keine Kenntnis vom wahren Tatbestand hatte. Außerdem müßte X im Vertrauen auf die falsche Bekanntmachung gehandelt haben.
- Die Gründung einer OHG sowie die Eintragung dieser und der Gesellschafter in das Handelsregister ist gemäß § 106 I und II HGB eintragungspflichtig. Ulf war jedoch niemals Gesellschafter der OHG und hätte somit nicht eingetragen werden müssen. § 15 III versteht die Eintragungspflicht jedoch im abstrakten Sinne, es kommt darauf an, daß die Tatsache, wenn sie wahr wäre, eintragungspflichtig wäre. Somit wäre diese Teilvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 15 III HGB erfüllt.
- Die Tatsache ist entsprechend dem Sachverhalt falsch i.S.v. § 10 HGB bekannt gemacht worden.
- Die Eintragung der Gesellschafter einer OHG gehört zum Rechtsverkehr.
- X hatte entsprechend dem Sachverhalt keine Kenntnis von der wahren Rechtslage, hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.
- X hat, da ihm Ulf als wohlhabend bekannt war, im Vertrauen auf die unrichtige Bekanntmachung gehandelt, dieses Vertrauen muß nicht ursächlich für das Rechtsgeschäft sein. Auch grob fahrlässige Unkenntnis schadet bei § 15 III nicht.
Nach strenger Auslegung des Rechtscheinsprinzips des § 15 III sind die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Ulf auf Kaufpreiszahlung gegeben, nach dem Abstraktionsgedanken (Es kommt darauf an, daß die Tatsache, wenn sie wahr wäre, eintragungspflichtig wäre) in Bezug auf die eintragungspflichtige Tatsache, hier die Gesellschafterstellung des Ulf. Diese Auslegung würde zwar das Verkehrsschutzbedürfnis des Dritten (Außenstehenden, hier der X) schützen, wäre jedoch unbillig gegenüber dem, entsprechend dem Sachverhalt, völlig unbeteiligtem Ulf.
Die h.M. begrenzt deshalb die Anwendbarkeit des § 15 III HGB entsprechend des
Rechtsscheins durch das Veranlassungsprinzip des Gewohnheitsrechtssatzes. So kann nur der in Anspruch genommen werden, der die falsche Eintragung zurechenbar veranlaßt hat.
Entsprechend dem Sachverhalt ist von einer Veranlassung der Eintragung durch Ulf nicht auszugehen.
Nach einer Mindermeinung ist, entsprechend der Formulierung des § 15 III HGB, diese Norm auch nur gegenüber dem anwendbar, der "solche Angelegenheiten" überhaupt hat. Hiervon ist bei einer völlig unbeteiligten Privatperson, dem Ulf, ebenfalls nicht auszugehen. (Anm. hier des korrigierenden Dozenten: Hier sollte noch eine Entschließung zugunsten einer der dargestellten Meinungen folgen).
Ergebnis: X kann von Ulf die Zahlung des Kaufpreises mangels Anspruchsgrundlage wie dargelegt nicht verlangen.
- Arbeit zitieren
- Jörg Herpertz (Autor:in), 2000, Die positive Publizität des Handelsregisters, § 15 Abs. 3 HGB, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/97415