Beim Aufeinandertreffen von AGB und kaufmännischen Bestätigungsschreiben (KBS) stellt sich schnell die Frage, unter welchen Voraussetzungen AGB wirksam durch ein KBS in einen Vertrag einbezogen werden können. Damit eine Einbeziehung möglich ist, müssen zunächst die Wirksamkeitsvoraussetzungen des KBS erfüllt sein, schließlich sind die konkreten Einbeziehungsvoraussetzungen von AGB zu beachten und etwaige Probleme und Sonderfälle zu berücksichtigen.
In der schnelllebigen und international ausgerichteten Geschäftswelt gibt es einen großen Bedarf an unkomplizierten, praxisnahen Rechtslösungen, die Flexibilität und Rechtssicherheit zugleich sicherstellen. Als solche haben sich insbesondere das kaufmännische Bestätigungsschreiben („KBS“) und Allgemeine Geschäftsbedingungen („AGB“) als nützlich erwiesen. Während Ersteres als ein bereits vom Reichsgericht aus Handelsbräuchen (§346 HGB) abgeleitetes und inzwischen als Rechtsscheinhaftung kraft verkehrsmäßig typisierten Verhaltens anerkanntes Institut in Bruch des Grundsatzes, dass Schweigen keine Willenserklärung darstellen kann, die Praxis mündlicher Verhandlungen und Vertragsschlüsse von Kaufleuten rechtlich absichert, dient die Verwendung von AGB einer Vereinheitlichung und Beschleunigung von Rechtsgeschäften.
Inhalt
Literaturverzeichnis
A. Einleitung
B. Einbeziehung von AGB durch KBS
I. Wirksamkeitsvoraussetzungen eines KBS
1. Persönlicher Anwendungsbereich
2. Geschäftlicher Kontakt und (vermeintlich) getroffene Vereinbarung
3. Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen geschäftlichen Kontakt und Zugang des KBS
4. Schutzwürdigkeit des Absenders
5. Kein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers
6. Rechtsfolgen des KBS
II. Einbeziehungsvoraussetzungen für AGB
1. Grundsätzliche Abweichungsmöglichkeiten vom Verhandlungsergebnis
2. Einbeziehung von AGB durch KBS
a. Vereinbarung der Geltung von AGB vor KBS
i. Ergänzung der vereinbarten AGB durch KBS
ii. Vorrang der Individualvereinbarung
b. Erstmaliger Verweis auf AGB im KBS
i. Grundsatz im b2b-Verkehr
ii. Ausnahmeregel bei KBS
iii. Branchenüblichkeit der AGB keine Einbeziehungsvoraussetzung
3. Rechtsfolge bei unzulässiger Bestätigung von AGB in KBS
III. Sonderfälle und Probleme
1. Sonderfall: AGB-Einbeziehung unter einen Rahmenvertrag
2. Sonderfall: AGB als Zentralpunkte der vertraglichen Beziehung
3. Problem: Einbeziehung von AGB bei sich kreuzenden KBS
a. Theorie des letzten Wortes
b. Kongruenzmodell
c. Stellungnahme
4. Problem: Verwendung einer qualifizierten Abwehrklausel durch den Empfänger
5. Problem: Anfechtung des KBS
C. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
In der schnelllebigen und international ausgerichteten Geschäftswelt gibt es einen großen Bedarf an unkomplizierten, praxisnahen Rechtslösungen, die Flexibilität und Rechtssicherheit zugleich sicherstellen. Als solche haben sich insbesondere das Kaufmännische Bestätigungsschreiben („KBS“) und Allgemeine Geschäftsbedingungen („AGB“) als nützlich erwiesen. Während ersteres als ein bereits vom Reichsgericht aus Handelsbräuchen (§346 HGB) abgeleitetes und inzwischen als „Rechtsscheinhaftung kraft verkehrsmäßig typisierten Verhaltens“1 anerkanntes Institut in Bruch des Grundsatzes, dass Schweigen keine Willenserklärung darstellen kann, die Praxis mündlicher Verhandlungen und Vertragsschlüsse von Kaufleuten rechtlich absichert, dient die Verwendung von AGB einer Vereinheitlichung und Beschleunigung von Rechtsgeschäften. Beim Aufeinandertreffen von AGB und KBS stellt sich schnell die Frage, unter welchen Voraussetzungen AGB wirksam durch ein KBS in einen Vertrag einbezogen werden können. Damit eine Einbeziehung möglich ist, müssen zunächst die Wirksamkeitsvoraussetzungen des KBS erfüllt sein (I.), schließlich sind die konkreten Einbeziehungsvoraussetzungen von AGB zu beachten (II.) und etwaige Probleme und Sonderfälle zu berücksichtigen (III.).
B. Einbeziehung von AGB durch KBS
I. Wirksamkeitsvoraussetzungen eines KBS
Nur wenn der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist (1.), ein geschäftlicher Kontakt zwischen Absender und Empfänger besteht und (vermeintlich) eine Vereinbarung getroffen wurde (2.), ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen geschäftlichem Kontakt und Zugang des KBS besteht (3.), der Absender schutzwürdig ist (4.) und kein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers vorliegt (5.), können die Rechtsfolgen des KBS eintreten (6.).
1. Persönlicher Anwendungsbereich
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass möglicher Empfänger eines KBS ein Kaufmann i.S. der §§1ff. HGB oder Scheinkaufmann ist oder gleich einem Kaufmann in größerem Umfang selbstständig am Rechtsverkehr teilnimmt2. Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen, da sie erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten und damit Rechtsunsicherheit mit sich bringt. Aus diesem Grund genügt es vielmehr, wenn der Empfänger Unternehmer i.S. des §14 BGB ist3.
Möglicher Absender eines KBS ist laut Rechtsprechung4 und Teilen der Literatur5 auch nur ein Kaufmann i.S. des HGB oder wie ein Kaufmann in größerem Umfang selbständig am Rechtsverkehr Teilnehmender. Unter Berücksichtigung des Rechtsgedanken des §345 HGB und in Analogie zu §§75h, 91a, 362 HGB liegt jedoch nahe, dass der Absender jedermann sein kann6.
2. Geschäftlicher Kontakt und (vermeintlich) getroffene Vereinbarung
Vor dem KBS muss es bereits zu einem hinreichend konkretisierten geschäftlichen Kontakt zwischen den Beteiligten gekommen sein7. Denn das KBS muss im Zusammenhang mit über den Vertrag geführten Verhandlungen und einem tatsächlichen oder vermeintlichen Vertragsschluss (mündlich oder teilweise schriftlich8 ) stehen9. Andernfalls besteht für den Empfänger kein Anlass dem Schreiben unverzüglich zu widersprechen.
Handelt der Absender nicht im Glauben, dass sein KBS lediglich den Inhalt eines bereits geschlossenen Vertrags wiederholt, liegt lediglich eine abweichende Auftragsbestätigung vor, die gem. §150 II BGB als neuer Antrag zu verstehen ist10.
3. Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen geschäftlichen Kontakt und Zugang des KBS
Dem Empfänger muss das KBS innerhalb einer kurzen Frist nach dem Vertragsschluss tatsächlich zugehen (§130 I 1 BGB analog)11. Innerhalb welcher Zeitspanne das KBS zugehen muss, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einige Tage sind dem Absender hier zuzusprechen12, drei Wochen sind hingegen in der Regel nicht mehr ausreichend13.
4. Schutzwürdigkeit des Absenders
Der Absender ist nur dann schutzwürdig, wenn er in gutem Glauben handelt, also auf den Rechtsschein der Zustimmung vertrauen darf14. Weicht er im KBS bewusst vom vorher Vereinbarten ab oder entfernt sich soweit, dass er vernünftigerweise nicht mit einem Einverständnis des Empfängers rechnen darf, so fehlt es an dieser Voraussetzung15. Aus einer Analogie zu §173 BGB und §54 III HGB ergibt sich, dass fahrlässige Unkenntnis des Absenders hier nicht schädlich ist16.
5. Kein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers
Da von dem Empfänger eines KBS erwartet wird, dass er das erhaltene Schreiben auf Übereinstimmung mit dem mündlich Besprochenen überprüft, kann er die Rechtsfolgen des KBS in der Regel nur verhindern, wenn er unverzüglich nach Zugang des KBS diesem widerspricht17. Die Unverzüglichkeit ergibt sich aus einer Analogie zu §362 I 1 HGB und ist i.S. des §121 I 1 BGB zu verstehen. Die Widerspruchsfrist bemisst sich also nach den Umständen des Einzelfalls.
6. Rechtsfolgen des KBS
Durch das Bestätigungsschreiben wird der Inhalt des mündlich bzw. fernmündlich geschlossenen Vertrages ergänzt oder geändert beziehungsweise zu Beweiszwecken niedergelegt. Wurde vor dem KBS noch kein Vertrag geschlossen, so hat das KBS konstitutive Wirkung und führt zu einem Vertragsschluss mit dem Inhalt des KBS18.
II. Einbeziehungsvoraussetzungen für AGB
Bei der Einbeziehung von AGB durch KBS sind zwei Fälle zu unterscheiden: Wurde das Verhandlungsergebnis beziehungsweise der Vertragsschluss (einschließlich der (Nicht-)Geltung von AGB) im KBS exakt wiedergegeben, ergeben sich keine Probleme. Spannender ist es, wenn im KBS vom Verhandlungsergebnis abgewichen wird. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob und in welchem Maß überhaupt Ergänzungen und Änderungen des vorher mündlich Besprochenen durch KBS möglich sind.
1. Grundsätzliche Abweichungsmöglichkeiten vom Verhandlungsergebnis
Da das KBS dem Zweck dient, die wesentlichen Inhalte der Verhandlungen festzustellen, werden Ergänzungen grundsätzlich nur dann Vertragsbestandteil, wenn sie nicht wesentlich vom vorher Besprochenen abweichen. Eine Abweichung vom Ergebnis der Vorverhandlungen ist nur möglich, sofern die Abweichungen unbewusst oder gutgläubig vom Absender unrichtig erfolgen und nicht so weit vom Verhandlungsergebnis liegen, dass der Absender mit dem Einverständnis seines Vertragspartners redlicherweise nicht rechnen kann19.
Gutgläubigkeit des Absenders allein reicht hingegen nicht aus, um Klauseln durch das KBS in den Vertrag einzubeziehen, da das Institut des KBS auf die Bestätigung der bereits durchgeführten Verhandlungen ausgerichtet ist. Vielmehr darf kumulativ keine erhebliche Abweichung des Inhalts des KBS vom Verhandlungsergebnis vorliegen. Eine wesentliche Abweichung vom Ergebnis der Verhandlungen indiziert in aller Regel auch ein Fehlen der Gutgläubigkeit des Absenders.
Nach ständiger Rechtsprechung braucht der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens, diesem nicht einmal zu widersprechen, wenn die inhaltliche Abweichung so weit ist, dass der Absender mit dem Einverständnis des Empfängers nicht rechnen kann20.
2. Einbeziehung von AGB durch KBS
Im kaufmännischen Verkehr unterliegt die Einbeziehung von AGB laut §310 I 1 BGB nicht der Einbeziehungskontrolle nach §305 II BGB. Nach §310 I 2 BGB muss zudem auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Bräuche angemessen Rücksicht genommen werden, weswegen die Einbeziehung von AGB durch KBS nicht bereits im Vorhinein ausgeschlossen ist. Ergänzungen in Nebenpunkten, Konkretisierungen, Abweichungen zu Gunsten des Empfängers oder die Einbeziehung eigener AGB berühren die Schutzbedürftigkeit und die Gutgläubigkeit des Absenders eines KBS grundsätzlich nicht21. Folglich können – wie oben bereits angedeutet - AGB durch KBS im Grundsatz wirksam einbezogen werden22.
Es gilt die Fälle zu unterscheiden, in denen die AGB bereits in den Vertragsverhandlungen zur Sprache kommen (a.) oder in denen auf sie erstmalig im KBS hingewiesen wird (b.).
a. Vereinbarung der Geltung von AGB vor KBS
Sofern die Parteien bereits vor Versendung des KBS in den Vertragsverhandlungen eine Vereinbarung zur Geltung von bestimmten AGB getroffen haben, so gelten diese AGB als in den Vertrag einbezogen. Das KBS hat in solchen Konstellationen lediglich eine deklaratorische Bedeutung.
Nun kann jedoch der Fall eintreten, dass der Absender des KBS nicht die AGB bestätigt, auf die in den Vertragsverhandlungen Bezug genommen wurde, sondern im KBS auf andere AGB (meist die eigenen) Bezug nimmt. Hier gilt es zwischen einer bewussten, bösgläubigen und einer unbewussten, gutgläubigen Abweichung zu unterscheiden:
Sofern der Bestätigende bösgläubig von dem Vereinbarten abweicht und den Vertragsschluss bewusst unter Geltung der falschen AGB bestätigt, so werden die AGB kein Vertragsbestandteil23. Es mangelt bereits an der Schutzwürdigkeit des Absenders, der nicht mit einer Zustimmung seines Vertragspartners rechnen kann. Die neuen Klauseln können auch nicht als Ergänzung (sh. unten unter B. II. 2. a. i.) der vereinbarten Bedingungen gesehen werden, da sie diese ersetzen sollen.
Wenn der Absender gutgläubig davon ausgeht, dass der Vertrag unter Geltung seiner AGB vereinbart wurde, dies jedoch nicht dem Ergebnis der Verhandlungen entspricht, so ist dieser Fall wie eine Kollision von AGB zu lösen, da an dieser Stelle davon ausgegangen werden kann, dass die Vertragspartner jeweils den AGB der anderen Partei nicht zustimmen24. Dieser Fall wird unten unter B. III. 3. besprochen.
i. Ergänzung der vereinbarten AGB durch KBS
Nun ist der Fall denkbar, dass in den mündlichen Verhandlungen die Geltung bestimmter AGB vereinbart wurde, der Vertragsschluss durch den Bestätigenden jedoch trotz Kenntnis darüber, dass die Klauseln in den Vertragsverhandlungen nicht vereinbart wurden, unter Geltung weiterer AGB-Klauseln bestätigt wurde. Die Einbeziehung solcher komplett neuen Klauseln scheint auf den ersten Blick eindeutig unzulässig zu sein. Fraglich ist jedoch, ob diese Einschätzung tatsächlich den Bedürfnissen des Handelsverkehrs entspricht. Da das KBS zulässige Ergänzungen, um die es sich bei solchen neuen Klauseln handelt, grundsätzlich billigt, können diese trotz Kenntnis des Absenders, dass die Klauseln in den Vertragsverhandlungen nicht vereinbart wurden, wirksam in einen Vertrag einbezogen werden, wenn die Klauseln ohne große Abweichung zum Verhandlungsergebnis zur Aufklärung beitragen, die eine erleichterte Abwicklung des Vertrages ermöglicht25. Diese Ausnahme ist jedoch restriktiv anzuwenden, da durch sie kein Raum für eine Umgestaltung des gesamten Vertrages, die der Funktion des KBS entgegenstünde, geschaffen werden soll26.
ii. Vorrang der Individualvereinbarung
Es ist zu berücksichtigen, dass der Inhalt des KBS im Verhältnis zu den bereits vorher vereinbarten und in den Vertrag einbezogenen AGB als Individualvereinbarung i.S. des §305b BGB vorrangig gilt. In den Grenzen der zulässigen Änderungen durch KBS können vereinbarte AGB durch KBS daher modifiziert werden. Haben die Parteien im Vorfeld des KBS jedoch einen Vertrag geschlossen, ausdrücklich ohne Geltung der AGB eines der Geschäftspartner, so verstößt die nachträgliche Bestätigung im KBS gegen den Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB. Die AGB sind in diesen Fällen nicht wirksam einbezogen worden oder einzelne Klauseln sind unwirksam. Daraus ergibt sich jedoch keine generelle Unwirksamkeit von erst durch KBS einbezogenen AGB, da das dispositive Gesetzesrecht, das mangels AGB eingreifen würde, nicht als individuell vereinbart i.S. des §305b BGB gilt27.
b. Erstmaliger Verweis auf AGB im KBS
i. Grundsatz im b2b-Verkehr
Im kaufmännischen Geschäftsverkehr gilt grundsätzlich, dass eine erstmalige Bezugnahme auf AGB nach dem Vertragsschluss grundsätzlich ungenügend ist. Hier ist eine Einbeziehung von AGB nur denkbar, wenn der Lieferschein oder die Rechnung, auf denen erstmalig auf AGB Bezug genommen wird, gleichzeitig als Auftragsbestätigung angesehen werden können und der Vertragspartner beispielsweise durch Zahlung oder Nutzung der gelieferten Produkte erkennen lässt, dass er die Leistung (und damit auch die AGB) unwidersprochen annimmt und folglich auch die AGB gegen sich gelten lassen will28.
ii. Ausnahmeregel bei KBS
In der Praxis kommt es dennoch häufig vor, dass auf die AGB erstmalig KBS verwiesen wird. Fraglich ist, ob hier eine wirksame Einbeziehung möglich ist.
Nach gefestigter Rechtsansicht stellt der erstmalige Verweis des Bestätigenden auf seine AGB in aller Regel keine so schwerwiegende Abweichung von dem zuvor Besprochenen dar, dass nach Treu und Glauben nicht mit dem Einverständnis des Empfängers gerechnet werden kann29. Im Baugewerbe beispielsweise, in dem AGB häufig konkludent einbezogen werden, entspricht es der gängigen Praxis, dass AGB durch KBS einbezogen werden, selbst wenn hierüber in den vorgehenden Verhandlungen oder dem Vertragsschluss nicht gesprochen wurde30.
In der Regel reicht es, wenn im KBS deutlich auf die AGB hingewiesen wird, während eine Übermittlung der AGB oder Kenntnis aufseiten des Empfängers nicht erforderlich sind31. Vielmehr genügt es, wenn für den Empfänger die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme ihres Inhalts (beispielsweise nach Anforderung) besteht. Nach diesem Grundsatz können auch Klauseln miteinbezogen werden, von denen der Empfänger nichts weiß32. Das bloße Beifügen der AGB im KBS ohne Hinweis auf die Einigung zur Einbeziehung ist allerdings nicht ausreichend. Eine stillschweigende Vereinbarung von im KBS nicht erwähnten AGB durch KBS ist angesichts des Zweckes des KBS alle Umstände des Vertragsschlusses wiederzugeben nicht möglich33. Wird im KBS also beispielsweise nur ein Teil eines Klauselwerkes („Zahlungsbedingungen“) bestätigt, in der Anlage aber das gesamte Klauselwerk („Verkaufs- und Zahlungsbedingungen“) mitgeschickt wird, so sind nur die besonders genannten Klauseln Inhalt des Vertrages geworden34.
Es gilt in jedem Fall der allgemeine Grundsatz, dass Änderungen und Ergänzungen im KBS nur bei Gutgläubigkeit und keiner wesentlichen Abweichung vom Verhandlungsergebnis möglich sind. Dies ist nicht der Fall, wenn die AGB unübliche Klauseln enthalten, die die Leistungsbestimmung ändern oder überraschend sind. Letztere sind jedoch bereits nach §305c Abs.1 BGB unanwendbar35.
Dogmatisch mag die grundsätzliche Einbeziehung von AGB durch ein KBS zwar auf den ersten Blick überraschen, da es streng genommen an einem schutzwürdigen Vertrauen des Absenders des KBS fehlt, der die Ergebnisse der Vorverhandlungen bewusst modifizieren möchte, doch ist diese Besonderheit angesichts der Üblichkeit der Einbeziehung von AGB im Geschäftsverkehr, der besonderen Hinweiserfordernisse und des erhöhten Sorgfaltsmaßstabes im Verkehr zwischen Kaufleuten gerechtfertigt36.
iii. Branchenüblichkeit der AGB keine Einbeziehungsvoraussetzung
Eine Ansicht besagt, dass im Fall eines erstmaligen Verweises auf die AGB im KBS nur mit einem Einverständnis des Empfängers gerechnet werden kann und damit die AGB durch KBS wirksam einbezogen werden können, wenn es sich um branchenübliche bzw. nicht ungewöhnliche AGB handelt oder die AGB nicht nur unerheblich vom dispositiven Recht abweichen37. Diese Ansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die Tatsache allein, dass AGB branchenunüblich sind, indiziert noch nicht, dass jede Klausel für sich genommen überraschend oder unangemessen ist. An dieser Stelle findet vielmehr eine ausreichende Überprüfung einzelner Klauseln durch die negative Einbeziehungskontrolle und die Inhaltskontrolle statt38. Weichen die AGB teilweise so weit von den branchenüblichen Lösungen ab, dass sie angesichts des Vertragstypus überhaupt nicht mehr passen, können sie auf Grundlage des §305b BGB hinter einer durch den Vertragstypus vorgegebenen Individualabrede zurücktreten39.
Umgekehrt lässt sich kein genereller Grundsatz anzunehmen, dass branchenübliche AGB, ohne vorher zur Sprache gekommen zu sein, generell in den Vertrag einbezogen werden können. Da die Wertungen des AGB-Rechts bei Einbeziehung und Inhaltskontrolle keinerlei Privilegierungen branchenüblicher Bedingungen vorsehen, kann auch hier nicht grundsätzlich von einem Einverständnis ausgegangen werden.
3. Rechtsfolge bei unzulässiger Bestätigung von AGB in KBS
Werden die AGB im KBS trotz Fehlen der oben genannten Einbeziehungsvoraussetzungen bestätigt, hat das zur Folge, dass der Empfänger auch noch nach Ablauf der Widerspruchsfrist die Rechtsfolgen des KBS verhindern kann, indem er darlegt, dass das KBS (bewusst) unrichtig ist40.
III. Sonderfälle und Probleme
1. Sonderfall: AGB-Einbeziehung unter einen Rahmenvertrag
Nicht selten schließen Vertragspartner, die in regelmäßigen Abständen rechtsgeschäftlich miteinander verkehren, einen Rahmenvertrag, der die Rahmenbedingungen für alle aus diesem Rechtsverhältnis folgenden Geschäfte abdecken soll und häufig die Geltung der AGB einer Vertragspartei ergänzend zu den Rahmenbedingungen vorsieht. Aus rechtlicher Perspektive sind solche Vereinbarungen nicht zu beanstanden, wenn in der Rahmenvereinbarung der ausdrückliche Wille der Vertragsparteien deutlich wird, dass alle künftigen Geschäfte unter Geltung der AGB eines der Vertragspartner abgewickelt werden sollen41.
Schließen die Parteien einen Vertrag, der dem Anwendungsbereich des Rahmenvertrages unterfällt, so können durch ein KBS nicht andere als die im Rahmenvertrag vorgesehenen AGB einbezogen werden, da der Absender des KBS andernfalls regelmäßig nicht mit einem Einverständnis des Empfängers rechnen kann42. Einigen sich die Geschäftspartner im Rahmen der Vorverhandlungen bewusst von den Bedingungen des Rahmenvertrages abzuweichen, so können durchaus vom Rahmenvertrag abweichende AGB bestätigt werden, da dem übereinstimmenden Parteiwillen hier Vorrang einzuräumen ist.
[...]
1 BGH NJW 1972, 45 (45).
2 BGHZ 40, 42 (44) = NJW 1963, 1922.
3 Lettl, JuS 2008, S. 850.
4 BGHZ 40, 42 (44) = NJW 1963, 1922; BGH, NJW 1975, 1358 (1359).
5 Palandt/Heinrichs, §148 Rn. 10; Schmidt, §19 III 2b.
6 Baumbach/Hopt/Hopt, §346 Rn. 19; Canaris, §23 Rn. 45; Lettl, JuS 2008, S.851.
7 BGH NJW-RR 2001, 680 (680); OLG Köln NJW-RR 1992, 761 (762).
8 BGHZ 54, 236 (240f.) = NJW 1970, 2021.
9 Oetker, S.189.
10 BGHZ 54, 236 (239); BGH NJW-RR 2001, 680 (680).
11 OLG Köln, NJW-RR 1992, 761 (762); Schärtl, JA 2007, S.569.
12 BGH WM 1975, 324 (325).
13 OLG München BB 1995, 172.
14 Oetker, S.190.
15 BGHZ 40, 42 (44) = NJW 1963, 1922; 61, 282 (286) = NJW 1973, 2106; 93, 338 (343) = NJW 1985, 1333; 101, 357 (365) = NJW 1988, 55; BGH, NJW 1994, 1288.
16 Köhler, §8 Rn.33.
17 BGHZ 18, 212 (213f.).
18 Palandt/Ellenberger, §147 Rn.8.
19 Ampatzi, S. 403.
20 Niebling, NZBau 2012, S.412.
21 Staudinger/Mäsch, BGB, §305 Rndnr. 227.
22 Lettl, JuS 2008, S.852.
23 Ampatzi, S.406.
24 Ebd.
25 Striewe, JuS 1982, S.729; Ampatzi, S.405.
26 OLG Köln, BB 1971, 286.
27 Ampatzi, S.402.
28 Mann, BB 2017, S.2179.
29 BGH, NJW 1973, 2243; BGHZ 7, 187 (190) = NJW 1952, 1369; OLG Düsseldorf, NJW 1965, 761 (763); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Joost, § 346 Rn. 89.
30 Niebling, NZBau 2012, S.412.
31 BGHZ 7, 187 (190 f.) = NJW 1952, 1369; Schmidt, NJW 2011, S.3333.
32 BGH, NJW 1952, 1369.
33 BGH VersR 1974, 327.
34 OLG Düsseldorf, NJW 1965, 762.
35 Mann, BB 2017, S.2180.
36 Schärtl, JA 2007, S.572.
37 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Pfeiffer, § 305 BGB Rn. 135; Koller/Roth/Morck/Roth, § 346 Rn. 33.
38 Schmidt, NJW 2011, S.3333f.
39 Ebd., S.3334.
40 Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 52.
41 BGH, NJW-RR 1987, 112.
42 Mann, BB 2017, S.2180.