Frequently Asked Questions: Die WTO-Streitschlichtung am Beispiel des Bananenstreits
Was ist der Gegenstand des Textes?
Der Text analysiert das Dispute Settlement Procedure (DSP) der Welthandelsorganisation (WTO) und seine Anwendung im Bananenstreit zwischen der EU und den USA. Er beleuchtet die Rechtsquellen, das Verfahren, die Rolle von Sanktionen und das Verhältnis zwischen unilateralen Maßnahmen und dem multilateralen Schlichtungsverfahren. Der Fokus liegt auf der Perspektive der EU und den Herausforderungen des Systems im Umgang mit Interessenkonflikten und nationaler Souveränität.
Was ist das Dispute Settlement Procedure (DSP)?
Das DSP ist das Streitschlichtungsverfahren der WTO. Es dient der friedlichen Beilegung von Handelsstreitigkeiten zwischen Mitgliedsstaaten. Der Text beschreibt detailliert die einzelnen Phasen: Konsultationen, Panel-Verfahren, Berufung vor dem Standing Appellate Body (SAB), Implementation der Entscheidungen und die Möglichkeit der Verhängung von Sanktionen. Eine wichtige Neuerung gegenüber dem vorherigen GATT-System ist die Einführung des negativen Konsenses und des SAB, wodurch das Verfahren effizienter und gerichtsähnlicher geworden ist.
Wie funktioniert das DSP im Detail?
Ein Mitgliedsstaat kann ein Verfahren einleiten, wenn er glaubt, dass durch das Verhalten eines anderen Mitgliedsstaates Vorteile aus dem WTO-Abkommen aufgehoben oder beeinträchtigt werden. Nach Konsultationen wird ein Panel gebildet, das den Fall untersucht und einen Bericht erstellt. Dieser Bericht wird vom Dispute Settlement Body (DSB) angenommen, es sei denn, ein negativer Konsens wird erzielt. Die Entscheidung des Panels kann vor dem SAB angefochten werden. Die unterlegene Partei muss die Entscheidung umsetzen, andernfalls können Sanktionen verhängt werden, jedoch nur nach strikten Regeln und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips.
Welche Rolle spielen Sanktionen im DSP?
Sanktionen sind im DSP vorgesehen, sollen aber als ultima ratio dienen. Der Text betont die Gefahren und Nachteile unilateraler Sanktionen für den Welthandel und deren potenziell negative Auswirkungen. Das DSU versucht, unilaterale Maßnahmen in das multilaterale Verfahren einzubinden, indem strenge Voraussetzungen für deren Anwendung definiert werden. Sanktionen sind nur nach einer Entscheidung des Panels und nach erfolglosem Versuch der Kompensation zulässig, müssen verhältnismäßig sein und können nur befristet verhängt werden.
Wie verlief der Bananenstreit?
Der Bananenstreit ist ein komplexer Fall, der die verschiedenen Phasen des DSP verdeutlicht. Zentralamerikanische Staaten und später die USA klagten gegen die EU-Bananenverordnung. Es gab mehrere Panel-Verfahren und eine Berufung vor dem SAB, die die Verordnung als GATT- bzw. WTO-widrig einstuften. Trotz Anpassungen der Verordnung durch die EU blieben die Streitigkeiten bestehen, und die USA verhängten schließlich Sanktionen gegen die EU, was zu weiteren Rechtsstreitigkeiten führte. Der Text zeichnet den Ablauf detailliert nach und analysiert die rechtlichen und politischen Aspekte des Konflikts.
Wie beurteilt der Text das Verhältnis zwischen Sanktionen und dem DSP aus der Sicht der EU?
Der Text analysiert die EU-Perspektive im Bananenstreit und ihre Kritik an den US-Sanktionen. Die EU argumentiert, dass die USA die Regeln des DSP nicht eingehalten hätten und die Sanktionen unverhältnismäßig und vorzeitig verhängt wurden. Die EU betont die Bedeutung der Einhaltung des multilateralen Systems und weist auf die Gefahren unilateraler Maßnahmen für den Welthandel hin. Sie vertritt die Auffassung, dass die USA ihr eigenes innerstaatliches Recht (Section 301) dem WTO-Recht vorgezogen haben. Gleichzeitig wird die interne Gesetzgebung der EU (Neues Handelspolitisches Instrument) kritisch betrachtet, da diese ebenfalls nicht uneingeschränkt mit den WTO-Regeln vereinbar ist.
Welche Schlussfolgerungen zieht der Text?
Der Text schließt mit der Feststellung, dass der Bananenstreit die Herausforderungen des WTO-Systems verdeutlicht. Das sensible Gleichgewicht zwischen multilateralen Regeln und nationaler Souveränität muss weiter ausgebaut werden. Die EU und die USA sollten sich an die Regeln des DSP halten, um den multilateralen Handel zu schützen. Eine Erweiterung des DSP hin zu mehr supranationaler Durchsetzungsmacht wird als fraglich bewertet, solange die bestehenden Möglichkeiten noch nicht voll ausgeschöpft sind. Der Text plädiert für eine stärkere Beachtung der Regeln und eine friedliche Beilegung von Handelsstreitigkeiten.
Inhaltsverzeichnis
A) EINLEITUNG
B) DAS DISPUTE SETTLEMENT PROCEDURE (DSP)
I) RECHTSQUELLEN
II) DAS STREITSCHLICHTUNGSVERFAHREN
1. ALLGEMEINES
2. DER DISPUTE SETTLEMENT BODY (DSB)
a) Zusammensetzung / Aufgaben
b)”negativer-Konsens”- Verfahren
3. KONSULTATIONEN
4. DAS PANEL
a) Zusammensetzung
b) Fristen
c) Der Bericht
4. DER STANDING APPELLATE BODY (SAB)
a) Zusammensetzung
b) Fristen
c) Der Bericht
5. DIE IMPLEMENTATION
6. SANKTIONEN
7. ZUSAMMENFASSUNG: VERGERICHTLICHUNG DES DSP
C) DAS BANANENDRAMA IN SIEBEN AKTEN
I) DIE VO 404/93 (INHALT DER REGELUNG)
II) DAS ERSTE PANEL-VERFAHREN NACH GATT´47
III) DAS ZWEITE PANEL-VERFAHREN NACH GATT´94
IV) VERFAHREN VOR DEM SAB
V) DER EUGH
VI) ÄNDERUNG DER VO / ERNEUTE GATT-WIDRIGKEIT
VII) US-SANKTIONEN
D) VERHÄLTNIS SANKTIONEN - DSP (SICHT DER EU)
I) ALLGEMEINES
1. GEFAHR / NACHTEILE VON SANKTIONEN
2. EINBINDUNG IN DAS DSP
3. S.301 UND NEUES HANDELSPOLITISCHES INSTRUMENT
4. ZUSAMMENFASSUNG
II) IM BANANENSTREIT
1. “BANANENSPEZIFISCHE” EINWÄNDE DER EU
2. WTO-RECHTLICHE EINWÄNDE DER EU
3. HANDELSPOLITISCHE EINWÄNDE DER EU
E) SCHLUßWORT
A) Einleitung
Handel und Wirtschaft sind ein Gebiet internationaler Beziehun- gen, auf das die Schlagwörter ”Globalisierung” und ”internationale Vernet- zung” tatsächlich in hohem Maße zutreffen. Kein Staat kann ohne Han- delsbeziehungen zu anderen Staaten wirtschaftlich überleben; die gegen- seitige Abhängigkeit nimmt weiter zu. Dementsprechend entwickelt sich auch das Völkerrecht besonders intensiv und dynamisch im Bereich des internationalen Handelsrechts; die Europäische Union (EU) als ehemals reine Wirtschafts- und Handelsunion, die inzwischen sogar ihren völker- rechtlichen Ursprung hinter sich gelassen und eine eigene Rechtsordnung geschaffen hat, ist hierfür ein gutes Beispiel. Ein weiteres Beispiel für dynamisch voranschreitendes internationales Handelsrecht ist das Gene- ral Agreement of Tariffs and Trade von 1947 (GATT´47), das in der Uru- guay-Runde 1994 durch das WTO-Abkommen zur Welthandelsorganisa- tion (WTO) ausgebaut und durch das GATT´94 sowie eine Reihe weiterer Abkommen ergänzt wurde. Ziel des GATT und schließlich der WTO war und ist die Liberalisierung des Welthandels. Durch das Schaffen eines völkerrechtlichen Regelwerks ist es den Staaten zunehmend gelungen, Handelshemmnisse wie Zölle und Kontingentierungen abzubauen. Die WTO hat hierdurch - an der Seite von Weltbank und Internationalem Währungsfond - große Bedeutung für den Welthandel erlangt.
Der fortschreitende Ausbau des internationalen Wirtschaftsrecht illustriert auch, welche überragende Bedeutung ökonomische Beziehun- gen für die Weltpolitik im Ganzen und vor allem für den Weltfrieden haben - immerhin geht es letztlich um die Erfüllung der materiellen Vorausset- zungen für das Überleben jedes einzelnen Menschen. Das Funktionieren der Wirtschaft hat großen Einfluß auf die Überlebensfähigkeit der einzel- nen Staaten.
Lange Zeit waren die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten ausschließlich geprägt von einem machtorientierten Protektio- nismus, der allein daran interessiert war, den eigenen Markt auf Kosten aller anderen zu schützen, für das Wohlergehen seiner Wirtschaft zu sorgen und so seinem Machterhaltungsinteresse nachzugehen. In dem Maße, wie die Staaten zur Erlangung und Sicherung wirtschaftlichen Wohlstands zunehmend aufeinander angewiesen sind, sehen sie sich gezwungen, Schritt für Schritt vom Protektionismus zu lassen und sich auf Kooperation und Liberalisierung umzustellen. Die schockierenden Erfah- rungen der Wirtschaftskrisen in den 30ger Jahren dieses Jahrhunderts gaben den endgültigen Anstoß für diesen Trend.
Interessenkonflikte können in einem kooperativen System nicht mehr als bloße Machtkämpfe ausgetragen werden. Es entsteht das Be- dürfnis nach differenzierten Regelungen des Miteinanders und nach Ver- fahren, in denen Konfliktfälle auf andere Art gelöst werden. Im Zusam- menhang mit dieser Tendenz weg vom machtorientierten Protektionismus und hin zu einem regelorientierten Liberalismus verlangen die Streit- schlichtungssysteme deshalb besondere Aufmerksamkeit. In ihnen liegt die Alternative zum (handelspolitischen) Machtkampf. Die Erfahrung zeigt aber, daß sich die Staaten nur sehr zögerlich oder gar nicht bereit finden, ihre Souveränität zugunsten eines Entscheidungsgremiums einzuschrän- ken.
Die WTO verfügt mit dem 1994 festgeschriebenen Dispute Sett- lement Procedure (im folgenden kurz: DSP) über ein vergleichsweise hoch entwickeltes Schlichtungsverfahren, das sich schon an vielen Streit- fällen beweisen mußte. Der bis heute noch nicht abgeschlossene Streit um die EG-Verordnung (VO) Nr. 404/93 (im folgenden kurz: Bananen- VO) stellt eine Zerreißprobe für das DSP dar: Halten sich die Streitpartei- en an die Regeln der WTO oder greifen sie doch auf unilaterale, macht- orientierte Kampfmaßnahmen zurück?
Diese Frage soll die vorliegende Arbeit aus Sicht der EU untersu- chen. Hierzu wird zunächst das DSP dargestellt; danach wird der Verlauf des Streitfalls gezeigt. Das letzte Kapitel soll den Schwerpunkt der Arbeit bilden und sich mit den Ursachen und den Auswirkungen handelspoliti- scher Sanktionen am Beispiel des Bananenfalls auseinandersetzen.
B) Das Dispute Settlement Procedure (DSP)
I) Rechtsquellen
Das GATT´47 und das dieses größtenteils übernehmende GATT´94 liefern in Art.XXII und XXIII dem Schlichtungsverfahren eine Rechtsgrundlage. Nach Art.XXII soll es im Streitfall zu Konsultationen kommen; falls diese scheitern, sieht Art.XXIII vor, daß unter den Voraus- setzungen des Abs.1 nach einer Untersuchung des Falls durch alle Ver- tragsparteien Empfehlungen oder ”rulings” (eine Art Urteil) ausgespro- chen werden. Als letztes eröffnet Art.XXIII:2 die Möglichkeit, gegenüber der verletzenden Vertragspartei Verpflichtungen und Vorteile zu suspendieren, die zu deren Gunsten im GATT bestehen1.
Diese eher knapp formulierte Rechtsgrundlage wurde durch die GATT-Praxis erweitert und ausgebaut. Die hierbei entwickelten Verfahren fanden Eingang in das Abschlußdokument der Uruguay-Runde, wo im Annex 2 durch das ”Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes” (im folgenden kurz: DSU) eine umfassende Kodifizierung des bislang praktizierten Verfahrens und einige noch dar- über hinausgehende Verbesserungen vorgenommen werden2. Das DSU bildet heute die eigentliche Grundlage der WTO-Streitschlichtung.
II) Das Streitschlichtungsverfahren
Um einen Überblick über die Schlichtungsmethoden der WTO zu verschaffen, werden im folgenden die einzelnen ”Stationen” des DSP kurz aufgezeigt. Dabei werden Neuerungen hervorgehoben, die man aufgrund der Erfahrungen mit dem GATT´47-Schlichtungs-verfahren eingeführt hat.
1. Allgemeines
Das Schlichtungsverfahren kann von jedem GATT-Vertragsstaat in Gang gesetzt werden, der vorbringt, daß aufgrund des Verhaltens eines anderen Vertragsstaats ”any benefit [...] under this Agreement [...] is being nullified or impaired” oder daß ”the attainment of any objective [...] is being impeded” (Art.XXIII:1 GATT). Zugrundeliegen kann ein vertragsverletzen- des Verhalten des anderen Staats (”violation complaint”, Art.XXIII:1a)), irgendeine andere Maßnahme (”non-violation complaint, Art.XXIII:1b)) oder eine sonstige Situation (”situation complaint”, Art.XXIII:1c)). Von den bisher durchgeführten Verfahren waren 90% violation complaints, die den Vorwurf von ”nullification or impairment” betrafen3.
Gemäß Art.1:1 DSU gelten die Verfahrensregeln nicht nur für das GATT betreffende Streitigkeiten, sondern für sämtliche in das WTOAbkommen integrierte Verträge4. Früher mußte zur Behandlung einer Frage, die mehrere verschiedene Abkommen betraf, eine entsprechende Anzahl parallel arbeitender Panels5 eingerichtet werden, was zu einer Verkomplizierung des Vorgehens führte6. Durch die Vereinheitlichung des Verfahrens wird dessen Effektivität erheblich erhöht.
2. Der Dispute Settlement Body (DSB)
a) Zusammensetzung / Aufgaben
Der DSB ist der administrative Körper des DSP7. In ihm sind alle Vertragsstaaten vertreten. Gemäß Art.2:1 DSU etabliert der DSB Panels, nimmt deren Berichte an, überwacht die Implementation und autorisiert gegebenenfalls zur Suspension von Vertragspflichten.
b)”negativer-Konsens”- Verfahren
Obwohl Art.XXV:4 GATT´47 eine einfache Mehrheit unter den Vertragsparteien zur Annahme von Panel-Berichten ausreichen ließ, war es immer feststehende Praxis, hierbei nur durch Konsens, also auch mit der Stimme der unterlegenen Partei zu entscheiden8. Dadurch bestand für den Vertragsverletzer die Möglichkeit, das DSP zu blockieren; ihm kam eine Art Vetorecht zu. Aus diesem Grund wurde dem DSP häufig Ineffek- tivität vorgeworfen9.
Für das Entscheidungsverfahren des DSB sieht Art.2:4 DSU e- benfalls Konsens der anwesenden Parteien vor. Gemäß Art.16:4 DSU bedeutet das aber bzgl. der Annahme von Panel-Berichten, daß ein sol- cher als angenommen gilt, sofern nicht konsensual dagegen entschieden wird. Durch dieses ”negativer Konsens” genannte Prinzip entsteht ein ”Zustimmungs-Automatismus”10, der das Panel-Verfahren in die Nähe einer Verurteilung bringt: Da ein ablehnender Konsens in der Praxis un- wahrscheinlich ist, kommt dem Panel faktisch unabhängige Entschei- dungsgewalt zu.
3. Konsultationen
Die Durchführung von Konsultationen nach Art.4 DSU ist Voraus- setzung der weiteren Streitschlichtung11 ; das Verfahren ist in den elf Ab- sätzen der Norm genau geregelt. Wichtig ist, daß schon in diesem frühen Stadium der Streitschlichtung Fristbestimmungen gelten - nach Art.4:3 DSU muß eine Antwort auf das Konsultationsbegehren innerhalb von zehn Tagen, die Verhandlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfolgen -, durch die das vormals zu langwierige DSP beschleunigt werden soll.
Neben Konsultationen bietet Art.5 DSU einige weitere Schlichtungsmittel an, die aber freiwillig und unverbindlich sind.
4. Das Panel
Schon vor 1994 entwickelte die Staatenpraxis das Verfahren der Panel-Einsetzung. Ein Gremium wurde mit drei bis fünf unabhängigen Ex- perten besetzt und bekam die Aufgabe übertragen, Empfehlungen und ”rulings” auszuarbeiten, die dann von den Vertragsstaaten ausgespro- chen werden konnten. Diese Weiterentwicklung des GATT wurde in Art.6ff. DSU festgeschrieben.
Gemäß Art.11 DSU besteht die Funktion des Panels darin, abs- trakt gesprochen, dem DSB bei der Erfüllung seiner Aufgaben im DSP zu helfen.
a) Zusammensetzung
Gemäß Art.8:1 DSU besteht das Panel aus qualifizierten Personen, die nicht notwendig Völkerrechtler sein müssen. Nach Art.8:5 DSU bilden drei Personen ein Panel.
b) Fristen
Wie oben erwähnt war die Langsamkeit und daraus folgende Ineffektivität neben dem positiven Konsensprinzip der zweite Hauptnachteil des ursprünglichen DSP nach GATT´4712. Um dem entgegenzuwirken, wurde vor allem die Panel-Entscheidung an einen engen Zeitrahmen gebunden. Nach Art.12:8 DSU soll ein Bericht innerhalb von sechs Monaten, bei Dringlichkeit sogar in drei Monaten ergehen; nach Art.12:9 DSU sollen jedenfalls neun Monaten nicht überschritten werden.
c) Der Bericht
Der Panel-Bericht orientiert sich an dem Mandat, welches dem Panel übertragen wurde; ein Standardmandat wird zu Vereinfachung in Art.7 DSU ausformuliert. Danach sollen die vorgelegten Fragen unter- sucht und dem DSB Vorschläge unterbreitet werden, in welcher Art die in Art.XXIII:1 GATT erwähnten Empfehlungen und ”rulings” ergehen sollen. Gemäß Art.16 DSU muß der Bericht vom DSB angenommen werden13.
Bereits unter GATT´47 wurde von vielen Autoren anerkannt, daß der Panel-Bericht durch die Annahme zu ”sekundärem GATT-Recht”14 oder jedenfalls zu verbindlichem Recht wird15 und zudem eine gewisse Präzedenzwirkung für künftige Fälle hat, also die Entstehung einer Art Panel-”case law” möglich ist. Seitdem mit dem Standing Appellate Body (SAB) eine ”Revisionsinstanz” eingeführt wurde, müßte wohl bezüglich der Entscheidungsverbindlichkeit auch von einem ”Suspensiveffekt” der Rechtsmitteleinlegung ausgegangen werden.
4. Der Standing Appellate Body (SAB)
Der SAB ist eine weitere der 1994 eingeführten wichtigen Neue- rungen. Die ”Vergerichtlichung” des DSP wurde durch das Errichten einer Revisionsinstanz einen großen Schritt vorangetrieben. In diesem Zu- sammenhang spielt der durch den negativen Konsens erzeugte ”Zustim- mungs-Automatismus” eine Rolle - der Vertragsverletzer kann sich zwar gegen die Panel-Entscheidung nicht mehr durch ein Veto wehren, dafür steht ihm aber ein Rechtsmittel zu16.
a) Zusammensetzung
Gemäß Art.17:1 DSU besteht der SAB aus sieben ständigen Mitgliedern, von denen immer jeweils drei einen Fall zu entscheiden haben. Nach Art.17:3 SAB sollen die SAB-Mitglieder Rechts- und Handelsexperten und unabhängig von den Vertragsstaaten sein.
b) Fristen
Aus den oben genannten Gründen ist auch der SAB an einen strengen Zeitplan gebunden. Seine Entscheidung soll innerhalb von 60 Tagen, jedenfalls nicht später als nach 90 Tagen fallen (Art.17:5 DSU). Ein so kurzer Zeitraum begünstigt zwar die Effektivität des Verfahrens, indem er dem Interesse an einer schnellen Klärung der Rechtslage ent- gegenkommt, erschwert aber möglicherweise das Finden einer qualitativ hochstehenden Entscheidung17.
c) Der Bericht
Der SAB beschäftigt sich nur mit Rechtsfragen, ist also keine wei- tere Tatsacheninstanz (Art.17:6 DSU). Der Bericht kann die Entschei- dung des Panels aufrechterhalten, modifizieren oder aufheben. Die Pra- xis wird zu klären haben, ob auch eine Zurückverweisung an das Panel möglich sein soll.
5. Die Implementation
Art.21:1 DSU stellt fest, daß die sofortige Erfüllung der Empfeh- lungen und ”rulings” des DSB Voraussetzung für eine effektive Streitlö- sung sind. Gemäß Art.21:3 DSU hat eine Implementation innerhalb einer ”vernünftigen Zeitspanne” zu erfolgen - wie diese festzulegen ist, wird genau bestimmt. Nach Abs.4 soll die zeitliche Höchstgrenze des Schlich- tungsverfahrens inklusive aller Berichte und der Implementation bei 18 Monaten liegen. Die Implementation wird durch den DSB überwacht und bleibt bis zu ihrem Abschluß auf der Agenda (Art.21:6 DSU).
6. Sanktionen
In den Art.22-23 DSU findet sich ein Regelkomplex, der unilaterale Sanktionen gegen handelsschädigendes Verhalten und das WTO- Schlichtungsverfahren in ein Verhältnis zueinander setzt. Hierauf soll im vierten Kapitel der Arbeit ausführlicher eingegangen werden. An dieser Stelle wird insoweit nur der Überblick über das DSP komplettiert.
Wenn der beschuldigte Staat der Entscheidung des Panels nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommt, können nach Art.22:1 DSU Kompensationen für den Verletzten ausgehandelt oder aber Zugeständ- nisse aus dem Vertrag suspendiert werden. Kompensationsleistungen sind freiwillig, können also nicht erzwungen werden. Gemäß Art.22:2 DSU kann nach Scheitern der Kompensationsverhandlungen vom DSB Autori- sierung zur Aussetzung von GATT-vertraglichen Zugeständnissen ge- genüber der beschuldigten Partei verlangt werden. So wird es dem Staat, der sich geschädigt sieht und deshalb ein DSP eingeleitet hat, ermöglicht, auf GATT-konforme Weise unilateral tätigzuwerden. Bei der Wahl der Mittel gibt Abs.III eine Reihenfolge vor, und zwar nach dem Prinzip, daß Sanktionen wenn möglich innerhalb des Sektors erfolgen sollen, in dem die Verletzung stattgefunden hat und nur im Notfall auf Gebieten, die ein anderes Produkt oder sogar ein anderes Abkommen betreffen (sog. cross-retaliation18 ). Letztlich gehören zu den möglichen Gegenmaßnah- men alle bekannten handelspolitischen Instrumente19. Die Maßnahme muß aber im Verhältnis zur Verletzung stehen, Art.22:4 DSU.
7. Zusammenfassung: Vergerichtlichung des DSP
Durch die aufgezeigten, im DSU eingeführten Neuerungen ist die ”Vergerichtlichung” des DSP ein großes Stück vorangetrieben worden20. Das Schlichtungsverfahren wird erheblich gestärkt durch die Unabhängig- keit seines Verlaufs vom Willen der beschuldigten Partei. Es gibt festge- setzte Stationen wie ein ”Vorverfahren” (Konsultationen), den Eintritt Drit- ter (Art.10 DSU) und eine Rechtsmittelinstanz - Eigenschaften, die an ein gerichtliches Verfahren erinnern.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß das DSP von den Vertragsstaaten häufig genutzt wird und tatsächlich in der Lage ist, eine Menge Streitfälle wirkungsvoll zu lösen; darin unterscheidet es sich von den Schiedsverfah- ren anderer Internationaler Organisationen21. Auch heben die genannten gerichtsähnlichen Eigenschaften das DSP über gewöhnliche Schiedsver- fahren (wie z.Bsp. den Schiedsgerichtshof der Internationalen Handels- kammer) hinaus22. Dem DSP wird deshalb große Bedeutung im internati- onalen Handelsverkehr beigemessen23.
C) Das Bananendrama in sieben Akten
Nachdem im vorangegangenen Kapitel ein allgemeiner Überblick über den Verlauf des DSP verschafft wurde, werden nun die Stationen der Schlichtung im konkreten Fall des Bananenstreits zusammenfassend dargestellt.
I) Die VO 404/93 (Inhalt der Regelung)
Die am 1.7.1993 in Kraft getretene VO 404/93 stellt eine gemein- same Marktordnung für Bananen her, wodurch das in Art.38:1 EGV auf den Agrarbereich erstreckte Ziel der Vollendung des Gemeinsamen Markts (Art.7a EGV) auf dem Bananensektor verwirklicht werden soll. Der heftig umstrittene und inzwischen in verschiedenen Verfahren überprüfte Teil der Verordnung ist Titel IV, in dem die Regelungen des Handels mit Drittstaaten enthalten sind24.
Titel IV sieht für die Bananeneinfuhr eine Kontingentierung und ei- nen abgestuften Zollsatz vor. Dabei wird zwischen verschiedenen Grup- pen von Bananen unterschieden: Die sogenannten traditionellen AKP- Bananen sind solche, die aus vom Lomé IV - Abkommen umfaßten Staa- ten traditionell in EG-Länder importiert werden; diesen steht ein zollfreies Kontingent von 857.000t pro Jahr zu. Weiterhin gibt es die nichttraditionel- len AKP-Bananen, die aus AKP-Staaten stammen, die bisher nicht die EG beliefern und deshalb nicht im Anhang zur Bananen-VO erfaßt sind. Dritt- landsbananen kommen aus anderen als den EG- oder AKP-Staaten. Für die letzten beiden Gruppen normiert Art.18:1 der Bananen-VO ein Kontin- gent von 2,2 Mio.t, innerhalb dessen ein Zoll von 75 Ecu/t erhoben wird. Das entspricht einem Wertzoll, der noch unter den im GATT konsolidier- ten 20% liegt25. Außerhalb dieses Kontingents wird ein Zollsatz von 722 Ecu/t (nichtraditionelle AKP-Bananen) bzw. 822 Ecu/t (Drittlandsbananen) erhoben, was einem Wertzoll von 140% bzw. 180% entspricht (Art.18:2).
Innerhalb des Kontingents findet auch noch eine Aufteilung der An- teile statt, wobei nach Gruppen von Marktbeteiligten (mit begünstigender Wirkung für AKP- und EG-Bananen-Importeure; Art.19), nach Handelstä- tigkeit (Art.20) und nach Exportländern unterschieden wird (Rahmenab- kommen mit Costa Rica, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela, umge- setzt in VO 478/9526 ).
Weiterhin wird in Art.17 der Bananen-VO ein System von Einfuhrlizenzen entwickelt.
II) Das erste Panel-Verfahren nach GATT´47
Im Rahmen des GATT begann der Bananenstreit durch eine Pa- nelerrichtung, die von zentralamerikanischen Staaten (Kolumbien, Gua- temala, Venezuela, Costa Rica) verlangt wurde. Diese Drittstaaten i.S.d. Bananen-VO importierten traditionell Bananen in die EG und fühlten sich von der neuen Kontingentierung, der Aufteilung der Kontingente und den Lizenzregelungen geschädigt; sie brachten also ”nullification or impair- ment” von GATT-Vergünstigungen vor (Art.XXIII:1 GATT). Dieses Panel- Verfahren wurde 1993, also noch vor Errichtung der WTO und Erlaß des DSU durchgeführt und stützte sich demnach allein auf Art.XXIII:2 GATT´47. Am 18.1.1994 erklärte das Panel die Bananen-VO für unver- einbar mit GATT´47, insbesondere mit dem in Art.I enthaltenen ”Meistbe- günstigungsprinzip”27, nach dem alle Vorteile, die ein Vertragspartner für ein Erzeugnis gewährt, auf jedes gleichartige Erzeugnis ausgedehnt wer- den müssen, das aus den Gebieten irgendwelcher anderer Vertragsstaa- ten stammt. Die Vorteilsgewährung durch ein großes zollfreies Kontingent allein gegenüber AKP-Staaten verstieß gegen dieses Prinzip. Weiterhin sah das Panel im Umstellen von einem Wertzoll (20%, im Rahmen des GATT garantiert) auf einen Gewichtszoll (100 Ecu/t vor Abschluß des Rahmenabkommens, danach 75 Ecu/t) eine Verletzung der durch die EG nach Art.II GATT´47 garantierten Zugeständnisse28.
Die EG nutzte aber ihre unter GATT´47 bestehende Möglichkeit, das Verfahren zu blockieren, indem sie den Konsens zur Annahme der Panel-Entscheidung durch das DSB verhinderte. Im folgenden schloß die EG mit den Klägerstaaten das bereits erwähnte Rahmenabkommen ab, das jenen einen bestimmten Kontingentsanteil für Drittlandsbananen ein- räumte, die Zölle senkte und das Erstellen von Ausfuhrlizenzen ermöglich- te, die in der EG begünstigende Berücksichtigung finden sollten. Hier- durch wollte man ein weiteres Vorgehen dieser Staaten gegen die Bana- nen-VO verhindern.
III) Das zweite Panel-Verfahren nach GATT´94
Außer den lateinamerikanischen Ländern, in denen der überwie- gende Teil der sog. Dollarbananen erzeugt wird, zeigen auch die USA ein erhebliches Interesse daran, gegen die Bananen-VO vorzugehen. Dies wird darauf zurückgeführt, daß die nordamerikanischen Bananenkonzer- ne, allen voran ”Chiquita Brands”, großen Einfluß auf die US- Handelspolitik ausüben können29. Nachdem die USA 1995 zunächst ver- geblich versuchten, durch die Androhung von Sanktionen nach s.30130 eine Änderung der Bananen-VO zu erzwingen, leiteten sie gemeinsam mit Ecuador, Guatemala, Honduras und Mexiko am 6.5.1996 ein Schlich- tungsverfahren nach den Regeln des GATT´94 und des neuen DSU ein.
Der am 29.4.1997 ergangene Panel-Bericht kommt wiederum zu dem Schluß, daß Verstöße vorliegen, und zwar gegen Art.I:1, III:4, X:3, XIII:1 GATT´94 sowie gegen Art.I:2 WTO-Abkommen über Einfuhrlizen- zen und gegen Art.II und XVII GATS31. Das Panel mußte sich auch mit der Reichweite des inzwischen von der EG beantragten und am 10.11.1994 erteilten ”Waivers” (einer Ausnahmegenehmigung nach Art.XXV:5 GATT, die eine Bevorzugung der AKP-Staaten ermöglicht, soweit und solange die EG aus den Lomé IV - Abkommen dazu verpflichtet ist32 ) beschäfti- gen. Zusammengefaßt stellt der Bericht fest33: Die im Rahmenabkommen vorgesehene Verteilung von länderspezifischen Exportquoten ist GATT- widrig, solange sie nicht für alle am Bananenexport interessierten Länder geöffnet wird. Der Lomé-Waiver deckt Importkontingente für die AKP- Länder nur in einem Rahmen ab, der von diesen voll ausgeschöpft wer- den kann (Höhe der ”best of ever”-Exporte). Weiterhin darf bei der Zu- weisung von Importlizenzen keine Begünstigung der AKP-Staaten erfol- gen.
Eine Blockademöglichkeit der EG besteht wie oben dargestellt nach dem neuen DSP nicht mehr, dafür aber die Möglichkeit, eine Überprüfung der Entscheidung vor dem SAB zu beantragen.
IV) Verfahren vor dem SAB
Am 8.9.1997 verkündete der SAB seine Entscheidung als Revisi- onsinstanz im Bananenstreit. Diese wurde am 25.9.1997 vom DSB ange- nommen und somit rechtsverbindlich. Das SAB bestätigt den Panel- Bericht in den meisten Punkten und geht an einigen Stellen noch über ihn hinaus. So soll der Lomé-Waiver im Gegensatz zur Annahme des Panel- Berichts auch eine Begünstigung der AKP-Staaten beim Verteilen von Einfuhrlizenzen sowie das Einfuhrkontingent für nichttraditionelle AKP- Bananen nicht decken, da diese Maßnahmen nicht erforderlich seien, um die Verpflichtung aus den Lomé IV - Abkommen zu erfüllen34.
Damit ist die EG im Bananenstreit in allen Punkten unterlegen35. Eine Frist zur Anpassung der Bananenmarktordnung wurde bis zum 1.1.1999 festgesetzt. Die USA drängten darauf, daß das bestehende Kontingentsystem ganz abgeschafft und durch ein Zollsystem ersetzt werden sollte36. Kompensationszahlungen im Sinne von Art.22:1 und 2 DSU wurden von den USA schon im vorhinein abgelehnt; es war also sehr wahrscheinlich, daß die Durchführung von Vergeltungsmaßnahmen seitens der US-Regierung den nächsten Schritt im Bananenstreit darstel- len konnte.
V) Der EuGH
Der EuGH hatte sowohl aufgrund einer Vorlage des VG Frankfurt a.M.37 nach Art.177 EGV als auch in einer Klage der Bundesrepublik Deutschland auf Nichtigerklärung (Art.173:2 EGV) von Titel IV der Bananen-VO zu entscheiden38.
Inhalt der Urteile war einerseits die Rechtmäßigkeit der Bananen- VO nach EG- und andererseits nach GATT-Recht. Der EuGH hat einen Verstoß gegen die Kompetenzvorschriften des EGV, gegen Grundrechte und allgemeine Rechtsgrundsätze (Berufsfreiheit, Eigentumsrecht, allge- meines Diskriminierungsverbot) und gegen das Lomé IV - Abkommen verneint. Bezüglich der GATT-Widrigkeit beschränkte sich der EuGH auf die wichtige Frage, inwieweit eine Rechtspersönlichkeit aus dem inneren Rechtsraum der Gemeinschaft (hier die BRD; zu denken wäre aber auch an private Unternehmen und Einzelpersonen) Akte der EG als Verst öß e gegen GATT-Recht angreifen kann. Es wurde an früheren Entscheidun- gen festgehalten, nach denen zwar die EG an GATT-Regelungen gebun- den ist (Art.228:7 EGV), gleichzeitig aber das ”general scheme and the terms of GATT” berücksichtigt werden müssen, was dazu führt, daß auf- grund der ”Flexibilität” des GATT weder ein Mitgliedstaat noch eine Pri- vatperson sich gegenüber der EG auf GATT-Vorschriften berufen kann39. Dieses Vorgehen des EuGH wurde vielfach kritisiert, da es gerade ange- sichts der seit Errichtung der WTO gestärkten Wirkung der Schlichtungs- regeln nicht mehr ohne weiteres vertretbar scheint, von großer ”Flexibili- tät” auszugehen und zudem ein EuGH-Urteil ohne Erwähnung einer einzi- gen möglicherweise verletzten GATT-Vorschrift und unter Aussparung des ergangenen Panel-Berichts, der die GATT-Widrigkeit der VO fest- stellt, angesichts der Bedeutung der WTO etwas flüchtig wirken muß40.
Weiterhin mußte auch die Rechtmäßigkeit des Rahmenabkom- mens in einer deutschen Klage nach Art.173:2 EGV und in einem Vorla- geverfahren des FG Hamburgs41 (Art.177 EGV) geprüft werden42. Zwar wird in Teilen ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht angenommen; weit- gehend beruft sich aber der EuGH auf das oben dargestellte Urteil zur Bananenmarktordnung und bestätigt die Rechtsmäßigkeit des Rahmen- abkommens43. In dem unter dem Namen ”T-Port” bekanntgewordenen Vorlageverfahren wurde vom FG Hamburg darüber hinaus vorgebracht, die Grundsätze des GATT müßten im vorliegenden Fall wegen Art.234:1 EGV dem Gemeinschaftsrecht vorgehen; das GATT genieße insoweit zeitlichen Vorrang vor dem EG-Recht. Darauf müsse der einzelne sich unmittelbar berufen können. Eine eingehende Prüfung dieser Frage hat der EuGH vermieden, indem er davon ausging, bei den vorliegend betrof- fenen Einfuhren aus Equador komme es auf Art.234 EGV nicht an, da das Land erst nach Erlaß der fraglichen EG-Verordnungen (nämlich 1996) der WTO beigetreten ist und folglich keine ”bereits bestehenden Rechte” haben könne.
Die Kritik rügt auch an diesen Urteilen, daß die Aussparung des inzwischen ergangenen SAB-Berichts zu Fragen der europäischen Bananenmarktordnung nicht nachvollziehbar sei44.
Der weitreichendste Entscheidungsgehalt dieser Urteile (die Ab- lehnung der unmittelbaren Anwendung von GATT-Recht) wird auch im Zusammenhang mit der Untersuchung GATT-gebundener Sanktionen relevant: Da es sich beim WTO-Vertrag um ein gemischtes Abkommen handelt, das sowohl von der EU als auch von den Mitgliedstaaten unter- zeichnet wurde, ist jeder einzelne Staat direkt verpflichtet, für eine Einhal- tung der GATT-Bestimmungen zu sorgen. Indem aber einem Mitgliedstaat (hier der BRD) der Weg zum EuGH abgeschnitten wird, finden die völker- rechtlichen Verpflichtungen dieses Staats unzureichende Berücksichti- gung45. Obwohl der Einzelstaat also keine Möglichkeit hat, sich GATT- gemäß zu verhalten, ist er im Ernstfall den im Rahmen des DSU durch- führbaren Sanktionen uneingeschränkt ausgesetzt. Im Bananenfall sind solche Sanktionen geeignet, die deutsche Exportwirtschaft besonders hart zu treffen46. In einer solchen folgenreichen Verweigerung von Rechtsschutz gegen EU-Handeln könnte aus deutscher Sicht sogar eine Überschreitung der Integrationsschranke gemäß Art.23:1, 3 i.V.m. Art.79:3 GG liegen47.
VI)Änderung der VO / erneute GATT-Widrigkeit
Zur Umsetzung der SAB-Entscheidung beschloß die EU am 30.10.´98 eine Änderung der Bananen-VO, die am 1.1.1999 in Kraft ge- treten ist48. Die wichtigsten Neuregelungen sind die folgenden49: Das bis- herige Drittlandskontingent wird aufrechterhalten; es wird ein zusätzliches Zollkontingent von 353.000t für Drittlandsbananen zum gleichen Zollsatz (75 Ecu/t) errichtet. Für die AKP-Staaten bleibt ein Kontingent von 857.000t ohne Aufteilung auf die einzelnen Länder. Außerhalb der Kontin- gente gilt ein Zoll von 737 Ecu/t für Drittstaaten bzw. von 537 Ecu/t für AKP-Länder.
Von Anfang an war umstritten, inwieweit die Änderungen der Ba- nanen-VO die vom SAB-Bericht verlangten Voraussetzungen erfüllen. Die USA und die lateinamerikanischen Staaten werfen der EU-Kommission nach wie vor GATT-Widrigkeit der Bestimmungen vor50. Für solche Fälle sieht Art.21:5 DSU ein verkürztes Schiedsverfahren vor, bei dem nach Möglichkeit auf das bereits bestehende Panel zurückgegriffen werden soll. Erst nach Abschluß dieses Verfahrens steht der Weg zu Kompensa- tionsverhandlungen und schließlich zur Aussetzung von Konzessionen offen. Auch Art.22:2 DSU (” If the Member concerned fails to bring the measure found to be inconsistent with a covered agreement into compliance... ”) darf nicht so interpretiert werden, daß eine einseitige Feststellung der Nichtkonformität durch den verletzten Staat möglich wä- re; dies würde eine Verschlechterung gegenüber Art.XXIII Nr.2 GATT´47 darstellen, aus dem das Schlichtungsverfahren entwickelt worden ist51.
Ein verkürztes Schlichtungsverfahren nach Art.21:5 DSU betref- fend die VO-Änderungen endete mit dem Ergebnis, daß ein überwiegen- der Teil der neuen VO noch immer gegen WTO-Regeln verstößt52.
VII) US-Sanktionen
Wie oben erwähnt, haben die USA schon vor Erlaß der geänderten Bananenmarktordnung klargestellt, daß sie sich bei einer Nichterfüllung der GATT-Regeln nicht auf Kompensationsverhandlungen einlassen würden. Tatsächlich setzten die USA nach Erlaß der neuen VO im Wege des s.301-Verfahrens schon am 3.3.1999 Sanktionen im Gegenwert von $550Mio. gegen die EU in Kraft.
Am 9.4.1999 veröffentlichten die USA eine Liste mit europäischen Produkten aus 13 Mitgliedstaaten, die von den Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein sollten, und zwar mit einem Wertzoll von 100%53. Es handelt sich nicht um Produkte aus dem Bananensektor, so daß hier vom Vorliegen von ”cross-Sanktionen” ausgegangen werden muß, die wie dargestellt erschwerten Voraussetzungen unterliegen.
Am 6.4.1999 war bereits die Schiedsentscheidung ergangen, die neben einer Erklärung der GATT-Widrigkeit der neuen Bananen-VO auch eine Entscheidung über die Autorisation der USA zu Handelssanktionen gemäß Art.22:2 und 3 DSU enthielt: Demnach seien die USA zur Suspension von Konzessionen an die EU nicht im Wert der beantragten $500Mio., sondern von $191,4 Mio. zu ermächtigen. Eine Änderung der amerikanischen Strategie erfolgte daraufhin nicht.
Die EU war von Beginn an überzeugt, daß eine Sanktionsverhängung vor Entscheidung des Panels über die GATT-Widrigkeit der geänderten VO ihrerseits GATT-widrig sei. Nach Erhalt des Schiedsspruchs forderte sie die USA förmlich auf, die Maßnahme zu beenden und sich an die WTO-Regeln zu halten.
Auf die Sicht der EU in Bezug auf die US-Sanktionen wird unten ausführlich eingegangen54. Hier soll noch bemerkt werden, daß nach dem aktuellsten in dieser Arbeit verwerteten Stand im Bananenstreit neue Be- mühungen der EU zur Angleichung der Bananen-VO zu verzeichnen sind: Am 27.5.1999 akzeptierte die Kommission einen Vorschlag des Rats, der eine Reihe Möglichkeiten aufzeigt, die angegriffene Verordnung zu än- dern55.
D) Verhältnis Sanktionen - DSP (Sicht der EU)
I) Allgemeines
Die Frage, ob im Konfliktfall auf unilaterale Sanktionen oder auf ein Schlichtungsverfahren zurückgegriffen wird, hat ihren Ursprung in der Frage nach der Grundtendenz internationaler Handelspolitik: Gehen die Staaten machtorientiert und protektionistisch vor oder entscheiden sie sich für ein regelorientiertes, multilaterales und liberales System? Jede Rechtsordnung macht zudem die Erfahrung, daß Regel-orientierung und Freiwilligkeit der Rechtsunterworfenen nicht ausreichen, um ein Funktio- nieren zu gewährleisten - sofern nicht ebenfalls Sanktionsmöglichkeiten gegeben sind.
In den Art.22 und 23 DSU kann man den Versuch erkennen, die Möglichkeit und die nach wie vor bestehende Tendenz der Staaten, sich im Konfliktfall mit handelspolitischen Maßnahmen unilateral zur Wehr zu setzen, mit den Zielen des Schlichtungsverfahrens zu verbinden. Dieser ”Trick” kennzeichnet das Verhältnis von Sanktionen und Streitschlichtung im Rahmen der WTO.
1. Gefahr / Nachteile von Sanktionen
Zunächst ist zu fragen, warum eine solche Verbindung überhaupt notwendig ist, was also gegen die unilaterale Durchführung von Zwangsmaßnahmen spricht.
Die Durchführung von Sanktionen ist Ausdruck der staatlichen Souveränität: Die interdependenten Staaten wollen zwar zusammenarbei- ten, sie wollen aber ihre Souveränität nicht einschränken, auch nicht zu- gunsten eines Schlichtungsverfahrens, das ihnen die Möglichkeit zur han- delspolitischen Selbstverteidigung abnimmt. Deshalb beruht die WTO al- lein auf Freiwilligkeit und hat selbst keine Sanktionskompetenzen; in der daraus resultierenden Flexibilität liegt gerade die Stärke der WTO56.
Daß jedoch Sanktionen letztlich allen Staaten schaden, geht schon aus den Entwürfen zu Art.XXIII:2 GATT´47 hervor. Die Einführung des Schlichtungsverfahrens war eine Reaktion auf die schlimmen wirtschaftli- chen Krisen der 30ger Jahre, welche zum Teil auf die Neigung der Staa- ten zu einseitiger Handelsunterdrückung zurückgeführt wurden. Eine der- artige Ausübung von Wirtschaftsmacht wurde als ”Dschungelrecht”, mit anderen Worten: als anarchisches Recht des Stärkeren empfunden57. Bei der Anwendung von Sanktionen kann sich ein Teufelskreis aus Reak- tion und Gegenreaktion ergeben, der im Sinne eines spill-over-Effekts eine immer weitergehende Beschränkung des Handels erzeugt58 ; es ent- steht eine ”protektionistische Lawine”59. Der Protektionismus hat sich aber als entwicklungshemmend und damit wohlstandsreduzierend erwie- sen, so daß die Auffassung, es sei eine Liberalisierung des Handels zum Nutzen aller vorzunehmen, konsensfähig wurde. Sanktionen müssen als liberalisierungsgefährdend angesehen werden.
Hinzu kommt, daß Sanktionen nicht immer das gewünschte Er- gebnis erreichen: Wendet sie ein schwaches gegen ein starkes Land an, bleiben sie wirkungslos; im umgekehrten Fall können sie vernichtende Auswirkungen haben60. Auch sind die Kosten von Sanktionen beträcht- lich61. Unter GATT´47 wurde von den Sanktionsmöglichkeiten nach Art.XXIII:2 GATT´47 nur ein einziges Mal (!) Gebrauch gemacht (Nieder- lande gegen USA 1952); und weil auch in diesem Fall die Kosten der Sanktionen für die Niederlande ebenso hoch waren wie für die USA, wur- den die autorisierten Gegenmaßnahmen nicht einmal voll ausgeschöpft62.
Zudem scheinen handelspolitische Maßnahmen nicht geeignet, auftretende Marktprobleme an der Wurzel zu bekämpfen63. Festzuhalten ist also, daß Wirtschaftssanktionen, die immer eine Deliberalisierung des Welthandels darstellen, erheblichen Schaden für alle Beteiligten verursachen können und deshalb so weit als möglich ver-mieden werden sollen.
2. Einbindung in das DSP
Ein vollkommener Ausschluß von unilateralen Sanktionen er- scheint zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Zum einen steht wie darge- stellt das Souveränitätsinteresse der Staaten entgegen. Zum anderen ist die Rechtsordnung der WTO / des GATT, mag sie sich auch insgesamt auf breiten Konsens unter den Staaten stützen, im Einzelfall zu ihrer Durchsetzung auf Zwangsmittel angewiesen. Das regelkonforme Verhal- ten von Staaten wird zwar vor allem mit deren Angst vor einem Verlust der Glaubwürdigkeit, vor einem Zusammenbruch der Kooperation in anderen Gebieten und schließlich damit begründet, daß sich zum gegenseitigen Nutzen ein Erwartungskodex bzgl. der Regeltreue herausgebildet hat; die Angst vor Sanktionen spielt hier nur eine untergeordnete Rolle64. Im Fall des erfolgten Regelbruchs aber können Zwangsmaßnahmen zur Wieder- herstellung eines rechtmäßigen Zustands erforderlich sein.
Indem das DSU unter gewissen Voraussetzungen unilaterale Maßnahmen zuläßt, kompensiert es zum einen den Mangel an WTO- eigenen Mitteln zur Durchsetzung von Regeln65 und gibt zum anderen dem Interesse der Staaten am Erhalt ihrer handelspolitischen Handlungsfreiheit nach.
Nach Art.60 der Wiener Vertragsrechtskonvention ist es im Völ- kerrecht üblich, materielle Vertragsbrüche durch Suspension von Begüns- tigungen zu sanktionieren66. Die Ziele des GATT aber schließen eine sol- che Suspension, die bei GATT-Vergünstigungen immer den Einsatz von Handelsbeschränkungen bedeutet, grundsätzlich aus. Deshalb stellt das DSU strenge Voraussetzungen für Sanktionen auf. Wichtigste Regel ist der in Art.23 DSU niedergelegte Grundsatz zur ”Stärkung des Multilatera- len Systems”: Eine Reaktion auf verletzendes Verhalten ist nur im Rah- men des DSU möglich (Abs.I); unilaterale Maßnahmen können nur nach Art.22 DSU erlassen werden (Abs.II c)). Hier wird eine Ausnahme zu dem in Art.33 der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) niedergelegten all- gemeinen völkerrechtlichen Prinzip der ”free choice of means” bei der Streitschlichtung gemacht.67
Sanktionen können also, wie sich aus Art. 22:2 DSU ergibt, nur nach Durchführung und Scheitern des DSP gegenüber einem Staat erge- hen, dessen Vertragsbruch durch das Panel gesichert festgestellt wurde; der einzelne Staat kann dabei weder über das ”ob” (Autorisation durch DSB erforderlich), noch über das ”wie” (Maßnahmenwahl nach Art.22:3 a-d)) frei entscheiden. Weiter muß das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Art.22:4 DSU eingehalten werden. Bei Meinungsverschiedenheiten über den Grad der Implementation, über die Wahl der Maßnahme oder die Verhältnismäßigkeit muß ein Schiedsrichter berufen werden (Art.21:5, 22:6 und 7 DSU). Die Sanktion kann nur befristet erfolgen (Art.22:8 DSU).
Durch die dargestellten, stark regelgebundenen Sanktionsmöglichkeiten wird also ein einheitliches Verfahren aus Schlichtung und unilateraler Sanktion konzipiert, in dem letzere dem ersten dient. Man könnte sagen, daß sich im Rahmen der WTO die Sanktion zur Schlichtung verhält wie die ”Vollstreckung” zum ”Urteil”.
3. S.301 und Neues Handelspolitisches Instrument
68 Bedeutend für das Verhältnis Streitschlichtung - Sanktionen ist auch, welche innerstaatlichen Verfahren die Handelspartner kennen, um die eine oder andere Alternative durchzuführen. Im Bananenstreit treffen letztlich die USA und die EU aufeinander; dementsprechend sollen die internen Verfahren dieser beiden Mächte dargestellt werden. Da sich die EU insoweit am amerikanischen Vorbild orientiert, wird das s.301- Verfahren zuerst behandelt.
S.301 stellt eine Ermächtigungsgrundlage für die US-Regierung dar mit dem Inhalt, Vergeltungsmaßnahmen gegen die Produkte eines anderen Staats in Form von Einfuhrzöllen u.ä. zu verhängen, wenn sich dieser Staat ”ungerechtfertigter, unvernünftiger oder diskriminierender Handelspraktiken”69 bedient. S.301 benennt viele mögliche Sanktions- maßnahmen; in §2411c) zum Beispiel die Suspension von Vergünstigun- gen und den Erlaß von Importzöllen und Importbeschränkungen70. Nach Abschluß einer Untersuchung des jeweiligen Falls durch den United Sta- tes Trade Representative (USTR) besteht eine Verpflichtung der Regie- rung zum sanktionierenden Tätigwerden. Vor Abschluß des neuen WTO- Abkommens enthielt s.301 eine Frist von sechs Monaten, innerhalb derer eine Vergeltungsmaßnahme erlassen werden mußte, und zwar auch dann, wenn sich parallel ein GATT-Panel mit dem Fall befaßte. Diese Frist wurde mehrfach als GATT-widrig angegriffen71. Im Zuge der (nicht sehr umfangreichen) Rechtsharmonisierungen aufgrund der Schlußakte von Marrakesh wurde die Frist für Fälle aufgehoben, die eines der Abkommen im Rahmen der WTO betreffen.
Auf das Verhältnis von Sanktionen zum GATT-DSP geht s.301 nur rudimentär ein, und zwar in §2411a):2. Dort werden fünf Ausnahmen be- nannt, in denen das Ergreifen handelspolitischer Maßnahmen nicht zwin- gend, sondern dem Ermessen unterstellt ist; eine der Ausnahmen betrifft den Fall, daß ein GATT-Panel das Vorliegen von verletzendem Verhalten abgelehnt hat72. Art.23 DSU verlangt aber wie dargestellt eindeutig Vor- rang des DSU vor unilateralen Maßnahmen, so daß s.301 eigentlich einer Subsidiaritätsklausel bedürfte und nicht nur einer Ermessensregel. Seit Abschluß des WTO-Abkommens wächst der Druck auf die USA, sich zur Lösung von Konflikten des Schlichtungsverfahrens zu bedienen, das sie selbst mit entwickelt haben. Die amerikanische Rechtfertigung ihres s.301-Verfahrens bediente sich immer des Arguments, das DSP sei auf- grund der Blockademöglichkeiten und der Langwierigkeit nicht geeignet, die US-Rechte ausreichend zu schützen, und das entstehende Effektivi- tätsvakuum müsse durch ein nationalstaatliches Verfahren gefüllt wer- den73. Nach der Erneuerung des DSP geht diese Argumentation ins Lee- re. Dennoch sind die USA - wie sich im Bananenstreit gezeigt hat74 - nach wie vor nicht bereit, in DSP-Streitigkeiten auf das s.301-Verfahren zu verzichten.
Das durch die VO 2641/84 am 23.9.1984 ins Leben gerufene und am 1.1.1995 durch die VO 3286/94 ersetzte ”Neue handelspolitische Instrument” (kurz: NhpI) der EG75 ist, was die Bezugnahme auf das DSP der WTO betrifft, etwas weitreichender als sein amerikanisches Vorbild. Als Maßnahme der gemeinsamen Handelspolitik nach Art.113 EGV soll es insbesondere die Anwendung von handelspolitischen Schutzmaßnah- men nach einheitlichen Grundsätzen ermöglichen76. Es wird ausdrücklich auf die WTO-Regeln Bezug genommen, deren Schutz durch das NhpI gefördert werden soll. Es wird bekräftigt, daß alle NhpI-Maßnahmen ”mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft vereinbar sein müssen”77. Im Verfahren nach dem NhpI ist zunächst ein Antrag erforder- lich, der durch einen Mitgliedsstaat, aber auch durch eine natürliche oder juristische Person (z.Bsp. ein Wirtschaftsunternehmen) bei der Kommis- sion gestellt werden kann, sofern Beweise für eine Schädigung durch ei- nen Drittstaat vorhanden sind (Art.3-6 VO 3286/94). Daraufhin kommt es zu Konsultationen (Art.7) und zu einem Untersuchungsverfahren (Art.8- 11). Ist danach das Vorliegen einer Schädigung festgestellt, können die in Art.12:3 genannten Maßnahmen getroffen werden, sofern sie mit den bestehenden internationalen Verpflichtungen im Einklang stehen.
Das Verhältnis der Sanktionen zum DSP ist in Art.12:2 der Ver- ordnung geregelt78 ; danach besteht eine Verpflichtung zur Einhaltung vor- gelagerter Schlichtungsverfahren und zur ”Berücksichtigung” der jeweili- gen Ergebnisse. Dem Wortlaut dieser Norm kann aber wohl kein absolu- ter Vorrang der Ergebnisse des DSP entnommen werden, da die Formu- lierung ”Berücksichtigung” einen gewissen Spielraum offenhält. Weiterhin existiert anscheinend ähnlich wie in s.301 eine gewisse Verpflichtung der Gemeinschaft zum Tätigwerden nach Art.12 der Verordnung, was sich daraus ergibt, daß der EuGH einen Anspruch geschädigter Privatperso- nen auf die Durchführung des NhpI bejaht79. So besteht also wie im ame- rikanischen Recht die Gefahr, daß bei einer Kollision von einem Gemein- schaftsbedürfnis nach unilateralem Tätigwerden mit den Streitschlich- tungsregeln der WTO die EU sich unter Berufung auf ihre interne Ver- pflichtung zum Handeln nicht an die Regeln halten wird.
Es muß also festgestellt werden, daß sowohl die USA als auch die EU bisher nicht bereit sind, dem im DSU und besonders in Art.23 DSU geregelten Vorrangverhältnis des Schlichtungsmechanismus und der Unterwerfung von unilateralen Sanktionen unter dessen Zwecke in ihrem internen Recht absolute Geltung zu verschaffen.
4. Zusammenfassung
Bei Untersuchung der Sicht der EU auf das Verhältnis Sanktionen - Streitschlichtung sind gewisse Parallelen zur amerikanischen Haltung zu erkennen - obwohl gerade von Seiten der EU massive Kritik an und nun auch WTO-rechtliche Maßnahmen gegen die amerikanischen s.301- Regelungen erfolgen: Verbal wird die Notwendigkeit eines funktionieren- den DSU und des Verzichts auf davon unabhängiges unilaterales Handeln immer wieder bekräftigt80 ; an einer bindenden rechtlichen Umsetzung die- ser Erkenntnis scheint es aber noch zu fehlen. Am Verhalten des EuGH fällt auf, daß eine Stärkung des WTO-Systems durch eine unmittelbare Anwendung der GATT-Regeln im inneren Rechtsraum der EU aufgrund der zu großen ”Flexibilität” dieser Regeln grundsätzlich abgelehnt wird, daß aber über den im Rahmen des NhpI gewährten Rechtsschutz der EU-Bürger gegen GATT-widriges Verhalten von Drittstaaten eine unmit- telbare Anwendung der Regeln auf dem Umweg über Art.2:1 und 2 VO 3286/94 faktisch doch erfolgt, indem die WTO-Abkommen als Prüfungs- maßstab für ”Handelshemmnisse” und ”Rechte der Gemeinschaft” ge- nannt werden81. Man könnte annehmen, daß hier mit zweierlei Maß ge- messen wird, je nachdem, ob eine Sanktion von der EU oder gegen die EU durchgeführt wird.
Ein Grund für dieses Verhalten kann darin gesehen werden, daß innerhalb der EU genau wie in Amerika die nach außen gerichtete Liberalisierungstendenz und der von innen wirkende, von nationalen Wirtschaftslobbies erzeugte Druck zu protektionistischem Verhalten aufeinandertreffen82. Dennoch wird immerhin die Verpflichtung der EU zur Einhaltung des WTO-Schlichtungsverfahrens im NhpI anerkannt, die Bedeutung der Panel-Ergebnisse bestätigt und die Einbindung unilateraler Sanktionen in das DSP zur Kenntnis genommen.
II) im Bananenstreit
Im folgenden wird untersucht, welche Sicht die EU auf das Verhalten der USA am Ende des Versuchs einer DSU-Streitbeilegung hat.
1. “Bananenspezifische” Einwände der EU
Die direkt mit der Bananenwirtschaft zusammenhängenden Mei- nungsäußerungen beziehen sich nur mittelbar auch auf die US- Sanktionen und werden deshalb vor allem der Vollständigkeit halber hier erwähnt.
Zum einen wird bereits die Panel-Entscheidung gegen die ur- sprüngliche Bananen-VO von europäischer Seite aus angegriffen mit der Begründung, die in der VO enthaltenen Regeln dienten in erster Linie so- zialen, entwicklungspolitischen Zwecken, und die von der WTO verlangten Änderungen würden ”zehntausende von kleinen Bauern” in AKP-Staaten die Existenzgrundlage kosten83. Aus dieser Perspektive werden die ame- rikanischen Bananen-Großkonzerne, die US-Regierung und die zu ameri- kanischen Zwecken instrumentierbare WTO als ein Lager gesehen, daß zugunsten von Handelsliberalisierung soziale Ungerechtigkeiten erzeugt und fördert. Auch US-Sanktionen dienen dann nur dem Durchsetzen von moralisch kaum vertretbaren Positionen.
Innerhalb der EU besteht zwischen den Mitgliedstaaten Uneinigkeit bezüglich der Bananenfrage, was auch ein Hauptgrund für das schwerfäl- lige Verhalten der EU ist. Die WTO-Freundlichkeit der vertretenen Mei- nungen hängt davon ab, ob es sich um bananenproduzierende Staaten wie z.Bsp. Frankreich handelt, die schon vor Einführung der Bananen- marktordnung eher geschlossene Märkte darstellten, oder ob es sich um Staaten ohne bananenspezifisches Eigeninteresse handelt - letztere lie- ßen schon früher Bananenimporte aus Drittländern relativ uneinge- schränkt zu; zu diesen zählt zum Beispiel Deutschland84. Diese ”offenen Staaten” verhalten sich jetzt eher WTO-konform - die BRD rügte die GATT-Widrigkeit wie dargestellt sogar vor dem EuGH - und drängen auf weitreichendere Änderungen der Bananen-VO. Dies bedeutet aber nicht, daß die US-Sanktionen von diesen Staaten als rechtens erachtet werden; gerade Deutschland wird von den Maßnahmen besonders hart getrof- fen85. Die Tendenz mag aber eher dahingehen, der EU selbst einen gro- ßen Teil der Verantwortung für die gegenwärtige Lage zuzuschreiben86 und Ursachen nicht nur im amerikanischen Fehlverhalten zu suchen.
2. WTO-rechtliche Einwände der EU
Aus rechtlicher Sicht liegt dem Streit um das Verhalten der USA eine Kontroverse über die Auslegung von DSU-Bestimmungen zugrunde. Die USA bringen nämlich vor, sie seien schon aus rechtlichen Gründen quasi verpflichtet, zu einem so frühen Zeitpunkt (vor Entscheidung des Panels nach Art.21:5 DSU) zu diesen Maßnahmen zu greifen.
Die USA legen Art.22:2, 22:6 und 21:5 DSU so aus, daß 30 Tage nach Ablauf der ”reasonable period” für eine Implementation das DSB um Autorisation ersucht werden kann, auch wenn gleichzeitig ein Art.21:5 DSU-Verfahren l ä uft. Die in Art.22:6 DSU normierte 30-Tage-Frist wird als eine Art Ausschlußfrist betrachtet, nach deren Ablauf der Klägerstaat mit seinem Anspruch auf Autorisation präkludiert ist bzw. diesen verwirkt hat; deshalb sei also zum Rechtserhalt erforderlich, daß gleichzeitig ein Panel-Verfahren (betreffend die Qualität der Implementation) eingeleitet und das DSB um Autorisation ersucht werden kann.
Gegen diese Auffassung sprechen viele Argumente. Schon oben87 wurde festgestellt, daß durch eine solche Interpretation des Art.22 DSU das Verfahren nach Art.21:5 DSU bedeutungslos wird und daß dies eines Verschlechterung gegenüber dem alten GATT darstellen würde. Weiter- hin ist nicht klar ersichtlich, woraus die USA eine solche Rechtsverwir- kung herleiten wollen; das DSU selbst enthält keine Hinweise auf eine solche Rechtsfolge. Vielmehr ist davon auszugehen, daß Art.22:6 DSU nur ein Recht und nicht eine Verpflichtung zum Ersuchen um Autorisation begründet. Es würde dem Geist des DSU komplett widersprechen, einen faktischen Zwang zu Vergeltungsmaßnahmen zu erzeugen, da wie oben dargestellt die Erkenntnis der Schädlichkeit unilateraler Maßnahmen den DSU-Regeln zugrundeliegt. Die EU bringt weiter gegen diese Auslegung vor, eine ”Bestrafung” könne nach allgemeinen Grundsätzen nicht vor der ”Verurteilung” erfolgen, so daß jedenfalls eine Feststellung der Nich- timplementation durch das Panel einem Sanktionsverfahren vorangestellt sein müsse. Auch wird aus dem Strafrecht der ”in dubio pro reo”- Grundsatz entliehen, nach dem die EU vor einer Feststellung durch das Panel als ”unschuldig” zu gelten habe88. Der Auffassung, daß eine einsei- tige Feststellung der Nichtimplementation durch den Klägerstaat nicht möglich ist und ein Ersuchen um Autorisation erst nach einer Panelent- scheidung erfolgen kann, stimmte der Großteil der WTO-Staaten zu89.
Um dem amerikanischen Vorbringen ganz die Grundlage zu ent- ziehen, bot die EU schließlich an, die 30-Tage-Frist aus Art.22:6 DSU einverständlich zu verlängern, außerdem eine Auslegung des General Council zu Art.22 DSU einzuholen und zu akzeptieren90 und sich gegen- über der USA zu verpflichten, keine Rechtsverwirkung o.ä. geltendzuma- chen91.
Insgesamt wirkt die Auffassung der USA zur ”Rechtsverwirkung” ein wenig vorgeschoben; als sollten hierdurch die Sanktionen rechtlich legitimiert werden.
Auch bringt die EU vor, die Forderungen der US nach Sanktionen seien dem Gegenwert nach unverhältnismäßig zum ”level of nullification or impairment”, also zum US-Schaden; es liege ein Verstoß gegen Art.22:IV DSU vor. Die USA hatten bekanntgegeben und später beim DSB auch so beantragt, daß Konzessionen im Wert von $500Mio. auszusetzen seien, was durch einen Importzoll von 100% auf verschiedene EU-Produkte92 verwirklicht wurde. Die EU war der Ansicht, daß diese Maßnahme dazu diente, die Importe der betreffenden Güter komplett zu stoppen, während die USA wie dargelegt vorbrachte, das Vorgehen sei notwendig zum „Rechtserhalt“.
Das Panel bestätigte am 6.6.1999 die Meinung der EU bezüglich der Unverhältnismäßigkeit der Sanktionen i.S.v. Art.22:4 DSU: Eine Aussetzung von Konzessionen durch die USA sei nur im Wert von $191,4Mio. zulässig93.
Eine weitere Frage ist durch die US-Sanktionen in rechtlicher Hin- sicht brisant geworden. Nachdem die EU seit Androhung der Vergel- tungsmaßnahmen immer wieder betont, sie werde nicht den gleichen Feh- ler machen wie die USA und keinesfalls ein rechtswidriges Verhalten mit rechtswidrigen Gegenmaßnahmen beantworten, sucht sie rechtliche Mög- lichkeiten, sich gegen das amerikanische Verhalten zu wehren94. Am 17.2.1999 beantragte die EU ein Panel gegen s.301, der die Grundlage für handelspolitische Maßnahmen der USA auch im Bananenstreit bildete. Gerügt wird ein Verstoß der s.301-Normen gegen Art.23 DSU, der ein Verbot unilateraler Sanktionen enthält. S.301 verpflichtet wie oben be- schrieben95 die US-Verwaltung zu unilateralem Verhalten, während die WTO-Regeln zu multilateralem Vorgehen verpflichten; hierin liege eine Kollision96. Wie man am Bananenfall sehe, sei die USA durch s.301 ge- zwungen worden, schon währen eines Schlichtungsverfahrens sanktionie- rend tätigzuwerden. Hintergrund dieses Vorgehens sei das Versprechen der US-Regierung an den Kongreß unmittelbar nach Abschluß der Urugu- ay-Runde, daß in WTO-Streitfällen sofort nach Ablauf einer Implementie- rungsfrist i.S.v. Art.21:3 DSU das Verfahren nach s.301 zur Anwendung gebracht und so die amerikanische Souveränität in der Handelspolitik erhalten werde. Im Bananenstreit sei dem Kongreß versprochen worden, daß bis spätestens 3.3.1999 Vergeltungsmaßnahmen ergehen, was auch immer die WTO dazu sagen mag97. Ein solcher innenpolitischer Mecha- nismus müsse gegen das DSU verstoßen; immerhin sei Art.23 DSU das Rückgrat des DSP, und das DSP wiederum das Rückgrat der WTO98.
Das Panel-Verfahren gegen die USA stützt sich im einzelnen auf Art.3, 21, 22 und 23 DSU; auf Art.XVI:4 WTO-Abk. sowie Art.I, II, III, VIII und IX GATT´94. Die EU macht ”nullification or impairment” von EUVorteilen nach GATT´94 geltend99.
Angesichts der Bedeutung des s.301 für die amerikanische Han- delspolitik könnte eine Erklärung der GATT-Widrigkeit dieser Normen durch das Panel als ein extremer Eingriff in US-Angelegenheiten gesehen werden. Wenig wünschenswert aus Sicht der WTO erscheint es, Ent- scheidungen zu treffen, die aus innerstaatlichen Gründen schließlich nicht eingehalten werden können. Das würde die Glaubwürdigkeit der Organi- sation gefährden. Ob eine solche Entscheidung trotzdem ergehen und die USA sie durch Änderung des s.301 erfüllen wird, bleibt abzuwarten.
3. Handelspolitische Einwände der EU
Der wichtigste Grund für das rigorose Verhalten der USA in relati- ver Unabhängigkeit zum WTO-Panel liegt vermutlich weniger in einer tief- sitzenden Angst vor Rechtsverwirkung aufgrund der dargestellten Auffas- sung zu Art.22:2 und 6 DSU, sondern vielmehr in der Befürchtung, die EU könne sich ab jetzt durch scheibchenweise Scheinänderungen der VO in endlose Prozeßschleifen begeben, während derer die umstrittene Bana- nenmarktordnung weiterhin praktisch vollzogen werden kann. Durch sol- che Hinhaltemanöver seitens der EU würde sowohl der Zweck des DSP in sein Gegenteil verkehrt als auch eine weitreichende Beschädigung des amerikanischen Bananen-Handelssektors herbeigeführt.
Die EU hält dem entgegen, es bestände kein Anlaß zu solchen Vermutungen; die EU habe es genauso eilig wie die USA, den Fall abzu- schließen. Dies bewies die EU, indem sie Ende letzten Jahres anbot, eine Panel-Schlichtung innerhalb eines ”um die Hälfte verkürzten Zeitrahmens von nur 170 Tagen”100 durchzuführen. Dieses Angebot schien insofern etwas verwunderlich, als daß das für die Implementationsfrage einschlä- gige Schiedsverfahren gemäß Art.21:5 DSU ohnehin nicht mehr als 90 Tage umfassen soll. Jedenfalls zeigten die USA keine Bereitschaft, auf diesen Vorschlag einzugehen, sondern beharrten auf ihrer ”3.3.1999- deadline”. Darin sah die EU einen unbedingten Willen zum unilateralen Vorgehen, der rein innenpolitisch motiviert sei101.
Die wiederholte Ablehnung von vermittelnden Vorschlägen sowie das Ignorieren der DSU-Regeln wertete die EU von Beginn an als eine Gefährdung handelspolitischer Allgemeininteressen. Bereits am 10.11.1998 schrieb EU-Präsident Jaques Santer einen Brief an Bill Clin- ton, in dem er darauf hinwies, daß unilaterale Sanktionen seitens der USA geeignet seien, eine Bedrohung des friedlichen Welthandels und der wich- tigen EU/US Zusammenarbeit darzustellen.102. Der derzeit instabile globa- le Handel reagiere auf die Bedrohung durch einen Handelsstreit zwischen EU und USA empfindlich; im Wirtschaftsraum der EG könne man schon jetzt Auswirkungen bemerken103. Es sei unklug, wegen einer Streitigkeit von vergleichsweise minderem Interesse den wichtigsten Handelspartner mit Sanktionen zu bedrohen104.
Dieses Argument gewinnt an Bedeutung, wenn man hinzufügt, daß in der vergangenen Zeit eine starke EU-Initiative darauf gerichtet war, diese Zusammenarbeit zu verbessern. Das Projekt des ”Gemeinsamen Transatlantischen Marktplatzes”, mit dem für einige Sektoren schrittweise bis 2010 ein einheitlicher Markt mit den USA verwirklicht werden sollte, scheiterte am Widerstand der USA, die den Agrarsektor nicht ausrei- chend eingebunden sahen105. Immerhin kam es am 18.5.1998 zur sog. ”Transatlantic Economic Partnership (TEP)”, die sich hauptsächlich auf den weiteren Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse konzentriert. Die Mischung aus Scheitern und Erfolg dieser Bemühungen zeigt, wie schwie- rig, sensibel und gleichzeitig unvermeidlich die Beziehungen zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Wirtschaftsraum sind106. Vor diesem Hintergrund fordert die EU langfristiges Denken auch von der amerikanischen Seite, um zu beiderseitiger Prosperität, zur Stärkung des multilateralen Systems und zur Lösung größerer Probleme in der Welt zusammenarbeiten zu können107.
Ein weiterer bedeutender Einwand, der auch vom Europäischen Parlament (EP) geäußert wurde, zielt darauf ab, die relativ junge WTO und das dazugehörige DSP in ihrer Glaubwürdigkeit zu schützen108. Nachdem eine Verbesserung des DSP gerade durch die USA und die EU vorangetrieben worden war, könne es ein schlechtes Vorbild abgeben, wenn ausgerechnet diese Staaten sich nicht an die Regeln hielten. Das Vertrauen in die WTO müsse aber weiter gestärkt werden, weshalb die EU auch nicht davon abweicht, selbst nur im Rahmen der GATT- und DSU-Regeln auf die amerikanischen Maßnahmen zu reagieren109.
E) Schlußwort
Ein letzter Einwand, den man dem amerikanischen Sanktionsverhalten entgegensetzen kann, ist eher übergreifender Natur. Die Durchführung von Vergeltungsmaßnahmen kann als Ausfluß der Tendenz von Staaten gesehen werden, sich im Umgang miteinander eher an das Recht des Stärkeren als an allgemein geltende Regeln zu halten110.
Schon in der Einleitung zu dieser Arbeit wurde diese Tendenz der protektionistischen Wirtschaftspolitik zugeordnet, während regelorientier- tes Verhalten als Ausdruck von Liberalisierungsprozessen gesehen wird. Innerhalb dieser Gegenüberstellung sind Handelsmaßnahmen - also auch Sanktionen - Instrumente der mächtigen, unilateral denkenden und sich verhaltenden Staaten, während Schlichtungsverfahren Teile eines multila- teralen Regelwerks sind, daß die liberal denkende Staatengemeinschaft miteinander verbindet111.
Das DSU versucht - wie aufgezeigt -, diese beiden entgegenge- setzten Methoden der Konfliktlösung zu verbinden, indem das unilaterale Sanktionspotential der Staaten in das DSP eingebunden wird und so der Durchsetzung der Streitschlichtungsentscheidungen zugute kommt. Das WTO-Regelwerk wird also getragen von einem Prinzip der Aufrechterhal- tung des Gleichgewichts 112 ; es soll einen Ausgleich herstellen zwischen den starken, langfristig aber für die internationale Handelspolitik im gan- zen schädlichen einzelstaatlichen Interessen und den langfristig nützli- chen, im Einzelfall aber oft schwer durchsetzbaren multilateralen Regeln. Diese Regeln werden zum Teil sogar als eine Möglichkeit der Nationalre- gierungen gesehen, dem innerstaatlichen, durch gut organisierte Wirt- schaftslobbies ausgeübten Druck zu entkommen: Indem sie im Wege der Bindung an völkerrechtliche Normen sich selbstbeschränkend die Mög- lichkeit nehmen, diesem Druck nachzugeben113.
Indem die USA also in gewissem Maß ausgebrochen ist aus dem geschlossenen Kreis von Streitschlichtung und Sanktionen im Rahmen der WTO, stört sie das im Aufbau begriffene Gleichgewicht. Um so wich- tiger scheint es, daß die EU nicht durch Gegenmaßnahmen den alten protektionistischen Teufelskreis neu belebt und einen echten Handels- krieg provoziert. Andererseits könnten auch die “Erfolge“ des amerikani- schen Vorgehens - das erneute intensive Bemühen der EU um Änderung der angegriffenen VO - der USA recht geben: In der Annahme nämlich, nach WTO-Recht sei eine Durchsetzung der Panel- und SAB- Entscheidung gegen die EU trotz des seit 1995 erheblich gestärkten DSP nicht möglich gewesen.
Das aber ist nicht erwiesen. Ein Abwarten der Schlichtungsentscheidung vom 6.4.1999 und ein Durchführen der genehmigten Sanktionen im Wert von $191,4Mio. hätten möglicherweise auch zu korrigierenden Bemühungen der EU geführt.
Möglicherweise könnte aus den Erfahrungen im Bananenstreit der Schluß gezogen werden, das DSU müsse, um künftig einzelstaatlichem Verhalten vorzubeugen114, noch weiter ausgebaut und sein supranationa- ler Charakter in dem Sinne gestärkt werden, daß auch Sanktionen unab- hängig von dem Willen der einzelnen Staaten gegen einen Vertragsverlet- zer erlassen werden können.
Dem wäre aber entgegenzuhalten, daß das WTO-, GATT- und DSU-System eben nicht auf Zwang, sondern auf einem empfindlichen Gleichgewicht aus multilateraler Freiwilligkeit und kanalisiertem unilatera- len Zwang basiert, und daß ein darüber hinausgehendes souveränitäts- beschränkendes System zum heutigen Zeitpunkt weder durchführbar noch wünschenswert erscheint. Mit den Worten von Hudec: ”GATT is not a legal system wich relies on the economic sanction as a coercive force”115. Hippler Bello folgert daraus: „With respect to WTO dispute set- tlement, less is generally more“116. Eine etwas eingeschränkte Folgerung erscheint mir aber naheliegender: Solange die bestehenden Möglichkeit des DSU/DSP noch nicht voll ausgeschöpft sind, muß an eine Erweite- rung jedenfalls nicht gedacht werden. Zunächst sollte also noch eine Wei- le darauf gedrungen werden, daß die Staaten das DSP regelkonform be- nutzen. Auch die USA.
Literaturverzeichnis
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[...]
1 Wortlaut des Vertrags nach Petersmann, CML 1994, S. 1172ff.
2 das DSU wird zitiert aus Petersmann, GATT/WTO, S.291ff.
3 Petersmann, CML 1994, S.1172
4 siehe Appendix
5 zum Panel genauer unten
6 Beneyeto, EuZW 1996,S.297
7 Sittmann, RIW 1997, S.750
8 Bast/Schmidt, RIW 1991, S.933
9 Backes, RIW 1995, S.916
10 Sittmann, RIW 1997, S.750
11 Bast/Schmidt, RIW 1991, S.932
12 Backes, RIW 1995, 916; Sittmann, RIW 1997, S. 752
13 zum ”negativen Konsens” siehe oben unter B) II) 2. b)
14 Bast/Schmidt, RIW 1991, S.933
15 Kuschel, EuZW 1996, 647
16 Sittmann, RIW 1997, S. 750
17 Backes, RIW 1995, S.917
18 Sittmann, RIW 1997, S.751
19 Backes, RIW 1995, S.918
20 Sittmann, RIW 1997, S.752
21 Petersmann, CML 1994, S.1191
22 Sittmann, RIW 1997, S.752
23 Sittmann aaO.
24 Weustenfeld, Bananenmarktordnung, S.1
25 Weustenfeld, Bananenmarktordnung, S.27
26 ab jetzt kurz: Rahmenabkommen
27 Jürgensen, EWS 1998,S.357
28 Stoll/Ress, EWS 1996, S.39
29 T. Hirsch, S.3; Weustenfeld S.166
30 zu diesem handelspolitischen Verfahren s. unten Punkt D) I) 3.
31 Schmid, NJW 1998, S.192
32 Weustenfeld, S.86
33 T.Hirsch, S.4; Wortlaut des Panel-Berichts zusammenfassend in EuZW 1997, S.569f.
34 Meier, EuZW 1997, S.720; Wortlaut der Revisionsentscheidung in Auszügen abgedruckt in EuZW 1997, 722ff.
35 Meier, EuZW 1997, S.719
36 Meier, EuZW 1997, S.720
37 Vorlagefrage abgedruckt in EuZW 1994, S.157ff.
38 Urteil vom 5.10.1994, EWS 1995, S.377ff.
39 EuGH in EWS 1995, S.380; Everling, CML 1996, S.421
40 Kritik zum Beispiel bei Hohmann, EuZW 1995, S.382; Petersmann in vielen Aufsätzen, z.Bsp. IP 1997/4, S.30 oder in EuZW 1997, S.653
41 ”T-Port”: FG Hamburg vom 19.5.1995, abgedruckt in EuZW 1995, S.413ff.
42 die beiden Urteile ergingen am 10.3.1998 und sind abgedruckt in EuZW 1998, S.243ff.
43 Jürgensen, EWS 1998, S.359
44 Jürgensen, EWS 1998, S.361
45 Jürgensen, EWS 1998, S.362f.
46 Meier, EuZW 1997, S.720
47 Schmid, NJW 1998, S.193
48 VO (EG) Nr.1637/98 und Nr.3262/98; abgedruckt in ABlEG Nr.L 210 v. 28.7.1998, S.28 und Nr.L 293 v. 31.10.1998, S.32
49 Informationen nach Kuschel, EuZW 1999, S.74
50 Kuschel, EuZW 1999, S.77
51 Kuschel aaO.
52 ”EU-U.S. banana dispute; latest developments in the bananas trade dispute”, Brüssel, 12.4.1999, wto-homepage
53 Beispiele: Bade-Zubehör, Handtaschen mit oder ohne Schulterriemen, Papierwaren, Bettwäsche nichtknitternd oder knitternd, Batterien, Kaffeemaschinen; aus: ”EU-U.S. banana dispute; latest developments in the bananas trade dispute”, Brüssel, 12.4.1999, wto-homepage
54 unter Punkt D) II)
55 ”The European Commission outlines options for a new Banana regime”, 27.5.1999, wto-homepage
56 Hippler Bello, AJIL 1996, S.417
57 Petersmann, CML 1994, S.1184
58 Petersmann, CML 1994, S.1185
59 Müller, GATT, S.109
60 Müller, GATT, S.108
61 Müller aaO.
62 Petersmann, CML 1994, S.1186
63 Petersmann, GATT/WTO, S.10
64 Hippler Bello, AJIL 1996, S.417
65 Kuschel, EuZW 1996, S.647
66 Petersmann, CML 1994, S.1185
67 Petersmann, GATT/WTO, S.182
68 kurz für: Verfahren nach Section 301 des US Trade Act von 1974
69 §§2411 a) und b); Wortlaut abgedruckt bei Puckett/Reynolds, AJIL 1996, S.675
70 Puckett/Reynolds, AJIL 1996, S.678
71 Backes, RIW 1995, S.919
72 Puckett/Reynolds, AJIL 1996, S.677
73 Puckett/Reynolds, AJIL 1996, S.687; vgl. auch Bast/Schmidt, RIW 1991, S.934
74 dazu unten, Punkt D) II)
75 die Bezeichnung ”Neues handelspolitisches Instrument” wird hier auch für das Verfahren nach der neuen VO 3286/94 aufrechterhalten
76 die im folgenden Abschnitt verwendeten Informationen entstammen unmittelbar den beiden Verord- nungen; abrufbar bei der Datenbank CELEX unter www.europa.eu.int.
77 Einleitung zu VO 3286/94
78 Art.12:2 VO 3286/94: ”Ist die Gemeinschaft aufgrund ihrer internationalen Verpflichtungen zur Durchführung eines vorherigen internationalen Konsultations- oder Streitbeilegungsverfahren ver- pflichtet, so werden die in Abs.III bezeichneten Maßnahmen erst nach Abschluß dieses Verfahrens und unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieses Verfahrens beschlossen. Hat die Gemeinschaft ein internationales Streibeilegungsorgan ersucht, die Maßnahmen zu bezeichnen und zu genehmi- gen, die für die Umsetzung der Ergebnisse eines internationalen Streitbeilegungsverfahrens ange- messen sind, so müssen die handelspolitischen Maßnahmen der Gemeinschaft, die infolge einer solchen Genehmigung erforderlich werden, mit den Empfehlungen des internationalen Streitbeile- gungsorgans vereinbar sein.”
79 EuGH in Fediol III: Bast/Schmidt RIW 1991, S.933; Petermann RIW 1990, S.280
80 vgl. unter Punkt D) II) die Vorwürfe der EU gegenüber den USA
81 Rechtsprechung des EuGH in Fediol III, s. Fn.79
82 Petersmann, CML 1994, S.1190
83 Hirsch, S.1
84 Weustenfeld, S.4f.
85 Meier, EuZW 1997, S.720
86 Hirsch, S.4
87 unter Punkt C) VI)
88 ”Memorandum”, 14.12.1998, wto-homepage
89 ”EU requests WTO panel against US section 301 legislation”, Brüssel, 17.2.1999, wto-homepage
90 ”EU takes new banana initiative”, Brüssel, 22.1.1999, wto-homepage
91 ”Memorandum”, 14.12.1998, wto-homepage
92 Beispiele siehe Fn. 53
93 ”EU-U.S. banana dispute; latest developments in the bananas trade dispute”, Brüssel, 12.4.1999, wto-homepage
94 ”Sir Leon Brittan´s declaration at European Parliament”, Strasbourg, 10.2.1999, wto-homepage
95 unter Punkt D) I) 3.
96 ”EU requests WTO panel against US section 301 legislation”, Brüssel, 17.2.1999, wto-homepage
97 ”Sir Leon Brittan´s declaration at European Parliament”, Strasbourg, 10.2.1999
98 ”EU requests WTO panel against US section 301 legislation”, Brüssel, 17.2.1999, wto-homepage
99 Text der Antrags in: ”EC request for establishment of a panel on section 301 of US Trade Act of 1974”, wto-homepage
100 ”EU/US: Bananas; Statement by Sir Leon Brittan”, 15.12.1998, wto-homepage
101 ”EU/US: Bananas; Statement by Sir Leon Brittan”, 15.12.1998, wto-homepage
102 ”Jaques Santer launches an appeal to President Clinton on the banana issue”, Brüssel, 11.11.1998, wto-homepage
103 ”Resolution on the banana regime dispute with the US”, Brüssel, 10.2.1999, wto-homepage
104 ”EU/US Banana dispute; Statement by The Rt Hon Sir Leon Brittan QC, Vice-President of the European Commission”, Brüssel, 10.11.1999, wto-homepage
105 Monar, Jahrbuch der Europäischen Integration, 97/98, S.225
106 Monar, Jahrbuch der Europäischen Integration, 97/98, S.226
107 ”EU/US: Bananas; Statement by Sir Leon Brittan”, 15.12.1998, wto-homepage
108 ”Resolution on the banana regime dispute with the US”, Brüssel, 10.2.1999, wto-homepage
109 ”Resolution on the banana regime dispute with the US”, Brüssel, 10.2.1999, wto-homepage
110 Memorandum: “US Threat on Unilateral Action on Bananas puts Multilateral Dispute Settlement System at Risk“, 29.10.1998, wto-homepage
111 Petersmann, CML 1994, S.1187
112 Hippler Bello, AJIL, S.417
113 Petersmann, GATT/WTO S.12f.
114 so noch Bast/Schmidt, RIW 1991, 934
115 zitiert bei Petersmann, CML 1994, S.1186
116 Hippler Bello, AJIL 1996, S.418
- Arbeit zitieren
- Juli Zeh (Autor:in), 1999, Das Streitbeilegungssystem der WTO / Bananenstreit, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/96623