Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Religion die langobardische Politik beeinflusste und ein Teil der langobardischen Herrschaft wurde. Als Heiden waren den Langobarden monotheistische Religionen vollkommen fremd, doch der Einzug nach Italien konfrontierte sie mit dem Christentum in einer Weise, der sie sich auf langer Sicht nicht entziehen konnten. Hier gilt es zu betrachten, wie autonom die einzelnen Herrscher der Langobarden die Religion annahmen oder wie sie von den unterschiedlichsten Parteien instrumentalisiert wurden. Anhand von Sekundärliteratur, aber auch primär anhand einer der wenigen ausführlichen Quellen, der Historia Langobardorum, versuche ich nachzuzeichnen, wie das Christentum Einzug in die langobardischen Herrschaftsreihen fand und welche Probleme, aber auch Chancen damit verbunden waren. Letztendlich scheiterte der italienisch-langobardische Staat vollkommen zum Ende des 8. Jahrhunderts und wurde in den Machtbereich der Franken aufgenommen. Inwieweit hier Religion und das Scheitern des langobardischen Staates eine Rolle spielen, möchte ich mit dieser Arbeit ergründen.
Nicht zuletzt hatte das Verhältnis der langobardischen Herrscher zum Papsttum weitgreifende Folgen, weshalb die Betrachtung des Werkes von Clemens Ganter hier ein wichtiges Feld der päpstlichen Konstruktion von Anderen eröffnet und daher Einträge der Liber Pontificalis auch eine Rolle spielen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wie die Langobarden nach Italien kamen
2.1 Die Wanderung beginnt
2.2 Alboin
3. Wie der Arianismus zu den Langobarden kam
4. Das Interregnum und seine Folgen
5. Der Katholizismus unter den Langobarden
5.1 Theodelinde als Indikator ?
5.2 Das Verhältnis der Päpste zu den Langobardenkönigen
6. Das Problem der Herrschaftsnachfolge
7. Exkurs: Germanisierung des Christentums?
8. Fazit
9. Quellen- und Literaturverzeichnis
10. Eigenständigkeitserklärung
1. Einleitung
Der Zug der Langobarden nach Italien war ein mühsamer Weg, welcher von einigen Hindernissen und Rückschlägen gekennzeichnet war. Und dennoch konnten die einstigen „Barbaren“ ihre Herrschaft in Italien voranbringen und hielten dort ihre Macht vom 6. Jahrhundert bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts aufrecht. Ihre Herrschaft hat viele Spuren, vor allem im nördlichen Italien hinterlassen, weshalb auch heute noch der Einfluss der Langobarden im frühmittelalterlichen Italien als durchaus wichtig angesehen wird. Die UNESCO setzte im Jahr 2011 sieben „Orte der Macht“ auf die Liste des Weltkulturerbe, an denen die Langobarden lebten und wirkten. Darunter zum Beispiel der bischöfliche Komplex und ein Tempel in Cividale del Frilui, die Klosteranlage Santa Giulia mit dazugehöriger Basilika in Brescia oder die Wallfahrtskirche San Michele in Monte Sant´Angelo.1 Sie sind alle Orte, an denen die Langobarden die Jahrzehnte ihrer Herrschaft ausformten und Italien damit nachhaltig prägten.
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Religion die langobardische Politik beeinflusste und ein Teil der langobardischen Herrschaft wurde. Als Heiden waren den Langobarden monotheistische Religionen vollkommen fremd, doch der Einzug nach Italien konfrontierte sie mit dem Christentum in einer Weise, der sie sich auf langer Sicht nicht entziehen konnten. Hier gilt es zu betrachten, wie autonom die einzelnen Herrscher der Langobarden die Religion annahmen oder wie sie von den unterschiedlichsten Parteien instrumentalisiert wurden. Anhand von Sekundärliteratur, aber auch primär anhand einer der wenigen ausführlichen Quellen, der Historia Langobardorum, versuche ich nachzuzeichnen, wie das Christentum Einzug in die langobardischen Herrschaftsreihen fand und welche Probleme, aber auch Chancen damit verbunden waren. Letztendlich scheiterte der italienisch-langobardische Staat vollkommen zum Ende des 8. Jahrhunderts und wurde in den Machtbereich der Franken aufgenommen. Inwieweit hier Religion und das Scheitern des langobardischen Staates eine Rolle spielen, möchte ich mit dieser Arbeit ergründen.
Nicht zuletzt hatte das Verhältnis der langobardischen Herrscher zum Papsttum weitgreifende Folgen, weshalb die Betrachtung des Werkes von Clemens Ganter hier ein wichtiges Feld der päpstlichen Konstruktion von Anderen eröffnet und daher Einträge der Liber Pontificalis auch eine Rolle spielen.
Der aktuelle Forschungsstand bezüglich der Religion der Langobarden behandelt vor allem die Zu- und Abwendung zum Arianismus, beleuchtet aber nicht intensiv die Beeinflussung von Religion auf das langobardische Herrschaftssystem. Daher betrachte ich meine Fragestellung, als durchaus legitim sowie berechtigt und versuche in den nachfolgenden Kapiteln einen Einblick in diese Problematik zu geben.
2. Wie die Langobarden nach Italien kamen
Die Herkunftssage der Langobarden ist äußert schwer zu greifen, denn viele Anhaltspunkte, gerade von den ersten Phase der Wanderung sind nicht komplett nachweisbar. Dennoch sind wir in der glücklichen Situation eine Quelle zu besitzen, die ausführliche Informationen über das Leben und ihren Werdegang preisgibt. Paulus Diaconus gibt uns in seinem Werk „Historia Langobardorum“ Einblicke in die Wanderung der damals noch so genannten Winniler. Diaconus selbst ist viel später geboren worden, wahrscheinlich zwischen 725 und 795, als sich das Langobardenreich schon in einer sehr späten Phase befand. Dennoch ist die Historia Langobardorum, die größte editierte Quelle, die den Weg der Langobarden bis nach Italien beschreibt und damit auch ihren Weg aus dem Heidentum und der Barberei.2 Diaconus, der selbst gebürtiger Langobarde ist, versucht keineswegs Partei für oder gegen die Langobarden zu ergreifen. Die Grundhaltung seiner Ausführungen über die Geschehnisse ist eher positiv gestaltet.3 Als roter Faden zieht sich allein der beschwerliche Weg der Langobarden zum Christentum und die damit verbundene Assimilation in Italien. Aus Diaconus Sicht, der auch Mönch in Montecassino und später Berater Karls des Großen war4, ist Italien durch eine göttliche Vorsehung in die Hände der Langobarden gefallen. Alles was geschah ist daher Teil des Heilsplans Gottes, welcher schlussendlich sich nicht im finalem Machtgewinn der Langobarden äußert.5 Die Langobarden sind somit ein Werkzeug der Vorsehung und ihre Errungenschaften werden in das Reich Gottes auf Erden eingebettet.6 Das Ringen zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht ist stets gegenwärtig. Die verschiedenen Individuen in seiner Erzählung spielen dabei alle eine Rolle im göttlichen Schöpfungsplan. Diaconus schreibt vor allem im Dienste der christlichen Verkündigung, findet aber immer wieder milde Worte, die vielleicht nicht zuletzt aus einer Distanz entstehen, die für die Reaktion eines alternden Mannes stehen, der sich mit dem Lauf der Dinge abgefunden hatte.7
Diaconus gestaltet sein Werk in sechs Bücher, die widerrum in längeren und kürzeren Kapiteln unterteilt sind. Das sechste Buch endet nicht wie erwartet mit der Integration des Langobardenreiches in das Frankenreich, sondern mit einem kurzen Abschnitt einer Lobpreisung an König Liutprand. Die Frage, warum Diaconus genau hier mit seinen Ausführungen endet, ist nicht bekannt. Vermutet wird, dass das Ende so nicht geplant war, aber sich der letzte Abschnitt über Liutprands Herrschaft als notdürftigen, aber akzeptablen Abschluss anbot. Ein weiterer Grund könnte das voranschreitende Alter Diaconus´ sein, der sich eventuell physisch sowie psychische nicht mehr in der Lage befand, die komplette Geschichte der Langobarden niederzuschreiben. Ob dies wirklich die Gründe waren, lässt sich zum heutigen Standpunkt nur mutmaßen.8
Die Entwicklung der Langobarden von einem heidnisch-germanischen Volk, über den Umweg des Arianismus bis zum Katholizismus ist jedoch in jedem der sechs Bücher seines Werkes erkennbar, weshalb die folgenden Ausführungen die religiösen Umbrüche und die damit verbundenen innerpolitischen Schwierigkeiten nachgezeichnet und ergründet werden.
2.1. Die Wanderung beginnt
Die Langobarden, die zunächst als Winniler9 bekannt waren, sollen laut Diaconus aus Skandinavien stammen. Diese Aussage stützt Diaconus indem er das von Plinius Secundus geschriebene Werk „ Über die Welt“ angibt, in welchem Secundus selbst von einer Insel namens Skandinavien schreibt.10 Laut der Sage wurde entschieden das aufgrund von Überbevölkerung, ein Teil der dort ansässigen Stämme auswandern musste. Unter der Führung zweier Brüder, Ibor und Agio sowie ihrer Mutter Gambara, wanderte ein Teil der Bevölkerung aus Skandinavien aus. Die ersten Stationen der Wanderung bilden die Orte Golaida, Anthaib, Bainaib und Burgundaib, welche bis heute noch nicht als Landschaften identifiziert werden konnten.11
Zu dieser Zeit kamen die Langobarden weder mit dem Arianismus in Berührung noch mit dem Katholizismus. Es ist davon auszugehen, dass sie ihre eigene germanische Religion mit über die Grenzen brachten, wobei man hier nicht von der einen germanischen Universalreligion sprechen kann. Die größte Verbindung zwischen den germanischen Religionen ist wohl die Verehrung Wodans und Donars als die bekanntesten Gottheiten.12 Wie die Reste der vorchristlichen Religionen der abwandernden Germanen letztendlich aber genau aussahen, ist nicht nachzuvollziehen. Das einzige Überbleibsel aus der Zeit der Völkerwanderung sind die jeweiligen Herkunftssagen, wie wir sie hier mit den Brüdern Ibor und Agio vorliegen haben. Diese Abstammungsgeschichte, in der ein königliches Brüderpaar vorkommt, ist nicht nur bei den Langobarden bekannt, sondern auch zum Beispiel bei den Angelsachsen oder den Wandalen.13 Diese Abstammung aus einer königlichen Linie ist auch nicht unwichtig, wenn man bedankt das dies gerade bei der Landnahme eine Legitimation des Herrschaftsanspruches darstellen konnte.
Ein Teil der Langobarden wanderte schließlich im 5. Jahrhundert weiter nach Niederösterreich, der Rest blieb in Golaida zurück. Mit der Abwanderung änderte sich das Profil der Langobarden von einfachen Bauern zu einem durchaus kriegerischen Volk. So nehmen sie im weiteren Verlauf Besitz über das Rugierland, nördlich der Donau und siegen über den germanischen Stamm der Heruler, was ihnen durch die Aufnahme des Stammesschatzes einen großen Machtanstieg verschaffte.14 In der ersten Phase, bevor die Langobarden Italien erreichten und dort ihr Reich zu konsolidieren versuchten, war Wacho der König, mit der aggressivsten Expansionspolitik. Unter ihm wurden die Sweben unterworfen und Ungarn westlich und südlich der Donau besetzt. Seine geschlossenen Ehen standen immer unter einem politischen Stern und sicherten seine Herrschaft in viele Richtungen ab. Unter Wacho war es den Langobarden gelungen, ihr Reich von Böhmen bis Ungarn auszudehnen, was sie als ernstzunehmende Mitspieler in das europäische Machtsystem integrierte.15
2.2 Alboin
Nachdem der minderjährige Sohn Wachos, durch Audoin als neuen König der Langobarden abgelöst wurde, verschlechterte sich die Beziehung zu den Gepiden und im Jahr 551 kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Stämmen. Aus dieser Schlacht gehen die Langobarden siegreich hervor und der Sohn Audoins rühmt sich damit, dem Gepidenkönig erschlagen zu haben. Alboin tritt auf die Bildfläche und folgt seinem Vater auf den langobardischen Thron.16
Alboin ist einer der langobardischen Könige, über die mehr bekannt ist. Nicht zuletzt, weil Paulus Diaconus in seiner Historia Langobardorum ihm und seiner Herrschaft fast das gesamte zweite Buch widmete. Für Alboin war es das große Ziel, Italien zu erobern und dieses Ziel verfolgte er mit überaus großem Ehrgeiz. Die Überlieferungen über Alboin schwanken zwischen Sage und Wirklichkeit und lassen sich schwer greifen; auch weil Diaconus mehrere Geschehnisse aufgreift, die schwer zu glauben sind.17
Um Italien zu erobern, bediente Alboin sich der Awaren, denen er Wohnsitze in Panonnien zusprach, den Langobarden aber ein Rückkehrrecht von 200 Jahren vorbehielt, sollte die Eroberung Italiens nicht gelingen.18
Schenkt man den Ausführungen von Diaconus Glauben, so bestieg Alboin einen Berg im Grenzgebiet Italiens und betrachtete dort ein Stück des Landes. Von da an wurde dieser, Berg des Königs genannt.19 Diaconus schaffte es, obwohl Alboin kein Christ war, eine biblische Metapher einzubauen und stilisierte den Herrscher Alboin, der einen Berg bestieg, in christlicher Tradition, wie Moses, der sein Volk in das heilige Land führte und auf einem Berg die zehn Gebote empfing.20
Der erste bedeutende Ort, den Alboin im Grenzgebiet Italiens einnimmt, ist Forum Iulii. Hier ist es für ihn wichtig, eine vertrauensvolle Person als Herzog einzusetzen, der die Verwaltung dieses Ortes gewissenhaft übernimmt. So entschied sich Alboin für seinen Neffen Gisulf.21
Die Ausformung des Amtes Herzog (oder auch Dux) gestaltete sich für die Herrschaftssicherung des Langobardenreiches als durchaus essentiell. Diese Aufsplitterung der Macht nach Gebieten hatte jedoch zur Folge, dass, obwohl die Herzöge dem König unterstanden, sie oftmals eigenmächtig handelten und wie man im weiteren Verlauf sehen wird, größere Probleme daraus resultierten.22
Nach der Einnahme Forum Iuliis nahm Alboin mit seinem Heer Vincenza, Verona und die übrigen Städte Venetiens ein mit der Ausnahme von Padua, Monselice und Mantua.23 Die größte Herausforderung Alboins stellt sich ihm mit der dreijährigen Belagerung Pavias und so wird die Stadt schlussendlich 572 eingenommen.24 Auch den Einritt Alboins in die Stadt Pavia weiß Diaconus gekonnt in Szene zu setzen. So beschreibt er, wie Alboin die Stadt durch das St.-Johannistor von Osten her auf seinem Pferd betreten will, sein Pferd aber genau unter dem Tor zusammenbricht. Ein Langobarde tritt an den König heran und ermahnte ihn an seinen Schwur zu denken, in dem er geschworen hatte, die gesamte Bevölkerung Pavias niederzumetzeln, da sie sich so lange einer Übergabe der Stadt verwehrt hatte. Der Langobarde, welcher hier nicht beim Namen genannt wird, bittet Alboin von seinem Vorhaben abzusehen mit dem Hinweis, dass in dieser Stadt Christen leben und wenn er sie verschont, er in die Stadt einziehen wird. Alboin lässt demnach von seinem Schwur ab, sein Pferd richtet sich wieder auf und er kann die Stadt betreten.25
Paulus Diaconus verstand es diese Legende ganz im Zeichen seiner christlichen Prägung als eine Entscheidung der Güte und Barmherzigkeit seitens des Königs darzustellen. Dies könnte mit einer Inszenierung des langobardischen Königs zusammenhängen, in dem Diaconus versucht, ihm das Barbarische zu nehmen, um ihn gleichzeitig in die Formen eines barmherzigen christlichen Herrschers zu pressen. Seine genauen Intentionen jedoch sind nicht mit Sicherheit zu erkennen und lassen daher nur Vermutungen zu.
Dass die Langobarden jedoch nicht in Freundschaft kamen, sondern als Feinde und sie durch ihre heidnischen und teils auch schon arianischen Überzeugung wenig Verständnis und Respekt vor christlichen Werten hatten, zeigte sich im Umgang mit ihrer römisch-christlichen Umgebung; dazu zählten Kirchen, ihre Diener und Besitzungen. Nicht umsonst flohen die Bischöfe von Mailand und Aquileja in die byzantinischen Teile Italiens.26 Das der Arianismus im katholisch geprägten Italien für die Langobarden zum Problem werden konnte und einige Auseinandersetzungen dadurch entstehen würden, war jedoch auch gleichzeitig der Beginn der Integration der Langobarden in ihrer neue Umgebung.
3. Wie der Arianismus zu den Langobarden kam
Das Christentum so wie es heute bestand hat, formte sich immer wieder neu aus innerkirchlichen Auseinandersetzungen zwischen ihren unterschiedlichen Gruppierung und den damit verbundenen Lehren. Einer der bekanntesten Auseinandersetzungen zur Zeiten der Spätantike war der arianische Streit, welcher das ganze 4. Jahrhundert prägte.27 In Alexandria kam es zum Zwiespalt zwischen dem Begründer des Arianismus, dem Presbyter Arius von Alexandria, und dem Bischof Alexander von Alexandria. Der Hauptbestandteil des Streites war die Definition um das Wesen des Sohn Gottes, was aufgrund Arius Auffassung, nicht gebilligt wurde und seinen Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft bedeutete.28 Für Arius war Christus ganz klar dem Gottvater untergeordnet, denn anders als Christus, war er ungezeugt und nicht geschaffen, was ihn deshalb zum wahren Gott machte.29 In der christlichen Gemeinschaft in Alexandria muss dies eine Welle der Empörung hervorgerufen haben, weshalb im Jahr 325, Arius auf dem Konzil von Nicäa verurteilt wurde.30 Jedoch wusste sich Arius zu helfen und hatte schon zuvor nach Verbündeten seiner Lehre gesucht und die Resonanz war durchaus positiv. Jedoch zersplitterte sich der Arianismus, in unterschiedliche Gruppierungen, da offensichtlich nicht jeder mit den sehr starren Ansichten konform gehen konnte. So entstand die Gruppe der Homöer, die eine mildere Form des Arianismus vertraten und der Ansicht waren, dass Christus und Gottvater sich wenigstens in ihrem Wesen ähnlich waren. Die Anhomäer waren dabei die radikalere Gruppen und waren der Meinung das Christus und Gottvater überhaupt keine Wesensähnlichkeit besaßen. Der Arianismusstreit wurde im Jahr 381 auf dem Konzil von Konstantinopel beendet und das große Glaubensbekenntnis festgelegt, welches sich auf die Dreifaltigkeit Gottes bezieht.31
Dies bedeutete jedoch nicht, dass der Arianismus an sich verschwand. Der Arianismus erfasste zwischen dem 4. und 5. Jahrhundert fast alle germanischen Stämme, bis auf die Alemannen und Franken. Die Goten spielten hierbei eine wichtige Rolle, so galten sie als Vermittler des Arianismus unter den Germanen. Es wird vermutet, dass die Goten als erster der germanischen Stämme in intensiven Kontakt mit dem Arianismus kamen, da sie im 3. und 4. Jahrhundert, christliche Kriegsgefangene gemacht hatten, die einen großen Einfluss auf die Heiden ausgeübt haben sollen.32 Wichtigster Vermittler unter den Goten war Wulfila, welcher sogar auf der Synode von Antiochien zum Bischof der Christen im Lande der Goten ernannt wurde. Im Jahr 348 entstand durch Wulfila die erste Übersetzung der Bibel in germanischer Sprache, welche als wichtiger Faktor für die Verbreitung und Missionierung in den verschiedenen germanischen Stämmen diente.33 Der langobardische Arianismus geht somit auch auf die Schule Wulfilas zurück, was jedoch in keinem schriftlich Zeugnis erhalten ist. Einzig und allein gibt es eine germanisch-arianische Schriftensammlung auf langobardischen Boden, die in Teilen des Kloster Bobbios erhalten geblieben ist.34 Circa um das Jahr 540 waren viele Langobarden bekehrt, wenn auch es noch einige Heiden gab. Oft war es aber für die langobardischen Könige jedoch wichtig sich einer Religion, in diesem Fall des Arianismuses, anzuschließen.35 Nicht umsonst sieht der Historiker Stefano Palmieri die Konversion der Langobarden zum Arianismus als „politisches Etikett“36, als eine Notwendigkeit, ihre politischen Ziele durchzusetzen und vor allem ihre Eroberungen weiter durchzuführen. So nimmt auch Alboin vor dem Einmarsch in Italien den Arianismus an, um die Unterstützung der ebenfalls arianischen Goten zu erhalten.37 Alboin wählte den Arianismus als eine Art Ausweg, denn für die Einnahme der Gebiete Italiens benötigte er Unterstützung. Die Konversion zum Katholizismus hätte jedoch bedeutet den Papst anzuerkennen und die damit verbundenen weltlichen und machtpolitischen Ansprüche.38 Dies war keine Option. Und so kam es, dass die Annahme des Arianismus durch Alboin eher als strategisches Kalkül wirkte und seine politische Funktion entfalten sollte, als das die Konversion ernstzunehmende religiöse Hintergründe hatte.39
4. Das Interregnum und seine Folgen
Nachdem Alboin in Italien Fuß gefasst hatte und eine Zeit lang herrschte, holte ihn die Vergangenheit ein und wurde ihr Opfer. Als er in Verona bei einer Festlichkeit seiner Gemahlin Rosimund Wein anbot, war diese fassungslos über des Königs Benehmen. Das Trinkgefäß, aus welchem Alboin ihr anbot zu trinken, war nichts geringeres als eine Schale gefertigt aus dem Schädel ihres Vaters, den Alboin in der Schlacht erschlagen hatte. Diese Sage betont Diaconus, sei wahr, denn er habe selbst einmal diese Trinkschale gesehen. Rosimund konnte die Maßlosigkeit nicht erdulden und schloss sich mit Helmichis, dem Waffenträger des Königs zusammen, welcher ihn letztendlich auch ermordete.40
Alboin, der kinderlos geblieben war, konnte keinen würdigen Erben für den Königsthron hinterlassen. So entschieden die Langobarden nach einer zweimonatigen Thronvakanz, Cleph, den Herzog von Bergamo, in Pavia als König zu erheben und das Langobardenreich weiter zu führen.41 Unter dem neuen König kam es zu brutalen Auseinandersetzungen mit den Romanen, die in Ermordung der adligen Oberschicht mündete sowie Kirchen beraubt und Priester erschlagen wurden. Auch setzten die Langobarden unter Clephs Herrschaft, die Expansion ihres Reiches fort und eroberten Piacenza, Reggio, Modena und Mantua.42 Doch Clephs Herrschaft ist nicht von langer Dauer und so wird er nach nur 18 Monate als König ermordet. Nach Cleph wurde, obwohl er einen Sohn hatte, kein neuer König gewählt. So geschah es, dass es vom Jahr 574 bis 584, zu einem zehnjährigen Interregnum kam, in dem kein König im Langobardenreich erhoben wurde.43 Paulus Diaconus endet mit seinem zweiten Buch in der Historia Langobardorum mit der Phase des Interregnums und beginnt das dritte Buch mit der Herrschaft der Herzöge und deren Raubzüge in Gallien. Fortan wurde das noch junge Langobardenreich von den Herzögen geführt. Diaconus beschreibt, dass viele römische Bürger aus Habgier ermordet und der Rest zur Abgabe verpflichtet wurde. Es kam zu Plünderungen von Kirchen, Ermordung von Geistlichen und der Verwüstung von Städten.44
Die Herzöge waren getrieben vom Beute machen und wurden aufgrund eines fehlenden Königs nicht an ihren Taten gehindert. Viele Historiker erkennen hier schon den Beginn des Sieges des Herzogtums über das des Königtums und leiten daraus den späteren Untergang des Langobardenreiches ab.45 Durch das zehnjährige Interregnum war es dem Reich nicht möglich, seine Innen- sowie Außenpolitik zu stärken und die Macht zu zentralisieren. Stattdessen wüteten die Herzöge unabhängig voneinander. Jeder Herzog in seiner Stadt besaß ein eigenes Heer, über das er frei Verfügen konnte. Die militärischen Möglichkeiten boten den Herzögen nicht nur einen Eigenschutz, sondern boten auch denen Schutz, die vom König keinen Schutz erhielten, was zu einem immensen Machtanstieg führte und das Verhältnis zwischen Herzog und König nachhaltig schädigen konnte.46
Zehn Jahre bestand die Gefahr, dass es durch die uneingeschränkte Rechtsgewalt der Herzöge zu einer oligarchischen Zersplitterung des Langobardenreiches kommen könnte. Da nach wie vor die Bedrohungen von außen dem nicht konsolidierten Reich zu schaffen machte, erkannte man, dass es zu einer Monopolisierung der Herrschaftsgewalt kommen musste, um das Fortbestehen des Reiches zu sichern.47 Daher entschied man sich nun doch für die Erhebung eines neuen Königs. Zehn Jahre nachdem die Herzöge im Reich ihren eigenen Interessen folgten, wurde nun Authari, der Sohn Clephs, mit der Aufgabe betraut, das Langobardenreich wieder von innen nach außen zu stärken.48 Warum genau die Königserhebung so lange andauerte, ist nicht wirklich nachzuvollziehen. Fakt ist nur, dass die Königsfrage nicht unbedingt eine Frage des Blutes war, sondern vor allem eine Verfahrensfrage. So hatte der Sohn eines Königs zwar gute Aussichten als sein Nachfolger erhoben zu werden, jedoch musste auch er sich wie jeder andere in Frage kommende Kandidat zur Wahl stellen lassen.49
Die Wahl fiel auf Authari, der als Zeichen seiner Herrscherwürde auch den Titel Flavius angenommen hatte, den nicht nur alle Langobarden nach ihm tragen sollten, sondern er damit auch die im Reich lebenden Romanen mit einschloss – eine Herrschaft die um die Einheit Italiens unter Einbeziehung der Romanen in das Langobardenreich bemüht war.50
Zur Wiederherstellung des Königtums forderte Authari die volle Hälfte des Wirtschaftsvermögen der Herzöge.51 Auch wenn die Bemühung um die Einheit des Reiches stets vorhanden waren, dass Interregnum hatte zur Folge, dass zu viele geistige Ströme entstanden waren, die von innen und von außen angreifbar waren und das Reich dadurch Schwierigkeiten hatte sich zu erholen.
5. Der Katholizismus unter den Langobarden
Bevor die Langobarden Italien erreichten, waren außer dem Arianismus, andere Religionen nicht im Fokus. Im 6. Jahrhundert hatte allgemein das Christentum noch nicht die Masse der Langobarden erfasst, was den Königen wie Wacho und auch Alboin, die Möglichkeit eröffnete, verschiedene Religionen anzunehmen und das Volk dadurch nicht beeinträchtigt wurde. Der Einzug der Langobarden nach Italien brachte aber nicht nur für die dort ansässigen Menschen eine Veränderung mit sich, sondern auch die Langobarden selbst fanden sich in einem anderen Umfeld wieder, welches katholisch geprägt war.52 Als Authari im Jahr 584 als langobardischer König erhoben wurde, stand er vor der schweren Aufgabe, Germanen und Romanen näher zu bringen und Gegensätze abzubauen, um den noch sehr schwachen Staat aufrecht zu erhalten.53 Eine wirkliche Annäherung an den Katholizismus begann jedoch erst mit seinem Nachfolger Agilulf, der jedoch mit seiner Zuwendung Richtung Rom nicht ganz autonom handelte. Authari selbst, ließ noch die Taufe von Kindern verbieten, da er befürchtete, es könne zu einer religiösen Spaltung des Volkes kommen, was unweigerlich zu einer Assimilierung der Langobarden an die Romanen führen würde.54 Dennoch konnte auch Authari langfristig nicht verhindern, dass die Langobarden in ihrer neuen Umgebung mit dem Katholizismus in Kontakt kamen und damit auch beeinflussbarer und sensibler für ihre neue Umwelt wurden. Die Kirche hatte nun, da die Langobarden in ihr geprägtes Umfeld eintauchten, eine bessere Handhabe darüber, in welche Richtung das germanische Volk beeinflusst werden sollte. Gestärkt wurde die katholische Kirche vor allem ab dem 7. Jahrhundert, als nach den langobardischen Eroberungen es wieder möglich war, dass Bischöfe an ihren Bischofssitzen amtierten wie zum Beispiel in Siena und Benevent.55 Vor allem war es für die Stadt Mailand ein wichtiger Meilenstein, als der Erzbischof von Mailand aus seinem genuesischen Exil wieder in seine Diözese zurückkehren konnte und damit die 100jährige Desintegration der Mailänder Kirchenprovinz beendet war.56
Ab dem 7. Jahrhundert waren die Langobarden vor allem aufgrund des bayrischen Einflusses, immer mehr Richtung Katholisierung geführt worden.57 Das Ziel der bayrischen Könige seit Aripert I. war es, aus der Gens Langobardorum ein orthodox katholisches Volk entstehen zu lassen. Obwohl Aripert den Arianismus letztendlich verbot, blieb dieser noch länger Bestandteil des langobardischen Volkes und war nicht so einfach durch den Katholizismus zu ersetzen.58 Eine Vermutung für das Verharren im Arianismus ist die hierarchische Unterordnung von Jesus unter den Gottvater, gepaart mit der Vorbildwirkung Christi als Heilsmittler, was man als Ähnlichkeit zum germanischen Gefolgschaftsdenken deuten kann. Zudem ist es möglich, dass die Langobarden in einem weniger absoluten Herrschaftsideal, welches sich im Christus des Arianismus manifestierte, einen größeren Anreiz sahen, als zunächst im Katholizismus.59
[...]
1 Vgl. http://whc.unesco.org/en/list/1318/gallery/ & http://www.italia.it/de/reisetipps/unesco-staetten/die-machstaetten-der-langobarden.html
2 Diaconus, Paulus: Geschichte der Langobarden. Historia Langobardorum. Darmstadt 2009. Vgl. S.7.
3 Vgl. ebd., S.25.
4 Vgl. ebd., S.7.
5 Vgl. ebd., S.28.
6 Vgl. ebd., S.32.
7 Vgl. ebd., S.31.
8 Vgl. Diaconus 2009. S.36.
9 Aufgrund ihrer langen Bärten sollen sie angeblich ihren neuen Namen „Langobarden“ erhalten haben. Vgl. Diaconus HL1, 8,9
10 Vgl. ebd., S.115ff.
11 Vgl. Jarnut, Jörg: Geschichte der Langobarden. Stuttgart 1982. S.17.
12 Vgl. Simek, Rudolf: Die Germanen. Stuttgart 2006. S.182.
13 Vgl. Simek 2006. S.184.
14 Vgl. Jarnut 1982. S.18ff.
15 Vgl. ebd., S.21f.
16 Vgl. ebd., S.24ff.
17 Vgl. Jarnut 1982. S.33.
18 Vgl. ebd., S.33.
19 Vgl. Diaconus 2009. S.163.
20 Vgl. Pötzl, Norbert F.: Lockruf des Südens. In: Pötzl, Norbert F. & Saltzwedel, Johannes (Hg.): Die Germanen. Geschichte und Mythos. München 2013. S.221.
21 Vgl. Jarnut 1982. S.34.
22 Vgl. ebd., S.31.
23 Vgl. Diaconus 2009. S.169.
24 Vgl. Jarnut 1982. S.34.
25 Vgl. Diaconus 2009. S.177.
26 Vgl. Jarnut 1982. S.35.
27 Vgl. Peters, Ulrike: Die Germanen. Geschichte in Lebensbildern. Wiesbaden 2014. S.60.
28 Vgl. Giesecke, Heinz-Eberhard: Die Ostgermanen und der Arianismus. Leipzig/Berlin 1939. S.4.
29 Vgl. Peters 2014. S.60.
30 Vgl. Peters 2014. S.61.
31 Vgl. ebd., S.61f.
32 Vgl. Simek 2006. S.82.
33 Vgl. Simek, Rudolf: Der Glaube der Germanen. Limburg-Kevelaer 2005. S.73f.
34 Vgl. Giesecke 1939. S.199.
35 Vgl. Wolf, Gunther: Mittel der Herrschaftssicherung in den Germanenreichen des 6. und 7. Jahrhunderts. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung. Band 105. Heft 1. Berlin 1988. S.214.
36 Vgl. Priester, Karin: Geschichte der Langobarden. Gesellschaft-Kultur-Alltagsleben. Stuttgart 2004. S.139.
37 Vgl. Jarnut 1982. S.53.
38 Vgl. Priester 2004. S.139.
39 Vgl. ebd., S.138.
40 Vgl. Diaconus 2009. S.177.
41 Vgl. Schneider, Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter. Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowingern. Stuttgart 1972. S.23.
42 Vgl. Jarnut 1982. S.37.
43 Vgl. Schneider 1972. S.24.
44 Vgl. Diaconus 2009. S.181ff.
45 Vgl. Priester 2004. S.51f.
46 Vgl. ebd., S.54.
47 Vgl. Schneider 1972. S.24f.
48 Vgl. Priester 2004. S.56.
49 Vgl. Priester 2004. S.55.
50 Vgl. ebd., S.56
51 Vgl. Diaconus 2009. S. 201.
52 Vgl. Jarnut 1982. S.53.
53 Vgl. Schwarz, Ernst: Germanische Stammeskunde. Wiesbaden 2009. S.195. 12
54 Vgl. Jarnut 1982. S.53.
55 Vgl. Jarnut 1982. S.66f.
56 Vgl. ebd., S.67.
57 Vgl. Wolf 1988. S.214.
58 Vgl. Jarnut 1982. S.68.
59 Vgl. Simek 2005. S.20.