Ziel der Arbeit ist es, verschieden Möglichkeiten betrieblicher Gesundheitsförderung zum Thema Stress aufzuzeigen. Dazu werden zuerst die Begriffe betriebliches Gesundheitsmanagement, Stress und seiner Erklärungsmodelle sowie benötigte Ressourcen theoretisch ausgeführt. Im Anschluss an die theoretische Einführung werden verschiedene Varianten betrieblicher Gesundheitsförderung beleuchtet und konkrete Maßnahmen, die Unternehmen ihren Mitarbeitenden zur Stressreduktion anbieten können, vorgestellt. Die vorgestellten Maßnahmen werden durch empirische Studien in ihrer Wirksamkeit untermauert. Abschließend wird in der Diskussion reflektiert, wie umsetzbar die vorgestellten Maßnahmen für Unternehmen sind, wo die Probleme der Evaluation betrieblicher Präventionsmaßnahmen liegen.
Die Krankenkassen verzeichnen seit 15 Jahren eine Zunahme stressbedingter Krankschreibungen. Von den gut 15 Fehltagen pro Kopf und Jahr entfallen 2,5 Tage auf psychische Beschwerden wie Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen. An erster Stelle werden wird die Arbeit als Stressursache genannt, dicht gefolgt von zu hohen Ansprüchen an sich selbst und zu vielen Terminen und Verpflichtungen im Privatleben. Die Beschleunigung des Arbeitslebens durch die Digitalisierung, die Dauererreichbarkeit beruflich und privat, Jobunsicherheit, Zukunftsängste, Konflikte am Arbeitsplatz oder in der Familie, Schichtarbeit, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung sind weitere Faktoren, die ein Leben stressig machen können.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Betriebliches Gesundheitsmanagement
2.1. Modelle des Gesundheitsverhaltens
3. Stress
3.1 Modelle zur Erklärung von Stress
3.1.1 Das physiologische Stressmodell
3.1.2 Das Person-Environment-Fit Modell (PE-Fit)
3.1.3 Das transaktionale Stressmodell
3.2. Folgen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz
4. Ressourcen
5. Varianten der betrieblichen Gesundheitsförderung
5.1 Verhaltensbezogene Gesundheitsförderung
5.2 Verhältnisbezogene Gesundheitsförderung
5.3 Betriebliche Maßnahmen zur Stressreduktion
5.3.1 Sport
5.3.2 Achtsamkeit, Entspannung, Meditation, Yoga
5.3.3 Führungskompetenzen zum Stressabbau
6. Diskussion
6. Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis:
BAuA: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
BGF: Betriebliche Gesundheitsförderung
BGM: Betriebliches Gesundheitsmanagement
GEFA: Gesundheits- und Entwicklungsförderliche Führungsverhaltens- Analyse
HAPA: Health Action Process Approach
HBM: Health-Belief-Model
TPB: Theorie des geplanten Handelns
TSST: Trier Social Stress Test
TTM: Transtheoretisches Modell
VDR: Verband deutscher Rentenversicherer
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1, S. 12: kurz-, mittel und langfristige Folgen von Belastungen in der Arbeit
Abb. 2, S. 21: Theoretisches Rahmenmodell zur Erfassung gesundheits- und entwicklungsförderlichen Führungsverhaltens
1. Einleitung
Die Krankenkassen verzeichnen seit 15 Jahren eine Zunahme stressbedingter Krankschreibungen. Von den gut 15 Fehltagen pro Kopf und Jahr entfallen 2,5 Tage auf psychische Beschwerden wie Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen. An erster Stelle werden wird die Arbeit als Stressursache genannt, dicht gefolgt von zu hohen Ansprüchen an sich selbst und zu vielen Terminen und Verpflichtungen im Privatleben. Die Beschleunigung des Arbeitslebens durch die Digitalisierung, die Dauererreichbarkeit beruflich und privat, Jobunsicherheit, Zukunftsängste, Konflikte am Arbeitsplatz oder in der Familie, Schichtarbeit, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung sind weitere Faktoren, die ein Leben stressig machen können.
Unternehmen, Berufsgenossenschaften und Krankenkassen haben dieses Problem schon seit vielen Jahren im Blick und wissen, dass die Arbeitgeber wesentlich zur Stressreduktion beitragen können. Deshalb gibt es auch zahlreiche Angebote, gutes Stressmanagement über die Unternehmen an die Mitarbeiter anzubieten. Die Methodenvielfalt um mit Stress besser umzugehen ist riesig, viele Methoden und Ansätze sind wissenschaftlich untersucht.
Ziel der Arbeit ist es, verschieden Möglichkeiten betrieblicher Gesundheitsförderung zum Thema Stress aufzuzeigen. Dazu werden zuerst die Begriffe betriebliches Gesundheitsmanagement, Stress und seiner Erklärungsmodelle, sowie benötigte Ressourcen theoretisch ausgeführt. Im Anschluss an die theoretische Einführung werden verschiedene Varianten betrieblicher Gesundheitsförderung beleuchtet und konkrete Maßnahmen, die Unternehmen ihren Mitarbeitenden zur Stressreduktion anbieten können, vorgestellt. Die vorgestellten Maßnahmen werden durch empirische Studien in ihrer Wirksamkeit untermauert. Abschließend wird in der Diskussion reflektiert, wie umsetzbar die vorgestellten Maßnahmen für Unternehmen sind, wo die Probleme der Evaluation betrieblicher Präventionsmaßnahmen liegen.
2. Betriebliches Gesundheitsmanagement
Betriebliches Gesundheitsmanagement beinhaltet den Aufbau betrieblicher Strukturen und die systematische, zielorientierte Steuerung von Prozessen, um gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen und die Beschäftigten zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten zu befähigen. Ziel des BGM ist es, den Gesundheitszustand der Mitarbeitenden zu verbessern, den Krankenstand zu reduzieren und damit die Produktivität zu erhöhen. Das BGM besteht aus drei Bereichen:
- Arbeits- und Gesundheitsschutz (gesetzlich verpflichtend)
- Betriebliches Eingliederungsmanagement (betrieblich verpflichtend)
- Betriebliche Gesundheitsförderung (freiwillig)
Während der Arbeits- und Gesundheitsschutz, sowie das betriebliche Eingliederungsmanagement nach einer längeren Krankheit vom Gesetzgeber geregelt ist, ist die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) eine freiwillige Unterstützung des Unternehmens. Nach der Ottawa-Charta, einem Manifest der ersten internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung (1986), zielt Gesundheitsförderung „auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können“ (Ottawa-Charta, 1986). Um das zu erreichen, müssen Menschen die Möglichkeit haben, auf die Faktoren, von denen ihre Gesundheit abhängt, Einfluss zu nehmen: „Menschen können ihr Gesundheitspotential nur dann weitestgehend entfalten, wenn sie auf die Faktoren, die ihre Gesundheit beeinflussen, auch Einfluss nehmen können. ... Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein. Gesundheitsförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen“ (Ulich/Wüsler 2018, S. 3).
Für die betriebliche Gesundheitsförderung bedeutet das, sie
- befasst sich sowohl mit somatischen, wie auch mit psychosozialen Aspekten der Gesundheit
- hat die Aufgabe, die positiven Merkmale der Arbeit, die das Wohlbefinden und die Handlungsfähigkeit der Beschäftigten erhöhen, zu identifizieren und auszugestalten
- muss die Kompetenzen der Mitarbeiter zu erweitern
- soll sowohl verhaltensändernde Angebote, wie auch verhältnisbezogene Maßnahmen einleiten
- schließt alle Mitarbeiter ein und gewährt deren Mitbestimmung an den gesundheitsfördernden Prozessen (vgl. Bamberg et al. 2011, S. 125-127).
2.1. Modelle des Gesundheitsverhaltens
In der Gesundheitspsychologie gibt es unterschiedliche Annahmen darüber, wie und warum Menschen ihr Verhalten ändern. Entsprechend unterschiedlich sind die angebotenen Interventionen.
Kontinuierliche Modelle, wie das Health-Belief-Model (HBM) (vgl. Pieter et al. 2010, S. 301-302) oder die Theorie des geplanten Handelns (TPB) (vgl. Daniel/Jansen 2018, S. 34-36) lassen alle Teilnehmer/innen an den gleichen Interventionen teilnehmen, um sie auf einem angenommenen Kontinuum einer Verhaltenswahrscheinlichkeit zu ihrem neuen, gewünschten Verhalten zu führen. Für betriebliche Gesundheitsförderung sind dynamische Stadienmodelle, wie das transtheoretische Modell (TTM) (vgl. Schütz/Selg/Lautenbacher 2005, S 442), oder das sozial kognitive Prozessmodell gesundheitlichen Handelns (HAPA) (vgl. Schwarzer und Fleig 2014, S. 339-341,) besser geeignet, denn sie bieten für jedes Stadium, in dem sich eine Person in ihrer Verhaltensänderung befindet, maßgeschneiderte Interventionen an, da angenommen wird, dass Interventionen nur dann hilfreich sind, wenn sie an die Bedürfnisse einer Person angepasst sind.
Das sozial kognitive Prozessmodell gesundheitlichen Handelns (HAPA-Modell) kombiniert die Annahmen eines Verhaltens der Prädiktionsmodelle, wie Persönlichkeitsmerkmale, Einstellungen oder der Einfluss des sozialen Umfelds und die Annahmen der Stadien-Modelle, nach denen sich Menschen bezüglich eines Veränderungsvorhabens in verschiedenen Stadien befinden. In den einzelnen Phasen des HAPA-Modells sind unterschiedliche Faktoren wirksam. So machen sich Personen, die der nicht intentionalen Phase zugeordnet werden können, nur wenig oder noch keine Gedanken über ihr Verhalten und kennen eventuelle Risiken nicht. In der intentionalen Phase haben die Personen den Entschluss gefasst ein Verhalten zu ändern, zeigen jedoch noch keine Handlungsinitiierung. Hier setzt nun die Planung ein, die in Handlungsplanung und Bewältigungsplanung unterschieden wird. Die aktionale Phase folgt, sobald ein Zielverhalten initiiert wurde. Jetzt geht es um die Ausführung und die Aufrechterhaltung des angestrebten Verhaltens. In dieser Phase dominieren die Kontrolle der Handlungsausführung und der Schutz gegenüber störenden Einflüssen. Jetzt können konkrete Pläne entwickelt werden, die das Wann, Wo und Wie explizit regeln (vgl. Schwarzer/Fleig 2014, S. 338-339, Schwarzer 2004, S. 90-100).
3. Stress
Stress ist eine Aktivierungsreaktion des Organismus auf Anforderungen und Bedrohungen, auf sogenannte Stressoren. Man unterscheidet drei verschiedene Arten von Stressoren:
1. Physische Stressoren (Lärm, Hitze, Kälte, Verletzungen, schwere körperliche Arbeit, Reizüberflutung).
2. Psychische Stressoren (Versagensängste, Über- und Unterforderung, Fremdbestimmung, Zeitnot, Kontrollverlust).
3. Soziale Stressoren (Konflikte, Isolation, Verlust vertrauter Menschen, Mobbing) (vgl. Litzcke/Schuh 2004, S.14-18).
Einer Studie der Techniker Krankenkasse (2016) zufolge fühlen sich 6 von 10 Deutschen gestresst, sowohl beruflich wie auch privat. Insgesamt nehmen die psychischen Erkrankungen kontinuierlich zu und sind im Vergleich zu den physischen Erkrankungen mit längeren Ausfallzeiten verbunden. Zusätzlich zu den individuellen Konsequenzen der stressbedingten Krankheiten für die Arbeitnehmer, verursacht die krankheitsbedingte Abwesenheit der Beschäftigten auch im Unternehmen Probleme. Neben organisatorischen Problemen, wie z.B. der Vertretung des ausgefallenen Mitarbeiters, sind dies vor allem die erheblichen Kosten. Mit den steigenden Kosten für Arbeitsausfälle durch Erkrankungen, ist für das Unternehmen die Verbesserung und Erhaltung der Gesundheit ihrer Mitarbeiter vermehrt zu einem betrieblichen Thema geworden. Die entsprechenden Bestrebungen zeigen sich vor allem im Auf- und Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements (vgl. Kauffeld 2019, S. 310). Ob bei der Arbeit, der Familie oder Freizeitaktivitäten, der Mensch ist im Alltag oft stark gefordert. Wenn die persönlichen Anforderungen ein gewisses Maß überschreiten, kann dies als anstrengend oder belastend empfunden werden. In der Alltagssprache werden die Begriffe „Belastung“ und „Beanspruchung“ oft synonym mit „Stress“ verwendet. Stress wird als ein intensiver unangenehmer Spannungszustand erlebt, der aus der Befürchtung resultiert, dass eine lang andauernde, stark aversive und zeitlich nahe Situation nicht vollständig kontrollierbar ist, deren Vermeidung aber wichtig erscheint. Die Stressoren können dabei sowohl externe, als auch interne Stimuli sein.
Die Belastungen die sich dabei in der Arbeitswelt ergeben, können nach Schönpflug (1987) anhand von sechs Dimensionen unterschieden werden:
- nach ihrer Herkunft (Personen- oder Umweltbedingt)
- nach ihrer Qualität (leichte oder starke Belastung)
- nach den Möglichkeiten sie zu beeinflussen
- nach ihrer zeitlichen Struktur (selten oder permanent)
- nach der Art ihrer Auswirkung (physisch oder psychisch) (vgl. Kauffeld 2019, S. 310-311).
3.1 Modelle zur Erklärung von Stress
Wann entsteht Stress, unter welchen Umständen wirken Umweltfaktoren belastend, warum führen Stressoren bei manchen Menschen zu Stress und bei anderen nicht? Die verschiedenen Stressmodelle bieten Erklärungsansätze über die Entstehungsbedingungen von Stress.
3.1.1 Das physiologische Stressmodell
Das Modell von Seyle ist biologisch orientiert und bietet einen reaktionsorientierten Ansatz für das Entstehen von Stress. Seyle definiert Stress als unspezifische Reaktion des Organismus auf jede Art von Anforderung. Unterschiedlichste Faktoren können Stressoren werden und das physiologische „allgemeine Adaptionssystem“ auslösen. Dieses System besteht aus drei Phasen:
1. Alarmreaktion: Der Stressor wird erkannt und die Person reagiert mit Anpassung. Im Körper werden vermehrt Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol ausgeschüttet.
2. Widerstandsphase: Die Person leistet Widerstand. Bei dieser Gegenreaktion werden die ausgeschütteten Stresshormone wieder abgebaut und der Körper erholt sich.
3. Erschöpfungsphase: Wenn es der Person nicht gelingt, sich auf Grund mangelnder Ressourcen, der Stresseinwirkung zu widersetzen, folgt Erschöpfung. Der Stress dauert über lange Zeit an und die Person kann nicht mehr dagegen ankämpfen. Die körperlichen Anzeichen von nicht abgebautem, chronischem Stress entsprechen in vielem denen, die auch beim Burnout anzutreffen sind (vgl. Kauffeld 2019, S. 314).
3.1.2 Das Person-Environment-Fit Modell (PE-Fit)
Nach dem PE-Fit Modell (Caplan, 1983) sollte es ein Gleichgewicht zwischen den Ressourcen, über die eine Person verfügt und den Anforderungen, die an sie gestellt werden, geben. Ebenso sollten die Merkmale einer Arbeitsaufgabe den Bedürfnissen der Person entsprechen. Ist das nicht der Fall, führt die Nichtübereinstimmung zwischen gewünschten und vorhandenen Merkmalen (Ressourcen – Anforderung, Bedürfnis – Merkmal) zur Entstehung von Stress. Bei negativer Passung (Anforderung > Ressource, Bedürfnis > Merkmal) wird erwartet, dass die Auswirkungen umso negativer sind, je grösser die Nichtpassung ist. Das PE-Fit Modell bietet einen wichtigen Ansatzpunkt zur Stressprävention. So kann sowohl am Verhalten einer Person wie auch an den Merkmalen der Umwelt angesetzt werden um Stress zu reduzieren oder zu vermeiden (vgl. Kauffeld 2019, S. 320).
3.1.3 Das transaktionale Stressmodell
Ein kognitiver Erklärungsansatz für die Entstehung von Stress stammt von Lazarus (1984). Er stellt die individuellen kognitiven Bewertungsprozesse in den Mittelpunkt, die darüber entscheiden, ob bei einer Person Stresserleben stattfindet, oder nicht. Bei dem transaktionalen Stressmodell werden drei Bewertungsprozesse unterschieden, die primäre Bewertung, die sekundäre Bewertung und die Neubewertung eines Reizes, der potentiell Stress auslösen kann.
Bei der primären Bewertung wird von der betroffenen Person beurteilt, ob der Reiz irrelevant, positiv oder stressend ist. Nur wenn der Reiz stressend ist, wird unter Umständen eine Anpassung des Verhaltens notwendig. Wenn der Reiz als stressend oder bedrohlich empfunden wird, erfolgt eine zweite Einschätzung, die sekundäre Bewertung. Jetzt wird beurteilt, ob die Person über genügend Ressourcen verfügt, um die Situation zu bewältigen oder nicht. Innerhalb dieses Bewältigungsprozesses kommt es zu einem Bewältigungsverhalten. Je nachdem, ob die Situation erfolgreich gemeistert wurde oder nicht, erfolgt eine Neubewertung des Reizes. Diese Prozesse können sich je nach Situation und Bewältigung mehrmals wiederholen. Nach dem transaktionalen Stressmodell entsteht Stress, wenn eine Situation für die Person bedrohlich ist und sie keine ausreichenden Bewältigungsfähigkeiten besitzt (vgl. Nerdinger et al. 2019, S. 577).
3.2. Folgen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz
Belastende Arbeitsmerkmale können, neben Verringerung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, auch zu weitreichenden gesundheitlichen, physischen wie psychischen, Konsequenzen führen. Depressivität, Absentismus (zeitlich begrenztes Fernbleiben von der Arbeit) und kontraproduktives Arbeitsverhalten (Diebstahl, Mobbing, Drogenmissbrauch) konnten bei Stressbelastungen festgestellt werden. Belastungen der Arbeit können kurz-, mittel- und langfristige Folgen auf physiologischer Ebene, psychischer Ebene und der Verhaltensebene haben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: kurz-, mittel und langfristige Folgen von Belastungen in der Arbeit Quelle: Kauffeld, 2019, S. 322
Die Kosten für Produktionsausfall und Ausfall an Bruttowertschöpfung aufgrund krankheitsbedingter Arbeitstage lag 2018 bei insgesamt 144,7 Mrd. Euro, die Kosten der psychischen und Verhaltensstörungen lagen mit 22,8 Mrd. Euro an der Spitze (vgl. BAuA 2020, S. 2). Psychische Belastungen führen aber nicht nur zu temporären Krankheiten, sondern auch zu dauerhafter Erwerbsunfähigkeit. Dies zeigt eine Statistik des Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) 2006, nach der die psychischen Erkrankungen die häufigste Ursache einer Frühberentung sind (24,5% bei Männern, 35,5% bei Frauen) (vgl. Robert Koch Institut 2006, S. 15). Als Gründe werden geringe Tätigkeitsspielräume und fehlende Wertschätzung (Ungleichgewicht zwischen Verausgabung und Belohnung) für die arbeitsbedingten psychischen Beschwerden genannt. Die jährlich entstehenden Kosten für Frühberentungen werden auf 10,3 Milliarden Euro geschätzt (vgl. Boedecker et al. 2008, S. 97, Bamberg et al. 2011, S. 26-27). Dieser Trend ist nach Thiehoff (2004) nicht unerwartet, die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz nehmen relativ und absolut zu. Ihre Auswirkungen werden in der Zukunft alle anderen wirtschaftlichen Belastungen in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit, übertreffen (vgl. Thiehoff 2004, S. 62).
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