Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die Real- und Diskursgeschichte der Zeit des Nationalsozialismus die Soziale Arbeit mit Menschen mit Behinderung bis heute beeinflusst. Zunächst wird dafür die Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland betrachtet. Vor allem die Zeit von 1933 bis 1945, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten steht, prägt eine beispiellos abweichende Vorstellung auf das Bild eines Menschen mit einer Behinderung als es heute der Fall ist. Als Erstes werden deshalb die historischen Ereignisse und der Aufstieg der Nationalsozialisten rund um das Jahr 1933 betrachtet, um anschließend die Fürsorge und das Hilfeverständnis der Sozialen Arbeit in dieser Zeit allgemein, sowie um den Personenkreis von Menschen mit Behinderung im Speziellen zu betrachten. Eine Endlösung für soziale Fragen soll durch Euthanasie geschaffen werden und vollendet das grausame Verständnis von „Hilfe“ in dieser Zeit. Anschließend werden die Veränderungen nach dem Jahr 1945 beschrieben. Das Ende des zweiten Weltkrieges läutete nicht nur den Untergang der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten ein, sondern auch eine Neugestaltung der sozialen Fürsorge. Es finden Umstrukturierungen im Bereich der Wohlfahrt statt und andere Blickwinkel auf Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Einschränkungen werden im Näheren beschrieben. Vor allem das Konzept der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch ist bis heute ein bedeutsamer Teil der Sozialen Arbeit mit Menschen mit sogenannten „besonderen Bedürfnissen“. Nachfolgend werden die kritischen Sichtweisen auf die Theorie der Lebensweltorientierung beschrieben, um am Ende eine Konsequenz für die Soziale Arbeit in der heutigen Zeit zu ziehen und die Arbeit mit einem Fazit abzuschließen.
Das Ende des zweiten Weltkrieges und damit auch die Zeit des Nationalsozia-lismus sind seit mehr als 74 Jahre vorbei und auch die Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung hat sich seitdem stark verändert. Personen mit einer körperlichen oder geistigen Einschränkung prägen schon lange die Arbeit von Fachkräften der Sozialen Arbeit. Neue Theorien und Ansätze ermöglichen eine erweiterte Sichtweise auf diese Klientel und führen zu mehr Akzeptanz in der Gesellschaft. Doch in der Vergangenheit findet sich ein ganz anderes Verständnis gegenüber diesem Personenkreis.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Historische Entwicklung
2.1 Von der Fürsorge zur Volkspflege
2.2 Auftrag der Sozialen Arbeit und des Hilfeverständnisses im Nationalsozialismus
2.2.1 Handlungsfeld Menschen mit Behinderung
2.2.2 Endlösung Euthanasie
3 Die Entwicklung der Sozialen Arbeit im Umgang mit Menschen mit Behinderung (nach 1945)
3.1 Das Konzept der Lebensweltorientierung
3.2 Kritik am Konzept der Lebensweltorientierung
4 Konsequenz für die Soziale Arbeit heute
5 Fazit
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Das Ende des zweiten Weltkrieges und damit auch die Zeit des Nationalsozialismus sind seit mehr als 74 Jahre vorbei und auch die Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung hat sich seitdem stark verändert. Personen mit einer körperlichen oder geistigen Einschränkung prägen schon lange die Arbeit von Fachkräften der Sozialen Arbeit. Neue Theorien und Ansätze ermöglichen eine erweiterte Sichtweise auf diese Klientel und führen zu mehr Akzeptanz in der Gesellschaft. Doch in der Vergangenheit findet sich ein ganz anderes Verständnis gegenüber diesem Personenkreis.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die Real- und Diskursgeschichte der Zeit des Nationalsozialismus die Soziale Arbeit mit Menschen mit Behinderung bis heute beeinflusst. Zunächst wird dafür die Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland betrachtet. Vor allem die Zeit von 1933 bis 1945, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten steht, prägt eine beispiellos abweichende Vorstellung auf das Bild eines Menschen mit einer Behinderung als es heute der Fall ist. Als Erstes werden deshalb die historischen Ereignisse und der Aufstieg der Nationalsozialisten rund um das Jahr 1933 betrachtet, um anschließend die Fürsorge und das Hilfeverständnis der Sozialen Arbeit in dieser Zeit allgemein, sowie um den Personenkreis von Menschen mit Behinderung im Speziellen zu betrachten. Eine Endlösung für soziale Fragen soll durch Euthanasie geschaffen werden und vollendet das grausame Verständnis von „Hilfe“ in dieser Zeit. Anschließend werden die Veränderungen nach dem Jahr 1945 beschrieben. Das Ende des zweiten Weltkrieges läutete nicht nur den Untergang der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten ein, sondern auch eine Neugestaltung der sozialen Fürsorge. Es finden Umstrukturierungen im Bereich der Wohlfahrt statt und andere Blickwinkel auf Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Einschränkungen werden im Näheren beschrieben. Vor allem das Konzept der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch ist bis heute ein bedeutsamer Teil der Sozialen Arbeit mit Menschen mit sogenannten „besonderen Bedürfnissen“. Nachfolgend werden die kritischen Sichtweisen auf die Theorie der Lebensweltorientierung beschrieben, um am Ende eine Konsequenz für die Soziale Arbeit in der heutigen Zeit zu ziehen und die Arbeit mit einem Fazit abzuschließen.
2 Historische Entwicklung
Der Börsencrash im Jahr 1929 leitet die Weltwirtschaftskrise ein und damit auch die Endphase der Weimarer Republik (Weber-Fas 2006, S.191). In Deutschland verlieren immer mehr Menschen ihre Arbeit, bis hin zur allgemeinen Massenarbeitslosigkeit (Weber-Fas 2006, S.192). Diese bildet die Grundlage für verschärfte politische Positionen. Die rechtsradikale NSDAP gewinnt immer mehr an Aufschwung (ebd.). Voranschreitende Inflation und Arbeitslosigkeit führen zu Verelendung der Bevölkerung (ebd.). Die Regierung ist dem nicht gewachsen und zeigt ihr Unvermögen durch zahlreiche Unstimmigkeiten, bis hin zum Scheitern ihrer Koalition (ebd.). Im Zuge dessen führt Reichspräsident Hindenburg sogenannte Präsidialkabinette ein (bpb). Außerdem ist es Hindenburg möglich, durch den Gebrauch des Artikels 48 der Weimarer Verfassung, welcher im Sinne eines Ausnahmezustands gedacht ist, Notverordnungen ohne parlamentarische Mehrheit zu erlassen (ebd.). Das Parlament kann zwar eine Aufhebung der Notverordnungen fordern, durch Artikel 25 der Verfassung vermag Hindenburg jedoch das Parlament aufzulösen und bis zu den Neuwahlen mit Notverordnungen zu regieren (ebd.). Die Kontrolle der Regierung durch das Parlament und somit die Demokratie wird so außer Kraft gesetzt (ebd.). Es entwickelt sich eine tatsächlich unbeschränkte Diktatur des Reichspräsidenten. Dieser ist allerdings außerstande, die zunehmende innenpolitisch radikalisierende Lage zu bewältigen (Weber-Fas 2006, S.193). Er ernennt und verabschiedet verschiedene Reichskanzler, bis schließlich Adolf Hitler, Führer der NSDAP, dessen Partei mittlerweile größte Fraktion im Reichstag ist, im Jahr 1933 zum Reichskanzler ernannt wird (ebd.). In den letzten Jahren der Weimarer Republik geht es der Bevölkerung zunehmend schlechter, sodass sich eine große Bereitschaft zeigt, die Krise zu beseitigen und Adolf Hitler diese Chance zu geben (Hering und Münchmeier 2014, S.167). Die Lage im Land bildet einen optimalen Nährboden für die Propaganda der Nationalsozialisten. Da es sich bei der Regierung durch die NSDAP aber nicht nur um einen weiteren Versuch der Krisenbewältigung, sondern um einen Abbau der Demokratie und Freiheit handelt, wird von der Bevölkerung nicht wahrgenommen (Hering und Münchmeier 2014, S.168). Im Jahr 1933 beginnt Adolf Hitlers Herrschaft, in der zunächst alle bekannten politischen Gegner verhaftet, das Parlament aufgelöst und eine Überwachung durch die geheime Staatspolizei errichtet wird (ebd.).
Nachdem Hindenburg im August 1934 verstirbt, erlangt Hitler die komplette rechtssetzende und vollziehende Staatsgewalt und regiert von nun an als Diktator über Deutschland (Weber-Fas 2006, S.203). Die Machtergreifung ist vollzogen (ebd.). Hitler herrscht als sogenannter „Führer“ über alle Kompetenzen, Funktionen und Organisationen in Deutschland (Weber-Fas 2006, S.205). Auch das System der Fürsorge wird von Hitler verändert und wird im nächsten Kapitel näher beschrieben.
2.1 Von der Fürsorge zur Volkspflege
Dem wohlfahrtsstaatlichen Fürsorgesystem der Weimarer Republik stehen die Nationalsozialisten vor der Machtübernahme abweisend gegenüber (Otto und Sünker 1989, S.89). Sie sehen Ausgaben der Wohlfahrtspflege einzig als Verschwendung von dringend benötigten Mitteln für „Nutzlose“ und „Minderwertige“ an (ebd.). Diese „falschverteilten Ausgaben“, so nennt es die NSDAP, werden außerdem als eine der Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit angesehen (Rathmayr 2014, S.169). Die Wohlfahrtspolitik der NSDAP beruht zunächst auf der Forderung der Selbsthilfe und die Bevorzugung der „wertvollen“ statt der „minderwertigen“ Personen des Volkes (ebd.). Die Politik der Nationalsozialisten basiert auf Gleichschaltungen in vielen Bereichen. So wird auch der Fürsorge- und Gesundheitsbereich durch einen übergeordneten Verband gleichgeschaltet (Reyer 1991, S.168). Die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ (NSV), die seit 1933 zur Parteiorganisation gehört, wird als zentrale und führende Organisation der Wohlfahrt in Deutschland eingerichtet (Rathmayr 2014, S.169). Andere Wohlfahrtsorganisationen werden aufgelöst oder zwangsweise an parteiorganisierte Verbände angegliedert (ebd.). Wohlfahrtspflege wird im NS-Staat zur Volkspflege. Diese solle sich nicht mehr an individuelle Problemlagen, sondern an die Gesunderhaltung des gesamten Volkes richten (ebd.). Vor allem solle die Volkspflege zur Rassenpflege dienen und Personen, die von reinem und gesundem Blut sind, stärken (Otto und Sünker 1989, S.97). Ferner mögen störende Einflüsse ferngehalten und sich den Schwachen der Gesellschaft entledigt werden (Hering und Münchmeier 2014, S.187). Hitler beschreibt in seinem Buch „Mein Kampf“, dass das stärkere Geschlecht die Schwachen verjagen wird und die Erhaltung der Minderwertigen entgegen der Natur sei (Klee 1993, S.35). Hitler vertritt damit eine sozialdarwinistische Ansicht. Sozialdarwi- nismus beschreibt, dass es einen „Kampf ums Dasein“ geben würde, der dafür sorge, dass bei der Entwicklung einer Gesellschaft nur die Stärksten überleben (bpb). Laut NS-Ideologie sollen rassenbiologische, sozialhygienische und eugenische Mittel zur „Verbesserung“ der deutschen „Rasse“ Anwendung finden (Hering und Münchmeier 2014, S.171). Deutsche BürgerInnen werden in verschiedene Kategorien unterteilt, die mit unterschiedlichen Rechten und einem Status verbunden sind (ebd.). Dies sind unter anderem die Einteilung in rassisch reine Personen, sogenannte „Arier“, sowie in erbgesunde, wertvolle oder minderwertige, fremdvölkische und lebensunwerte Personen (ebd.). Nur die kirchlichen Vereinigungen dürfen sich zunächst noch um jene Menschen kümmern, die nach NS-Ideologie kein Lebensrecht haben, da diese langfristig ohnehin beseitigt werden sollen (Rathmayr 2014, S.169). Das Hilfeverständnis der Sozialen Arbeit in dieser Zeit wird im nächsten Kapitel ausführlicher erläutert.
2.2 Auftrag der Sozialen Arbeit und des Hilfeverständnisses im Nationalsozialismus
Nach Auffassung der NS-Ideologie soll Soziale Arbeit prinzipiell überflüssig gemacht werden, da am Ende nur noch eine gesunde Volksgemeinschaft übrig bleiben würde, nachdem alle schädlichen Faktoren isoliert und ausgemerzt worden sind (Hering und Münchmeier 2014, S.177). Die Rassenbiologie und Vererbungslehre sollen dafür die Bedingungen liefern (ebd.). Der neuen Führung sind vor allem die Wohlfahrtseinrichtungen im Gesundheitswesen wichtig, da hier die „Erbgesundheitspflege“ stattzufinden hat (ebd.). Mit dem NS- Programm zur „Auslese und Ausmerze“ wird der Sozialen Arbeit ein Betätigungsfeld mit hohem Stellenwert geliefert (Gumpinger 2008, S.1). Zusätzliche Einrichtungen zur Auslese und Begutachtung der Schwachen werden errichtet (Hering und Münchmeier 2014, S.177). Die komplette Ausbildung in der Sozialen Arbeit ist von der Weltanschauung der Nationalsozialisten geprägt (Otto und Sünker 1989, S.100). Soziale Arbeit soll in ihrer Funktion rassenhygienischen Zwecken dienen (Reyer 1991, S.168). Dabei wird das grundsätzliche Hilfeverständnis der Profession auf den Kopf gestellt (dbsh). Die Profession gibt sich den Überzeugungen der NS-Ideologie hin, dass durch Sanktionen, sowie im weiteren Verlauf durch Überführung von Personen in Konzentrationslager, Hilfebedürftigen in richtiger Weise geholfen wird (ebd.). Nicht mehr der individuelle Mensch mit seinen Problemlagen steht im Fokus, sondern die Leistungsfähigkeit und Gesundheitserhaltung des Volkes (Hering und Münchmeier 2014, S.171). Soziale Probleme sollen vom Individuum möglichst umgehend selbst gelöst werden. Ist dies nicht der Fall, stellt sich schnell die Frage, ob eine Person dann überhaupt „lebenswert“ sei (Hering und Münchmeier 2014, S.172). Hilfeleistungen für kranke Personen basieren einzig auf der Prämisse, dass nur gesunde Mitglieder des Volkes zur nationalen Kraft beitragen können (Otto und Sünker 1989, S.18). Mitgefühl und die Rücksicht auf die Rechte und Bedürfnisse des Individuums finden in der Sozialen Arbeit keinen Raum mehr (ebd.). Soziale Arbeit wird zu einem überwachenden Bestandteil in das nationalsozialistische System eingebunden (Otto und Sünker 1989, S.25). Im nächsten Kapitel wird nun ein Handlungsfeld der Sozialen Arbeit genauer betrachtet. Es handelt sich dabei um den Umgang mit Menschen mit einer Behinderung.
2.2.1 Handlungsfeld Menschen mit Behinderung
Das NS-Programm der Rassenhygiene beschäftigt sich mit der Verbesserung der deutschen „Rasse“ (bpb). Es befasst sich zwar mit der Heilung und Pflege von Kranken, aber interessiert sich nicht für die Versorgung von Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen (ebd.). Eine genaue Definition eines Menschen mit einer Behinderung ist zur Zeit des Nationalsozialismus nicht gegeben. Bei diesem Personenkreis handelt es sich aus Sicht der Nationalsozialisten um sogenannte „Erbkranke“ und somit um „lebensunwerte“ Personen, dessen Erbgut schlecht für die Entwicklung der Rasse sei (ebd.). In der Ausbildung zu einer Fachkraft der Sozialen Arbeit wird das Bild einer bedrohten Volksgesundheit, durch die Zunahme von geistig und körperlich gebrechlichen Personen, vermittelt (Otto und Sünker 1989, S.101). Der professionelle Standard in der Sozialen Arbeit kommt ohne rassenhygienisches Denken nicht mehr aus (Rathmayr 2014, S.200). Adolf Hitler spricht in dem Zusammenhang immer wieder von einem Kostenfaktor, den körperlich und geistig gebrechliche Menschen mit sich bringen und der abgebaut werden müsse (Rathmayr 2014, S.179). Ferner wird der Bevölkerung durch Propaganda auf Plakaten oder im Fernsehen suggeriert, dass Menschen mit einer Behinderung dem Staat mehr Kosten verursachen und es nicht gerecht sei, die Steuergelder des Volkes so zu „verschwenden“ (Otto und Sünker 1989, S.102). Kurz nach der Machtergreifung im Jahr 1933 wird deshalb zunächst ein Sterilisierungsgesetz „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ erlassen (Klee 1993, S.36). So soll es Menschen mit einer Behinderung nicht mehr möglich sein, Kinder zu zeugen, um die „Erbkranken“ somit aus den nachfolgenden Generationen ausscheiden zu lassen (Otto und Sünker 1989, S.19). Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes werden über 400.000 Personen sterilisiert, viele dabei durch Zwang oder ohne ihr Wissen (Bock 1986, S.48). Hauptgründe für die Sterilisation seien der „angeborene Schwachsinn“ und die Schizophrenie (Reyer 1991, S.165). Vor allem der „angeborene Schwachsinn“ gilt als Kategorie, die eine flexible Auslegung erlaubt (Hering und Münchmeier 2014, S.194). So sei es leicht, Personen legitim zu selektieren, deren Sozialverhalten nicht passend erscheint (ebd.). Im Jahr 1935 werden weitere Gesetze „zum Schutz des deutschen Blutes“ und zum „Schutz der Erbgesundheit“ erlassen (Hering und Münchmeier 2014, S.195). Dies ist in den Augen der Nationalsozialisten aber noch nicht genug, sodass ab 1939 ein zunächst geheimes „Euthanasie-Programm“ aufgestellt wird (ebd.). Im Folgenden wird dieses Programm weiter beschrieben.
2.2.2 Endlösung Euthanasie
Die Euthanasie wird von Hitler bereits seit der Machtübernahme im Jahr 1933 propagandistisch vorbereitet (Klee 1993, S.46 f.). Plakate und Filme richten sich stets nur an bestimmte Personenkreise wie Menschen mit Behinderungen (ebd.). Ab 1939 wird zunächst einem ausgewählten Ärztekreis von Hitler per Schreiben erlaubt, Personen, deren Dasein als „lebensunwert“ eingeschätzt wird, einen sogenannten „Gnadentod“ zu gewähren (Schreiber 2008, S.35). Der Tod dieser Menschen wird als Erlösung ihrer Qualen dargestellt und bietet dem Reich eine Endlösung der Problemfälle (ebd.). Vor allem fehlende Arbeitsfähigkeit und Produktivität bilden neben rassischen Werten wichtige Kriterien zur Ausmerzung dieser Menschen, die in den weiteren Monaten auch als „Ballastexistenzen“ bezeichnet werden (Schreiber 2008, S.36). Menschen werden nicht mehr an ihrem individuellen, sondern an ihrem wirtschaftlichen Wert gemessen (Schreiber 2008, S.37). Neben der Euthanasie an Erwachsenen werden im Jahr 1939 bis zu 5000 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in eigens dafür vorgesehenen Kinderfachabteilungen getötet (ebd.). Die Durchführung des Euthanasie Programms für Erwachsene wird auch als „Aktion T4“ bezeichnet und beinhaltet einen großen Verwaltungsaufwand, um alle Personen, die zur Euthanasie geeignet seien, ausfindig zu machen (Schreiber 2008, S.38). Die Feststellung auszumerzender Personen wird durch das Personal in Pflegeanstalten und Institutionen, in denen Menschen mit Behinderungen versorgt werden, selbst durchgeführt (ebd.). Die Profession der Sozialen Arbeit soll zur „positiven Auslese“ beitragen und möglichst oft Meldung machen, sobald Krankheiten oder Leistungsminderungen festgestellt werden (Hering und Münchmeier 2014, S.195). Sie soll und will, um so ihren Beitrag zu leisten, ihr berufliches Engagement auf die Gesundheit des Volkes ausrichten (Hering und Münchmeier 2014, S.201). Durch standardisierte Frage- und Meldebögen werden die Daten von Personen gesammelt und nach Berlin weitergeleitet (ebd.). Dort wird meist, ohne die Person jemals gesehen zu haben, ihr Schicksal besiegelt (ebd.). Kostet ein Mensch mehr als das was er leistet, wird er zur Euthanasie freigegeben und es findet ein Abtransport in eine ehemalige und unterdessen umfunktionalisierte Heilanstalt statt, um dort die Tötung in Gaskammern zu vollziehen (ebd.). Unter strengster Geheimhaltung werden bis zur erzwungenen Beendigung, aufgrund von starken Kritiken der Kirchen am Euthanasie-Programm, im August 1941 mehr als 70.000 bis 90.000 Menschen mit Behinderungen zu Opfern der „Aktion T4“ (Rathmayr 2014, S.191). Doch mit Beendigung des Programms nimmt die Euthanasie nicht ab, sodass bis Ende des zweiten Weltkrieges mehr als das Doppelte der zuvor genannten Zahlen an Menschen mit Behinderungen sterben (ebd.).
Im nächsten Abschnitt wird nun die Zeit nach 1945 betrachtet. Es zeigt, wie sich die Soziale Arbeit mit Ende der nationalsozialistischen Herrschaft verändert hat.
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