Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
Historische Entwicklung der Bürgergeldidee
Krise oder Ende des Sozialstaats
Krise oder Ende der Arbeitsgesellschaft
a) vorübergehende Anpassungskrise
b) Strukturkrise, Ende der Arbeitsgesellschaft
Bürgergeldkonzepte
Negative Einkommensteuer
Sozialdividende
Kosten des Bürgergelds
Auswirkungen der Einführung eines Bürgergeldes
Arbeitsmarkt
Sozialsystem
Kritische Würdigung der Bürgergeldidee
Empirische Untersuchungen über das Arbeitsangebot, Arbeitsanreiz
Sozialstaatsreform
Fazit
Literaturverzeichnis:
Einleitung
Kaum eine politische Idee hat in den vergangenen Jahren eine vergleichbare Resonanz quer über die politischen Fronten und Lager hinweg hervorgerufen wie das Konzept eines Bürgergeldes. Liberale Marktwirtschaftler1, Konservative, die Kirchen, die Gewerkschaften, die Grünen, Arbeitgeber2 und Sozialwissenschaftler und -utopisten zeigen sich von der bestechenden Einfachheit der Bürgergeldidee beeindruckt und diskutieren die Umgestaltung des existierenden Systems der Sozialen Sicherheit.
Daßhierunter die Trennschärfe des Begriffs des Bürgergeldes erheblich gelitten hat, war wohl unvermeidlich. Mittlerweile stellt dieser Begriff ein Sammelbecken für eine Vielzahl unterschiedlichster Konzeptionen vom Niedriglohnzuschußbis zur sozialistischen Gesellschaftsutopie dar. In dieser Arbeit werden die Begriffe Bürgergeld, Negative Einkommensteuer und Sozialdividende als Synonyme verwendet. Genauere Abgrenzungen werden bei Bedarf vorgenommen.
In dieser Hausarbeit soll in einem ersten Schritt die Entstehung, die bisherige Diskussion und die teilweise bereits stattgefundene praktische Erprobung des Konzeptes beleuchtet werden. Daran anschließend sollen die unterschiedlichen kursierenden Konzeptvarianten mit ihren Ansatzpunkten und unterschiedlichen Zielsetzungen kurz dargestellt, und ihre (mutmaßlichen) praktischen Auswirkungen untersucht werden3. Nach einer kurzen Erörterung der Finanzierungsfrage werden abschließend die Vorschläge diskutiert und bewertet.
Als Literatur wurden relativ viele Zeitschriftenartikel verwendet, da zum Thema noch keine sehr breite Bücherauswahl vorhanden ist. Auch hat sich die wissenschaftliche Diskussion in Deutschland hauptsächlich in den Fachzeitschriften abgespielt. Bei der Zusammenstellung wurde versucht, ein Gleichgewicht zwischen Aufsätzen aus finanzwissenschaftlichen-, sozialwissenschaftlichen und fächerübergreifenden Zeitschriften herzustellen, weshalb auch Artikel aus der ZEIT und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verwendet wurden.
Allgemein ist zu beobachten, daßdie Diskussion der Bürgergeldidee zwar um 1994 erneut aufgegriffen wurde, doch dann nicht mehr ernsthaft weiterverfolgt worden ist. Auch die scheint sich die deutsche Politik momentan eher den „kleinen Lösungen“ zuzuwenden, wie z.B. einem Einstiegsgeld für Langzeitarbeitslose4.
Historische Entwicklung der Bürgergeldidee
Die Entstehung der Bürgergeldidee läßt sich nur vor dem Hintergrund zweier großer gesellschaftlicher Tendenzen verstehen, die im folgenden kurz dargestellt werden sollen.
Krise oder Ende des Sozialstaats
Daßdas Modell des Sozialstaats europäischer Ausprägung in eine tiefen Krise geraten ist, läßt sich seit der Kostenexplosion Mitte der 70er Jahre wohl kaum mehr bestreiten. Bislang hatten stabile Wachstumsraten und hohe Produktivitätssteigerungen für einen großen Verteilungsspielraum gesorgt, was den kontinuierlichen Ausbau des sozialen Sicherungssystems ermöglicht hatte.
Die nun in immer kürzeren Abständen auftretende Finanzkrisen lassen die Thesen der systeminhärenten Instabilität immer plausibler erscheinen. Dies soll im folgenden gezeigt werden.
Das als Moral Hazard charakterisierte Verhalten ist ein Phänomen des Sozialstaats, das nach Ansicht der neoliberalen Ökonomie nur über marktliche Hilfe in den Griff zu bekommen ist. Es bezeichnet das Risiko, daßMenschen so handeln, was man von ihnen befürchtet. Im konkreten Fall bedeutet dies, daßbereits das Vorhandensein einer Versicherung das Verhalten eines Versicherten beeinflußt. Dieser hat die Folgen seines Handelns nicht direkt und selbst zu tragen, sondern kann sie vielmehr auf die Solidargemeinschaft abwälzen. So werden z.B. die Gewerkschaften (so die marktliberale Position) bei der Bestimmung eines wichtigen Parameters des Arbeitsmarktes, nämlich der Lohnfindung, kaum die Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit in Betracht ziehen, da dieses Risiko von der Arbeitslosenversicherung getragen werden muß. Ein ähnlicher Fall tritt ein, wenn sich die Tarifpartner auf Vorruhestandsregelungen zu lasten der Rentenversicherung einigen5.
Das Verschwinden der Eigenverantwortlichkeit wiederum verstärkt die „Trittbrettfahrermentalität“ und zwingt die Leistungsanbieter zu einer Ausweitung des Schutzes, was die Mißbrauchsanreize weiter vergrößert. Denn je höher der Steuersatz ist, desto schwerer ist es, ehrlich zu bleiben: „Der Versuch der politischen Entscheidungsträger, der finanziellen Krise durch steigende Beiträge und höhere Steuern zu entgehen, stürzt den Sozialstaat nur noch tiefer in finanzielle Schwierigkeiten.“6
Ebenfalls problematisch ist die relative Preisentwicklung im Sozialbereich. Die arbeitsintensiven Sozialleistungen können nicht mit den Produktivitäts- steigerungen bei der Güterproduktion durch Einsatz von leistungsfähigen Maschinen Schritt halten und werden dadurch relativ immer teurer.
Ein gewichtiger Vorwurf seitens vieler Ökonomen ist auch die angebliche Ineffizienz der gigantischen staatlichen Sozialapparate. Laut einer Untersuchung des Deutschen Städtetags waren bereits 1984 für die Verteilung von 18,7 Milliarden Mark Sozialhilfe 5,4 Milliarden Mark Verwaltungskosten nötig7. Laut Sozialgesetzbuch beschäftigen sich über 40 verschiedene amtliche Stellen bei verschwimmender Zuständigkeit mit der Vergabe von über 155 Leistungen (Objektsubventionen nicht mitgerechnet)8. Doch grundlegende Reformen bleiben aus; die Situation verleitet zu politischer „Flickschusterei9 “
Ein weiterer dicker „Sargnagel“ des Sozialstaats ist seine Lohnzentriertheit. Leistungsansprüche können großteils nur über Berufstätigkeit erworben werden. Die Nichtwerktätigen sind nur über den Ehepartner bzw. die Eltern und ihre Beiträge abgesichert. Dieses System erweist sich in Zeiten der Krise als fatal, da dann sowohl die Zahl der Leistungsbezieher steigt (z.B. Arbeitslose) bei gleichzeitig sinkender Zahl von Beitragszahlern (d.h. Beschäftigten)10.
Diese geschilderten Defizite verhindern, daßder Sozialstaat seinen beiden Kernaufgaben, der Schaffung von Sicherheit und Gerechtigkeit, bzw. die Korrektur allokativer Unzulänglichkeiten (Arbeitsbedingungen, Absicherung gegen Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Alter, Pflegebedürftigkeit) sowie die Beseitigung gesellschaftlich unerwünschter distributiver Fehlentwicklungen (soziale Ungerechtigkeit, Armut) gerecht werden kann. Das Erfolgsmodell hat sich, so die harsche Kritik mancher Marktliberaler, zu einem „Dinosaurier, der mit den veränderten internen und externen Gegebenheiten nicht mehr zurechtkommt“11, ja sogar zum „Prototyp einer sich selbst zerstörenden staatlichen Lösung.“12 gewandelt.
Krise oder Ende der Arbeitsgesellschaft
Seit den 70er Jahren sind zwei große Tendenzen im Arbeitsmarkt festzustellen: einerseits steigt die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit mit jeder Wirtschaftskrise auf neue Höchststände an und andererseits ist das Arbeitsvolumen (gemessen in Stunden pro Jahr) konstant rückläufig13.
Über die Erklärung dieser Phänomene herrscht weitgehend Einigkeit:
Das sinkende Arbeitsvolumen sei durch die abnehmende Bedeutung des Faktors Arbeit in der industriellen Produktion durch die zunehmende Substitution der menschlichen Arbeitskraft durch Technik zu erklären.
Das Ansteigen der Sockelarbeitslosigkeit hingegen sei auf den Abbau der Arbeitsplätze für einfache Arbeit zurückzuführen. Diesem stehen zwar die Schaffung von Stellen im Dienstleistungssektor gegenüber, jedoch werden diese Stellen vorwiegend mit höherqualifizierten Beschäftigten besetzt. Es ist daher „das Defizit an Arbeitsplätzen für einfache Arbeit, das den Sockel an Arbeitslosen über die Konjunkturzyklen hinweg hat ansteigen lassen14. Tatsächlich sind Personen ohne Berufsausbildung besonders heftig von der Arbeitslosigkeit betroffen: Sie stellen heute ein Fünftel der Erwerbstätigen, aber die Hälfte der Arbeitslosen15.
Durch die generelle Starrheit und Fixierung der Löhne durch Tarifverträge auf relativ hohem Niveau werde die Anpassungskapazität des Arbeitsmarktes geschmälert und könne den externen Anpassungsdruck nicht verarbeiten; für die Unternehmen wäre es ökonomischer Unsinn, Leute zu beschäftigen, die die eigenen Löhne nicht erwirtschaften. Die Folgerung kann also nur lauten, die Löhne in Bereichen niedriger Produktivität zu senken.16 Hierbei treten jedoch zwei Probleme auf:
Erstens ist es natürlich einsichtig, daßzu einem sehr niedrigen Preis Arbeit verstärkt nachgefragt wird. Doch ist fraglich, was die Vollbeschäftigung (so sie tatsächlich eintritt) nutzen soll, wenn ein Großteil der Beschäftigten für seine Arbeit keinen existenzsichernden Lohn mehr erhalten kann.
Zweitens gilt natürlich weiterhin das Abstandsgebot von der Sozialhilfe (d.h. ein Sozialhilfeempfänger darf in keinem Fall einen Werktätigen finanziell überflügeln). Da dieser Abstand in den letzten Jahren bereits deutlich geschrumpft ist, würde der Abstand bei einer weiteren Lohnsenkung vor allem für kinderreiche Familien kaum noch aufrecht zu erhalten sein17.
Die Lösungsstrategien, die auf obiger Analyse aufbauen, lassen sich grob zwei Strängen zuordnen:
a) vorübergehende Anpassungskrise
Grundannahme ist hier die prinzipielle Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft für die Verteilung von Arbeit und Einkommen. Das Problem der Arbeitslosigkeit mußdurch die Reaktivierung des Marktmechanismus, der bislang durch restriktive Tarifverträge und Kündigungsbestimmungen etc. gehemmt war, gelöst werden. Die sog. strukturelle Arbeitslosigkeit wird als vorübergehende Erscheinung beim Übergang von der industriellen zur Informationsgesellschaft abgetan. Bei optimaler Parametersetzung ist Vollbeschäftigung durchaus erreichbar, da sich bei freien Preisen ein markträumendes Gleichgewicht einstellt. Der Schwerpunkt liegt also auf dem zweiten Phänomen, der Arbeitslosigkeit (Arbeitsangebotseite).
b) Strukturkrise, Ende der Arbeitsgesellschaft
Das Hauptaugenmerk liegt hier auf dem Rückgang des Arbeitsvolumens (d.h. der tatsächlichen Arbeitsnachfrage)18. Die Beobachtung der zunehmenden Automatisierung der Produktion und des ständig steigenden Wohlstands wird in die Zukunft extrapoliert und läßt ein Bild einer Überflußgesellschaft entstehen, in welcher die Arbeit nur noch einen kleinen Teil des Lebens in Anspruch nimmt19. In den Sozialwissenschaften ist das Postulat vom Ende der Arbeitsgesellschaft zwar umstritten, doch längst salonfähig. Prognosen gehen davon aus, daßzu Beginn des 3. Jahrtausends in den entwickelten Ländern die Produktion von 10% der Bevölkerung geleistet werden wird20. Die Verwirklichung alter Gesellschaftsutopien21 scheint möglich geworden zu sein, wirft aber gleichzeitig große Verteilungsprobleme auf.
Ist die in der freien Wirtschaft bezahlte Beschäftigung großer Bevölkerungsgruppen nicht mehr möglich, so ist die Entflechtung bzw. Entkopplung von Lohn und Einkommen unumgänglich22:
„Fast unausweichlich führt jede Überlegung zu dem Gedanken eines Minimaleinkommens, das auf die eine oder andere Weise garantiert sein muß.“23
„Wenn der Arbeitsgesellschaft (...) die Arbeit für die Menschen zugunsten von Automaten und Maschinen auszugehen droht, dann werden wir um eine grundsätzliche Neubestimmung des Verhältnisses von Arbeit- und Lebenswelt, von Arbeits- und Lebenszeit nicht herumkommen“24.
Beide Argumentationsstränge führen zur Erfordernis eines Bürgergeldes, sei es, um den Arbeitern zu ermöglichen, sich auf niedrige Löhne einzulassen, oder aber um in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit eine soziale Grundsicherung zu gewährleisten.
Als Vorläufer der Bürgergeldidee ist das Speenhamland-System zu bewerten, das zwischen 1795 und 1834 in England existierte. Es garantierte ein am Brotpreis orientiertes Mindesteinkommen, um die Unruhen der während der industriellen Revolution verarmten Landbevölkerung zu befrieden25.
In Form einer Sozialdividende wurde das Bürgergeldkonzept erstmals während des Zweiten Weltkriegs von Rhys-Williams 1943 formuliert
Die Idee der Negativen Einkommensteuer wurde in den 60er Jahren in den Vereinigten Staaten v.a. von Milton Friedman und später auch James Tobin entwickelt. Es wurden etliche Feldversuchen gestartet (auf sie wird in Kapitel „Auswirkungen der Einführung eines Bürgergeldes“ eingegangen) und 1972 versprach George McGovern als Präsidentschaftskandidat die Einführung einer Sozialdividende („1000.- Dollars for every American“), verlor dann aber die Präsidentschaftswahlen gegen Reagan, der mit seiner Kampagne gegen die „welfare“ Aufsehen erregt hatte26.
In der BRD wurde die Debatte über das Bürgergeld, nachdem es auch in den 70er Jahren und zu Beginn der 80er Jahre diskutiert worden war, um 1993/94 erneut angestoßen. Hauptverfechter des Bürgergeldkonzeptes sind Joachim Mitschke und der „Kronberger Kreis“, Fritz W. Scharpf (in leicht abgewandelter Form) und Georg Vobrua.
Wichtig ist, sich im Klaren über die Zielsetzung eines Grundsicherungsmodells zu sein. Gerade weil die Zielvorgaben in den unterschiedlichen Modellvarianten stark voneinander abweichen, fällt es schwer, Vergleichsmaßstäbe zu ihrer Bewertung festzulegen.
Während die liberale Seite im Bürgergeld ein Mittel sieht, den Marktmechanismus auf dem Arbeitsmarkt wieder zur vollen Wirkung zu bringen, ohne die Subsistenz breiter Bevölkerungsschichten zu gefährden, das Bürgergeld quasi die existente marktwirschaftliche Ordnung perpetuieren soll und sozusagen „eine Art Tranquilizer“27 für die Ghettos darstellt, betrachten es vor allem linke Positionen eher als notwendigen gesellschaftlichen Umbau im Zuge der Abschaffung der Lohnarbeit.
Mal erscheint es als sozialpolitische Totalreform, die den Moloch Sozialstaat in eine handhabbare Form zurückführen soll, dann wieder soll es den Weg aus der Arbeitslosigkeitsfalle ebnen und „eine ‚Rolltreppe‘ zum Arbeitsmarkt konstruieren“28. Es wird sowohl als Mittel der staatlichen Grundsicherung bis hin zur Totalversorgung29 als auch zur Privatisierung von Risiken propagiert, d.h. der Staat garantiert nur noch eine Grundversorgung; darüber hinausgehende Bedürfnisse müssen privat abgesichert werden.
Die Probleme des Sozialstaats gleichzeitig mit denen des Arbeitsmarktes anhand eines logisch geradezu bestechend einfachen Konzepts30 lösen zu wollen, macht wohl den speziellen Charme des Bürgergeldes aus.
Es ist wohl gerade diese merkwürdige Symbiose aus Wirtschafts- Fiskal- und Sozialpolitik, die das Bürgergeld als „Allheilmittel“31 oder „Königsweg“32 vielen suspekt erscheinen läßt33. Gerade wegen seiner Ambivalenz gerät es unter doppelten Häresieverdacht34. Einerseits wird ihm vorgeworfen, nur die pompöse Umbenennung der Sozialhilfe zu sein, von anderer Seite kommt die Kritik, es werfe das Prinzip des Sozialstaats über den Haufen. Letztlich ist genau diese Mischung aus Reform und Revolution seine Stärke35.
Bürgergeldkonzepte
Unter dem Begriff „Bürgergeld“ wird Nun soll dargestellt werden, ob das Bürgergeld, und wenn ja in welcher Form, tatsächlich „die Patentlösung für die gegenwärtige Doppelkrise des Sozialstaats und des Arbeitsmarktes“36 ist.
Negative Einkommensteuer
„Der Grundgedanke eines Bürgergeldsystems ist, den Steuertarif um einen Negativbereich für auszuzahlende Sozialleistungen zu erweitern.“37 Dahinter steht die Annahme, „Bedürftigkeit bedeute nichts anderes als negative Leistungsfähigkeit“38, und somit negativ zu besteuern sei und „daßdiese Leistungsfähigkeit durch das Einkommen gemessen werden kann.39 Liegt nun das erzielte Einkommen unter einem festgesetzten Minimaleinkommen - d.h. kann der Bürger nicht von den Freibeträgen profitieren - so schießt der Staat die fehlende Summe zu. Für Minderjährige wird ein niedrigeres Minimalein- kommen festgesetzt.
Damit werden Unterstützungszahlungen und Steuereinnahmen in einem System vereint. Die Situation, daßder Staat dem Bürger aus der linken Tasche nimmt, was er ihm in die rechte gibt, würde vermieden (ein für das Bundesfinanzministerium erstellte Gutachten vom Mai 1994 kommt zu dem Ergebnis, daßca. 97 Prozent der Erwerbstätigenhaushalte, also ohne reine Transferempfänger, die eigenen Sozialleistungen vollständig selbst finanzieren), es würde nur noch der Saldo von Steuern und staatlichen Leistungen an den Staat abgeführt, bzw. von diesem ausbezahlt.
Das verfügbare Einkommen setzt sich also zusammen aus Arbeitseinkommen zuzüglich negativer Steuer bei niedrigen Einkommen, bzw. abzüglich positiver Steuer bei höheren Einkommen. Bei einem Arbeitseinkommen von Null wird ein Mindesteinkommen garantiert. Die Höhe der staatlichen Zahlung nimmt mit zunehmendem Arbeitseinkommen kontinuierlich ab und berechnet sich, indem man vom Mindesteinkommenssatz einen gewissen Prozentsatz (in vielen Beispielen wird 50% verwendet) des Arbeitseinkommens abzieht. Eigene Erwerbs- oder Renteneinkünfte kürzen den Bürgergeldanspruch also um die Hälfte der Bezüge. Daraus folgt, daßab einem Einkommen, daßdoppelt so hoch wie der Mindesteinkommenssatz liegt, kein Bürgergeld mehr gezahlt wird und die positive Besteuerung stufenlos einsetzt.
Das sich hieraus ergebende Problem ist, daßdas Bundesverfassungsgericht 1992 in einer von Joachim Mitschke angeregten Klage festgestellt hat, daßdas Existenzminimum die Untergrenze für eine Einkommensbesteuerung darstellt und dieses 12000.- DM pro Jahr betragen muß(für das Jahr 1992). Bei hälftiger Anrechnung der Zusatzverdienste könnte eine positive Besteuerung erst für Einkommen über 24000.- DM beginnen, bei kinderreichen Familien liegt die Steuerschwelle noch weit höher40.
Zuständig für die Vergabe wäre das Finanzamt, da dort alle benötigten Daten bereits vorhanden sind.
Es ist offensichtlich, daßhier das Abstandsgebot automatisch eingehalten wird. Durch den stufenlosen Übergang vom Bürgergeldbezug zur Vollbeschäftigung entfallen die heutigen Sprünge im Grenzsteuersatz41. Da ein Zuverdienst nur zur Hälfte auf das Bürgergeld angerechnet wird, lohnt sich die Aufnahme einer Arbeit in jedem Fall.
Manche Modelle schlagen auch eine Einbeziehung des Vermögensverbrauchs in die Einkommensberechnung vor42.
Das von André Gorz entwickelte Modell sieht darüber hinaus noch die Einrichtung von „Lebensarbeitszeitkonten“ vor, um nicht nur Einkommen, sondern auch Arbeit gleichmäßiger zu verteilen43.
Sozialdividende
Generell ist die Sozialdividende nur noch in linken Totalreformvorschlägen zu finden. Der Grund hierfür ist wohl der Bruch mit dem tief in der Gesellschaft verwurzelten Grundsatz daß„so jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen“44.
Die Sozialdividende ist ein Betrag, den jeder Staatsbürger, unabhängig von der Höhe seines Einkommens, erhält. Dadurch wird sie zunächst einmal teurer; das Volumen, das umverteilt werden muß, ist sehr groß. Zu ihrer Finanzierung mußman also Steuern erhöhen. Da jeder den Garantiesatz erhält, hängt die Umverteilungswirkung davon ab, wer von den Steuererhöhungen getroffen wird. Da hierbei der Bürger sowohl Steuern zahlt, als auch Transferempfänger ist, fällt ein Hauptvorteil - die Saldierung - im Gegensatz zur Negativen Einkommensteuer weg. Da die Sozialdividende eher sozialethisch denn steuertechnisch oder arbeitsmarktpolitisch motiviert ist, wird der Schwerpunkt der Betrachtung auf der Negativen Einkommensteuer liegen, obgleich vieles analog auch für die Sozialdividende gilt.
Kosten des Bürgergelds
„Das Bürgergeldsystem ist haushaltsneutral konzipiert. Zur Finanzierung ist also weder eine Steuererhöhung noch eine Senkung des Sicherungsniveaus erforderlich.“45 Soweit der „Erfinder“ des Bürgergeldes, der Frankfurter Ökonom Joachim Mitschke. Allerdings stehen dieser Aussage zahlreiche Berechnungen entgegen46. So kommt das Bundeswirtschaftsministerium in einem Vermerk von 1993 auf Mehrkosten von 115 Mrd. DM47, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung für das Jahr 1995 auf Nettokosten zwischen 65 und 173 Mrd. DM48, in einer neueren Berechnung für das Jahr 1996 sogar auf 68,5 bis 270 Mrd. DM49. Laut Fritz W. Scharpf bewirke das Bürgergeld „enorme Steuerausfälle, die durch exorbitante Steuererhöhungen für die über 2000 DM pro Monat liegenden Einkommen ausgeglichen werden müßten“50 und schaffe ein Finanzierungsdefizit von 400 Mrd. DM51.
Die Kosten des Bürgergeldes hängen größtenteils davon ab, wie hoch das Existenzminimum angesetzt wird und mit welchem Satz Zuverdienste besteuert werden. Praktisch scheiden alle Anrechnungssätze über 50% aus, da ansonsten die Steuerschwelle, d.h. die Einkommenshöhe, ab der positive Steuern bezahlt werden, weit nach oben verschoben würde: Wollte man, bei einem Existenz- minimum von 12000 DM einen Anrechnungssatz von z.B. nur 25% realisieren, so könnte die positive Besteuerung erst bei Einkommen ab 48000 DM beginnen: „Je höher der Arbeitsanreiz ist, weil der Anrechnungssatz klein ist, um so höher werden die Steuerausfälle sein.“52 Bei der Festlegung der drei Parameter der Negativen Einkommensteuer (Existenzminimum=Garantiesatz, Anrechnungssatz eigener Erwerbseinkommen, Steuerschwelle) liegt also ein Zielkonflikt zwischen finanzieller Tragbarkeit, Arbeitsmotivation und sozialem Sicherungsniveau vor53.
Den Hauptkostenpunkt stellen bei den kostenintensiven Berechnungen überraschenderweise nicht die Bürgergeldzahlungen, sondern die Einkommen- und Lohnsteuerausfälle dar. Allerdings hat Joachim Mitschke zu Recht darauf hingewiesen, daßdiese Ausfälle notwendigerweise bei einer Teilanrechnung eigener Erwerbsbezüge auch bei der Sozialhilfe auftreten und daßbei ihrer Berechnung nicht berücksichtigt wurde, daßfür Kinder und Jugendliche niedrigere Werte anzusetzen sind. Des weiteren wurden fälschlicherweise die Kosten für die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Steuerbefreiung des Existenzminimums dem Bürgergeld zugerechnet54. Auch würden die enormen Einsparungen an Verwaltungskosten nicht berücksichtigt („die Sozialämter [müssen momentan] zur Ermittlung des Hilfeanspruchs nochmals Daten erheben, die etwa Arbeitsämtern, Jugendämtern, Versorgungsämtern, Wohn- geldämtern, Bafög-Ämtern, aber auch den Finanzämtern bereits vorliegen“55 ).
Indirekte Kosteneinsparungen bzw. Nutzenvorteile, wie z.B. niedrigere Kriminalitätsraten oder größere soziale Zufriedenheit werden in den Kostenrechnungen nicht berücksichtigt.
Auch wenn sich alle der betrachteten Bürgergeldmodelle oberflächlich betrachtet als kostenintensiv erweisen: letztlich scheint der tatsächliche Kostenaufwand wissenschaftlich nicht definitiv berechenbar zu sein.
„Die Frage nach den fiskalischen Konsequenzen einer Grundsicherungsreform im Sinne einer Negativen Einkommensteu- er läßt sich auch nach Durchsicht der wenigen dazu vorliegenden empirischen Analysen (...) nicht eindeutig beantworten. Zum einen sind alle vorliegenden Schätzungen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Darüber hinaus resultieren Unwägbarkeiten aus der bisher nicht möglichen Berücksichtigung von Anpassungs- reaktionen der Wirtschaftssubjekte“56.
Auswirkungen der Einführung eines Bürgergeldes
Arbeitsmarkt
Wichtigstes arbeitsmarktpolitisches Ziel des Bürgergeldes ist die Veränderung der Arbeitsanreize im Vergleich zur existierenden Sozialhilfe.
Durch legale Arbeit kann ein Sozialhilfeempfänger kaum Einkommens- steigerungen erreichen, da ihm (von einem Freibetrag von ca. 260.- DM abgesehen) die Sozialhilfe um den dazuverdienten Betrag gekürzt wird; d.h. der Grenzsteuersatz liegt für ihn bei nahezu 100%. Wenn aber durch Arbeit kein zusätzliches Einkommen erzielt werden kann, ist der Anreiz, sich einen Zusatzverdienst zu verschaffen, denkbar gering. Der (zumindest teilweise) Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt wird also unnötig erschwert. Dieser Zustand wird als „Arbeitslosigkeitsfalle“ bezeichnet57.
Das Bürgergeld kennt dieses Problem nicht, da es nur um die Hälfte des Zusatzverdienstes gekürzt wird. Nimmt ein Bürgergeldempfänger eine Teilzeitstelle an und verdient 500 DM, so verringert sich seine Bürgergeldzahlung lediglich um 250 DM, er stellt er sich um 250 DM besser gegenüber der Nicht-Arbeit.
Im Bürgergeldsystem wird ein gleitender Übergang von Teil- zu Vollzeitarbeit möglich gemacht und hilft, „den gesellschaftlich teuren Wahlkonflikt zwischen dem Bezug von Sozialhilfe oder der Aufnahme einer schlecht bezahlten Arbeit zu entschärfen.“58
Doch nicht nur auf die Arbeitsmotivation, sondern auch auf die Bereitstellung von Arbeitsplätzen soll sich das Bürgergeld positiv auswirken: durch das Bürgergeld können sich Arbeitsuchende auch auf niedrige (untertarifliche) Löhne einlassen; „es befreit Leichtlohnempfänger aus dem Dilemma, sich zwischen arbeitsplatzgefährdenden und existenzgefährdenden Löhnen entscheiden zu müssen“59 ; die Arbeitgeber können zu diesen Löhnen nun niedrig qualifiziertes Personal einstellen60.
Ein erwünschte Nebeneffekt wäre hierbei, daßder Schwarzarbeit wirkungsvoll das Wasser abgegraben wird. Einerseits wäre die Nachfrage bedeutend geringer, da die Arbeitgeber ja legal Niedriglohnempfänger einstellen könnten. Und auch die Bürgergeldempfänger hätten wegen der nur teilweisen Anrechnung eigener Zusatzeinkünfte keinen großen Anreiz zur Schwarzarbeit mehr61.
In diesem Bereich deckt sich das Bürgergeld nahezu mit Vorschlägen wie einem Einstiegsgeld für Langzeitarbeitslose bzw. einem Kombilohn und folgt der Idee: „Laßt uns aus den Sozialhilfeempfängern Niedriglohn-Arbeitnehmer machen“62.
Sozialsystem
Die wichtigste Auswirkung auf das Sozialsystem stellt die Integration von Abgaben und Transferleistungen in ein einziges System dar. Die steuerfinanzierten Sozialleistungen (insbesondere die „Hilfe zum Lebensunterhalt“ als Teil der Sozialhilfe) würden in einer einzigen Zahlung zusammengefasst und mit der Einkommensteuer verrechnet. Davon verspricht man sich eine Vielzahl von Vorteilen:
- Eine effizientere Armutsbekämpfung und zwar durch Reduktion der Über-, vor allem aber der Unterinanspruchnahme von Sozialleistungen, also der „Dunkelziffer der Armut“63. Die sozialstaatliche Unterstützung ginge nicht mehr mit einer Stigmatisierung einher64.
- Eine Konzentration der staatlichen Zuschüsse auf die wirklich Bedürftigen. Da Armut nicht notwendigerweise an Alter oder Arbeitslosigkeit gekoppelt sei und das (einkommensbezogene) Bürgergeld nur die wirklich Bedürftigen unterstütze65.
- Eine größere Transparenz durch Vereinfachung der bürokratischen Abläufe
- Eine größere Verteilungsgerechtigkeit, vor allem für verheiratete (Haus-) Frauen, die bislang nur über den Ehemann sozial abgesichert sind. Hausarbeit würde auch „entlohnt“ werden.
- Durch die Vereinfachung soll die bisherige Kumulation von Sozialleistungen unmöglich gemacht werden, die im Extremfall einen Haushalt mit 14000 DM besser stellte, als einen vergleichbaren Haushalt mit 26000 DM Einkommen66. Generell ist eine Überinanspruchnahme um so unwahrscheinlicher, je einfacher das Transfersystem ausgestaltet ist.
- Der Anspruch auf Unterstützung bei Bedürftigkeit67 würde verrechtlicht und hinge nicht mehr von behördlichem Ermessen ab68. Der Sozialstaat würde
- „die unerträglichen und unbeabsichtigten Tarifsprünge des jetzigen Steuer- und Sozialrechts“69 würden entfallen, die beim Überschreiten von Freibeträgen etc. enorme Grenzsteuersätze verursachen70.
- Die Datenerhebung wäre wesentlich einfacher, da der gesamte Verwaltungsaufwand beim Finanzamt läge, und nicht mehr die gleichen Daten von mehreren Ämtern einzeln gesammelt werden müßten. Hier werden Einsparungen von Verwaltungskosten erwartet.
- Die vormals mangelnde Abstimmung der unterschiedlichen Sozialleistungen würde beseitigt (z.B. ist die Arbeitslosenhilfe nicht immer so hoch bemessen, daßkeine Sozialhilfe mehr benötigt wird71 ).
Kritische Würdigung der Bürgergeldidee
Empirische Untersuchungen über das Arbeitsangebot,Arbeitsanreiz
In den USA wurden während der 70er Jahre mehrere ausführliche soziale Experimente zur Wirkung einer Negativen Einkommensteuer auf das Arbeitsangebot der Haushalte durchgeführt. Diese Experimente waren auf eine Dauer von 4-6 Jahren angelegt. Die aufwendigsten Projekte waren das „Seattle and Denver Income-Maintenance Experiment“ (SIME/DIME), an denen 4800 Familien teilnahmen, deren Einkommen maximal 150% der Armutsgrenze betrug. Ergebnis der Untersuchungen war, daßdas Arbeitsangebot auch dann relativ stabil bleibt72, wenn das garantierte Grundeinkommen an die unteren Lohngruppen heranreicht73 ; d.h. daßauch bei fehlender materieller Entlohnung die Arbeit präferiert wird. Gründe für die Ablehnung der Arbeit sind daher eher in unzureichenden Arbeitsbedingungen etc. als in der zu niedrigen Lohnhöhe zu suchen.74
Allerdings wurde auch nachgewiesen, „daßeindeutige Arbeitsangebots- reaktionen bei einer Systemumstellung aus theoretischer Sicht nicht zu erwarten sind.“75 Denn eine Grundsicherung schafft natürlich auch umgekehrt den Anreiz, das Arbeitsangebot zu reduzieren, da das Bürgergeld die Einkommenseinbußen zum Teil auffangen würde76. „In der internationalen Literatur herrscht Einigkeit darüber, daßdie Beschäftigungseffekte eines Bürgergeldsystems - in welcher Richtung auch immer - relativ bescheiden wären“77. Denn im Unterschied zu gezielten Lohnsubventionen wird, wie oben gezeigt, mit einem Bürgergeld nicht nur der Einstieg, sondern auch der Ausstieg aus dem Erwerbsleben gefördert; ein Teil der Bürgergeldsumme würde also dem gewünschten Beschäftigungseffekt entgegenwirken.
„So könnten zukünftige Arbeitsanbieter ihre Qualifikationsanstrengungen vermindern und sich mit geringeren Produktivitäten abfinden, weil die geringeren Einkommen durch Transfers und geringeren Arbeitseinsatz überkompensiert werden.“78
Auch was das Arbeitsangebot anbelangt, ist nicht sicher, daßein Bürgergeld die Nachfrage nach wenig qualifizierter Arbeit steigern würde. Die bisherigen Erfahrungen mit Lohnsubventionen (was ein Bürgergeld aus Unternehmersicht ja wäre) sind „wenig ermutigend“79. Über die Auswirkungen auf die Tarifparteien ist ebenfalls keine eindeutige Aussage möglich:
„Werden hier die Tarifparteien nicht geradezu ermuntert, marktwidrig überhöhte Löhne zu vereinbaren, da der Staat als Lückenbüßer zwischen Produktivität und Lohn einspringt? Oder trifft die gegenteilige Argumentation der Befürworter des Konzepts zu, wonach nämlich erst die Negativsteuer die Gewerkschaften in die Lage versetzt, Löhne unterhalb des Existenzminimums zu akzeptieren?“80
Betrachtet man das Bürgergeld lediglich als Mittel zur Schaffung von Arbeitsanreizen, so ist sicherlich eine Lohnsubvention, bzw. ein Einstiegsgeld für Langzeitarbeitslose vorzuziehen81. Auch weist Horst Siebert darauf hin, daßdie Zielgruppe dieses Arbeitsanreizes relativ klein ist (1992 waren weniger als 1,2 Millionen der Sozialhilfeempfänger arbeitsfähig), im Gegenzug aber durch das Bürgergeld zusätzlich über 10 Millionen bisherige Erwerbspersonen (also ca. ein Drittel der Erwerbstätigen) unter Schaffung von Fehlanreizen (siehe oben) in das Transfersystem aufgenommen würden und somit das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzt sei82.
Doch selbst wenn kein Nettoeffekt am Arbeitsmarkt zu beobachten wäre, so wäre doch ein Instrument geschaffen, die zwangsweise Ausgliederung aus dem Arbeitsmarkt durch freiwillige Abwanderungen zu ersetzen. Allerdings ist dieses Argument auch problematisch, da der „Verzicht auf Teilnahme am Erwerbsleben keinesfalls für alle in gleicher Weise materiell zumutbar und daher wählbar“83 ist.
Letztlich ist wohl nur sicher, daßmit dem Bürgergeld der „Re-Import verlorengegangener Billiglohnarbeitsplätze84 “ möglich gemacht würde, ohne gleichzeitig eine Schicht der working poor (Vollzeitarbeiter, die dennoch unterhalb der Armutsgrenze verdienen) entstünde. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, mit den Billigjobs die Billiglohnarbeiter gleich mit zu importieren, da diese durch das Mindesteinkommen zusätzliche Anreize für sie geschaffen würden85.
Sozialstaatsreform
Auch wenn das Bürgergeld den Anspruch an sich stellt, möglichst alle steuerfinanzierten (und teilweise auch beitragsfinanzierten) Transfers zu umfassen, so wird auf den zweiten Blick deutlich, daßdies ausgeschlossen ist. Die Sozialhilfe hat zum Ziel, „ihren Empfängern ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen (§1 BSHG). Soziologisch gewendet, geht es ihr also um nicht weniger als die Gewährleistung von Inklusion.86 “ Damit geht sie weit über das Ziel eines Bürgergeldes hinaus, eine finanzielle Grundsicherung zu schaffen. Die Sozialhilfe wird als „Hilfe zum Lebensunterhalt“ (HLU) und „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ (HbL) gewährt. Ein Bürgergeld könnte allenfalls die HLU ersetzen, da die HbL besondere Bedarfe, wie z.B. Behinderung oder Pflegebedarf berücksichtigt und eine individuelle Bedürftigkeitsprüfung zwingend erfordert87. Die Effizienz dieser Ersetzung durch ein Bürgergeldsystem kann jedoch nicht nur an der Zahl der Transferempfänger gemessen werden, sondern daran, ob alle Hilfsbedürftigen eine ihrer Notlage entsprechende Unterstützung bekommen. Gerade dies ist aber durch die große Pauschalierung des Bürgergelds zu bezweifeln. Auch die Berücksichtigung regionaler Unterschiede (wie z.B. Wohnungsmieten) und anderer Umstände wie z.B. Alter, Familienstand etc. würden dem Bürgergeld den Charme der Einfachheit nehmen. „Manche Doppelarbeit verschiedener Behörden mag dabei vermieden werden, aber viel weniger kompliziert als beim gegenwärtigen Vorgehen kann es im Kern nicht werden, soll die soziale Zielgenauigkeit erhalten bleiben.“88
Auch wird nicht nach der Ursache der Notlage unterschieden, d.h. unfreiwillig Arbeitslose und Arbeitsunwillige werden gleich behandelt89.
Armut im Bürgergeldsystem wird lediglich als Einkommensarmut verstanden90. Daher ist zu ihrer Bekämpfung lediglich ein Zahlungsvorgang notwendig. Die bisher (wenn auch nur unvollständig) geleistete persönliche Betreuung und Beratung als Lebenshilfe entfällt vollständig91. Es läßt sich nur schwer nachvollziehen, wie manche Autoren allein durch eine monatliche Überweisung vom Finanzamt die bessere Gesellschaft verwirklichen wollen.
Ob das Prinzip der Nachrangigkeit staatlicher Sozialleistungen durch das Bürgergeld verletzt würde, hängt zum Teil von der konkreten Ausgestaltung ab. Da die dahinterstehende Idee jedoch die der zurückgehenden Eigenverantwortlichkeit ist und diese bereits oben empirisch widerlegt wurde (DIME/SIME), wird darauf nicht mehr eingegangen. Auch stärkt das Bürgergeld durch die Nichtanrechnung von Vermögen den Anreiz zur Vermögensbildung und somit zur Eigenvorsorge.
Mit der Definition des Veranlagungssubjektes gehen ebenfalls große Probleme einher. Berechnet sich das Bürgergeld ohne Berücksichtigung z.B. der Familiengröße, so würde jedes Familienmitglied den vollen, im Bürgergeld enthaltenen Wohngeldsatz erhalten.
Die Fixierung des Existenzminimums (bzw. des Niveaus der Grundsicherung) bedarf ebenfalls einer überlegten Lösung.
„Die politischen Mechanismen in den westlichen Demokratien scheinen eine immanente Tendenz zu haben, die gesellschaftlich gewünschte Absicherung des Mindestlebensstandards so hochzu- treiben, daßwesentliche Teile der Bevölkerung überhaupt nicht mehr in der Lage sind, sich diesen Lebensstandard aus eigener Kraft zu erarbeiten.“92
Die Parteien würden sich im Wahlkampf mit Erhöhungen des Sicherungsniveaus überbieten. Die Kopplung an statistische Daten oder die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums stellen aber realistische Lösungsvorschläge dar.
Zu bedenken ist: Auch wenn eine Grundversorgung gewährleistet ist, wird eine längerfristige Lebensplanung unmöglich gemacht, da bei Verlust der Arbeit ein Absturz auf das Minimalniveau droht. Daher vergrößert sich das Risiko für höhere Einkommensgruppen beträchtlich.93
Politische Steuerungsmöglichkeiten würden durch ein Bürgergeld stark eingeschränkt, da z.B. auch das Kindergeld mit steigendem Einkommen zusammen mit dem Bürgergeld gekürzt würde94.
Die eingangs dargestellte notwendige Entkopplung von Lohn und Arbeit ist illusorisch, da auch ein Bürgergeld von den Erwerbstätigen finanziert werden mußund somit in seiner Höhe direkt vom Produktionssektor abhängt.95 Hieraus ergibt sich wieder das im Kapitel über die Sozialstaatskrise behandelte Problem daßbei steigender Arbeitslosigkeit die Werktätigen stärker belastet werden, was die Abwanderung in die Grundsicherung anregt.
Die heutigen Steuerzahler wären bei der Einführung eines Bürgergeldes in dreifacher Hinsicht belastet: Sie müßten die Mehrkosten für ein Bürgergeld sowie die auslaufenden Rentenansprüche finanzieren und sich darüber hinaus auch noch selbst kapitalgedeckt für das Alter absichern96.
Die Bürgergeldidee wirft viele Fragen auf. Sicher ist, daßein großer gesellschaftlicher Umverteilungsprozeßin Gang gesetzt würde, der höchstwahrscheinlich zu Lasten der Selbständigen (wegen des Wegfalls der bislang stark ausgeprägten legalen Manipulationsmöglichkeiten der Bemessungsgrundlage97 ) und Rentnern ausfallen würde. Ob dies gewünscht sein kann, ist Frage des persönlichen Werturteils.
Fazit
Eine abschließende Bewertung fällt schwer, da die Zielsetzungen sich je nach Modell erheblich unterscheiden und die Auswirkungen eines Bürgergeldes nicht eindeutig feststehen. Details der praktischen Ausgestaltung können großen Einflußauf die letztliche Wirkung des Systems nehmen.
Die politische Durchsetzbarkeit scheint angesichts der weitreichenden und langfristigen Auswirkungen sowie der (vermutlich) hohen Kosten bei großem Risiko eher gering. Durch die Abschaffung der Sozialhilfe würden Lasten der Kommunen auf den Bund abgewälzt, was die politische Realisierung ebenfalls unwahrscheinlich macht.
Meist werden dem Bürgergeld schlicht aus finanziellen Gründen die „kleinen Lösungen“, d.h. Korrekturen im jetzigen System, vorgezogen. Man will die Vorteile des Bürgergeldes - dabei ist meist die Beseitigung der Arbeitslosigkeitsfalle gemeint - billiger realisieren. Dabei wird allerdings oft übersehen, daßdieses Fazit ein Trugschlußist, denn die Kosten des Bürgergeldes bestehen hauptsächlich aus den Einkommensteuerausfällen, die in jedem Fall auftreten, wenn das Anreizsystem verändert werden soll. Eine billigere Lösung ist, wenn sie bundesweit und für alle Arbeitnehmer gelten soll, illusorisch.
Joachim Weeber hat wohl recht, wenn er feststellt: „Insgesamt gesehen wirft das Bürgergeld eher Fragen auf, als daßes Antworten gibt.“98 Ob man deshalb nun die Ansicht teilt, daßBürgergeld sei ein „untaugliches Instrument einer problembezogenen Armutsbekämpfung“99 oder man mit Joachim Mitschke konstatiert: „Der bessere Mensch wird wieder einmal gesucht. Man ist auf der falschen Fährte. Man ändere das System“100 ; daßdas Bürgergeld durchaus ein diskussionswürdiger Ansatz ist, ist wohl kaum zu bezweifeln.
Die Erfahrungen in England mit der negativen Einkommensteuer sollten dabei zumindest einen Denkanstoßdarstellen: „In den Tory-Jahren wurden über zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Die Arbeitslosenrate liegt mit acht Prozent unter dem EU-Durchschnitt, jene für Jugendliche ebenfalls. Und der Durchsatz auf dem Arbeitsmarkt beschleunigte sich - zwei Drittel der Arbeitslosen steigen vor sechs Monaten wieder in einen Job ein.“101
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[...]
1. so auch z.B. die Unternehmensberatung Mc Kinsey, vgl. Offermann (1997), S. 31
2. vgl. die Erklärung von UnternehmensGrün, (Verband zur Förderung umweltgerechten Wirtschaftens) in: DIE ZEIT, Nr. 44 vom 25.10.1996 Wirtschaft
3. leider kann im Rahmen dieser Arbeit nicht genauer auf Detailunterschiede zwischen den verschiedenen Vorschlägen eingegangen werden. Ein ausführlicher Vergleich findet sich in Kaltenborn, Bruno (1995)
4. in den USA existiert bereits eine Abwandlung de r negativen Einkommensteuer (earned income tax credit) und stellt das „bedeutendste Mittel zur Armutsbekämpfung“ (Jerger, Jürgen/Spermann, Alexander (1996), S. 11) dar. Auch in Großbritannien existierte bereits das family credit Programm, das unter Tony Blair durch eine negative Einkommensteuer abgelöst wurde.
5. streng genommen stellen kinderlose Rentenversicherte auch „Trittbrettfahrer“ dar!
6. Berthold, Norbert (1997), S. 19
7. vgl. Mitschke, Joachim (1995b)
8. vgl. Mitschke, Joachim (1995a), S. 78
9. Berthold, Norbert (1997), S. 8
10. vgl. Bäcker, Gerhard (1989), S. 66ff.
11. Berthold, Norbert (1997), S. 9
12. ebd, S. 11
13. von 1960 bis 1985 schrumpfte das Arbeitsvolumen um ca. 13%, vgl. Vobrua (1990); S. 38ff
14. Härtel, Hans-Hagen (1994), S. 119
15. vgl. Mitschke, Joachim (1995b)
16. diese Argumentation kann allerdings nicht die steigende Arbeitslosigkeit von Höherqualifizierten erklären („Akademikerarbeitslosigkeit“). Viele Vorschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vernachlässigen diesen Punkt oder verweisen auf die allgemeine Finanz- und Währungspolitik als einzig wirksames Mittel zur Belebung der Arbeitsnachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. Auch das Bürgergeld in seiner arbeitsmarktpolitischen Funktion beschränkt sich lediglich auf die Förderung von Jobs am unteren Ende der Lohnskala.
17. in der Literatur herrscht Uneinigkeit über die Entwicklung des Abstands zwischen Lohn und Sozialhilfe, vgl. Bäcker, Gerhard (1989), S. 64; Weeber, Joachim (1996), S. 214 sowie Siebert, Horst (1995), S. 11
18. nicht berücksichtigt wird hierbei, daßbislang Arbeitszeitverkürzungen den Rückgang des Arbeitsvolumens aufgefangen haben, so daßdie Anzahl der Beschäftigten konstant geblieben ist (allerdings ist die Zahl der Arbeitswilligen gestiegen); vgl. Vobrua (1990), S. 40f
19. vgl. Gorz, André (1983), S. 87ff, 110ff
20. Wohlgenannt. Lieselotte (1990), S. 204
21. hier wären vor allem Thomas Morus, Charles Fourier, Edward Bellamy, sowie detaillierter bei Josef Popper- Lynkeus („Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage“, 1912) und Karl Ballod („Ein Blick in den Zukunftsstaat. Produktion und Konsum im Sozialstaat“, 1898) zu nennen
22. manche Autoren gehen sogar so weit, eine „Pflicht zur Muße“ einzuführen (vgl. Guggenberger, Bernd (1993), S. 475), bzw. die abgeschaffte Arbeit ebenso zu entlohnen wie die geleistete: „le travail aboli ist rémunéré au même titre que le travail fourni“, Gorz, André (1983), S. 96
23. Dahrendorf, Ralf (1983), S. 99
24. Fischer, Joschka (1996), S. 42
25. vgl. Schmidt, Thomas (1984), S. 37f.
26. Nixon hatte zuvor das Schlagwort „workfare statt welfare“ geprägt, vgl auch Schmid (1984), S. 42
27. Schmidt, Thomas (1984), S.10
28. Spermann, Alexander (1996), S. 1
29. vgl. Gorz, André (1983), S. 91ff
30. „Faszination am Design“, Otto, Ulrich (1996), S. 37
31. Weeber, Joachim (1996), S. 209
32. Hauser, Richard (1995), S. 487
33. vgl. Opielka, Michael (1984), S. 109ff
34. vgl. Schmidt, Thomas (1984), S. 7
35. vgl. hierzu Schmidt, Thomas (1984), S. 11
36. Scharpf, Fritz (1994), S. 111
37. Mitschke, Joachim (1995a), S. 80
38. ebd, S. 25
39. Hauser, Richard (1995), S. 481
40. vgl. Suntum, Ulrich van/Bohnet -Joschko, Sabine (1996), S. 15
41. zum Verlauf der Grenzbelastung vgl. Krupp, Hans-Jürgen (1995), S. 299
42. vgl. Mitschke, Joachim (1995a), S. 81
43. Er kommt dabei, ausgehend von einer 3%igen Verringerung pro Jahr, auf eine Zahl von 20.000 Lebensarbeitsstunden für das Jahr 2000; vgl. Gorz, André (1983), S. 89
44. Paulus, 2. Tess. 3.10
45. Mitschke, Joachim (1995b)
46. eine gute Überschau und Bewertung der wichtigsten Kostenrechnungen findet sich in Hauser, Richard (1996), S. 55ff
47. über die Unhaltbarkeit der dieser Berechnung zugrunde liegenden Formel vgl. Mitschke, Joachim (1995a), S. 82, Fußnote Nr. 26
48. vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW (1994), S. 692ff.
49. vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW (1996), S. 540ff. Allerdings wurde bei dieser Berechnung noch die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Steuerbefreiung des Existenzminimuns hineingerechnet.
50. Scharpf, Fritz W. (1994), S. 111
51. ebd, S. 112; Joachim Mitschke hat auf die Absurdität dieser Zahl hingewiesen: Mit diesem Betrag ließen sich mehr als die Hälfte aller Bundesbürger mit dem durchschnittlichen Existenzminimum von 9200 DM ausstatten; vgl. Mitschke, Joachim (1995a); S. 82, Fußnote Nr. 26
52. vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW (1994), S. 690, Schaubild
53. vgl. Weber, René (1991), S. 39
54. vgl. Mitschke, Joachim (1995a); S. 82f. sowie (1995b)
55. Mitschke, Joachim (1995b)
56. Becker, Irene (1995), S. 334; zum Problem der Berechnung des Finanzbedarf vgl. auch Hauser, Richard (1996), S. 55ff.
57. zwar liegt der Anteil der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger bei nur ca. 30%, doch die rapide sinkende Wiedereingliederungsquote und der Mißbrauch der Sozialhilfe als Ersatz für die ungenügende Arbeitslosigkeitsversicherung geben Anlaßzur Sorge; vgl. Offermann, Volker (1997), S.35
58. Suntum, Ulrich van/Bohnet -Joschko, Sabine (1996), S. 15
59. Mitschke, Joachim (1995c), S. 17
60. laut Hans-Peter Klös vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) könnten mit einer Öffnung der Tariflöhne nach unten bis zu 4,7 Millionen neue Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor entstehen; vgl. Schumacher, Oliver/Heuser, Uwe Jean (1997)
61. vgl. Suntum, Ulrich van/Bohnet -Joschko, Sabine (1996), S. 15
62. Offermann, Volker (1997), S. 31
63. vgl. Otto, Ulrich (1996), S. 35
64. vgl. Hauser, Richard (1996), S. 95 sowie Spermann, Alexander (1994), S. 108
65. vgl. Spermann, Alexander (1994), S. 107
66. vgl. Hackmann, Johannes (1978), S. 155
67. vgl. Art. 2 Grundgesetz sowie § 9 Sozialgesetzbuch
68. die Unterstützung verlöre ihren Charakter eins „Gnadenaktes“, vgl. Spiegel, Yorick (1984), S.72. Damit gäbe der Staat einen großen Teil seines „Herrschaftsanspruchs“ auf, vgl. Wehner, Burkhard (1997), S. 248
69. Mitschke, Joachim (1995a), S. 80
70. vgl. Krupp, Hans-Jürgen (1995), S. 299
71. vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW (1994), S. 690
72. einzige Ausnahme waren werktätige, verheiratete Frauen. Sie reduzierten ihr Arbeitsangebot um bis zu 55% (was gesellschaftlich durchaus erwünscht sein kann), vgl. Gerhard, Klaus-Uwe/Weber, Arnd (1984), S. 53; Weber, André (1991), S. 45ff. sowie Mitschke, Joachim (1995b)
73. vgl. Gerhard, Klaus-Uwe/Weber, Arnd (1984), S. 51f. sowie Hanesch, Walter (1984), S. 127
74. Gerade hierin wird von einigen Autoren ein großer Vorteil gegenüber dem heutigen System gesehen: das Bürgergeld führe zur Abschaffung der gesellschaftlich oder individuell als nicht sinnvoll empfundenen Arbeit. Zwar finde dieser Prozeßauch bislang statt, werde aber von der ökonomischen Kostenlogik gesteuert. Ein Bürgergeld würde diese durch den „Widerwillen der Menschen gegen falsche Arbeit“ ersetzen. Vgl. Schmid, Thomas (1984), S. 13f
75. Weeber, Joachim (1996), S. 215, vgl. auch Spermann, Alexander (1996), S. 7
76. vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW (1996), S. 543
77. ebd, S. 543
78. Spermann, Alexander (1996), S. 7
79. vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW (1996), S. 542
80. Suntum, Ulrich van/Bohnet -Joschko, Sabine (1996), S. 15
81. vgl. Spermann, Alexander (1996), S. 8ff. Er erwägt auch, das Einstiegsgeld nur als Darlehen zu vergeben.
82. vgl. Siebert, Horst (1995), S. 11
83. Hanesch, Walter (1984), S. 126
84. Pelzer, Helmut (1996), S. 612
85. vgl. Erbe, Rainer (1995), S. 390
86. Offermann, Volker (1997), S. 33
87. vgl. Hackmann, Johannes (1978), S. 161
88. Suntum, Ulrich van/Bohnet -Joschko, Sabine (1996), S. 15, vgl. auch Offermann, Volker (1997), S. 38
89. vgl. Hackmann, Johannes (1978), S. 161
90. vgl. hierzu Scherf, Wolfgang (1994), S. 116
91. vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW (1994), S. 692
92. Suntum, Ulrich van/Bohnet -Joschko, Sabine (1996), S. 15
93. vgl. Bäcker, Gerhard (1990), S. 188
94. vgl. Krause-Junk (1996), S. 346
95. ebd, S. 190
96. vgl. Scherf, Wolfgang (1994), S. 117
97. vgl. Spermann, Alexander (1994), S. 109
98. Weeber, Joachim (1996), S. 218
99. Offermann, Volker (1997), S. 39
100. Mitschke, Joachim (1995c), S.17
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Bürgergeld und worum geht es in diesem Text?
Das Bürgergeld ist ein Konzept, das in den letzten Jahren viel politische Aufmerksamkeit erhalten hat. Es zielt darauf ab, das bestehende System der sozialen Sicherheit zu reformieren und zu vereinfachen. Dieser Text analysiert die historische Entwicklung, verschiedene Konzepte, Kosten, Auswirkungen und kritische Würdigung der Bürgergeldidee.
Welche historischen Entwicklungen führten zur Idee des Bürgergeldes?
Die Idee des Bürgergeldes entstand vor dem Hintergrund zweier großer gesellschaftlicher Tendenzen: die Krise des Sozialstaats und die Krise der Arbeitsgesellschaft. Der Sozialstaat steht unter finanziellem Druck und die Arbeitsgesellschaft sieht sich mit steigender Arbeitslosigkeit und sinkendem Arbeitsvolumen konfrontiert.
Welche verschiedenen Bürgergeldkonzepte werden in diesem Text behandelt?
Der Text behandelt hauptsächlich die Negative Einkommensteuer und die Sozialdividende. Die Negative Einkommensteuer sieht vor, den Steuertarif um einen Negativbereich für auszuzahlende Sozialleistungen zu erweitern. Die Sozialdividende ist ein Betrag, den jeder Staatsbürger unabhängig von seinem Einkommen erhält.
Was sind die potenziellen Auswirkungen der Einführung eines Bürgergeldes auf den Arbeitsmarkt?
Das Bürgergeld soll die Arbeitsanreize verbessern, indem es einen gleitenden Übergang von Teil- zu Vollzeitarbeit ermöglicht und die Aufnahme von Arbeit in jedem Fall lohnend macht. Es kann auch die Bereitstellung von Arbeitsplätzen fördern, da Arbeitsuchende sich auch auf niedrigere Löhne einlassen können.
Welche Auswirkungen hätte ein Bürgergeld auf das Sozialsystem?
Ein Bürgergeld würde Abgaben und Transferleistungen in ein einziges System integrieren. Dies könnte zu einer effizienteren Armutsbekämpfung, einer Konzentration der staatlichen Zuschüsse auf die wirklich Bedürftigen, einer größeren Transparenz und einer größeren Verteilungsgerechtigkeit führen.
Welche Kritikpunkte gibt es an der Bürgergeldidee?
Kritiker bemängeln, dass ein Bürgergeld die Arbeitsangebotsreaktionen reduzieren, die politischen Steuerungsmöglichkeiten einschränken und die individuellen Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigen könnte. Es gibt auch Bedenken hinsichtlich der Finanzierbarkeit und der Auswirkungen auf die Eigenverantwortlichkeit.
Welche empirischen Untersuchungen gibt es zur Wirkung des Bürgergeldes auf das Arbeitsangebot?
In den USA wurden in den 70er Jahren soziale Experimente zur Wirkung einer Negativen Einkommensteuer durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass das Arbeitsangebot relativ stabil bleibt, aber auch dass eindeutige Arbeitsangebotsreaktionen bei einer Systemumstellung nicht zu erwarten sind.
Welche Rolle spielt die Höhe des Existenzminimums bei der Einführung eines Bürgergeldes?
Die Höhe des Existenzminimums ist ein entscheidender Faktor, der die Kosten des Bürgergeldes und die Arbeitsanreize beeinflusst. Ein zu hohes Existenzminimum könnte zu hohen Kosten und geringen Arbeitsanreizen führen, während ein zu niedriges Existenzminimum die soziale Sicherheit gefährden könnte.
Was ist die Schlussfolgerung des Textes zur Bürgergeldidee?
Die abschließende Bewertung des Textes ist schwer, da die Zielsetzungen und Auswirkungen je nach Modell variieren. Die politische Durchsetzbarkeit scheint angesichts der weitreichenden Auswirkungen und der (vermutlich) hohen Kosten eher gering. Das Bürgergeld ist zwar ein diskussionswürdiger Ansatz, wirft aber mehr Fragen auf, als dass es Antworten gibt.
- Arbeit zitieren
- Ansgar Hebborn (Autor:in), 1997, Wie funktioniert das Bürgergeld?, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/95199