Die in dieser Hausarbeit durchgeführte Studie wiederholt Untersuchungen amerikanischen Professoren, da es im deutschsprachigen Raum möglicherweise Unterschiede zum amerikanischen geben könnte und konzentriert sich im Wesentlichen auf zwei verschiedene Fragestellungen: Wie oft gibt es heutzutage Vorurteile gegenüber Schreibern bei unterschiedlicher Orthographie? Hat die Persönlichkeit des Lesers Einfluss auf die Sensibilität für Rechtschreibfehler in fremden Texten?
Boland und Queen beschäftigten sich in ihrer Studie "Personality and Reactions to Written Errors", welche die Grundlage dieser Hausarbeit bildet, mit diesen Fragestellungen und untersuchten Bezüge zwischen der Orthographie und Aspekten der Persönlichkeit. Die Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass anhand der Rechtschreibfehler schnell Rückschlüsse auf charakterliche Eigenschaften des Schreibers gezogen werden. Ebenso wurde festgestellt, dass Leser aufgrund ihrer Charaktere unterschiedlich sensibel auf Rechtschreibfehler reagieren. Extravertierte Menschen sollen demnach Tippfehler schneller übersehen als introvertierte.
"Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich". Dieser Merksatz prägt sich schon früh in die Köpfe lernender Schreiber ein und verrät viel über tief verankerte Eintellungen und Wertungen. Doch ist das noch aktuell? Hat Rechtschreibung wirklich noch einen so hohen Stellenwert in einer Gesellschaft, in der automatische Textkorrekturen und schnelle Kurznachrichten zur Tagesordnung gehören? Wie gehen Leser mit Rechtschreibfehlern um?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsdefinitionen
2.1 Big-Five-Model
2.2 Vierfeldertest
3 PLOS One Studie: Personality and Reactions to Written Errors
4 Eigene empirische Studie
4.1 Methodik
4.2 Teilnehmer-/ Probandengruppe
4.3 Durchführung der Studie
4.4 Auswertung der Ergebnisse
5 Resultate
6 Vergleich und Diskussion
7 Fazit
1 Einleitung
«Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich >>. Dieser Merksatz prägt sich schon früh in die Köpfe lernender Schreiber ein und verrät viel über tief verankerte Einstellungen und Wertungen (Gallmann et al.,1996, S.20). Doch ist das noch aktuell? Hat Rechtschreibung wirklich noch einen so hohen Stellenwert in einer Gesellschaft, in der automatische Textkorrekturen und schnelle Kurznachrichten zur Tagesordnung gehören? Wie gehen Leser mit Rechtschreibfehlern um?
Boland und Queen beschäftigten sich in ihrer Studie Personality and Reactions to Written Errors, welche die Grundlage dieser Hausarbeit bildet, mit diesen Fragestellungen und untersuchten Bezüge zwischen der Orthographie und Aspekten der Persönlichkeit. Die Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass anhand der Rechtschreibfehler schnell Rückschlüsse auf charakterliche Eigenschaften des Schreibers gezogen werden. Ebenso wurde festgestellt, dass Leser aufgrund ihrer Charaktere unterschiedlich sensibel auf Rechtschreibfehler reagieren. Extravertierte Menschen sollen demnach Tippfehler schneller übersehen als introvertierte (vgl. Boland et al., 2016, S.10).
Die in dieser Hausarbeit durchgeführte Studie wiederholt die Untersuchungen der beiden amerikanischen Professoren, da es im deutschsprachigen Raum möglicherweise Unterschiede zum amerikanischen geben könnte und konzentriert sich im Wesentlichen aufzwei verschiedene Fragestellungen:
1. Wie oft gibt es heutzutage Vorurteile gegenüber Schreibern bei unterschiedlicher Orthographie?
2. Hat die Persönlichkeit des Lesers Einfluss auf die Sensibilität für Rechtschreibfehler in fremden Texten?
Angenommen wird, dass ein Großteil der Probanden fehlerhafte Texte auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale des Schreibers bezieht und negative Wertungen vornimmt (Gallmann et al.,1996, S20f). Tippfehler könnten dabei als Mangel an Sorgfalt und Achtsamkeit gedeutet werden, während Falschschreibungen und Grammatikfehler als Indiz für eine weniger ausgeprägte Intelligenz gesehen werden könnten (Boland et al., 2016, S.2).
Dass es einen Unterschied zwischen Extra- und Introvertierten bezüglich des Erkennens von inkorrekter Schreibweise gibt, wird bezweifelt und kritisch betrachtet, da Personen vermutlich nicht exakt einem Pol zugeordnet werden können.
Im Verlauf dieser Arbeit werden zunächst wichtige Begriffe definiert. Anschließend wird auf die von Boland und Queen ausgeführte Studie näher eingegangen. Kapitel 4 erläutert die darauffolgende, eigene empirische Studie von der Methodik bis hin zur Auswertung. Die Resultate werden im Anschluss mit den vorherigen Annahmen verglichen und diskutiert. Aus den Untersuchungsergebnissen, sowie der wissenschaftlichen Literaturgrundlage soll abschließend ein Fazit gezogen werden.
2 Begriffsdefinitionen
2.1 Big-Five-Modell
Das Big-Five- oder auch Fünf-Faktoren-Modell ist ein Modell aus der Persönlichkeitspsychologie. Ihm zufolge gibt es fünf stabile Grunddimensionen der Persönlichkeit, die bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind (Herzberg, 2014, S.40- 42). Das Modell basiert auf Untersuchungen verschiedener Forscher, die mit unterschiedlichen Untersuchungen und aufwendigen Berechnungen grundlegende Persönlichkeitsfaktoren erforschten (vgl. Walter, 2006, S.114). Mithilfe des Persönlichkeitsmodells können durch feine Abstufungen Persönlichkeitsprofile erstellt werden, die jede Person auf einer Skala zwischen beispielsweise extravertiert und introvertiert einordnen können (Saum-Adelhoff, 2007, S.10).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit (aus: Walter, 2006, S. 116)
2.2 Vierfeldertest
Der Vierfeldertest ist eine mathematische Methode, welche Ergebnisse auf ihre Signifikanz (= Bedeutsamkeit) prüft. Anhand der berechneten Prüfgröße kann abgeschätzt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein beobachteter Unterschied zufällig ist oder auf einer Gesetzmäßigkeit beruht (Beck-Bornholdt et al.,1997, S.4753). Das statistische Testverfahren beruht auf den ausgewerteten Zahlen und wird anhand einer sogenannten „Vierfeldertafel“, welche die Randwerte aufweist, sowie einer Formel zur Berechnung der Prüfgröße durchgeführt (Ineichen, 1994, S.31-35):
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Tabelle 1: Schema der Vierfeldertafel (aus: Beck- Bornholdt et. AI., 1997, S. 49)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Formel zur Berechnung der Prüfgröße (aus: Beck- Bornholdt et. AI., 1997, S. 49)
3 PLOS One Studie: Personality and Reactions to Written Errors
Die Studie Personality and Reactions to Written Errors (im Folgenden PRWE - Studie genannt) ist eine von US-Wissenschaftlern durchgeführte Online-Studie, welche das Sozialverhalten der Leser bei Rechtschreibfehlern in fremden Texten erforscht. Mithilfe des Big-Five-Tests (siehe Kapitel 2.1) wurden zunächst die Charakterzüge der 83 Probanden (davon 53 Frauen und 30 Männer) ermittelt. Auch das übliche Schreib- und Leseverhalten wurde aufgenommen (durchschnittliche Anzahl gelesener Texte und geschätzte Lesezeit pro Tag), sowie der Umgang mit sozialen Netzwerken und die Frage nach der Wichtigkeit von guter Grammatik.
Die Psychologen legten den Teilnehmern anschließend zwölf Bewerbungsschreiben potentieller Mitbewohnerinnen oder Mitbewohner vor, von denen einige Rechtschreibfehler oder Tippfehler enthielten, andere wiederum korrekt formuliert waren (vgl. Bewerbungsschreiben aus der PRWE-Studie). Hierbei wurden Rechtschreibfehler gewählt, wie sie im alltäglichen Leben tatsächlich angetroffen werden. Im Anschluss daran wurden die Probanden zu der Fehleranzahl und dessen Störfaktor befragt. Ebenfalls sollten sie die mutmaßliche Persönlichkeit des Bewerbers einschätzen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Persönlichkeitseinschätzung aus der PRWE-Studie (Boland et al.,2016, S. 5)
Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass introvertierten Menschen tendenziell mehr Rechtschreibfehler auffallen und sie sich an den Falschschreibungen vermehrt stören, als Probanden, die eine extravertierte Persönlichkeit aufweisen. Unabhängig von der Fehleranzahl, gaben die Teilnehmer mit einer introvertierten Persönlichkeit an, dass sie sich an den Tippfehlern sehr störten, während extravertierte Teilnehmer diese schnell überlasen oder als „nicht störend“ einstuften. Auch Extravertierte, die vorher angaben, dass ihnen eine gute Grammatik wichtig sei, reagierten weniger sensibel auf Rechtschreibfehler.
Es bleibt jedoch anzumerken, dass bei einer Teilnehmermenge von 83 Personen die Versuchsgruppe so gering ausfiel, dass die Untersuchungen nicht als repräsentativ angesehen werden können.
4 Eigene empirische Studie
4.1 Methodik
Da sich die eigene empirische Studie, welche als anonyme Online-Umfrage durchgeführt wird, im Wesentlichen auf altersunabhängige Persönlichkeitsmerkmale und gesellschaftliche Werte (vgl. Hoberg, 1983, S.124f.) stützt, steht für die Auswahl der Probandengruppe der Bildungsstand an erster Stelle. Die Zielgruppe besteht demnach aus einer homogenen Gruppe Erwachsener mit möglichst gleichem Bildungsabschluss (mindestens Hochschulreife). Das Geschlecht, sowie das Alter sind zweitrangige Faktoren. Ein weiterer Aspekt, der in der Untersuchung aufgenommen wird, ist das Verhalten in sozialen Netzwerken, welches Einfluss auf den Umgang mit Orthographie haben könnte.
Für die Umfrage ist es erforderlich, aussagekräftige Fragen (anhand des Big-Five- Modells) zu formulieren, um die Probanden als extra- bzw. introvertiert einstufen zu können. Des Weiteren werden drei verschiedene Bewerbungstexte formuliert (als Vorlage dienen die in Englisch vorliegenden Texte aus der PRWE - Studie) mit unterschiedlichen Rechtschreibfehlern. Eine Kurzbewerbung soll vollständig korrekt ausgestellt werden, während eine weitere geringe Fehlerauffälligkeiten, wie Buchstabenvertauschungen, Getrennt- und Zusammenschreibungen, sowie eine fehlerhafte Kommasetzung (vgl. Gallmann et al., 1996, S. 21-22) enthält. Der dritte Text zeichnet sich durch gravierende Grammatik- und Satzbaufehler, Groß- und Kleinschreibung, sowie Falschschreibungen (vgl. Kurzbewerbungen aus der empirischen Studie) aus. Enthalten sind dabei keine Schreibveränderungen durch die Rechtschreibreform. Anschließend sollen die Teilnehmer zum Störfaktor der sprachlichen Auffälligkeiten befragt werden, sodass Rückschlüsse auf die Sensibilität für Rechtschreibfehler gezogen werden können.
4.2 Teilnehmer-/ Probandengruppe
Innerhalb von vier Wochen können 155 Probanden im Alter zwischen 18 und 67 Jahren (76 Prozent zwischen 18 und 34 Jahre) für die Studie begeistert werden. Die Teilnehmergruppe besteht aus 122 Frauen und 33 Männern, von denen 145 mindestens ein Abitur absolviert hatten (eingeschlossen Studienteilnehmer mit Hochschulabschluss, Berufsausbildung oder Promotion). Alle Teilnehmer leben in Deutschland und beherrschen Deutsch auf Muttersprachniveau.
Nach Berechnungen der Durschnittwerte (siehe Kapitel 4.4) können insgesamt 99 Probanden mit einer extravertierten Tendenz (Durchschnittswert über 2,6) und 56 mit einer introvertierten Tendenz (Durchschnittswert unter 2,4) festgestellt werden. 87 Prozent aller Probanden gaben an, mehrmals täglich mindestens ein soziales Netzwerk zu nutzen. Facebook und Instagram wurde dabei am häufigsten genannt (Facebook: 82x, Instagram: 58x). Hauptsächlich seien die Teilnehmer bei der Nutzung eines sozialen Netzwerkes an dem Kontakt zu Freunden und Bekannten interessiert (84 Prozent). 74 Prozent der Probanden nutzen die Plattformen zum Konsumieren von Nachrichten und Artikeln, während 43 Prozent mit anderen Mitgliedern vor allem über verschiedene Themen diskutieren. Modeinspirationen, Rezepte und Bastelvideos (DoltYourself-Videos) wurden als weitere Gründe für die Nutzung sozialer Netzwerke angegeben. Vier Teilnehmer nutzen den Angaben zufolge kein soziales Netzwerk.
4.3 Durchführung der Studie
Um viele Probanden zu erreichen, war die Umfrage vier Wochen lang online verfügbar und wurde über verschiedene Kanäle an Studentinnen und Studenten, Freunde und Bekannte geleitet. Den Teilnehmern wurde vor der Beantwortung der Fragen lediglich mitgeteilt, um welches Thema es sich bei der Studie handelte. Nähere Informationen konnten nicht gegeben werden, um die Ergebnisse nicht durch besondere Aufmerksamkeit auf bestimmte Fragen zu beeinflussen.
Die Umfrage begann mit der Aufnahme allgemeiner Daten (Geschlecht, Alter, Bildungsstand). Es folgten zwölf Aussagen über die Persönlichkeit (vgl. Lorber, 2015, S. 22f, S.89f), welche die Probanden auf sich selbst beziehen und einschätzen sollten (trifft genau zu - trifft gar nicht zu). Die vorgegebenen Aussagen basierten dabei nur auf einem Bereich des Big-Five-Tests (Extraversion versus Introversion), da unter Einbeziehung aller fünf Teilbereiche eine weitaus umfassendere Auswertung notwendig sein würde. Anschließend wurden die Teilnehmer zu ihrem Verhalten in sozialen Netzwerken befragt (vgl. Verhalten in sozialen Netzwerken).
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