Diese Hausarbeit widmet sich den von Heiko Kleve ins Werk gesetzten Aspekten einer Sozialen Arbeit in der Postmoderne. Der erste Teil reflektiert die geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen des Theorieansatzes. Es werden außerdem die
zentralen Aspekte erörtert. Zudem wird der wissenschaftliche Kontext, in dem Kleves Arbeit einzuordnen und zu verstehen ist, dargelegt. Im Anschluss daran wird der Theorieansatz hinsichtlich Kriterien wissenschaftlicher Theoriebildung überprüft. Im darauffolgenden Teil wird ein Fallbeispiel aus Kleves Perspektive analysiert. Abschließend erfolgt eine prägnante Zusammenfassung sowie ein kurzes Fazit.
Die Forderung nach einer wissenschaftlichen Theoriebildung zur Wissenschaft der sozialarbeiterischen/ sozialpädagogischen Praxis löste bis in die Gegenwart anhaltende Bemühungen zur Bestimmung und Definitionsbildung von Sozialer Arbeit als Wissenschaft aus. Seit Jahrzehnten verläuft der im deutschsprachigen Raum geführte Diskurs zur Wissenschaft der Sozialen Arbeit in höchstem Maße kontrovers. Mit der Intension, mögliche methodische Vorgehensweisen für die Praxis abzuleiten, wird die berufliche Wirklichkeit systematisch reflektiert. Diese Vorgehensweisen können eine Grundlage bieten, durch die Sozialarbeiter/-innen ein spezifisches Professionsverständnis entwickeln können.
Heiko Kleve eröffnet mit seinem Buch „Postmoderne Sozialarbeit. Ein systemisch-konstruktivistischer Beitrag zur Sozialarbeitswissenschaft“ erneut die Diskussion um Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit und zeigt Konzepte und Ansätze vor, durch die ein neues Verständnis der Sozialen Arbeit in der Postmoderne geschaffen werden kann.
Inhalt
1. Einleitung
2. Geschichtlicher Hintergrund
3. Gesellschaftlicher Hintergrund
4. Theoriekern und zentrale Aussagen
5. Wissenschaftstheoretische Zuordnung
6. Kritische Theorieprüfung
7. Fallanwendung
8. Zusammenfassung/Fazit
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Forderung nach einer wissenschaftlichen Theoriebildung zur Wissenschaft der sozialarbeiterischen/ sozialpädagogischen Praxis löste bis in die Gegenwart anhaltende Bemühungen zur Bestimmung und Definitionsbildung von Sozialer Arbeit als Wissenschaft aus. Seit Jahrzehnten verläuft der im deutschsprachigen Raum geführte Diskurs zur Wissenschaft der Sozialen Arbeit in höchstem Maße kontrovers. Mit der Intension, mögliche methodische Vorgehensweisen für die Praxis abzuleiten, wird die berufliche Wirklichkeit systematisch reflektiert. Diese Vorgehensweisen können eine Grundlage bieten, durch die Sozialarbeiter/-innen ein spezifisches Professionsverständnis entwickeln können.
Heiko Kleve eröffnet mit seinem Buch „Postmoderne Sozialarbeit. Ein systemischkonstruktivistischer Beitrag zur Sozialarbeitswissenschaft“ erneut die Diskussion um Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit und zeigt Konzepte und Ansätze vor, durch die ein neues Verständnis der Sozialen Arbeit in der Postmoderne geschaffen werden kann.
Diese Hausarbeit widmet sich den von Heiko Kleve ins Werk gesetzten Aspekte einer Sozialen Arbeit in der Postmoderne. Der erste Teil reflektiert die geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen des Theorieansatzes. Es werden außerdem die zentralen Aspekte erörtert. Zudem wird der wissenschaftliche Kontext, in dem Kleves Arbeit einzuordnen und zu verstehen ist, dargelegt. Im Anschluss daran wird der Theorieansatz hinsichtlich Kriterien wissenschaftlicher Theoriebildung überprüft. Im darauffolgenden Teil wird ein Fallbeispiel aus Kleves Perspektive analysiert. Abschließend erfolgt eine prägnante Zusammenfassung sowie ein kurzes Fazit.
2. Geschichtlicher Hintergrund
Kleve datiert die Entstehung der professionellen Sozialen Arbeit, also sozialarbeiterische Berufstätigkeit, in der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In dieser Zeit wurden sozial helfende Tätigkeiten zunehmend verberuflicht, sie wandelten sich von einer „moralisch inspirierten [...] .Mildtätigkeit'“ (Kleve, 2007, S.18) in eine „professionelle [...] Sozialarbeit“ (ebenda) und es entstanden entsprechende Ausbildungsstätten. Die Prozesse der Modernisierung der Wirtschaft führten zu einer „Mobilisierung und Flexibilisierung der Menschen“ (Kleve, 2002, 8), während religiöse und moralische Beweggründe zunehmend an Relevanz verloren (ebenda). Als Resultat gesellschaftlicher Modernisierung nennt Kleve die Entwicklung „gegensätzlicher Tendenzen“ (ebenda), z.B. wachsende Armut und individueller Reichtum oder „psychosoziale Stabilität“ (ebd.) und psycho-soziale Probleme, im Ergebnis „Ambivalenz“ (ebd.).
3. Gesellschaftlicher Hintergrund
Soziale Arbeit steht in enger Relation zu der gesellschaftlichen Situation. Deller und Brake (2014) beschreiben Soziale Arbeit als Reaktion auf die Veränderungen in der Gesellschaft (vgl. 2014, S. 15-18). Die Aufgaben Sozialer Arbeit liegen darin, „den gesellschaftlichen Wandel nachzuvollziehen, zu reflektieren und diese Reflexion zum Wohl aller Zielgruppen Sozialer Arbeit in Planung und Realisierung konkreter Vorgehensweisen einzubeziehen“ (ebenda, S.19). Die sozialen Strukturbilder der heutigen Lebensformen in der Gesellschaft sind die Individualisierung und die Pluralisierung von Lebensstilen (vgl. Spiegel, 2018, S. 28).
Die Anforderung an die Soziale Arbeit ist die Vermittlung zwischen den individuellen Bedürfnissen ihrer Adressaten und den gesellschaftlichen Anforderungen, Möglichkeiten und Grenzen (vgl. Erath, 2006, S. 108ff.).
4. Theoriekern und zentrale Aussagen
In seinem theoretischen Ansatz beschreibt Kleve den Begriff „Ambivalenz“ als signifikante Grundlage, als „Markenzeichen“ und „Stärke“ (Kleve, 2007, S.29) des postmodernen Wissenschaftskonzeptes der Sozialen Arbeit. Er verortet die Soziale Arbeit in eine „ambivalente Stellung zwischen Theorie und Praxis und zwischen den Disziplinen“ (Kleve, 2002, 3). Kleve schlägt vor, „das Feld von Theorie und Praxis Sozialer Arbeit aus multiperspektivischen Sichten neu zu erkunden“ (Kleve, 2007, S.15) und „theoretische Reflexionen“ über die „gesellschaftliche Praxis der Sozialarbeit“ (ebenda, S. 20) anzustellen. Die sozialarbeiterische Praxis ist nach Kleve geprägt durch „Identität sprengende Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit“ (Kleve, 2002, 2). Ihre unüberwindbare „strukturelle Ambivalenz“ (Kleve, 2007, S.25), ihre unauflösbare „Heterogenität und Pluralität“ (Kleve, 2002, 2) sind der Sozialen Arbeit so gesehen immanent, weshalb Kleve sich in seinem Konzept der postmodernen Sozialarbeit auf eine „Ambivalenzreflexion“ (Kleve, 2007, S. 37) konzentriert.
In Kleves Konzeption einer postmodernen Sozialen Arbeit wird es sogar auf dreifache Weise möglich, eine Bestimmung der Sozialen Arbeit zu erreichen, wenn dabei auf den Anspruch verzichtet wird, eine eindeutige und geschlossene Beschreibung zu erreichen, sondern postmoderne, ambivalente Positionen zugelassen werden. Er analysiert die strukturellen Ambivalenzen der postmodernen Sozialarbeit durch Perspektive drei unterschiedlicher Dimensionen: die erkenntnis- und wissenschaftstheoretische, sozialtheoretische sowie praxistheoretische Dimension.
Aus Perspektive der erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Dimension ist mit postmodernem Denken eine Haltung gemeint, welche die unübersehbare Vielfalt von Diskursarten, [...] Beschreibungen und Beschreibungsmöglichkeiten akzeptiert (vgl. Kleve, 2007, S.31). Im sozialen Kontext versteht Kleve postmodernes Denken als Bewusstsein darüber dass Erkenntnisse bzw. Beobachtungen stets mit der Außenwelt korrelieren. Er beschreibt postmodernes Denken als Gemüts- und Geisteszustand welcher annimmt, dass es zu einer Wirklichkeit widersprüchliche Beschreibungen geben kann, die in ihrer Plausibilität äquivalent sind (ebenda, S.32).
Im Kontext der sozialtheoretischen Dimension konkretisieren die Begriffe der Hyperkomplexität, Polykontexturalität und Heterarchie die postmoderne Gesellschaft. Die postmoderne Gesellschaft kann als hyperkomplexes System beschrieben werden. Hyperkomplexität ist in diesem Kontext ein System, das sich an seiner eigenen Komplexität orientiert und sie als Komplexität zu erfassen sucht. Schon der Versuch einer solchen Erfassung produziert im System größere Komplexität als im vorherigen System, denn im System muss eine Art der Selbstbeschreibung (des Selbstbildes) festgelegt werden - und dies ist mehr als das System ohne die Selbstbeschreibung (vgl. Kleve, 2007, S.33). Eine polykontexturale Konstitution von Gesellschaft setzt die formal gleiche und faktisch gleichzeitige Möglichkeit verschiedener Beobachtungen voraus. Dies bedeutet, dass es keine zentrale Position mehr gibt, von der eine einheitliche Beobachtung der Realität möglich ist. In der modernen Gesellschaft existiert nach Kleve kein Zentrum mehr, von dem aus zentralperspektivistische Realitätsbeschreibungen vorgenommen werden. Vielmehr werden Beschreibungen „psychischer und sozialer Realitäten, die sich polykontextural herausdifferenzieren“ (ebenda, S.35) heterarchisch gleichgestellt (vgl. ebenda, S.35ff.).
Gerade im Praxisbezug wird nach Kleve deutlich, dass die Professionellen der Sozialen Arbeit auf „passende Verfahren“ (Kleve, 2009, S. 111) angewiesen sind, durch die ein konstruktiver Umgang mit Ambivalenz und Kontingenz erst möglich wird. Kleve erhebt außerdem den Anspruch, dass postmoderne Soziale Arbeit nicht nur aus erkenntnis- und wissenschaftstheoretischer sowie sozialtheoretischer Perspektive als strukturell ambivalent beschrieben werden kann, sondern ebenfalls mit Blick auf ihre Praxis (vgl. ebenda, S.36).
Kleve stellt Soziale Arbeit als System dar, welches im Gegensatz zu anderen Systemen seine Funktion in der Bearbeitung von Problemen findet, die von anderen Systemen produziert wurden (vgl. Kleve, 2003, S.104). Diesem System gibt Kleve die Ambivalenzreflexion an die Hand und bildet daraus die postmoderne Sozialarbeit, welche in der Lage ist, selbstreflexiv und ambivalent mit der Realität umzugehen.
5. Wissenschaftstheoretische Zuordnung
Welsch, auf den Kleve sich unter Anderem bezieht, unterstellt der Welt einen unauflöslichen Verflechtungscharakter. Dieser fordere vom postmodernen Individuum die Fähigkeit zum flexiblen Wechsel zwischen verschiedenen Diskursarten. Kleve übernimmt den von Welsch geprägten Begriff der Transversalität als Bezeichnung für die „reflexiven [..], explizierbaren Übergänge, Zusammenhänge bzw. gegenseitigen Abhängigkeiten und Verbindungen von unterschiedlichen Rationalitäts-, aber auch Theorie und Methodenkonzepten“ (Kleve, 2007, S. 48). Unter Verweis auf die „Pluralität sozialarbeiterischer Theorien, Methoden und Problemstellungen“ (ebenda) erhebt er Transversalität zu einem „Leitgedanken Sozialer Arbeit“ (ebenda). Weil „autonome Wirklichkeitskonstruktionen sich gegenseitig bedingen“ (ebenda, S. 257) bedarf es nach Kleve „transversale[r] Vernunft“ (ebenda; Welsch, 1991, S.7), um diese systemischen Verflechtungen kenntlich zu machen. Nach Welsch kann sich nur ein Konzept von Vernunft angemessen auf die Lösung gegenwärtiger Problemstellungen einlassen, dem es gelingt, sich auf die (unbewussten) Verflechtungen der Rationalitäten produktiv einzulassen. Wissenschaftstheoretisch sucht Kleve dazu Anschluss an die „Systemtheorie“ (Kleve, 2002, 3), um sich ihrer „universelle[n] bzw. interdisziplinäre[n] Sprache“ (Kleve, 2007, S. 65) zu bedienen.
Die Moderne als eine „historische Periode“ (Kleve, 2002, 4) ist nach Kleve geprägt durch das „permanente Ringen um Ordnung, Eindeutigkeit, Rationalisierung, Kontrolle, Klassifizierung und Bestimmung, also um Ambivalenzfreiheit“ (ebenda). Dies habe zu einer „Ausdifferenzierung der Gesellschaft in voneinander getrennte funktionale Systeme“ (ebenda) geführt. Die „Eigenlogiken von verschiedenen funktionalen Teilsystemen der Gesellschaft“ (May, 2010, S.237) werden bei Kleve als „Kommunikationssysteme theoretisiert“ (ebenda). Dazu stützt Kleve sich in seinem Konzept der postmodernen Sozialen Arbeit auf die Systemtheorie Luhmanns, genauer die „funktional-strukturelle[n] Theorie selbstreferentieller Systeme“ (Kleve, 2007, S.28). Er argumentiert mit Annahmen der konstruktivistischen Erkenntnistheorie, dass Erkenntnisse bzw. Beobachtungen nicht mit einer unabhängig existenten Außenwelt korrelieren (ebenda, S. 85 f.). Kleve ordnet ein Denken in Differenzierung und Trennung der Moderne zu, über die nach seinem Verständnis die Postmoderne hinaus geht, da postmodernes Denken im Sinne von Welsch bedeute, „Übergänge und Verflechtungen zu thematisieren“ (ebenda). Während kennzeichnend für die Moderne sei, „permanent darum zu ringen, Ambivalenz [..] in Eindeutigkeit zu verwandeln“ (Kleve, 2002, 4), bezeichnet Kleve postmodernes Denken als „Akzeptanz und kreativen Umgang mit Ambivalenz“ (ebenda, 6).
Nach Kleve entspricht es einer „postmoderne[n] Auffassung“ (Kleve, 2006, S. 5), der Transdisziplinarität in der postmodernen Sozialarbeit einen zentralen Stellenwert beizumessen. So wird bei Kleve die Wissenschaft der Sozialen Arbeit als „transdisziplinäre Moderatorin, Supervisorin und Mediatorin innerhalb der unterschiedlichsten Theorielandschaften“ (ebenda) bezeichnet. Die Disziplin der Sozialen Arbeit kann nach Kleve daher „nichts anderes sein als die Bezeichnung für einen transversalen bzw. transdisziplinären Kommunikationszusammenhang“ (Kleve, 2007, S. 73). Sie diene als „Vermittlungsinstanz [..] bezüglich unterschiedlicher disziplinärer Konzepte“ (ebenda, S. 65).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kleve sich in seinem Konzept einer postmodernen Sozialarbeit Elementen aus verschiedenen Wissenschaftsverständnissen bedient, darunter der Luhmannschen Systemtheorie, dem Konstruktivismus und dem Postmodernismus.
6. Kritische Theorieprüfung
Nach Kleve bilden der Konstruktivismus und die Postmoderne zwei theoretische Perspektiven, die in den letzten Jahren auch Einzug in die Wissenschaft der Sozialen Arbeit gehalten haben. Beide Richtungen stellen jedoch gängige Verständnisse von Wissenschaft und sozialer Praxis radikal infrage, erlauben aber gerade deshalb eine theoretische Fundierung Sozialer Arbeit, die der Komplexität dieser Profession angemessen ist. Trotzdem sind diese Richtungen in der wissenschaftlichen Reflexion der Sozialen Arbeit umstritten und werden nicht selten bekämpft (vgl. Kleve, 2003, S.9ff.). Ausgehend von dieser Kritik wird im Folgenden - auf einer allgemeinen und sozialarbeitswissenschaftstheoretischen Ebene - Kleves theoretischer Ansatz der postmodernen Sozialen Arbeit in Hinblick auf die Anforderungen an die sozialarbeitswissenschaftliche Theoriebildung überprüft.
Kleve geht von der Frage aus, welche real-historischen Bedingungen dazu geführt haben, dass die Soziale Arbeit zu der Profession geworden ist, die wir heute beobachten können. Als besonders relevant für die sozialarbeiterische Praxis in der Postmoderne gelten die strukturellen Ambivalenzen, die laut Kleve mit der Praxis der Sozialen Arbeit einhergehen. Diesen Ambivalenzen gegenüber „erscheint es angebracht ihnen auch in der theoretischen Reflexion einen zentralen, wenn nicht den zentralen Stellenwert zuzubilligen“ (ebenda). Wissenschaftlicher Gegenstand Kleves Theorieansatzes sind infolgedessen die unüberwindbaren Ambivalenzen der postmodernen Gesellschaft und deren Auswirkungen auf die sozialarbeiterische Praxis.
Kleves Grundannahme über die Realität baut auf anderen postmodernen Wissenschaftstheorien auf. Er bedient sich den Konzepten des Konstruktivismus, der Systemtheorie und der Postmoderne. Es geht ihm nicht mehr um eindeutige Bestimmungen disziplinärer oder professioneller Realitäten, sondern um die Möglichkeit Widersprüchlichkeiten und mit der Betrachtung veränderte Differenzen mit einzubeziehen. Nach Kleve konstruiert jeder Beobachter seine Wirklichkeit ausschließlich in Bezug auf seine inneren Zustände, die äußere Realität bleibt immer unzugänglich (vgl. Kleve, 2007, S.31ff.).
Der zentrale Begriff der Sozialen Arbeit in der Postmoderne wird über mehrere Seiten inhaltlich abgegrenzt. Mit dem Begriff Ambivalenz wird von Kleve nicht nur Zwei-, sondern ganz allgemein auch Vielwertigkeit, Mehrdeutigkeit, Widersprüchlichkeit, Unbestimmbarkeit oder Paradoxie bezeichnet, die in sozialen, psychischen, allgemein in kommunikativen Verhältnissen beobachtet werden können und die ein unentscheidbares Oszilieren zwischen mindestens zwei gleichermaßen plausiblen Entscheidungsmöglichkeiten herausfordert (vgl. Kleve, 2007, S.22ff.).
Kern des theoretischen Ansatzes ist, dass die postmoderne Gesellschaft unüberwindbare Ambivalenzen innehat, soziale Probleme produziert und Fragen aufwirft, deren Bearbeitung es eine ebenso ambivalente Soziale Arbeit bedarf.
Kleve bedient sich einiger wissenschaftlichen Theorien, welche er im Vorfeld darstellt. Die Begriffe Ambivalenz und Postmoderne werden auf ihre Ursprünge zurückgeführt, gegenübergestellt und auf die aktuelle Situation Sozialer Arbeit in Deutschland übertragen, um ein besseres Verständnis des Theorieansatzes zu ermöglichen (siehe Kleve, 2007, S.18ff.). Beispielsweise beschreibt Kleve Ambivalenzen als „Mehr- bzw. Vielwertigkeiten, [...] Undeutigkeiten, Unbestimmbarkeiten, Widersprüchlichkeiten oder auch Paradoxien [...]“ (Kleve, 2007, S.22) und verweist darauffolgend auf die plausible Gegensächlichkeit der sozialarbeiterischen Praxis im Konzept der Postmoderne. Das Konzept der postmodernen Geisteshaltung, auf welches Kleve seine Theorie begründet, wird ausführlich dargestellt. Postmodernes Denken, so Kleve, ist stets selbstreferentiell. Erkenntnisse bzw. Beobachtungen hängen immer mit den „eigenen, höchstpersönlichen Erfahrungen“ (ebenda, S.31) zusammen und existieren in einer Abhängigkeit zur Außenwelt. Der postmoderne Geistes- und Gemütszustand nimmt diesen zirkulären Erkenntnisprozess an und akzeptiert, wider den Grenzen der klassischen zweiwertigen Wahr/Falsch-logik, dass sowohl die eine, als auch die andere Beschreibung plausibel, in diesem Sinne gültig sein kann (ebenda, S.32). Diese Geisteshaltung spiegelt sich auch in der postmodernen Sozialen Arbeit wieder. Kleve vertritt einen plausiblen und widerspruchsfreien Standpunkt, indem er sich auf die immanente Ambivalenz der Gesellschaft bezieht und vor diesem Standpunkt die Existenz einer sozialarbeiterischen Wissenschaftstheorie als paradox bewertet.
Im Hinblick auf die zukünftige sozialarbeiterische Praxis bezieht Kleve sich auf zwei unterschiedliche Typen des Umgangs mit der Zeit. Die Planung als Zukunftsorientierung wird als „ein problematisches Unterfangen“ (Kleve, 2007, S.244) beschrieben, da detaillierte Planung Erwartungen erhöht und diese nicht notwendigerweise real werden. Je detaillierter Erwartungen durch gegenwärtige Entscheidungen geplant werden, desto wahrscheinlicher sind Enttäuschungen. Paradoxerweise sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Enttäuschung, je eher Enttäuschung erwartet wird. (vgl. ebenda). Die utopische Interaktion mit der Zeit richtet großformatig alle Erwartungen auf ein Ziel, für dessen Bestimmung Vergangenheit und Gegenwart als Abgrenzung dienen. Beide Typen verunmöglichen laut Kleve eine Realisierung eines erwünschten Zustandes, da sie Zukunft als etwas zielgerichtet Bestimmbares sehen. Zukunft, so Kleve, könne nur durch gegenwärtige Entscheidungen beeinflusst werden, nicht durch detaillierte Planungen oder Erwartungen (ebenda, S.244ff.). Kleve sieht das Aushalten immanenter Ambivalenzen in Praxis sowie Theorie der Sozialen Arbeit als Möglichkeit, den Klienten/- innen Gelegenheit zu bieten, selbst zu bestimmen, was sie erreichen wollen. So könnten Problemstellungen adäquater und brauchbarer als bisher bearbeitet werden (Kleve, 2007, S.261). Kleve erfüllt die Anforderung, in seinem theoretischen Ansatz Ausblick auf Zukünftiges zu geben.
Nach Überprüfung des theoretischen Ansatzes hinsichtlich allgemeiner Anforderungen an sozialarbeiterische Theoriebildung werden nun sozialarbeitsspezifische Kriterien zur Überprüfung herangezogen.
[...]