Diese Arbeit wird sich auf die Farbsymbolik in der mittelalterlichen Literatur konzentrieren. Untersucht werden soll das Motiv der Farbe in Minnereden und ebenso die Fragestellung, welche symbolische Bedeutung die Farben haben. Liegt eine Übereinstimmung bei der Farbinterpretation vor und inwiefern kann das Tragen bestimmter Farben als nonverbales Kommunikationsmittel gedeutet werden?
Der Fokus liegt dabei auf den Einzelfarben Rot, Blau, Gelb, Grün, Schwarz, Weiß und Grau. Kombinationen und weitere Farben werden nicht berücksichtigt, da diese den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würden. Rot für die Liebe, Blau für die Beständigkeit, Weiß für die Reinheit und Schwarz für die Trauer. Die Farbwahrnehmung ist eine subjektive Empfindung, mit der wir instinktiv Assoziationen verbinden. Diese Assoziationen entstehen zumeist aus Wissen, Erfahrungen und Erinnerungen, die wir mit bestimmten Dingen verbinden. Das Thema der Farbe ist allgegenwärtig, seien es Belehrungen über die Bedeutung der Farbe in der Literatur des Mittelalters, Modelle der Farbenlehre von Johann Wolfgang von Goethe, Johannes Itten etc., oder die Farbsymbolik in der Religion, der Kunst, dem Kult und der Kultur.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Farbsymbolik in der mittelalterlichen Literatur
3. Minnereden
3.1 Was Blütenfarben bedeuten (B363)
3.2 Die sechs Farben (B372) im Vergleich mit Die sieben Farben (B376) und Traumerscheinung einer schönen Frau (B522)
3.3 Vergleich mit S. Brügel: Farben in mittelalterlichen Minnereden
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Rot für die Liebe, Blau für die Beständigkeit, Weiß für die Reinheit und Schwarz für die Trauer. Die Farbwahrnehmung ist eine subjektive Empfindung, mit der wir instinktiv Assoziationen verbinden. Diese Assoziationen entstehen zumeist aus Wissen, Erfahrungen und Erinnerungen, die wir mit bestimmten Dingen verbinden.
Das Thema der Farbe ist allgegenwärtig, seien es Belehrungen über die Bedeutung der Farbe in der Literatur des Mittelalters, Modelle der Farbenlehre von Johann Wolfgang von Goethe, Johannes Itten etc., oder die Farbsymbolik in der Religion, der Kunst, dem Kult und der Kultur.
Diese Arbeit wird sich auf die Farbsymbolik in der mittelalterlichen Literatur konzentrieren. Untersucht werden soll das Motiv der Farbe in Minnereden und ebenso die Fragestellung, welche symbolische Bedeutung die Farben haben. Liegt eine Übereinstimmung bei der Farbinterpretation vor und inwiefern kann das Tragen bestimmter Farben als nonverbales Kommunikationsmittel gedeutet werden?
Der Fokus liegt dabei auf den Einzelfarben Rot, Blau, Gelb, Grün, Schwarz, Weiß und Grau. Kombinationen und weitere Farben werden nicht berücksichtigt, da diese den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würden.
Als Grundlagenwerk dient das Handbuch Minnereden von Dr. Jacob Klingner, Dr. Ludger Lieb und Iulia-Emilia Dorobanfu, welches als mediävistisches Standardwerk gilt und für die Erforschung der literarischen Gattung der Minnereden im deutschen Spätmittelalter unerlässlich ist.1 Überarbeitet wurde diese Version im Jahre 2017, als die Auswahledition erschien, die nun den aktuellsten Forschungsstand darstellt.2
Ebenfalls unerlässlich zu erwähnen sind die Arbeiten von Tilo Brandis in seinem Werk Mittelhochdeutsche, mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und Drucke.3
Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Forschung spiegelt die Arbeit von Susanne Brügel wider, auf die sich im Folgenden hinsichtlich eines Vortrages über die Farben in mittelalterlichen Minnereden auf einer Arbeitstagung der Schweizerischen Gesellschaft für Symbolforschung im Jahr 2008 bezogen wird.4
Auf dieser Grundlage sind nun weitere Forschungen an den Minnereden möglich und es eröffnet sich ein weites Feld an Möglichkeiten.
Aufgrund des Mangels hinsichtlich der Erforschung der Farbsymbolik in Minnereden und der Notwendigkeit der Fortsetzung der Arbeit von Brügel, welche sich auf eine intensivere Beschäftigung der Farbanalyse ausgewählter Minnereden bezieht, ist es unerlässlich und darüber hinaus noch sehr interessant diese Thematik weiter zu erforschen.
Bei den untersuchten Minnereden handelt es sich um die Texte Was Blütenfarben bedeuten (B363),5 Die sechs Farben (B372),6 Die sieben Farben (B376)7 und Traumerscheinung einer schönen Frau (B522).8 Bei den letzten beiden Minnereden handelt es sich gegensätzlich zu den ersten Beiden, in dieser Arbeit lediglich um Vergleichsgegenstände, welche nicht ausführlich vorgestellt werden können. Nach der farbsymbolischen Analyse werden die Erkenntnisse mit der Farbauslegung Brügels verglichen und erörtert, welche Konsequenzen das Tragen von intendiert ausgewählten Gewandfarben mit sich zieht.
2. Farbsymbolik in der mittelalterlichen Literatur
Farben spielen in der Beschreibung von Wappen, Rüstungen, Gewändern, Edelsteinen, Gürteln und weiteren mitunter besonderen Gegenständen oft eine wichtige Rolle. Die leuchtend goldene, rote und silberne Farbe stehen für Reichtum und Glanz. Das äußere Erscheinungsbild von Angehörigen des mittelalterlichen Hofes, bis hin zu der Ausstattung der Pferde zeugt von Einfluss, Stand, Gesinnung und zeigt, dass Farben eine symbolische Wertigkeit zugesprochen wurde. Weiße, rosige Haut gilt als gesellschaftliches Schönheitsideal des Mittelalters und symbolisiert die Sittsamkeit, Keuschheit und Reinheit.9 Das Märe Der Borte von Dietrich von der Glezze berichtet von einer Dame mit gelbem Haar, rosenfarbigen Mund und lilienweißer Haut, in die sich ein Ritter verliebt:
Weiß, die Farbe der Hoffnung auf Minne und der (durch die Lilie evozierten) Jungfräulichkeit, ist bei ihr dominant gesetzt, freilich gefolgt von der roten Farbe der Minneglut; eingerahmt ist die Schilderung der Dame von Gelb bzw. Gold, was Minnelohn verspricht.10
Dieser Dame wird im Laufe der Geschichte von einem anderen Ritter ein Gürtel aus Edelsteinen geschenkt, die farbsymbolisch inszeniert werden.
„Der Gürtel ist in Gold gefasst, wodurch die Edelsteine gleichsam mit der Bedeutung Minneerfüllung eingerahmt werden.“11
Auffällig für die Herausarbeitung der Farbsymbolik in dieser Arbeit ist hierbei die Auffassung der Farben Weiß für Hoffnung auf Minne, Rot als Farbe der Minneglut und Gold bzw. Gelb als Zeichen der Minneerfüllung. Inwiefern dieses Leitmotiv in der Gattung der Minnereden aufgenommen, verarbeitet, ausgebaut und kommentiert wird, lässt sich in den folgenden Abschnitten anhand der Analyse ausgewählter Minnereden näher charakterisieren.
3. Minnereden
Die Minnereden sind literarische Kleinformen, die als lehrreiche Texte über die Minne im Spätmittelalter des 14./15. Jahrhunderts, mit dem Ziel entstanden sind, das Wesen der Minne darzulegen und „praktische Regeln für das Verhalten der Minnepartner zu vermitteln“.12 Das Thema der Minnereden ist die weltliche Minne, über die in direkter oder allegorischer Darstellung reflektiert wird. Gegenstand der Lehre sind unter anderem Blumen, Kleider und Farben, auf deren Auslegung, insbesondere von Blüten- und Gewandfarben, in den nächsten Abschnitten intensiv eingegangen werden wird.
Die Form der Minnerede ist geprägt durch die direkte Rede, die sich meist durch eine Wechselrede zwischen dem sprechenden Ich des Dichters und einer Gesprächspartnerin, in Form eines Lehrgesprächs auszeichnet. Diese Unterhaltung befindet sich oft inmitten einer Rahmenerzählung, die mit einem Spaziergang in der freien Natur beginnt und in einem eingefriedeten Ort endet.
Des Weiteren charakterisiert sich die Gattung der Minnereden durch die Verwendung von Reimpaarversen und Titurelstrophen und wendet sich an ein höfisches Publikum.13
Im Folgenden werden ausgewählte Minnereden vorgestellt und in Hinblick auf die Farbauslegung untersucht.
3.1 Was Blütenfarben bedeuten (B363)
Die Minnerede Was Blütenfarben bedeuten (B363)14 stammt von einem unbekannten Verfasser und wurde frühstens 1470/71 und in vier Handschriften überliefert, die bekannteste davon aus dem Liederbuch der Clara Hätzlerin (1430~1476). Die Rede handelt von dem Sprecher, der einen Spaziergang macht, ohne Erfolg auf Jagd geht und in einem eingefriedeten Ort auf eine schöne und gebildete Dame trifft, die ihn in ein Gespräch verwickelt. Sie bietet ihm ein Kränzchen aus Wohlgemut (heute: Oregano) an, um seine Schmerzen zu lindern und pflückt nacheinander eine gelbe, eine rote und eine blaue Blume, während sie ihn nach den Namen der Pflanzen fragt, die ihr selbst jedoch bereits bekannt sind. Das sprechende Ich, welches von der Liebe zu der Dame ergriffen ist und ihr seinen Minnedienst anbietet,15 berichtet von seinem Farbwissen und erläutert ihr die Auslegung der Farben der Blumen. Zum Schluss verspricht er ihr ewige Liebe, sie umarmt ihn und er geht, „in so gantzer liebes crafft beschlossen in der mynnepannd“,16 fort.
Der Farbe Gelb kommt die Bedeutung der Liebesgewährung zu: „gëlsey gewert“17 18 erläutert der Sprecher der Dame, als er die gelbe Farbe der ersten Blume sieht, die daraufhin als „tormentillo [...]für manigerlay gesunt“1 bezeichnet wird.
Das Rot der „peton“1 (Betonie) wird vom Sprecher als „Rottprynn in der lieb “19 20 und von der Dame als „Laid ist liebes nächster knecht [...] wann lieb on laid mag nit bestavn!“21 bezeichnet.
„Das plaw plümlin mich ernert, sein vszlegung verchünt mir stätt“22 merkt der Sprecher an, als sie eine blaue Blume pflückt und bringt dies in Verbindung mit den anderen Blumen im Bund, den „nyemant [künn] trennen“:23 „Ob mir icht gen eüch gelung“24 (hier handelt es sich um eine Anspielung auf die gelbe Blume, der möglichen Gewährung ihrer Liebe ihm gegenüber), „das lieszt in rotter varb gavn“25 (diese Liebe sollte in Lieb und Leid entflammen), „in der lieb sol es bestavn, gentzlich vndvnuerchert“26 (und in Treue anhalten).
Diese Minnerede stellt die Farbe Gelb, anders als das Goldgelb in der vorherigen Märe, als Liebesgewährung dar, weniger als Liebeserfüllung. Dennoch sind beide Auffassungen der Gemeinsamkeit unterlegen, positive Liebeszugeständnisse hervorzurufen, die für „maniger- lay gesunt“27 und deshalb mit Freude zu empfangen sind.
Der roten Farbe wird die Verbindung zwischen Liebe und Leid zugesprochen und mit einem Brennen assoziiert. Der Aspekt der Minneglut wird hier ausgebaut als ein „prynn[en]“,28 welches sich dadurch begründen lassen könnte, dass die Liebe, die tief im Herzen zu spüren ist, wie eine Glut oder ein heißes, wärmendes, aber auch schmerzendes Feuer wahrgenommen wird.
Die Farbe Blau präsentiert sich als Farbe der Beständigkeit und Treue. Ein Motiv, welches sich unabänderlich bei der Untersuchung weiterer, ausgewählter Minnereden, fortlaufend bestätigt.
[...]
1 Klingner, Jacob/Ludger, Lieb: „Handbuch Minnereden“. Berlin/Boston: De Gruyter, 2012.
2 Doroban^u, Iulia-Emilia/Klingner, Jacob/Lieb, Ludger (Hg.): „Minnereden. Auswahledition“. Berlin/Bos- ton: De Gruyter, 2017.
3 Brandis, Tilo: „Mittelhochdeutsche, mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und Drucke“. München: C.H. Beck, 1968. Im Folgenden zitiert als: Brandis, 1968.
4 Brügel, Susanne: „Farben in mittelalterlichen Minnereden“. Vortrag auf der Arbeitstagung «Farbsymbolik» der Schweizerischen Gesellschaft für Symbolforschung am 30.8.2008. Online verfügbar unter: http://www.symbolforschung.ch/Minnereden (10.01.2019). Im Folgenden zitiert als: Brügel, 2008.
5 Lieb, Ludger: „Wiederholung als Leistung. Beobachtungen zur Institutionalität spätmittelalterlicher Minnekommunikation (am Beispiel der Minnerede »Was Blütenfarben bedeuten«)“. In: Wunsch - Maschine - Wiederholung. Hg. von Klaus Müller-Wille, Detlef Roth und Jörg Wiesel. Freiburg 2002. S. 147-165, hier: S.161 - 163. Im Folgenden zitiert als: Lieb, 2002, S. 161 - 163.
6 Doroban(u, Iulia-Emilia / Klingner, Jacob / Lieb, Ludger (Hg.): „Minnereden. Auswahledition“. Berlin/Bos- ton: De Gruyter, 2017. S.172 - 214. Im Folgenden zitiert als: D., K., L., 2017, S. 172 - 214.
7 Ebd. S.215 - 217. Im Folgenden zitiert als: D., K., L., 2017, S. 215 - 217.
8 Ebd. S. 391 - 399. Im Folgenden zitiert als: D., K., L., 2017, S. 391 - 399.
9 Vgl. Cardelle de Hartmann, Carmen: „Sinndimensionen der weißen Haut in der lateinischen Literatur des Mittelalters“. In: Farbe im Mittelalter. Materialität - Medialität - Semantik. Band II. Hg. v. Bennewitz, In- grid/Schindler, Andrea. Berlin: Akademie Verlag, 2011. S.650f.
10 Wagner, Silvan: „Die Farben der Minne. Farbsymbolik und Autopoiesie im ,Gürtel‘ Dietrichs von der Glezze“. In: Farbe im Mittelalter. Materialität - Medialität - Semantik. Band II. Hg. v. Bennewitz, In- grid/Schindler, Andrea. Berlin: Akademie Verlag, 2011. S.552.
11 Ebd., S. 554.
12 Achnitz, Wolfgang: „Minnerede“. In: Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen . Begründet von Günther Schweikle und Irmgard Schweikle. Hg. von Dieter Burdorf, Christoph Fasbender, Burkhard Moen- nighoff. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Stuttgart 2007. S. 501.
13 Vgl. Brandis, 1968, S. 8 - 11.
14 Lieb, 2002, S. 161 - 163. Nachfolgende Zitationen sind dem Text zu entnehmen. Der Text befindet sich im Anhang.
15 Der Minnedienst bezieht sich auf das Verhältnis zwischen einem Mann und einer Frau, in der sich der Mann der Frau unterordnet und ihr verspricht, ihr beständig zu dienen (Siehe hohe Minne).
16 V. 4f.
17 V. 67.
18 V. 74f.
19 V. 86.
20 V. 83.
21 V. 88f.
22 V. 112f.
23 V. 101.
24 V. 108.
25 V. 109.
26 V. 110f.
27 V. 75.
28 V. 83.