Die Anordnung "Geh doch zum Teufel" unter Benutzung verschiedener Synonyme für diese Personen wie Herr der Hölle, der böse Mann, Fürst der Unterwelt usw. findet sich in der deutschen Literatur vom Mittelalter bis heute. Der Teufel hat viele Gesichter und Aufgaben, allerdings kehren alle seine Eigenschaften zu biblischen Wurzeln zurück. Kann man ohne dieses hinreichende Vorwissen einige deutsche Märchen verstehen?
Um dieses Thema auf wissenschaftlichem Niveau betrachten zu können, geht diese Arbeit folgenden Fragen nach: Ist es überhaupt sinnvoll (lohnt sich) im Fremdsprachunterricht Märchen zu analysieren, um die Zielkultur besser zu verstehen? Auf Welche Art und Weise wird das Märchen betrachtet?
Inhaltlich wird diese Arbeit in drei Segmente gegliedert. Kapitel 1 ist Märchen als eine mit dem Volk und seiner Kultur verbundene Erzählform gewidmet, die grundliegende Kulturbegriff im landeskundlichen Sinn definiert und wichtige Merkmale einer Kultur veranschaulicht. Kapitel 2 beleuchtet eine Textanalyse des Märchens "Der Richter und der Teufel" auf drei Ebenen: Kommunikations-, Handlungs- und Inhaltsebene nach Claus Altmayer.
Einleitung
1 Märchen als die versteckte Seele eines Volkes
1.1 Kultur und Fremdverstehen
1.2 Landeskunde und Märchen
2 „Der Richter und der Teufel“ von Ludwig Bechstein
2.1 Präsupponiertes Wissen auf der Handlungsebene
2.2 Präsupponiertes Wissen auf der Kommunikationsebene
2.3 Präsupponiertes Wissen auf der Inhaltsebene
3 Schlussbetrachtung
Tabellenverzeichnis
Der Richter und der Teufel (Volltext)
Literatur- und Internetverzeichnis
Einleitung
„Tiefere Bedeutung liegt in den Märchen meiner Kinderjahre als in der Wahrheit, die das Leben lehrt“ Friedrich Schiller Die Anordnung „Geh doch zum Teufel!“ unter Benutzung verschiedener Synonyme für diese Personen wie Herr der Hölle, der böse Mann, Fürst der Unterwelt usw. findet sich in der deutschen Literatur vom Mittelalter bis heute. Der Teufel hat viele Gesichter und Aufgaben, allerdings kehren alle seine Eigenschaften zu biblischen Wurzeln zurück. Kann man ohne dieses hinreichende Vorwissen einige deutsche Märchen verstehen?
Um dieses Thema auf wissenschaftlichem Niveau betrachten zu können, geht diese Arbeit folgenden Fragen nach: Ist es überhaupt sinnvoll (lohnt sich) im Fremdsprachunterricht Märchen zu analysieren, um die Zielkultur besser zu verstehen? Auf Welche Art und Weise wird das Märchen betrachtet?
Inhaltlich wird diese Arbeit in drei Segmente gegliedert. Kapitel 1 ist Märchen als eine mit dem Volk und seiner Kultur verbundene Erzählform gewidmet, die grundliegende Kulturbegriff im landeskundlichen Sinn definiert und wichtige Merkmale einer Kultur veranschaulicht. Kapitel 2 beleuchtet eine Textanalyse des Märchens „Der Richter und der Teufel“ auf drei Ebenen: Kommunikations-, Handlungs- und Inhaltsebene nach Claus Altmayer. Kapitel 3 präsentiert eine Zusammenfassung dieser Arbeit.
1 Märchen als die versteckte Seele eines Volkes
1.1 Kultur und Fremdverstehen
Der Begriff Kultur umfasst mehrere Definitionen je nach der Art und Weise der Forschungsziele und ein thematisches Spektrum an Untersuchungen. Zum Beispiel z. B. Die Definition nach Hans Barkowski und Ruth Eßer: „Kultur ist die begriffliche Abstraktion für das Gesamt der Eingriffe der Menschen in ihre Mitwelt zu Zwecken der Befriedigung ihrer materiellen und ideellen Bedürfnisse“ (Barkowski/Eßer 2005:89), oder persönlich bezogen wie nach Carroll: „Meine Kultur ist die Logik, mit deren Hilfe ich die Welt ordne. Diese Logik habe ich nach und nach erlernt [...] durch die Geschichten, die man mir erzählte, die Bücher, die ich las [...]. Ich fand sie natürlich. 1 2
In dieser Arbeit wird die Definition nach Altmayer benutzt mit einem dreigliedrigen Kulturbegriff. In erster Linie, wenn über „Kultur“ betrachtet wird, handelt es um Werkbezogene Kategorien wie Kunst, Philosophie, Literatur und Musik, d.h. um die klassische Definition von „Kultur“. Zum anderen bedeutet „Kultur“ eine geregelte ethnisch oder national definierte Gemeinschaft von Menschen. In diesem Fall handelt sich um „Kulturen“ als das Verhalten, die Wahrnehmung, das Denken, Fühlen und Kommunizieren der Mitglieder dieser Gemeinschaft. Außerdem bedeutet „Kultur“- die wichtigste Deutung nach der Meinung von Almayer - vor allem „ die Ebene der (verstehbaren) Bedeutungszuschreibungen “ und nur danach „ die Ebene des Verhaltens von Menschen“, das ins Auge beim Kontakt auffallen3.
Wer in ein fremdes Land kommt, merkt automatisch Besonderheiten und Kontraste der anderen Kultur. Danach kommt eine absichtliche Typisierung - von wenigen oder einem einzelnen wird auf alle anderen geschlossen. Die Wendung: „Das ist typisch für die deutsche Kultur“ oder „Das ist typisch für Deutschland“ lässt sich oft hören. Die Typisierung ist „ ein wichtiges Instrument der Erkenntnis, der Orientierung“, sie ist in der Sprache angelegt. (Bausinger:2009).
Nach Altmayer aber kommt es bei der sprachlichen Kommunikation oft zu Verstehensproblemen, das auf „Nicht Gesagtes4 zurückzuführen, wenn etwas nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.
Beim Lesen des Textes ist nicht zu erwarten, dass der Rezipient dies mit absoluter Neutralität wahrnimmt, sondern er wird durch seine Sinne beeinflusst und interpretiert das Gelesene, d.h., dass der Verstehensprozess individueller Natur ist und abhängig von der Person, u.a. auch vom Herkunftsland. In diesem Prozess spielt die Literatur des Volkes, insbesondere das Märchen, eine große Rolle.
1.2 Landeskunde und Märchen
„Vom Himmel hoch, da komm ich her, ich bring euch gute, neue Mär“ singt man in einem bekannten Weihnachtslied von Martin Luther. Mär als Begriff bedeutet Kunde, Bericht, eine Erzählung und die Diminutivform heißt Märchen 5 Eine Kindheit ist ohne Hexe, Prinzessin, sprechende Tiere, Zauberwald und Königreich kaum vorstellbar. Märchen helfen, trösten, fordern unsere Träume, regen die Phantasie an. Die Völker haben seit langem sowohl ähnliche als auch national spezifischen Volksmärchen seit langem hervorgebracht.
Im Unterricht Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache lassen sich anhand des Märchens die Unterschiede von Kulturen aus interkultureller Sicht zeigen. Die Auswahl passender Märchen hängt von den jeweiligen Gruppen, und davon, welche Kulturen in ihr vertreten sind, ab. Aus interkultureller Perspektive ist es wichtig, sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen zu betrachten.
2 „Der Richter und der Teufel“ von Ludwig Bechstein
2.1 Präsupponiertes Wissen auf der Handlungsebene
Ludwig Bechstein (1801-1860) war ein deutscher Schriftsteller, Bibliothekar, Archivar und Apotheker aus dem 19. Jahrhundert, der unter anderem das deutsche Märchenbuch zusammenstellte, in dem er deutsche Volksmärchen sammelte. Dieses Märchenbuch ist von 1845 bis 1857 erschienen, darin findet sich das Märchen „Der Richter und der Teufel“ mit der Nummer 23 in der Erstausgabe von 1845 und mit der Nummer 18 in der Ausgabe von 1857 finden lässt. Es handelte sich um die Übertragung einer mittelhochdeutschen Erzählung ins Neuhochdeutsche, die direkt auf einem Text aus dem aus dem 13. Jahrhundert basiert. Es ist wichtig zu wissen, dass dieses Märchen in der deutschen Literatur ursprünglich als Spruchgedicht bekannt wurde. Ein Verfasser dieses Gedichts wurde "Der Stricker"6 genannt.
Der Stricker war vermutlich von niederer Herkunft und musste sein Geld als Wander- und Berufsdichter verdienen, stammte eventuell aus dem Fränkischen und arbeitete etwa von 1230 bis 1250 in Österreich. Insbesondere sind seine Kurzerzählungen bekannt. Das Märchen „Der Richter und der Teufel“ ist in mehreren Handschriften überliefert. Er war einer der bekannteste Dichter der didaktischen Poesie und Exempla7. Sein Werk beschäftigt sich mit Fragen der Moral und Religion, d.h. war mit theologischem bzw. christlichem Hintergrund verbunden. Es befasst sich mit der Reflexion über Gut und Böse, über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit.
Darüber hinaus wurde das Märchen „Der Richter und der Teufel“ im Jahr 1989 der als literarische Stoff vom Berliner Regisseur Holger Mandel in einem 16mm-Tonfilm umgesetzt. 1994 wurde das Märchen von der Band Corvus Corax für ihre Kinder-CD "Corvus Corax erzählen Märchen aus alter Zeit" ausgewählt8.
Das Märchen „Der Richter und der Teufel“ ist eine lineare Erzählung, hat eine Ausgangssituation - Konflikt zwischen dem Volk und dem Richter, besteht aus dem fortlaufenden Dialog zwischen den zwei Hauptpersonen und endet mit der Moral.
Auffällig ist die durchgängige Benutzung der Polarisation wie gut/böse, reich/arm. Auch werden entsprechende Symbole wie Gold als Zeichen für Reichtum verwendet. Beginnt diese Polarisation hinsichtlich Moral/Religion und Ungerechtigkeit/Gerechtigkeit schon am Anfang. Beim Lesen steigert sich der Eindruck, dass die Gerechtigkeit eintreten muss, obwohl der Teufel sie letztlich schaffen muss. Abgesehen von seinem Namen „Richter“, spielt er im Märchen die Rolle des „Königs der Ungerechtigkeit und Permissivität“. Im Märchen gibt es noch kleine weitere handelnde Figuren- vier Frauen, die führen etwas zum Teufel.
Tabelle 1. Vier Frauen und der Teufel
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Aussage „geh doch zum Teufel, dass der dich hole/nehme/zur Hölle führe“ ist eine volksmündliche Redewendung, indem eine Überraschung, Frustration, Ärger, Wut, Groll und so weiter über jemanden oder etwas gezeigt werden. Der Gesagte hat nicht gemeint, dass diese Worte Realität werden sollen, allerdings haben der Teufel und der Richter alles gehört und die Situationen ausgehandelt. Das Gleiche ist passiert in Bezug auf die drei Frauen. Die riefen und schreien „zornig im höchsten Ärger“, „vor lauter Wut“ und „war voll Unwillens“ wohingegen eine „arme, alte und kränkliche“ vierte Frau, die wahre Gerechtigkeit bei Gott suchte. Anhand des Moral am Ende ist zu feststellen, dass obwohl der Teufel, der vom Richter bestraft wurde, einer Ungerechtigkeit ausgesetzt war, seine innere Natur schwarz ist und es gefährlich ist, mit ihm einen Vertrag zu schließen. D.h. die Wörter fliegen nicht einfach durch die Luft, sondern haben eine Wirkung auf das Leben.
2.2 Präsupponiertes Wissen auf der Kommunikationsebene
Durch seine Texte wollte der Stricker pädagogisch wirken. Das Gange Exempla, das bedeutet wörtlich „Beispiel“, war didaktisch ausgerichtet, es sollte geschult, überzeugt und eine Abkehr von der Sünde hin zur Frömmigkeit erreicht werden. Um dieses Ziel erreichen zu können, sollte ein Autor möglichst sein Werk nicht wie eine Predigt aufbauen, sondern anhand eines Beispiels aus dem Leben die Gefühle des Lesers ansprechen und ein moralisches Prinzip erläutern.
2.3 Präsupponiertes Wissen auf der Inhaltsebene
Ein Verständnis auf der Inhaltsebene ist allein vor dem entsprechenden Hintergrundwissen möglich. Im Folgenden werden Passus benannt, die gezeigt haben, welches vorausgesetztes Wissen zum Verständnis des Textes obligatorisch ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Meine Hervorhebungen.
2 Heringer 2004, 107.
3 Altmayer, Claus. Zitation von Internet-Quellen. URL: https://bildungsportal.sachsen.de/opal/mZRepositoryEntry/1447002120/CourseNode/81055529744352/CourseFol der/Kursdateien/GM65_altmayer.pdf. 03.09.2016.
5 Geiser 2013.
5 Ob sein Name ein sprechender „Künstlername“ war oder um einen Eigennamen handelt, ist umstritten. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Stricker. 03.09.2016.
6 Exempla (lat.Sg. exemplum) - das Gange der lateinischen Literatur des 4/5. Jahrhunderts mit sehr starker didaktischen Richtung im Kontext christlicher Theologie. https://ru.wikipedia.org/wiki/Exempla. 03.09.2016.
7 https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Richter_und_der_Teufel. 03.09.2016.
8 Es gibt eine Variante des Märchens, in der an dieser Stelle über ein Rind handelt.