Der Rückblick auf die Entwicklung der beiden deutschen Bildungssysteme im zweiten Kapitel und der anschließende Vergleich bildet die Grundlage für die Kennzeichnung der Ausgangsmerkmale vor und nach der Wiedervereinigung. Nachkommend sollen die Entwicklungen in den neunziger Jahren und die Neubildung der Bildungssysteme in den einzelnen neuen Bundesländern aufgezeigt anhand zweier Betrachtungszeitpunkte skizziert werden. Die Struktur der direkt nach der Wiedervereinigung eingeführten Bildungssysteme zeigt die Besonderheiten jedes Bildungssystems der neuen Bundesländer auf. Der zweite gewählte Betrachtungszeitpunkt liegt fünfzehn Jahre später. Der Ver-gleich der beiden Betrachtungszeitpunkte bietet die Möglichkeit die Entwicklungen in den Bildungssystemen zu verdeutlichen.
Das dritte Kapitel geht zu allererst auf die Bildungschancen in der BRD und DDR ein und verdeutlicht damit die unterschiedlichen Entwicklungen in beiden Staaten. Danach schließen sich Auswirkungen der Entwicklungen in den neuen Bundesländern an. Diese werden speziell anhand des Gymnasialbesuchs erläutert, da das Gymnasium die einzige Schulform in den neuen Bundesländern ist, die sich in jedem Bundesland finden lässt.
Im vierten Kapitel erfolgt eine abschließende Darstellung der Bildungsentscheidungen in den neuen Bundesländern. Die Bildungskarrieren und Bildungschancen werden von den sozialselektiv wirkenden Bildungsentscheidungen beeinflusst. Die, im Gegensatz zu den alten Bundesländern unterschiedliche, Sozialstruktur hat eine andere soziale Selektion zur Folge. Schulwahlentscheidungen und Bildungsaspiration werden durch unterschiedlich starke Wirkung der Faktoren anders beeinflusst als in den alten Bundesländern.
Die Entwicklungen der Bildungssysteme und Bildungschancen in den neuen Bundesländern werden in einer Gegenüberstellung mit den alten Bundesländern und der DDR aufgezeigt. Dies ermöglicht es, zum einen die speziellen Unterschiede und Entwicklungen in Ostdeutschland darzustellen, zum anderen eine Vergleichbarkeit mit anderen Entwicklungen herzustellen.
Die Arbeit endet mit einer kurzen Zusammenfassung, in der die wichtigsten Resultate noch einmal wiedergegeben sind.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Entwicklung des Bildungssystems im Osten Deutschlands
2.1. Die Entwicklung in Deutschland von 1945 bis 1989
2.1.1. Neuaufbau des deutschen Bildungssystems nach dem zweiten Weltkrieg
2.1.2. Entwicklung des Bildungssystems der DDR
2.1.3. Entwicklung der Bildungssysteme in der BRD
2.1.4. Unterschiede beider Bildungssysteme
2.2. Entwicklung der neuen Bildungssysteme in Ostdeutschland
2.2.1. Die Ausgangslage
2.2.2. Die Übergangsphase
2.2.3. Gesamtentwicklung in den neuen Bundesländern
2.2.3.1. Übersicht über die Gesamtentwicklung
2.2.3.2. Entwicklung in Brandenburg
2.2.3.3. Entwicklung in Sachsen
2.2.3.4. Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern
2.2.3.5. Entwicklung in Sachsen-Anhalt
2.2.3.6. Entwicklung in Thüringen
2.2.3.7. Unterschiede zu den Bildungssystemen der westlichen Bundesländer .
3. Bildungschancen in Ostdeutschland
3.1. Bildungschancen
3.1.1. Theoretische Grundlagen
3.1.2. Rückblick auf die Bildungschancen in beiden deutschen Staaten
3.1.2.1. Bildungschancen in der DDR
3.1.2.2. Bildungschancen in der BRD
3.1.2.3. Gemeinsamkeiten der Bildungschancen in der DDR und BRD
3.2. Die ostdeutsche Situation nach der Wiedervereinigung
3.2.1. Die Ausgangslage in den neuen Bundesländern
3.2.2. Öffnung des Bildungssystems und damit verbundene Bildungschancen
3.2.3. Entwicklungen der Bildungschancen anhand des Gymnasialbesuchs
3.2.4. Unterschiede gegenüber den alten Bundesländern
3.2.5. Unterschiede gegenüber der DDR
4. Bildungsentscheidungen in den neuen Bundesländern
4.1. Bildungsentscheidungen
4.1.1. Theoretische Grundlage
4.1.2. Bildungsentscheidungen in der DDR
4.1.3. Die Situation in den neuen Bundesländern
4.2. Veränderte Einflussfaktoren in den neuen Bundesländern
4.2.1. Bildungsaspiration
4.2.2. Schulwahlentscheidungen
5. Fazit
Literatur
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Schulsystem in der SBZ/DDR 1946 bis 1959
Abbildung 2: Das Schulsystem in der DDR 1959 bis 1965 (ohne Sonderschulen)
Abbildung 3: Studierende in DDR und BRD von 1950 bis 1980
Abbildung 4: Das Schulsystem der DDR 1965 bis 1990 (ohne Sonderschulen)
Abbildung 5: Überblick über den Aufbau des Bildungssystems der BRD
Abbildung 6: Schülerzahlen in Brandenburg von 1998/99-2005/06
Abbildung 7: Übersicht über die Schulstufen und -arten in Brandenburg
Abbildung 8: Verteilung der Schüler auf die Schulformen in Brandenburg
Abbildung 9: Überblick über das Schulsystem in Sachsen
Abbildung 10: Entwicklung der Schülerzahlen Sachsen
Abbildung 11: Schülerzahlen in Mecklenburg-Vorpommern von 1990/91-2005/06
Abbildung 12: Übersicht über das Schulsystem in Mecklenburg-Vorpommern
Abbildung 13: Übersicht über das Bildungssystem in Sachsen-Anhalt
Abbildung 14: Gesamt-Schülerzahlen in Sachsen-Anhalt
Abbildung 15: Entwicklung der Schülerzahlen je Schultyp in Sachsen-Anhalt
Abbildung 16: Überblick über das Schulsystem in Thüringen
Abbildung 17: Schülerzahlen an Allgemeinbildenden Schulen in Thüringen
Abbildung 18. Verteilung der Achtklässler auf die Schulformen in Thüringen
Abbildung 19: Schülerzahlen in Deutschland von 1998/99 bis 2005/06
Abbildung 21: Abiturientenzahlen und Studienanfänger in der BRD und DDR
Abbildung 22: Klassenspezifische Bildungschancen in der DDR
Abbildung 23: Sozialprofil der Studierenden in der DDR
Abbildung 24: Ausbildungsabschlüsse in der BRD und DDR
Abbildung 25: Bildungsniveau in Ost- und Westdeutschland im Jahr 1991
Abbildung 26: Verteilung der Schüler in der achten Klassenstufe nach Schularten
Abbildung 27: Abiturquoten in Ostdeutschland
Abbildung 28: Bildungsbeteiligung der 16-19 jährigen Jugendlichen
Abbildung 29: Bildungsdichte 16-19 jähriger nach Schulabschluss der Eltern
Abbildung 30: Soziale Auslese in den neuen Bundesländern (1/2)
Abbildung 31 Soziale Auslese in den neuen Bundesländern (2/2)
Abbildung 32: Vergleich der Absolventen mit allgemeiner Hochschulreife
Abbildung 33: Vergleich der Absolventen mit Hauptschulabschluss
Abbildung 34: Vergleich der Schulabgänger ohne Schulabschluss
1. Einleitung
Das Bildungssystem der neuen Bundesländer erlebte nach der Wiedervereinigung Deutschlands innerhalb von vierzig Jahren einen zweiten Neuaufbau. Der erste Neuauf- bau wurde nach Ende des zweiten Weltkrieges eingeleitet und mündete in der Entste- hung eines sozialistischen Einheitsschulsystems unter zentralistischer staatlicher Ver- waltung. Der zweite Neuaufbau wurde mit der Angliederung der ehemaligen DDR an die BRD eingeleitet und war mit der Übernahme der westdeutschen Bildungsgesetze verbunden.
Die Bildungsstrukturen in den alten Bundesländern bildeten sich in einem Jahrzehnte umfassend Zeitraum heraus, wohingegen die neuen Bundesländer sich innerhalb kurzer Zeit auf die neu entstandenen Strukturen einstellen mussten. Die Bildungssysteme der neuen Länder wurden jedoch nicht einfach nach westdeutschem Vorbild kopiert, son- dern bildeten sich in einem Anpassungsprozess heraus. Die zwischen den beiden Teilen Deutschlands bestehenden Unterschiede verlangten eine spezielle Anpassung der Bil- dungssysteme.
Die vorangegangen Entwicklungen in der DDR und die sich abzeichnenden zukünftigen Entwicklungen bedingten dies. Die Gesellschaftsstruktur der DDR hatte sich seit der Teilung Deutschlands vierzig Jahren zuvor in eine andere Richtung als die der BRD entwickelt. Dementsprechend unterschieden sich die Ausgangsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern von denen der alten Bundesländer.
Der Bildungszugang in der DDR wurde vom Staat reglementiert, dadurch kam es ab 1965 zu einer Verlangsamung und schließlich ab Mitte der 1970er zu einer rückläufigen Bildungsexpansion in der DDR kam. In der BRD schritt die Bildungsexpansion hingegen weiter voran, was zum großen Teil auf die Nichtreglementierung des Bildungszuganges durch den Staat zurückgeführt werden kann.
Beim Aufbau der Bildungssysteme in den neuen Bundesländern musste auch das neu hinzutretende Problem der demographischen Entwicklung, die von Abwanderung und Geburtenrückgang gekennzeichnet war, berücksichtigt werden. Problematischerweise erfolgte diese Trendwende jedoch erst nach einem kurzzeitigen Anstieg der Schülerzahlen Anfang der 1990er Jahre.
In den Jahren nach der Wiedervereinigung mussten diese Entwicklungen bei der Schaf- fung der Bildungssysteme und der institutionellen Regelungen in den neuen Bundeslän- dern bereits mit berücksichtigt werden. Trotz gleicher Ausgangslage und trotz über vierzig Jahre zentralstaatlich geprägter Bildungspolitik entwickelten sich die einzelnen Bildungssysteme in den ostdeutschen Ländern innerhalb von wenigen Jahren in stark unterschiedliche Richtungen.
Als Reaktion auf die zu erwartenden Entwicklungen, entstanden länderspezifische Schulformen, wie die Regel-, Mittel-, oder Sekundarschule in denen mehrere Bildungsgänge vereint waren.
Die Frage, die sich nach diesen Entwicklungen stellt, ist die nach der Wirkungsweise der Bildungssysteme in den einzelnen Bundesländern. Wie entwickeln sich die Bil- dungschancen und die Bildungsbeteiligungen innerhalb eines so kurzen Übergangszeit- raums. Welche Unterschiede treten im Gegensatz zur DDR und auch zu den alten Bun- desländern zu Tage.
Aufgrund der Nachwirkungen der in der DDR herausgebildeten Sozialstruktur und Bil- dungstraditionen wirken die Einflussfaktoren auf die Bildungschancen in den neuen Bundesländern in anderer Weise als in den westdeutschen Bildungssystemen. Die Möglichkeiten der freien Schulwahl und der Wegfall der vorher bestehenden Zulas- sungsbeschränkungen führten zu einer neu einsetzenden Bildungsexpansion, die Bil- dungsbeteiligungen veränderten sich rapide und auch der Verbleib im Bildungssystem verlängerte sich in Ostdeutschland. Trotz der Veränderungen lassen sich noch Struk- turmuster der DDR-Bildungstraditionen in den neuen Bundesländern erkennen. Bildung erhielt einen anderen Stellenwert, in den letzten Jahrzehnten der DDR nur für einige wenige Privilegierte zugänglich, stand sie nach der Wiedervereinigung der Mehr- zahl der Bevölkerung frei zur Verfügung.
Der Rückblick auf die Entwicklung der beiden deutschen Bildungssysteme im zweiten Kapitel und der anschließende Vergleich bildet die Grundlage für die Kennzeichnung der Ausgangsmerkmale vor und nach der Wiedervereinigung. Nachkommend sollen die Entwicklungen in den neunziger Jahren und die Neubildung der Bildungssysteme in den einzelnen neuen Bundesländern aufgezeigt anhand zweier Betrachtungszeitpunkte skiz- ziert werden. Die Struktur der direkt nach der Wiedervereinigung eingeführten Bil- dungssysteme zeigt die Besonderheiten jedes Bildungssystems der neuen Bundesländer auf. Der zweite gewählte Betrachtungszeitpunkt liegt fünfzehn Jahre später. Der Ver- gleich der beiden Betrachtungszeitpunkte bietet die Möglichkeit die Entwicklungen in den Bildungssystemen zu verdeutlichen.
Das dritte Kapitel geht zu allererst auf die Bildungschancen in der BRD und DDR ein und verdeutlicht damit die unterschiedlichen Entwicklungen in beiden Staaten. Danach schließen sich Auswirkungen der Entwicklungen in den neuen Bundesländern an. Diese werden speziell anhand des Gymnasialbesuchs erläutert, da das Gymnasium die einzige Schulform in den neuen Bundesländern ist, die sich in jedem Bundesland finden lässt. Im vierten Kapitel erfolgt eine abschließende Darstellung der Bildungsentscheidungen in den neuen Bundesländern. Die Bildungskarrieren und Bildungschancen werden von den sozialselektiv wirkenden Bildungsentscheidungen beeinflusst. Die, im Gegensatz zu den alten Bundesländern unterschiedliche, Sozialstruktur hat eine andere soziale Selek- tion zur Folge. Schulwahlentscheidungen und Bildungsaspiration werden durch unter- schiedlich starke Wirkung der Faktoren anders beeinflusst als in den alten Bundeslän- dern.
Die Entwicklungen der Bildungssysteme und Bildungschancen in den neuen Bundesländern werden in einer Gegenüberstellung mit den alten Bundesländern und der DDR aufgezeigt. Dies ermöglicht es, zum einen die speziellen Unterschiede und Entwicklungen in Ostdeutschland darzustellen, zum anderen eine Vergleichbarkeit mit anderen Entwicklungen herzustellen. Die Arbeit endet mit einer kurzen Zusammenfassung, in der die wichtigsten Resultate noch einmal wiedergegeben sind.
2. Die Entwicklung des Bildungssystems im Osten Deutschlands
2.1. Die Entwicklung in Deutschland von 1945 bis 1989
2.1.1. Neuaufbau des deutschen Bildungssystems nach dem zweiten Weltkrieg
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Der östliche Teil Deutschlands wurde zur sowjetischen Besatzungszone (nachfolgend SBZ genannt). Das Ziel der Alliierten bestand in der Entnazifizierung Deutschlands in allen gesellschaftlichen Bereichen. Das Bildungssystem war ein wichtiges Mittel zur Umsetzung dieses Ziels. Der Bildungsauftrag sollte durch Vermittlung von Wissen umgesetzt werden, mit dessen Hilfe sich Deutschland in einen demokratischen Staat verwandeln konnte.
Die Ausgangssituation zum Neuaufbau des Bildungssystems im Nachkriegsdeutschland war jedoch schwierig. Bereits in den letzten Kriegsmonaten gab es in weiten Teilen Deutschlands aufgrund von Bombenangriffen und Einberufungen der Schüler und Leh- rer zum Militärdienst oder als Flakhelfer, keinen geregelten Schulbetrieb mehr. Viele der deutschen Kinder hatten dementsprechend seit geraumer Zeit keinen Schulunterricht mehr besucht. Ein weiteres Problem war die großflächige Zerstörung der Infrastruktur in Deutschland und damit auch vieler Bildungseinrichtungen (Schulgebäude etc.), hinzu kam ein akuter Mangel an Lehrpersonal. Trotz dieser Vorraussetzungen bemühten sich die Alliierten schnellstmöglich wieder einen geregelten Unterricht einzuführen.1
Die Entnazifizierung und Demokratisierung Deutschlands war der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Besatzungsmächte einigen konnten. In anderen Punkten, wie z.B. dem Neuaufbau der staatlichen Institutionen, kam es zu grundlegenden Differenzen zwischen ihnen. Bereits kurz nach dem Ende des Krieges und noch vor Gründung der beiden neuen deutschen Staaten, setzte eine unterschiedliche Entwicklung in den ver- schiedenen Besatzungszonen ein. Die von der Sowjetunion verwaltete SBZ ging dabei einen anderen Weg, als die von den Westmächten verwalteten Besatzungszonen. In Tei- len der SBZ wurde bereits Mitte 1945 wieder provisorisch unterrichtet und mit dem Befehl Nr. 40 der Sowjetischen Militäradministration die Wiedereröffnung der Schulen zum 1. Oktober 1945 verfügt. Das Bildungswesen der SBZ wurde unter zentralstaatli- che Verwaltung gestellt und eine radikale Reform des Schulwesens eingeleitet.
In den anderen drei Besatzungszonen existierte dagegen keine einheitliche Bildungspla- nung. Die westlichen Alliierten versuchten zunächst in der jeweiligen Besatzungszone ein Bildungssystem einzuführen, dass dem Vorbild ihres heimatlichen Bildungssystems entsprach. Diese Absichten setzten sich jedoch aufgrund der fehlenden Resonanz aus der Bevölkerung nicht durch.2
So wurde dazu übergegangen sich, ebenso wie anfangs in der SBZ, an den Schulstruktu- ren der Weimarer Republik von vor 1933 zu orientieren. Besonderer Wert wurde dabei auf die zu nationalsozialistischen Zeiten verbotene Reformpädagogik gelegt. Ein Groß- teil der neu eingesetzten Lehrer hatte auf diesem Gebiet bereits Erfahrungen gesammelt, da sie zu Zeiten der Weimarer Republik ausgebildet worden waren.3 Bereits Mitte 1946 wurde in der SBZ das „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“ erlassen. Das Gesetz sollte dieselben Bildungschancen für alle Kinder, ob Jun- ge, Mädchen, Stadt- oder Landkind und unabhängig vom Vermögen der Eltern garantie- ren. Ziel war die Brechung des Bildungsmonopols der oberen Schichten und den Arbei- ter- und Bauernkinder sollte es ermöglicht werden, zu den oberen Bildungsschichten aufzuschließen.4
Basis des Schulsystems war eine gemeinsame achtjährige Grundschule, an die sich eine Berufsschule oder eine vierjährige Oberschule anschloss, welche zum Abitur führte.5 Das Abitur in der Oberschule sollte aber nur eine der Möglichkeiten darstellen, die Hochschulreife zu erhalten. Andere Möglichkeiten zur Aufnahme eines Studiums, z.B. aus der Berufsausbildung oder direkt aus dem Beruf heraus waren ebenfalls vorgesehen. Aus diesem Grund wurden Vorstudienabteilungen an den Universitäten errichtet, so genannte Arbeiter- und Bauernfakultäten (ABF), die auch den bildungsfernen Schichten ohne Abitur die Vorbereitung auf ein Studium ermöglichen sollten (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Das Schulsystem in der SBZ/DDR 1946 bis 1959
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Mayrhofer (1999), S.40
Der Kern der neuen Schulstruktur wurde bestimmt durch das Prinzip der demokrati- schen Einheitsschule.6 Bei der Einheitsschule handelte es sich um eine rein staatliche Institution, ohne privaten oder kirchlichen Einfluss. In dem während der „antifaschis- tisch-demokratischen Schulreform“ entstandenen Einheitsschulsystem orientierte man sich anfangs an mehreren Vorbildern, darunter der Weimarer Republik und der Sowjet- union. Die reformpädagogischen Ansätze aus der Zeit der Weimarer Republik wurden jedoch zum Ende der vierziger Jahre wieder aus dem Einheitsschulsystem entfernt. Die- se Abkehr erfolgte aufgrund kritischer Stimmen, die sich unter anderem für eine füh- rende Rolle des Lehrers im Unterricht aussprachen, wie es zum Beispiel in der Sowjet- pädagogik der Fall war und sich vor allem gegen solche reformpädagogischen Ansätze, wie die „Erziehung vom Kinde aus“ oder den „Arbeitsschulunterricht“ aussprachen.7
Die Entnazifizierung und die Folgen des Krieges führten in Deutschland zu einem aku- ten Lehrermangel. In der SBZ wurde versucht, diesem Mangel mit Hilfe so genannter „Neulehrerkurse“ abzuhelfen. Innerhalb einer mehrere Wochen bis einige Monate dau- ernden Ausbildung wurden die künftigen Lehrer auf den Schuldienst vorbereitet. Dabei erfolgte gleichzeitig ein von der SED gesteuerter Austausch von mehr als Zweidritteln der Lehrerschaft und deren Ersetzung durch Neulehrer, die in den „Neulehrerkursen“ bereits mit der Ideologie der SED vertraut gemacht wurden.8
Während in der SBZ die Bildung des unter zentralstaatlicher Verwaltung stehenden Einheitsschulsystems nach Vorbild der sowjetischen Lern- und Leistungsschule9 voran- getrieben wurde, folgte man in den westlichen Besatzungszonen beim Aufbau des Bil- dungssystems den Organisationsstrukturen der Weimarer Republik. Jede der westlichen Besatzungszonen verfolgte bei der Entwicklung neuer Schulstrukturen jedoch einen anderen Weg. Ferner setzten die westlichen Alliierten, im Gegensatz zur Sowjetunion, auf eine relativ frühe Entlassung der Besatzungszonen in die Selbstständigkeit. Diese konnten so den Neuaufbau der Bildungssysteme in Eigenverantwortung vorantreiben. Pädagogische Konzepte und die Neugestaltung des Bildungssystems wurden in den Bundesländern durch „freie Wahlen“ legitimiert und nicht, wie in der SBZ, durch politi- sche Erlasse. Aufgrund der frühen Eigenverantwortlichkeit der Besatzungszonen, hatten die meisten westdeutschen Bundesländer die weitere Entwicklung ihrer Bildungssyste- me bereits vor dem 23.Mai 1949, dem Tag der Verkündigung des Grundgesetzes und somit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, geregelt.10
Am 7. Oktober 1949 erfolgte dann die Gründung der Deutschen Demokratischen Repu- blik (DDR) in der sowjetischen Besatzungszone. Nachdem beide deutschen Staaten gegründet waren vollzog sich die Gesamtentwicklung in noch gegensätzlichere Rich- tungen.
2.1.2. Entwicklung des Bildungssystems der DDR
Die neu gegründete Deutsche Demokratische Republik, führte die bereits in der SBZ begonnene Schulreform weiter fort. Die Machtübernahme der SED brachte tief greifende ideologische Veränderungen in der DDR mit sich. Die Brechung des bürgerlichen Bildungsprivilegs sollte fortgeführt werden und eine neue sozialistische Führungsklasse, bestehend aus der Arbeiter- und Bauernschicht installiert werden.
Zur Erreichung dieser Ziele wurden weitere Bildungsreformen eingeleitet, dazu gehörte der Aufbau der sozialistischen Schule, womit eine Abkehr von bürgerlichen Traditionen und der Reformpädagogik verbunden war. Das Bildungssystem sollte, so wie es ab 1952 proklamiert wurde, die Schüler nach dem von der SED neu formulierten Leitbild der „allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit“ ausbilden.11
Das Schulsystem der DDR in den fünfziger Jahren, glich einem Experimentierfeld in das viele Neuerungen einflossen. Dies beinhaltete zum Beispiel vormilitärische Übun- gen im Sportunterricht, die Einführung des „Unterrichtstags in der sozialistischen Pro- duktion“ sowie die Einführung des Faches Staatsbürgerkunde. Einer der wichtigsten Aspekte des DDR-Bildungssystems dieser Zeit war der Aufbau einer zehnjährigen poly- technischen Pflichtschule. Ab 1959 wurde mit der Einführung des „Gesetzes über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der DDR“ eine gesetzliche Verankerung der zehnjährigen Grundbildung der Bevölkerung in Form der „allgemein bildenden po- lytechnischen Oberschule“ (POS) vorgenommen. Erstmals in der Geschichte Deutsch- lands wurde damit eine zehn Jahre dauernde Grundbildung durchgesetzt.12
Die fünfziger Jahre waren in der DDR, im Gegensatz zur BRD, eine Phase tief greifen- der Veränderungen. Der Beschluss eine Zehnklassenschule einzuführen, erfolgte bereits zu einer Zeit (1956), als in der in der BRD noch nicht einmal in allen Ländern das neun- te Pflichtschuljahr eingeführt worden war. Die Einbeziehung polytechnischer Inhalte ins Bildungssystem war ein weiterer Punkt, der auch in Westdeutschland Aufmerksamkeit erregte.13
Bereits ab 1958 gab es den polytechnischen Unterricht („Unterrichtstag in der sozialisti- schen Produktion“ - UTP) an den Schulen in der DDR. Dieser stellte für die Schüler eine Einführung in die Berufswelt dar und verband die schulische mit der beruflichen Bildung. Der polytechnische Unterricht war für alle Schülerinnen und Schüler in der DDR verpflichtend. Bestandteile waren die Fächer „Einführung in die sozialistische Produktion“ (ESP), „Technisches Zeichnen“ (TZ) und „Produktive Arbeit“ (PA). Da der Unterricht eine Verbindung zwischen Schule und Produktion vermitteln sollte, wurde er teilweise in den Betrieben (Produktive Arbeit und teilweise ESP) durchgeführt.
Dem polytechnischen Grundgedanken folgend, wurde ab 1960 in der DDR die Mög- lichkeit eingeführt, einen zweifachen Bildungsabschluss in Form einer Berufsausbil- dung mit Abitur zu erlangen, der nach 13 Schuljahren abgeschlossen wurde. Die Be- rufsausbildung mit Abitur wurde ursprünglich eingeführt, um den Mangel an qualifi- zierten Arbeitskräften wettzumachen, der aufgrund der Übersiedlung vieler DDR- Bürger nach Westdeutschland vor dem Bau der Mauer entstanden war. Fast elf Millio- nen Menschen verließen den östlichen Teil Deutschlands im Zeitraum von 1945 bis 1960.14
Diese Form des Abiturs wurde neben dem normalen Abitur (nach 12 Jahren) an der zur „Erweiterten Oberschule“ (EOS) umbenannten Oberschule installiert.15 Im Gegensatz zur EOS, die den normalen Weg zum Abiturerwerb darstellte und das gesamte Spekt- rum des Hochschulangebotes abdeckte, führte die Berufsausbildung mit Abitur haupt- sächlich zu den technischen Studiengängen, die mit den während der Ausbildung erlern- ten Berufen korrespondierten (zum Schulsystem der DDR von 1959 bis 1965 siehe Ab- bildung 2).16
Abbildung 2: Das Schulsystem in der DDR 1959 bis 1965 (ohne Sonderschulen)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Mayrhofer (1999), S.44
Weiterhin zu erwähnen sind die „Arbeiter- und Bauernfakultäten“, welche nach der Gründung der DDR aus den Vorstudienabteilungen entstanden waren und eine weitere Alternative für den Zugang zum Hochschulstudium darstellte. Die unterschiedlichen Möglichkeiten des Hochschulzugangs in der DDR führten vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren zu einer Expansion im Bereich der höheren Bildung.
In den sechziger Jahren fanden in beiden deutschen Staaten Bildungsreformen statt. Die DDR setzte ihre in den fünfziger Jahren begonnenen Reformen weiter fort, wohingegen die BRD mit ersten Reformen im Bildungswesen begann. Beide deutschte Staaten hat- ten in diesem Jahrzehnt einen großen politischen Stellenwert auf ihre Bildungssysteme gelegt.
Die Bundesrepublik erlebte ein Konjunkturschub, auf den sie mit Bildungsreformen antwortete. In der DDR sprach man von der „Meisterung der wissenschaftlichentechnischen Revolution“. Grundgedanke beider Reformansätze war, mit Hilfe der staatlichen Bildungspolitik, die Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens, um den wirtschaftlichen Aufschwung weiter voranzutreiben.17
Aufgrund der in der DDR bereits früher begonnenen Bildungsreformen und der früher einsetzenden Bildungsexpansion wurden in den Anfangsjahren der DDR weitaus höhere Studentenzahlen verbucht, als dies es in der BRD der Fall war. Dies kehrte sich erst gegen Mitte der 70er Jahre um (siehe hierzu Abbildung 3).
Abbildung 3: Studierende in DDR und BRD von 1950 bis 1980
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Vgl. Thomas (1988), S.33
Das primäre Ziel der DDR, eine Öffnung der Hochschulen für Arbeiter- und Bauernkinder und die Brechung des Bildungsmonopols des Bürgertums, wurde mit den bereits eingeleiteten Reformen in der DDR zunächst erreicht.18 Im Jahre 1965 kam das „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ hinzu und sollte den Reformen in allen Bereichen des Bildungssystems in der DDR den Weg ebnen. Es enthielt umfassende Regelungen für das Bildungswesen, das von der Kinderkrippe bis zur Erwachsenenbildung reichte (siehe auch Abbildung 4).
Abbildung 4: Das Schulsystem der DDR 1965 bis 1990 (ohne Sonderschulen)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kindergarten Kinderkrippe
Quelle: Mayrhofer (1999), S.48
Die Grundsätze des Gesetzes wurden wie folgt formuliert: „Das Ziel des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems ist eine Bildung des ganzen Volkes, die Bildung und Erziehung allseitig und harmonisch entwickelter Persönlichkeiten, die bewusst das ge- sellschaftliche Leben gestalten…“19. Das Bildungsgesetz schuf ein einheitliches, koedu- katives und durch ökonomische Effizienz bestimmtes Bildungssystem, mit polytechni- scher Ausrichtung, dass bis zum Ende der DDR 1989/90 Bestand hatte.20
Ein paar Jahre nach der Einführung des Bildungsgesetzes, etwa Anfang der siebziger Jahre, kamen die Reformbemühungen der DDR zu einem vorläufigen Abschluss. Eine gewisse Kontinuität setzte sich von da an im Bildungssystem fort. Eine Standardisie- rung durch einheitliche Lehrpläne, ein einheitliches Schulsystem und zentrale Ab- schlussprüfungen erfolgte in der DDR. Im Gegensatz zur BRD, wurden die hochschul- vorbereitenden Schulformen vereinheitlicht und stellten einen Gegensatz zu der dort gerade fortschreitenden Individualisierung und Ausdifferenzierung der Sekundarstufe II dar.
Das Ende der Reformbemühungen bedeutete zugleich eine Zäsur im Bildungssystem der DDR. Die Expansion des tertiären Bildungsbereiches wurde gestoppt und mit Hilfe von politisch-administrativen Mitteln zurückgesetzt. Der ökonomische Bedarf an Fachkräften21, gab fortan die Zahl der Ausbildungsplätze im tertiären Bildungssektor vor.22 Die seit Gründung der DDR proklamierte proportionale Chancengleichheit wurde von der leistungsorientierten Chancengleichheit abgelöst.23
Eine direkte Verbindung zwischen Planwirtschaft und dem Schulsystem sollte den Be- darf an Arbeitskräften steuern. Wenn Mangel an bestimmten Fachkräften vorlag, wur- den gezielt Schüler in diesem Gebiet gefördert um den Mangel zu decken. In Abbildung 3 ist der einsetzende massive Rückgang der Studentenzahlen, die bis da- hin kontinuierlich anstiegen, zu erkennen. Seit Anfang der siebziger Jahre sanken die Studentenzahlen in der DDR jedes Jahr kontinuierlich, während in der BRD aufgrund der steigenden Nachfrage nach höheren Bildungsabschlüssen die Bildungsexpansion weiter voranschritt.
Aufgrund der Drosselung im Hochschulzugange wurden auch die Abiturientenzahlen in den folgenden Jahren auf etwa 11-12 Prozent eines Jahrgangs in der DDR gesenkt. Die Absenkung konnte mit Hilfe des Übergangs zur EOS nach der achten Klasse der POS umgesetzt werden. Die achte Klasse stellte damit die zu überwindende Hürde im Bil- dungssystem der DDR dar. Nach deren Abschluss wurde von den Schulbehörden ent- schieden, ob ein Wechsel in die Erweiterte Oberschule für den Schüler in Frage kam. Die Aufnahme in die Abiturstufe erfolgte nicht nur unter Beachtung des Leistungsprin- zips, sondern auch unter Berücksichtigung der Sozialstruktur der Bevölkerung, dem Geschlechterverhältnis und ebenso dem sozialen- und gesellschaftlichen Engagement des Schülers, sowie dem seiner Eltern.24
Der bereits vorher einsetzende Paradigmenwechsel in der DDR wurde an den Regle- mentierungen des Zugangs zu höherer Bildung deutlich ablesbar. Die neu etablierte Führungsklasse der „sozialistischen Intelligenz“ ging dazu über, die Bevorzugung der Arbeiter- und Bauernklasse im Bildungsbereich aufzugeben und durch das Leistungs- prinzip abzulösen.25 Gesellschaftliche Engagiertheit und Leistung waren die neuen Kriterien für den Erwerb des höheren Bildungszugangs. Die Beteiligung der Studenten aus der Arbeiterklasse an den Universitäten begann kontinuierlich zu sinken, bei gleichzeitigem Anstieg der Studenten aus der Intelligenzklasse, aus welcher sich die neue sozialistische Führungsklasse rekrutierte.
Für einen Großteil der Schüler in der DDR bestand aufgrund der Begrenzung der Chancen auf einen Platz in der EOS nur die Möglichkeit auf den Abschluss der POS nach der zehnten Klasse. Etwa neunzig Prozent der Schüler in der DDR verließen die Schule daher nach der zehnten Klasse mit einem Abschluss der POS.26
Die ausgegebene Maxime der DDR-Bildungspolitik und des Ministeriums für Volksbil- dung lautete „Keinen zurücklassen“. In der Verfassung wurde jedem Schulabgänger in der DDR das Recht auf einen Ausbildungsplatz eingeräumt.27 Schüler die den geforder- ten Ansprüchen nicht genügten, und die Schule vor dem Abschluss der 10. Klasse ver- ließen, ob nun ganz ohne Schulabschluss oder mit dem Abschluss der 8.Klasse, hatten speziell für sie vorgesehene Ausbildungsberufe aus denen sie wählen konnten.
Jugendliche mit dem Abschluss der 8. Klasse mussten eine um ein Jahr verlängerte Berufausbildung in einem der für sie reservierten Berufe absolvieren, hatten aber die Möglichkeit, nach Ende der Berufsausbildung an der zentralen Abschlussprüfung der POS teilzunehmen und ihren Abschluss nachzuholen. Schulabgänger ohne einen Abschluss hatten die Möglichkeit eine ein- bis anderthalbjährige Ausbildung in einem weniger qualifizierten Beruf zu absolvieren.28 Ab Anfang der achtziger Jahre erfolgte eine erneute Trendwende in der DDRBildungspolitik.
Angestrebt wurde nun eine Modernisierung der Bildungsinhalte, um eine Umsetzung des Leistungsprinzips in Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung zu erreichen. Das Ziel dieser Maßnahme war eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch die Förderung der Hauptproduktivkraft des Sozialismus, d.h. des Menschen. In dieser Phase fanden eine gezielte Talentförderung, eine Reformierung der Berufsausbildung und eine Revision der Lehrpläne statt.
Aber nicht nur die Modernisierung der Bildungsinhalte wurde angestrebt, sondern auch die Erhöhung der Wirksamkeit der ideologischen Ausbildung war eine Zielstellung der Bildungspolitik, die bis zum Ende der DDR weiterverfolgt wurde.29 Das Postulat der Einheitlichkeit, welches das Grundprinzip der DDR-Bildungspolitik darstellte, wurde in einigen Ausnahmefällen außer Kraft gesetzt. Etwa ein Prozent der Schüler in der DDR wurde in speziellen Begabtenschulen unterrichtet. Es handelte sich dabei vor allem um Schulen aus den Bereichen Sport, Musik und Technik- Naturwissenschaft. Die DDR rechtfertigte die Abweichung vom Einheitsprinzip mit dem besonderen Maße an Übung, die eine Talentförderung in diesen Bereichen benötig- te. Gleichwohl wurde aus Sorge um die Einheitlichkeit des Bildungssystems der Zugang zu diesen Einrichtungen streng limitiert. Da keine Statistiken über die Spezialschulen geführt wurden, nimmt man heute an, dass etwas ein- bis drei Prozent eines Schüler- jahrganges die Spezialschulen besuchte.30
2.1.3. Entwicklung der Bildungssysteme in der BRD
Die Weichenstellung für das westdeutsche Bildungssystem erfolgte ähnlich wie in der DDR, bereits vor der Staatsgründung. In beiden Teilen Deutschlands wurde der Neuaufbau des Bildungssystems von den jeweiligen alliierten Besatzungsmächten beeinflusst. In der DDR bedeutete das, eine Einflussnahme der Sowjetunion, für die BRD eine Beeinflussung durch die Westmächte. Bereits kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde versucht, einen Neuaufbau einzuleiten. Die anfänglichen Versuche der Alliierten, ihre jeweiligen Bildungssysteme als Vorbild dienen zu lassen, scheiterte schon bald am Widerstand der Bevölkerung.31
In der BRD besann man sich auf die Bildungsstrukturen der Weimarer Republik und sah anfänglich von tief greifenden Reformen, wie sie in der DDR durchgeführt wurden, weitestgehend ab. Insgesamt lief der Neuaufbau des Bildungssystems in Westdeutsch- land langsamer ab, als in Ostdeutschland. Dort wurde bereits 1946 das „Gesetz zur De- mokratisierung der deutschen Schule“ beschlossen. Ähnliches geschah in den westli- chen Bundesländern hingegen erst gegen Ende der vierziger Jahre, nachdem sie von den Alliierten in die Selbstständigkeit entlassen wurden. Zur Zeit der Staatsgründung der BRD besaßen die einzelnen Bundesländer zumeist schon eine geregelte Bildungsstruk- tur. Das neu eingeführte Grundgesetz der BRD legitimierte lediglich den Ist-Zustand der Bildungssysteme in den Bundesländern. Die Bildungspolitik blieb föderalistisch und damit Sache der einzelnen Bundesländer. Als länderübergreifendes Gremium für Bildungspolitik wurde die Kultusministerkonferenz ins Leben gerufen (KMK).32 Der bundesdeutschen Bildungspolitik der fünfziger Jahre fehlte es an Entwicklungsperspektiven und geplanten Strukturveränderungen, wie es in der DDR der Fall war. Das Bildungssystem befand sich in einer Phase der relativen Stagnation und wurde trotz steigender Schülerzahlen in Realschule und Gymnasium (im Zeitraum von 1952-60 erfolgte ein Anstieg der Schülerzahlen um 43 Prozent in der Realschule und 25 Prozent im Gymnasium33 ) von der DDR-Bildungsexpansion überholt.
Erst mit Beginn der sechziger Jahre setzte aufgrund des Modernisierungsschubs auch in Westdeutschland eine Reformperiode ein. Eingeleitet wurden die Reformbemühungen von der bildungspolitischen Kritik der Öffentlichkeit. Im Jahr 1963 wurde ausgehend von einer Bedarfsfeststellung der Kultusministerkonferenz (KMK) eine Bildungspla- nung für die BRD aufgestellt. Eine Folge der schulpolitischen Entwicklungen war das so genannte „Hamburger Abkommen“ im Jahre 1964, mit dem der Versuch eine Ver- einheitlichung des deutschten Schulwesens vorgenommen wurde. Angelegenheiten wie die Dauer und der Beginn der Schulpflicht, oder Organisationsformen des Schulwesens wurden für die gesamte BRD festgelegt. Bis heute gibt das Hamburger Abkommen, abgesehen von einigen Änderungen, die Grundstruktur des deutschen Bildungssystems vor (für einen Überblick über den schematischen Aufbau des Bildungssystems der BRD siehe Abbildung 5). Der Beginn der Schulpflicht wurde auf ein Alter von sechs Jahren festgelegt, nach einer vierjährigen Grundschulzeit wurden die Kinder auf die einzelnen Schulformen der Sekundarstufe I verteilt. Dabei stellte (wie auch heute noch) das Gym- nasium die weiterführende Schulform dar und der Erwerb des Abiturs berechtigte zur Aufnahme eines Studiums. Anders als in der DDR stellte der Abiturerwerb die einzige Möglichkeit dar, eine Berechtigung für ein Hochschulstudium zu erlangen.
Das „Hamburger Abkommen“ kann mit der Einführung des „Gesetzes über das einheit- liche sozialistische Bildungssystem“ in der DDR verglichen werden, da für beide Staa- ten diese Regelungen eine Festsetzung der zukünftigen Schulstruktur darstellten.34
Abbildung 5: Überblick über den Aufbau des Bildungssystems der BRD
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Kultusministerkonferenz (2007)
Die Reformen in der Bundesrepublik bedeuteten aber nicht nur eine Neugestaltung der Schulstrukturen, sondern ebenso eine Neugestaltung der vorhandenen Bildungsziele und Bildungsinhalte. Die Entwicklungen in der BRD hatten ein Ausweiten der Bildungsex- pansion zur Folge, so dass die Bildungsausgaben, sowie die Schülerzahlen in allen Schularten anstiegen. Die Öffnung der höheren Bildungswege war das für die Zukunft angestrebte Ziel. Infolgedessen wurde die DDR, die Aufgrund der Drosselung seiner Bildungspolitik rückläufige Studenten- und Abiturientenzahlen zu verzeichnen hatte, von der Bildungsexpansion in der BRD überholt.35 Wie in Abbildung 3 dargestellt, wa- ren die Studentenzahlen in der DDR ab 1971 rückläufig. Im Gegensatz dazu stand die aufgrund der Bildungsexpansion weiter ansteigenden Studentenzahlen in der Bundesre- publik Deutschland36.
2.1.4. Unterschiede beider Bildungssysteme
Die Entwicklung der beiden Bildungssysteme verlief trotz gleicher Ausgangsvorausset- zungen, aufgrund der ideologischen und politischen Unterschiede zwischen der DDR und BRD in zwei entgegengesetzten Bahnen. Die Bildungspolitik der DDR verfolgte mit dem Aufbau des zentralistisch gesteuerten sozialistischen Einheitsschulsystems zum einen das Ziel der Festigung der politischen Verhältnisse durch die Schaffung treu erge- bender sozialistischer Persönlichkeiten und zum anderen die Beseitigung der Benachtei- ligungen der Arbeiter- und Bauernkinder.37 Das Gleichheitsprinzip erlangte in der DDR eine vorrangige Stellung. Aufgrund dessen wurde ein Einheitsschulsystem eingeführt, in dem es eine spät einsetzende Differenzierung der Schüler gab. Das Gleichheitsprinzip konnte unter diesen Bedingungen am effektivsten umgesetzt werden, da Schüler ver- schiedener sozialer Herkunft eine lange gemeinsame Grundbildung erhielten (in der Regel zehn Jahre).
Der Staat besaß in der DDR die leitende und kulturell-erzieherische Funktion. Eltern besaßen, wie es im Bildungsgesetz ausgedrückt wurde, einen Anspruch auf enge Zu- sammenarbeit mit den staatlichen Erziehungseinrichtungen. Eine genaue Definition, ob der Staat oder die Eltern den Vorrang besaßen, wie in der BRD, gab es jedoch nicht. In der Bundesrepublik wurde im Grundgesetz, den Eltern der Vorrang gegenüber dem Staat als Erziehungsträger eingeräumt. Der Staat übernahm nur eine Überwachungs- funktion. Eine solche genaue Definition fehlte in der DDR und der Staat fühlte diese Lücke meistens zu seinem Gunsten aus.38
Die BRD hingegen entwickelte ein föderalistisch gesteuertes mehrgliedriges Schulsystem, dessen Aufbau nicht nur allein unter dem Einfluss des Staates stattfand, sondern auch unter Beteiligung vieler Interessengruppen und einer anschließenden Legitimierung durch „freie Wahlen“.
Der Individualismus des Einzelnen und die Differenzierung innerhalb des Schulsystems standen im Vordergrund. Das Schulsystem beinhaltete die Prinzipien eines traditionel- len bürgerlichen Bildungssystems, in dem die Selbstverwirklichung des Einzelnen, ebenso wie ein sozial gerechtes Bildungssystem im Vordergrund standen. Aufgrund dessen entschied sich die BRD für die Einführung eines stark differenzierten Schulsys- tems. Die einzelnen Bundesländer besaßen die jeweilige Kulturhoheit für ihr Bildungs- system.39 Private und kirchliche Bildungseinrichtungen wurden, anders als in der DDR, im Bildungssystem zugelassen.
In der DDR wurde die Bildungspolitik direkt vom Staat gesteuert. Das „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ aus dem Jahre 1965 umfasste alle Bildungs- einrichtungen, von der Kinderkrippe bis hin zur Hochschule. Ein ähnlich umfassendes Gesetz zur Regelung des Bildungssystems existierte in der BRD nicht. Die herrschende föderalistische Struktur verhinderte, im Gegensatz zur zentralstaatlichen Struktur in der DDR, ein solch umfassendes Gesetzeswerk. In einigen Bildungsteilbereichen der BRD gab es jedoch länderübergreifend gültige Bundesgesetze, wie etwa beispielsweise das Hochschulrahmengesetz.40
Das DDR-Bildungsgesetz setzte außerdem auf eine Einheit von Bildung und Erziehung. Die Bildungs- und Erziehungsziele wirkten auf diese Weise über Minderjährige hinaus, bis hin zur Studenten- und Erwachsenbildung. Vorrangiges Ziel war die Ausbildung der Bürger zu einer sozialistischen Persönlichkeit.
Die Formulierung der Bildungs- und Erziehungsziele in der BRD wurde den einzelnen Bundesländern überlassen. Eine Gesamtformulierung wäre aufgrund der nicht vorhandenen Einheit von Bildung und Erziehung und der somit getrennten Jugend- und Erwachsenenbildung nicht möglich gewesen.
Die Einbindung der Schule in die Gesellschaft stellte einen weiteren Unterschied in bei- den Staaten dar. Während es in der BRD zu einer deutlichen Trennung von Schule und dem gesellschaftlichen Umfeld kam, wurde die Schule in der DDR in das gesellschaftli- che Umfeld eingebunden. So erfolgte über außerunterrichtliche Aktivitäten eine Weiterführung des Erziehungsauftrags.41
Wie man an den Unterschieden sehen kann, hatten beide Bildungssysteme sehr gegen- sätzliche Wirkungsweisen und Bildungsziele. Dies ist im Hinblick auf die Wiederverei- nigung und damit dem Anschluss der ostdeutschen Bundesländer an die BRD bedeut- sam. Über vierzig Jahre lang wurde Ostdeutschland von einem sozialistischen Bildungs- system geprägt und musste sich dann innerhalb weniger Jahre an einem neuen Bil- dungssystem mit neuen Wertevorstellungen und neuen Zielstellungen orientieren.
2.2. Entwicklung der neuen Bildungssysteme in Ostdeutschland
2.2.1. Die Ausgangslage
In der DDR erhoben sich bereits vor dem Jahr 1990 Stimmen, die der Überzeugung waren, dass das bestehende Bildungssystem gescheitert sei und nur durch das Einleiten von Reformbemühungen zu retten ist. Vor allem in intellektuellen Kreisen, bei Bil- dungsexperten und einigen Bildungspolitikern fanden sich Fürsprecher dieser Überzeu- gung.
Die Führung der DDR verschloss jedoch bis zum Ende der neunziger Jahre die Augen vor den Äußerungen der Kritiker. Erst mit der Demission Margot Honeckers, am 2. November 198942, und dem Veranlassen erster Reformbemühungen gestand die DDR im Endeffekt ein Scheitern der von ihr proklamierten Bildungspolitik ein. Im „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ von 1965 wurde als ein Leitmotiv der Bildungspolitik, das Grundrecht aller Bürger auf Bildung gemäß den Grundsätzen des Leistungsprinzips und der sozialen Struktur zugesichert.43
In der Realität zeigte sich in der DDR ein anderes Bild, nach einer Phase des Elitenaus- tauschs, in der vor allem das Bürgertum Nachteile gegenüber der Klasse der Arbeiter und Bauern in der sozialen Schichtung hinnehmen musste44, verfestigte sich die neu geschaffene Sozialstruktur relativ schnell Ende der sechziger Jahre. Der Zugang zu den Erweiterten Oberschulen und damit zu den Hochschulen wurde von der neuen führenden Klasse, der „sozialistischen Intelligenz“ weitestgehend blockiert.45 Aufgrund dieser Beschränkung kann davon ausgegangen werden, dass die Zugangsquote zur höheren Bildung der Arbeiterkinder in der DDR unterhalb derer in der BRD lag.46 Ein kurzer Blick auf die Zahlen der DDR-Sozialstruktur aus dem Jahre 1988 verdeutlicht dies. Die Arbeiterklasse stellt mit fast 75 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung in der DDR, die Klasse der sozialistischen Intelligenz stellt demgegenüber nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Jedoch findet man in den führenden Positionen der DDR fast ausschließlich Mitglieder der sozialistischen Intelligenz.47
Die Umsetzung der Leitidee einer einheitlichen und gemeinsamen Grundbildung und Überwindung aller Arten von Disparitäten48, schlug in der DDR fehl. Der Rücktritt Margot Honeckers war eine Reaktion auf das Scheitern der Leitidee und den Ruf großer Teile der Bevölkerung nach einer Grunderneuerung des Bildungssys- tems. Erste Schritte der Neugestaltung des zentralistisch verwalteten und ideologisch stark an die SED gebundenen Bildungssystems in Ostdeutschland schlossen sich an. Der Reformprozess wurde bereits wenige Monate vor der endgültigen Auflösung der Deutschen Demokratischen Republik und ihrem Anschluss an die Bundesrepublik ein- geleitet. Die Wiedervereinigung beider deutschen Staaten war an den politischen Ent- wicklungen jener Zeit noch nicht absehbar und die Reformen wurden versucht aus dem Inneren voranzutreiben.
Erste Maßnahmen bestanden in der Abschaffung des Wehrunterrichts und der Staats- bürgerkunde, sowie die Beschneidung der Kompetenzen und damit der Vormachtsstel- lung der Jugendorganisation „Freie Deutsche Jungend“ und der Pionierorganisationen.49 Weitere Reformmaßnahmen bestanden in der Absetzung der amtierenden Schulleiter und deren Neuwahlen. Hinzu kamen die Berufung neuer Bezirksschulräte und eine Neuwahl der Elternvertreter.50 Die starre Struktur des bestehenden Bildungssystems sollte mit Hilfe dieser Maßnahmen zuallererst aufgebrochen und anschließend verändert werden.
Den trotz anderweitiger Verlautbarung, bestehenden Disparitäten des Zugangs zu gehobener Bildung, sollten im Februar 1990 durch eine Öffnung der Abiturstufe, für alle Schüler, entgegengetreten werden. Außerdem wurde die Dauer der Abiturstufe von zwei auf vier Jahre verlängert.51
Die leistungsbezogene Chancengleichheit wurde als wichtiger Punkt bei der Neubildung des Bildungssystems betrachtet. Nichts anderes als die schulische Leistung sollte eine entscheidende Rolle für den Zugang zur Abiturstufe spielen.
Die politische Entwicklung jener Zeit, wurden von den letzten Volkskammer-Wahlen (Juli 1990) in der DDR durchkreuzt. Die Neugestaltung der DDR durch eine Selbsterneuerung stand nach den Wahlen nicht mehr im Vordergrund, sie wurde durch eine immer absehbarer werdende deutsche Wiedervereinigung abgelöst.52
Daraufhin übernahm eine gemeinsame Bildungskommission der BRD und DDR, als Beratungs- und Koordinierungsorgan, die Arbeit der Reformierung und Anpassung des neuen Bildungssystems.
Vorrangige Ziele der Bildungskommission waren die Schaffung einer gemeinsamen und vergleichbaren Grundstruktur des Bildungswesens, um eine Zusammenführung beider Bildungssysteme zu gewährleisten. Da auch Ende der achtziger Jahre, die immer noch bestehenden sozial- und bildungsstrukturellen Entwicklungsdifferenzen keine einheitli- che Grundstruktur für ein gemeinsames Bildungssystem zuließen, wurde sich von Sei- ten der BRD und der DDR auf den Kompromiss eines „vergleichbaren und gemeinsa- men“ Bildungssystems geeinigt.53 Die Einheitlichkeit wurde dabei auf die Funktion der Schulformen bezogen und nicht mehr, wie es in der Bundesrepublik üblich war, ledig- lich auf die Schulform selbst. Damit wurde die Option geschaffen, unterschiedliche Schulformen zu etablieren, welche sich aber an die vereinbarten Qualitätsstandards an- passen mussten. Somit wurde eine Stärkung der Flexibilität erreicht und die Bundeslän- der konnten ein auf ihre Interessen gerichtetes Bildungssystem entwerfen.
Dies ermöglichte einen unproblematischen Anschluss der DDR an das westdeutsche Bildungssystem (z.B. durch die Gleichwertigkeit der Abschlüsse54 ), aber ebenso konn- ten dadurch, einige Elemente des DDR-Bildungssystems, die als positiv angesehen wurden, erhalten werden (z.B. Beibehaltung des Abiturs nach der zwölften Klasse).55 Der Anschluss der DDR an die BRD erfolgte am 3.Oktober 1990 und mit der Einfüh- rung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschlands wurde den neu konstituierten Bundesländern Ostdeutschlands die jeweilige Bildungshoheit übergeben. Im Einigungsvertrag zwischen der DDR und der BRD wurde eine Transformation des ostdeutschen Schulwesens, orientiert am westdeutschen Bildungsmodell nach dem „Hamburger Abkommen“56 und westdeutschen Schulgesetzen vereinbart.57 Des Weiteren wurden Rahmenvereinbahrungen festgeschrieben, die den neuen Bundes- ländern den nötigen Gestaltungsspielraum gaben, um neue Bildungssysteme einzufüh- ren. So ist zum Beispiel nach wie vor das Recht auf Bildung in vielen ostdeutschen Schulgesetzen verankert, ebenso wie die aus DDR-Zeiten übernommene zwölfjährige Schuldauer bis zum Abitur. Dennoch unterschieden sich die länderspezifischen Ausges- taltungen der neuen Bildungssysteme strukturell, organisatorisch und inhaltlich, zum Teil stark voneinander.58
Die Bildungsgesetze wurden in den neuen Bundesländern nicht sofort mit Unterschrift des Einigungsvertrages eingeführt. Die Ausarbeitung erforderte einen gewissen Zeit- raum, so dass in der nachfolgenden Übergangsphase nur vorläufige Bildungsgesetze in den Ländern zum Tragen kamen. Je nach Bundesland wurden sie innerhalb eines meh- rere Monate umfassenden Zeitraums ersetzt und durch länderspezifische Bildungsgeset- ze abgelöst.
2.2.2. Die Übergangsphase
Der Wechsel vom DDR-Bildungssystem hin zum Bildungssystem der Bundesrepublik und deren Bildungsgesetzgebung, wurde mit Hilfe von gesetzlichen Übergangsregelun- gen eingeleitet. Bereits vor dem 3. Oktober 1990, dem Tag der „Deutschen Wiederver- war. Ebenso hatten fünfzig Prozent der DDR Abiturienten einen Notenschnitt von 1,5 und besser. Ausschlaggebend für diesen Umstand war die Beurteilung der DDR-Lehrer nach den Abiturzeugnissen ihrer Schüler. Eine objektive Beurteilung konnte dadurch nicht mehr gewährleistet werden. Als Reaktion darauf, setzten die alten Bundesländer zeitweise die Annerkennung der DDR-Abiturzeugnisse aus und verweigerten DDR-Abiturienten die Studienzulassung. Der Inhalt und die Dauer der DDR-Abiturbildung wurde damit in Frage gestellt. Vgl. Fischer (1992), S. 113f
[...]
1 Siehe auch Mayrhofer (1999), S. 34f.
2 Vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994), S. 30
3 Vgl. Mayrhofer, (1999), S. 35
4 Vgl. Döbert, Fuchs (2002), S. 81-82.
5 Die Schulstruktur wurde bis 1959 beibehalten.
6 Vgl. Anweiler (1990), S. 15f
7 Vgl. Mayrhofer, (1999), S. 37f
8 Vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994), S. 184.
9 Siehe auch Köhler (2001), S. 849
10 Siehe auch Anweiler (1990), S. 15ff
11 Vgl. Döbert, Fuchs (2002), S. 82
12 Vgl. Mayrhofer, (1999), S. 42
13 Vgl. Anweiler, (1990), S. 19
14 Vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994), S. 25.
15 Siehe auch Mayrhofer, (1999), S. 42
16 Vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994), S. 190 14
17 Siehe auch Mayrhofer, (1999), S. 45
18 Vgl. Köhler (2001), S. 850f
19 Vgl. Döbert, (1996), S. 21 nach: Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25.Feburar 1965 (GBl. I, Nr.6/1965).
20 Vgl. von Below (1997), S. 137
21 Der in der DDR aufgrund der Bildungsexpansion vorherrschende Facharbeitermangel war unter anderem ein Grund für die bewusste Reduzierung der Hochschulplätze. Diese Maßnahme sollte wieder mehr Absolventen dazu bringen eine Facharbeiterausbildung einzuschlagen. Vgl. Solga (1995), S. 117
22 Vgl. Baumert et al (2005), S. 64
23 Siehe auch Solga (1995), S. 110f
24 Vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994), S. 189 17
25 Siehe auch Solga (1995), S. 110
26 Vgl. Huschner (2001), S. 820
27 Vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994), S. 20
28 Vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994), S. 188. 18
29 Siehe auch Mayrhofer (1999), S. 49
30 Vgl. Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994), S. 191
31 Vgl. Anweiler (1990), S. 16f
32 Vgl. Anweiler (1990), S. 15-18
33 Vgl. Anweiler (1990), S. 17
34 Vgl. Baumert et al. (2005), S. 54, Bildungswesen
35 Vgl. Anweiler (1990), S. 23f
36 Eine ausführlichere Darstellung der Entwicklung der Bildungssysteme in der BRD ist in Anweiler et al. (1990), sowie in Arbeitsgruppe Bildungsbericht (1994) gegeben.
37 Vgl. Döbert (1996), S. 23
38 Vgl. Merkens, Wessel (2002) S. 37
39 Vgl. Merkens, Wessel (2002) S. 26-30
40 Vgl. Ramm (1990), S. 39ff
41 Vgl. Merkens, Wessel (2002), S. 29
42 Bereits am 20. Oktober 1989 reichte Margot Honecker ihr Entlassungsgesuch beim Zentralkomitee der SED ein.
43 Vgl. Döbert (1995), S. 21ff
44 Vgl. Geißler (2006), S. 130ff
45 Vgl. Gehrmann (2002), S. 94
46 Vgl. Adler; Kretzschmar (1993), S. 103f
47 Vgl. Fischer ( 1992), S. 98f
48 Kurz und pragmatisch im Leitspruch des DDR-Schulwesens „Keinen zurücklassen“ formuliert. Vgl. Köhler; Stock (2004), S. 43
49 Vgl. Fischer (1992), S. 103 ff
50 Vgl. Melzer (2001), S. 91ff
51 Die Abiturstufe stand allen Schülern der 8. Klasse offen, die mit ihren erbrachten Leistungen für das Abitur geeignet erschienen.
52 Vgl. Köhler (2002), S. 21f
53 Vgl. Gehrmann (2002), S. 89
54 In der Bundesrepublik wurde im Zuge der Wiedervereinigung beim Vergleich der Abiturnoten zwi- schen beiden deutschen Staaten die Häufigkeit von sehr guten Abiturnoten in der DDR moniert. Ein 1,0 Notenschnitt wurde wesentlich häufiger von DDR Schülern erreicht als dies in Westdeutschland der Fall
55 Vgl. Köhler (2002), S. 23ff
56 Hamburger Abkommen (28.10.1968): Länderübergreifende Normierung zur Vereinheitlichung des Schulwesens in der BRD. Vgl. Anweiler (1990), S. 22
57 Vgl. Fischer (1992), S. 103 ff
58 Vgl. Köhler, Gabriele (2002), S. 25f
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- Christian Pannier (Autor:in), 2007, Bildung in den neuen Bundesländern, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/92248