Diese Arbeit untersucht, auf welche Weise die Macher*innen des DDR Museums Berlin den Besucher*innen die Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik präsentieren. Dabei wird auf der Grundlage eines Besuchs im Sommer 2019 eine systematische Analyse des Museums vorgenommen, in denen die ausgestellten Objekte, aber auch die ästhetische Aufbereitung, die Verwendung von Texten sowie die Werbe- und Begleitmaterialen berücksichtigt werden. Die theoretische Grundlage dazu bieten neben traditionellen Ansätzen der Erinnerungs- und Gedächtnisforschung auch modernere Ansätze der Museumswissenschaft, wobei insbesondere der Begriff der Ostalgie von zentraler Bedeutung ist.
Auf Basis dieser Analysen versucht die Arbeit schließlich auch die Frage zu beantworten, wie und weshalb es dem DDR Museum gelingt, eine Vielzahl von Besucher*innen anzulocken und zu begeistern. Dabei wird insbesondere die Umsetzung des Werbeslogans "Geschichte zum Anfassen" ausführlich untersucht. Hinsichtlich der ästhetischen Gestaltung sowie der Auswahl von Themen und Objekten soll analysiert werden, welches Narrativ in dem Museum vermittelt bzw. vorgegeben wird, um die von den Geschäftsführern aufgestellten Fragen zu beantworten.
Für viele Tourist*innen gehört er mittlerweile zum Standard-Programm einer Reise in die deutsche Hauptstadt: ein Besuch des DDR-Museums Berlin. Schon allein aufgrund seiner prominenten Lage am Ufer der Spree, in unmittelbarer Nähe zum Berliner Dom und dem Palast der Republik, führt für viele kein Weg an dem modernen Museum vorbei. Im Kampf um die meist knapp bemessene Zeit der Tourist*innen ist es in der Bundeshauptstadt einem starken Konkurrenzkampf ausgesetzt. Organisatorisch unterscheidet es sich von den meisten anderen Geschichtsausstellungen und -museen dadurch, dass es sich von Beginn an in privater Trägerschaft befindet und finanziell vollständig ohne öffentliche Mittel auskommt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der „Trabbi“ im Mittelpunkt. Eine Analyse der Werbe- und Begleitmaterialien
3. Warme Farben, schöne Atmosphäre. Zur ästhetischen Aufbereitung
4. Die DDR als interaktive Erlebniswelt. Zum Einsatz von Medien und Objekten im Museum
5. Leichte Sprache, wenig Inhalt. Zum Einsatz von Texten im Museum
6. Fazit
Anhang
1. Einleitung
Für viele Tourist*innen gehört er mittlerweile zum Standard-Programm einer Reise in die deutsche Hauptstadt: ein Besuch des DDR-Museums Berlin. Schon allein aufgrund seiner prominenten Lage am Ufer der Spree, in unmittelbarer Nähe zum Berliner Dom und dem Palast der Republik, führt für viele kein Weg an dem im Sommer 2006 eröffneten und rund 400 Quadratmeter großen Museum (vgl. Brock 2008, 109) vorbei.
Mit rund 600.000 Besuchern pro Jahr (vgl. Adelmann/von Godin 2017, 5) gehört es zu den besucherstärksten Museen in der Bundeshauptstadt, obwohl es im Kampf um die meist knapp bemessene Zeit der Tourist*innen, die in wenigen Tagen möglichst viel sehen und erleben wollen, einem starken Konkurrenzkampf ausgesetzt ist. Organisatorisch unterscheidet es sich von den meisten anderen Geschichtsausstellungen und -museen dadurch, dass es sich von Beginn an in privater Trägerschaft befindet und finanziell vollständig ohne öffentliche Mittel auskommt (ebd.).
Dabei profitiert es einerseits von der allgemein wachsenden Beliebtheit von Museen, die sich durch steigende Besucherzahlen und eine immer größer werdende gesellschaftliche Relevanz des Erinnerns ausdrückt (vgl. Urban 2009, 70). Insbesondere die Erinnerung an die DDR hat in der Bundeshauptstadt Konjunktur, wie die zahlreichen Touristenattraktionen entlang der einstigen Grenzen der Bundesrepublik an der Berliner Mauer zeigen (vgl. Benz 2011b, 993).
Diese Arbeit möchte untersuchen, auf welche Weise die Macher*innen des Museums den Besucher*innen die Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik präsentieren. Dabei wird auf der Grundlage eines Besuchs im Sommer 2019 eine systematische Analyse des Museums vorgenommen, in denen die ausgestellten Objekte, aber auch die ästhetische Aufbereitung, die Verwendung von Texten sowie die Werbe- und Begleitmaterialen berücksichtigt werden. Die theoretische Grundlage dazu bieten neben traditionellen Ansätzen der Erinnerungs- und Gedächtnisforschung auch modernere Ansätze der Museumswissenschaft, wobei insbesondere der Begriff der Ostalgie (vgl. Ahbe 2016, 7ff.) von zentraler Bedeutung ist. Auf Basis dieser Analysen versucht die Arbeit schließlich auch die Frage zu beantworten, wie und weshalb es dem DDR Museum gelingt, eine Vielzahl von Besucher*innen anzulocken und – aufgrund der überwiegend positiven Rezensionen auf einschlägigen Internetportalen wie TripAdvisor1 oder HolidayCheck2 sei diese These ohne tiefergehende Ausführungen erlaubt – zu begeistern.
Dabei befand schon Theodor W. Adorno, dass allein der Begriff „museal“ im deutschen Sprachgebrauch nicht besonders positiv konnotiert sei: „Er bezeichnet Gegenstände, zu denen der Betrachter nicht mehr lebendig sich verhält und die selber aussterben“ (1977, 181). Um Besucher*innen zu einem freiwilligen Besuch zu bewegen, für den sie noch dazu regulär 9,80 Euro Eintritt bezahlen (DDR Museum Berlin GmbH, 2020) müssen die Betreiber*innen also entgegen Adornos These etwas bieten, das die Geschichte interessant und eben – um bei seiner Wortwahl zu bleiben – lebendig macht. Etwas, das sie zu jenen „Traumhäusern des Kollektivs“ werden lässt, die Walter Benjamin (1982, 513) in ihnen sah.
Tatsächlich scheint das Lebendig-Machen der Geschichte der oberste Anspruch des Museums zu sein, wie die beiden Geschäftsführer der DDR Museum Berlin GmbH im Vorwort des offiziellen Begleitbuchs erklären:
[W]ir nähern uns der Geschichte auf besondere Weise. Im DDR Museum steht die Lebenswirklichkeit der Menschen im Mittelpunkt. Unser Slogan ,Geschichte zum Anfassen‘ heißt nicht allein, dass der Besucher viele Exponate berühren kann, sondern vor allem, dass wir dicht am Alltag der Menschen bleiben – an einem Alltag freilich, der durch Ideologie, Gewaltandrohung und Unfreiheit geprägt war. Der Besucher kann und soll sich hier die Frage stellen: Wie hätte ich in einem autoritären System gelebt? Hätte ich die Fahne aus dem Fenster gehängt, um Ärger zu vermeiden? Hätte ich mich freiwillig zum dreijährigen Militärdienst verpflichtet, um einen Studienplatz zu bekommen? Hätte ich dem Druck der Stasi widerstanden? Welchen Unterschied gibt es zu meinem Leben heute?“ (Adelmann/von Godin 2017, 4).
Insbesondere die Umsetzung des Werbeslogans „Geschichte zum Anfassen“ wird im Zuge dieser Arbeit noch ausführlicher untersucht. Hinsichtlich der ästhetischen Gestaltung sowie der Auswahl von Themen und Objekten soll analysiert werden, welches Narrativ (vgl. Demantowsky 2018, 18ff.) in dem Museum vermittelt bzw. vorgegeben wird, um die von den Geschäftsführern aufgestellten Fragen zu beantworten.
2. Der „Trabbi“ im Mittelpunkt. Eine Analyse der Werbe- und Begleitmaterialien.
Wer eines der unzähligen Hostels in Berlin betritt, wird wahrscheinlich schon gleich im Eingangsbereich auf das DDR Museum aufmerksam, sofern er/sie den Besuch nicht ohnehin bereits in sein/ihr Sightseeing-Programm eingeplant haben sollte. Schließlich gibt es in den bekannten Tourist*innenunterkünften der Hauptstadt immer dieselben Stellwände mit sogenannten „Minicards“, die nicht größer sind als ein Personalausweis und in einem einheitlichen Layout über Sehenswürdigkeiten und Tourist*innenattraktionen in der Stadt informieren. Auf der Vorderseite steht neben Titel und Foto ein quadratisches Bild, das den Interessierten einen möglichst guten Eindruck von der beworbenen Einrichtung vermitteln soll. Darunter ein kleiner Slogan, der sie etwas näher beschreibt und sie möglichst von den anderen Sightseeing-Stationen abheben soll, welche ebenfalls mit einem Kärtchen auf der Stellwand präsent sind und gemeinsam um die Zeit – und das Geld – der Tourist*innen buhlen. Auf der Rückseite findet der/die Betrachter*in dann einen kleinen Lageplan sowie die Adresse und Öffnungszeiten.
Die Inhalte auf den „Minicards“ sind somit nahezu identisch wie die auf der Vorder- und Rückseite des offiziellen Flyers (Anhang 1). Auch hier sind auf der Vorderseite Logo, Slogan und ein Bild zu sehen, auf der Rückseite befinden sich die Adresse inklusive Lageplan, sowie Kontaktdaten, Öffnungszeiten und Verweise auf die offizielle Homepage sowie Social-Media-Kanäle.
Interessant ist die Auswahl des Fotos, das auf allen Werbematerialen als Hauptmotiv verwendet wird. Eine junge Frau sitzt in einem silbernen Trabant, der in dem Museum vor einer großen, weinroten Wand platziert ist. Die Fahrertür ist geöffnet, sodass der/die Betrachter*in das Auto von innen sehen kann. Wie zu erkennen ist, besteht die Windschutzscheibe aus einem Monitor, auf dem eine virtuelle Straße und graue Betonplatten erkennbar sind. Eine weitere Frau lehnt sich lachend und mit entspannter Körperhaltung über die geöffnete Beifahrertür und hält Blickkontakt mit der Frau, die vor dem Lenkrad sitzt.
Als zentrales Motiv für die Bewerbung des Museums wird also der „Trabbi“ ausgewählt. Der Simulator, mit dem die Museumsbesucher*innen eine virtuelle Fahrt über die Straßen in einem nicht näher definierten Ort der DDR machen können, begleitet von originalgetreuen Motorgeräuschen (vgl. Brock 2008, 110) des nach Angaben der Betreiber*innen „unangefochtene[n] Symbol[s] des DDR-Alltags“ (Marotz/Stieber/Wolle 2017, 23), wird als Hauptattraktion des Museums beworben.
Auch ein weiterer Blick in den achtseitig gefalteten Flyer macht vor allem deutlich, dass das Museum einen starken Fokus auf das Alltagsleben der Menschen in der DDR legt und dabei Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände in den Mittelpunkt rückt. Dass sich das Museum auch die kritische Auseinandersetzung mit der Stasi sowie der DDR als Unrechtsstaat zur Aufgabe gemacht hat – wie es die beiden Geschäftsführer in der Einleitung zum offiziellen Begleitbuch ausführlich beschreiben (vgl. Kapitel 1), wird beim Betrachten des Flyers nur in groben Ansätzen deutlich. Zwei Bilder zeigen die Nachbildung eines Abschnitts der Berliner Mauer mit einem Überwachungsturm bei Nacht bzw. einen Verhörraum, den man ohne die ins Bild gesetzte Beschreibung „Stasi“ auch für den Raum einer modernen Polizeiwache halten könnte. In den Texten werden diese beiden Bilder jedoch gar nicht weiter kontextualisiert. Stattdessen scheint man sich unter der Überschrift „Spielerisch Geschichte erleben – Zeitreise in den Sozialismus“ hier auf die übrigen Bilder zu beziehen, die beispielsweise Kinder im Grundschulalter zeigen, welche mit einem Telefon oder Radio spielen:
„Entdecken Sie einen längt vergangenen Staat und tauchen Sie dabei mit der ganzen Familie ein in die Geschichte der DDR. Wie sah das Leben im Sozialismus aus? Sie begeben sich in einer der interaktivsten Ausstellungen der Welt auf eine abwechslungsreiche Zeitreise: Alles wartet darauf angefasst und erlebt zu werden! Spielerisch, lehrreich und unterhaltsam erfahren Sie so die großen Geschichten und kleinen Details aus dem spannenden Alltag der DDR“ (Anhang 1).
Auch auf den weiteren Seiten werden als „Zeitzeugen der Geschichte“ zunächst ohne Kontext verschiedene Gegenstände abgebildet, zu denen neben dem Modell 1.1 des Trabanten auch die als „Schwalbe“ bekannte Simson KR 51/2, ein Krippenwagen, das Waschmittel „Spee“ oder ein blauer Eierbecher gehören. Mit weiteren Bildern, die erneut drei junge Frauen – von insgesamt zehn in dem Flyer abgebildeten jugendlichen oder erwachsenen Personen ist eine männlich – an einem Schreibtisch mit integrierten Touch-Displays, zwei in dem bereits auf der Vorderseite zu sehenden Trabant-Simulator sitzende Personen sowie eine junge Frau, die in einem der nachgebildeten Schlafzimmer steht und ein Selfie macht, zeigen, wird die „futuristische Ausstellungstechnik“ beworben, die den Betreiber*innen zufolge „einzigartig interaktiv“ ist:
„Im DDR Museum werden Sie selbst aktiv, nutzen alle Sinne und erleben weltweit einzigartige Medieninstallationen. Schlendern Sie durch eine authentische Plattenbauwohnung, probieren Sie dank dem digitalen Spiegel Kleidung an, machen Sie mit der ganzen Familie eine Spritztour in der weltweit einzigartigen Trabi-Fahrsimulation! Interaktive Spiele, futuristische Ausstellungstechnik und authentische Originale versetzen Groß und Klein in die sozialistische Vergangenheit“.
Das Werbematerial macht also die Intention der beiden Geschäftsführer deutlich, „auf spannende Exponate und Installationen, aber auch auf Interaktivität und Mitmachen“ (Adelmann/von Godin 2017, 4) zu setzen. Um Besucher*innen, die ihr Wissen über die DDR nur über den Geschichtsunterricht oder die Massenmedien bezogen haben, einen Mehrwert zu bieten, zeichnet sich das Museum durch „den unmittelbaren Kontakt mit dem originalen Gegenstand, mit dem authentischen Objekt“ (Korff/Roth 1990, 15) aus.
Das zentrale Objekt, mit dem das Museum die Aufmerksamkeit potenzieller Besucher*innen auf sich ziehen möchte ist dabei der „Trabbi“. Das wird nicht nur anhand der Flyer und Minicards deutlich, auf deren Vorderseiten er zu sehen ist, sondern auch an weiteren Werbeobjekten, die das Museum an zentralen Orten Berlins platziert. So steht beispielsweise am Straßenrand der Potsdamer Straße – direkt angrenzend an den Potsdamer Platz – ein Trabant-Nachbau, der mit Logo und Werbefotos des Museums bedruckt ist. Der „Trabbi“ dient somit vor allem als Kultobjekt, das bei dem Museumsbesucher*innen Emotionen hervorrufen soll (vgl. Pomian 1998, 51).
3. Warme Farben, schöne Atmosphäre. Zur ästhetischen Aufbereitung.
Über die ästhetische Dimension der Geschichtsdarstellung im Museum streiten Historiker*innen und Kurator*innen in Deutschland spätestens seit den 1970er Jahren, in denen Museen, vor allem historische, steigende Besucher*innenzahlen erreichten und es zu zahlreichen – oftmals politisch motivierten – Neueröffnungen von Museen kam (vgl. Urban 2009, 70). „Eine anschauliche und sinnenfällige Aufbereitung […] befördere allein die Unterhaltung, lasse aber die Belehrung und Aufklärung zu kurz kommen“, fassen Gottfried Korff und Martin Roth (1990, 26) die Bedenken zusammen.
Dabei ist die Wirkung der Gestaltung auf den Gesamteindruck und die Wahrnehmung des Museums durch die Besucher*innen nicht zu unterschätzen:
„Objekte, Abbildungen, Fotos, Dokumente usw. werden mit gestalterischen Mitteln räumlich angeordnet und über einen längeren Zeitraum oder sogar dauerhaft gezeigt. Dabei treten die Exponate zueinander in Relation, und es entstehen verschiedene Bezüge. Durch die Gestaltungselemente Form, Struktur, Farbe, Helligkeit Größe, Proportion, Dimension, Textur, Ton und Klang ergeben sich Raumwirkungen, die den Besucher_innen sinnliche Erlebnisse eröffnen. Diese Gestaltungsmöglichkeiten machen Angebote für Assoziationen, Bewertungen und Aussagen über das Ausstellungsthema“ (Holsten 2019, 124).
Welche Assoziationen und Bewertungen mag also die ästhetische Gestaltung des Museums bei den Gästen hervorrufen, sei es bewusst oder unbewusst?
Beim Betreten des Museums fällt zunächst auf, dass der große Ausstellungsraum, den man nach dem Eingang direkt betritt, durch zwei Farben dominiert wird: weiß und weinrot. Die Farben haben eine warme Wirkung und rufen eine „Wohlfühl-Atmosphäre“ hervor. Die Hauptbeleuchtung an der Decke ist stark gedimmt, sodass die Blicke der Betrachter*innen automatisch auf die angestrahlten Objekte und leuchtenden Monitore gerichtet werden.
Gestalterisch setzen die Macher*innen mit der Berliner Mauer auf ein zentrales Motiv, das sich durch die beiden großen Ausstellungshallen zieht und zugleich als Wegweiser dient. Denn obgleich ein Museum den Besucher*innen die Reihenfolge der Informationen anders als bei einem Buch nicht zwingend vorzugeben vermag, kann sie „mittels Raumgestaltung und Grafik Angebote für eine Strukturierung des Rundgangs machen“ (Holsten 2019, 137). Die Mauer erhält dabei ein modernes Design einem strahlenden Weißton. Als Element der Bedrückung oder Einschränkung wird sie daher nicht wahrgenommen.
Die moderne Optik sowie die insgesamt sehr warme und freundliche Farbgebung der Ausstellungshallen stehen somit auch im starken Kontrast zu KZ-Gedenkstätten, zu denen das DDR-Museum im Kampf um historisch interessierte Tourist*innen in Konkurrenz steht. In Berlin sind dies beispielsweise die Topographie des Terrors, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas und die Gedenkstätte Sachsenhausen.
Vergleicht man die ästhetische Aufbereitung des DDR Museums mit der von Museen und Gedenkstätten zum Nationalsozialismus, so fällt ein starker Kontrast auf. Während Erstgenanntes auf eine positive, warme Ästhetik in schöner Atmosphäre setzt, sind Museen und Erinnerungsorte an den Nationalsozialismus durch die Farbgebung „Grau in Grau“ (Hohenberger/Koch 2019, 6) gekennzeichnet, die vor allem die Funktion hat, den Eindruck von Authentizität zu fördern.
Neben den beiden großen Ausstellungshallen gelangen die Besucher*innen durch weitere Gänge in einzelne Räume, die jeweils nur durch eine schmale Tür betreten werden können und somit bewusst von den anderen Teilen der Ausstellung abgegrenzt werden. In diesen Räumen wird gänzlich auf eine eigene ästhetische Gestaltung verzichtet. Stattdessen werden beispielsweise ein Wohnzimmer, wie es für eine Familienwohnung in der DDR typisch gewesen sein soll, ein Schlafzimmer oder ein Raum eines Kindergartens nachgebaut. Auch zusätzliche Texttafeln fehlen in diesen Räumen nahezu gänzlich, was darauf schlussfolgern lässt, dass wissenschaftlichen Informationen zur historischen Einordung hier ein niedriger Stellenwert zugemessen wird (vgl. Holsten 2019, 137). Die Wirkung der Räume auf die Besucher*innen soll durch keine zusätzlichen Elemente beeinträchtigt werden – ihre Authentizität steht im Vordergrund (vgl. Korff/Roth 1990, 15). Das Museum setzt damit, wie Benz (2011a, 993) es ausdrückt, auf den „Wiedererkennungswert einer versunkenen Welt“.
4. Die DDR als interaktive Erlebniswelt. Zum Einsatz von Medien und Objekten im Museum.
Mit über 250.000 Objekten verfügt das Museum über eine der weltweit größten Sammlungen zur DDR-Geschichte (vgl. Adelmann/von Godin 2017, 5). Ebendiese Objekte sind es, welche die Faszination von Museen ausmachen. So wird in ihnen „versammelt, bewahrt und ausgestellt […], was in der Wirklichkeit außerhalb des Museums sich nicht mehr reproduziert wird“ (Lübbe 1983, 11). Korff und Roth (1990, 17) sprechen von einem Spannungsverhältnis, von dem die Präsentation und Inszenierung historischer Objektensembles in Museen und Ausstellungen ausgehe: „Dem Gegenstand zugleich nah und fern zu sein, in den Horizont einer anderen Zeit einzurücken und doch in der eigenen zu bleiben“ (ebd.).
Wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, ist die Berliner Mauer das zentrale Motiv, das die Besucher*innen durch das Museum leitet. In die Mauern integriert sind neben Vitrinen, in denen beispielsweise ein großflächiger mit Spielzeugfiguren nachgebauter FKK-Strand oder verpackte Speisen hinter Plexiglasscheiben platziert sind, auch unzählige Schranktüren und Schubladen. In den Schubladen verbergen sich entweder kleinere Ausstellungsobjekte oder Schrifttafeln, hinter den Türen zumeist beleuchtete Monitore. Wer in dem Museum etwas sehen möchte, kommt nicht umher, eine Schublade und Schranktür nach der anderen zu öffnen. Der Reiz, etwas zu öffnen und weitere Ausstellungsobjekte zu entdecken, ist dadurch omnipräsent.
Wer sich in eine Ecke der ersten Ausstellungshalle setzt und den Besucher*innen – gleich welchen Alters – bei ihrem Rundgang entlang der Mauer zusieht, macht interessante Beobachtungen. Die gesetzten Reize, Schubladen und Schränke zu öffnen, funktionieren bei nahezu allen. Bewundernswert ist aber die kurze Dauer, für die sie jeweils geöffnet sind. Oftmals vergehen keine fünf Sekunden, da ist die Lade wieder verschlossen. Die Zeit reicht nicht aus, um sich nur annähernd mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen und es zu reflektieren. Auch von den ohnehin kurzen Texten (vgl. Kapitel 5) lesen die meisten Besucher*innen offenbar maximal die Überschriften. Statt etwas über die dargestellten Objekte zu erfahren und das Alltagsleben in der DDR tatsächlich kennenzulernen, scheinen viele der Gäste in erster Linie das Ziel zu verfolgen, alle Laden und Schränke einmal eigenhändig geöffnet und wieder verschlossen zu haben.
„Für die Mehrheit der Besucher stehen […] weniger Fachinteresse und Bildungswille als Neugier und der Wunsch nach Unterhaltung und Zerstreuung im Vordergrund. Bezeichnenderweise verweilen daher die meisten Besucher oft nur wenige Sekunden vor den Exponaten. Sie sind bestrebt, während eines Besuches möglichst viele Objekte anzuschauen und richten ihre Aufmerksamkeit auf außergewöhnliche Reize, z.B. bewegte Objekte und akustische Effekte“ (Urban 2009, 79).
Auch Adorno beobachtete bereits das fehlende Bewusstsein von Museumsgästen über die eigene Intention des Besuchs: „Man wisse nicht, warum man gekommen sei: um sich Bildung zu holen, um Entzücken zu suchen oder um eine Pflicht zu erfüllen, einer Konvention nachzukommen“ (1977, 183).
Die Aufgabe des Museums ist es, Objekte nicht nur zu sammeln und auszustellen, sondern sie auch angemessen und geschickt zu kontextualisieren (vgl. Wirtz 2004, 503). Die Macher*innen des DDR Museums versuchen dies in Form von verschiedenen Themengebieten, nach denen die Objekte innerhalb des Museums geordnet werden. Je nach Umfang und Stellenwert des jeweiligen Themas sind diese weit oder auch kleinteilig gefasst. So stehen Themen wie „Wirtschaft“, „Wahlen“ und „Kirche“ andere Kategorien wie „Rockmusik“, „Kinderbücher“, „Mode“ und „Fernsehen“ gegenüber. Je mehr sich ein Thema dazu eignet, die Besucher*innen selbst etwas ausprobieren zu lassen, desto größer ist sein Stellenwert und der Umfang der ausgestellten Objekte im Museum.
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1 https://www.tripadvisor.de/Attraction_Review-g187323-d619185-Reviews-DDR_Museum-Berlin.html (20.07.2020)
2 https://www.holidaycheck.de/pr/bewertungen-ddr-museum-karl-liebknecht-str-1/b2b37ad4-f81a-3ae1-a160-f032d99774c4 (20.07.2020)