Jeder Anleger der sich für nachhaltige Investments interessiert, sieht sich mit dem Problem der Informationsbeschaffung konfrontiert. Während die wesentlichen finanziellen Kennzahl von den Unternehmen regelmäßig veröffentlicht werden, gestaltet sich die Suche nach extrafinanziellen Kennzahlen deutlich schwieriger.
In dieser Arbeit werden die verschiedenen Informationsquellen für nachhaltige Investments vorgestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen, mit dem Ziel, dem nachhaltigkeitsorientierten Anleger eine Hilfestellung für seinen Investmentprozess an die Hand zu geben und ihn auf bestehende Probleme in der Informationsbeschaffung hinzuweisen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Informationsquellen für nachhaltige Investments
2.1 Nachhaltigkeit in der Unternehmensberichterstattung
2.2 Nachhaltigkeitsratings
2.3 Gütesiegel für nachhaltige Geldanlagen
3 Probleme bei der Informationsbeschaffung
4 Fazit
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
BB Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BGBl. Bundesgesetzblatt
BIS Bank for International Settlements
bzw. beziehungsweise
CSR Corporate Social Responsibility
ESG Environmental, Social, Governance
FNG Forum Nachhaltige Geldanlagen
HGB Handelsgesetzbuch
Hrsg. Herausgeber
KMU kleine und mittlere Unternehmen
NKI Institut für nachhaltige Kapitalanlagen
PRI Principles for Responsible Investment
u. a. unter anderem
z. B. zum Beispiel
1 Einleitung
Jeder Anleger, der sich für nachhaltige Investments interessiert, sieht sich mit dem Problem der Informationsbeschaffung konfrontiert. Während die Informationen zu den finanziellen Kennzahlen von Unternehmen in regelmäßigen Abständen in einer durch die Rechnungslegung genormten Form veröffentlicht werden, gestaltet sich die Suche nach Informationen zu extrafinanziellen Kennzahlen deutlich schwieriger. Seit 2017 besteht zumindest für große Unternehmen eine Berichtspflicht1 zu extrafinanziellen Informationen, die in einem nichtfinanziellen Bericht dargestellt oder in den Lage- bzw. Konzernlagebericht integriert werden müssen. Allerdings ist man dabei noch weit von dem Standardisierungsgrad der finanziellen Informationen entfernt und kleinere Unternehmen sind von der Berichtspflicht zu extrafinanziellen Kennzahlen ausgenommen. Um diese Lücken zu schließen, existieren spezialisierte Nachhaltigkeitsratingagenturen, die durch die Vergabe ihrer Nachhaltigkeitsratings dem Anleger die Informationssuche erleichtern wollen. Der Nutzen dieser Nachhaltigkeitsratings hängt allerdings in großem Maße von den Kostenstrukturen und der Transparenz der dahinterstehenden Ratingagenturen ab.
Auch auf Produktebene ist es für nachhaltigkeitsorientierte Investoren schwierig, standardisierte und somit vergleichbare Information für fundierte Anlageentscheidungen im Bereich nachhaltiger Investments zu erhalten. Zwar existiert mittlerweile eine Vielzahl verschiedener Gütesiegel, doch ist es für den Anleger häufig schwer deren Bewertungskriterien nachzuvollziehen, um beurteilen zu können, ob sich sein Nachhaltigkeitsverständnis mit dem des Gütesiegels deckt.
In dieser Arbeit werden die verschiedenen Informationsquellen für nachhaltige Investments vorgestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen mit dem Ziel, dem nachhaltigkeitsorientierten Anleger eine Hilfestellung für seinen Investmentprozess an die Hand zugeben und ihn auf bestehende Problem in der Informationsbeschaffung hinzuweisen.
2 Informationsquellen für nachhaltige Investments
2.1 Nachhaltigkeit in der Unternehmensberichterstattung
Investoren, die ESG-Kriterien in ihrer Kapitalanlage berücksichtigen wollen, benötigen Informationen darüber, ob ein Emittent oder ein spezielles Produkt die entsprechenden Kriterien erfüllt. Hierzu kann auf Ratings von speziellen Nachhaltigkeits-Ratingagenturen zurückgegriffen werden sowie auf Gütesiegel für einzelne Anlageprodukte.2 Sofern sich ein Investor bei der Informationsbeschaffung nicht auf die Arbeit von Intermediären verlassen möchte, besteht zumeist die Möglichkeit, Informationen über die Nachhaltigkeitsleistung eines Emittenten direkt aus der Unternehmensberichterstattung zu erhalten. Entweder steht dem Investor hierzu ein separater Nachhaltigkeitsbericht zur Verfügung oder eine integrierte Berichterstattung (Integrated Reporting), in der ESG-Themen zusammen mit den finanziellen Kennzahlen und Entwicklungen berichtet werden.3 Durch ein integriertes Reporting soll die ganzheitliche Wertschöpfung eines Unternehmens in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt werden. Dahinter verbirgt sich zu einem großen Teil die Erkenntnis, dass ESG-Kriterien unabdingbar sind, um die Wertschöpfung eines Unternehmens darzustellen.4 Dieser Grundgedanke ist auch aus investitionstheoretischer Sicht interessant, bedeutet er doch im Umkehrschluss, dass ESG-Kriterien ebenso für Anlageentscheidungen unentbehrlich sind. Fundierte Investitionsentscheidungen, insbesondere im Bereich von Aktieninvestments, können schließlich nur durch ein umfassendes Verständnis für die Wertschöpfung eines Unternehmens getroffen werden. Ohne dieses Verständnis ist der Investor nicht in der Lage, die zukünftigen Zahlungsströme eines Unternehmens abzuschätzen und kann sich folglich keine begründete Meinung über die zukünftige finanzielle Entwicklung eines Unternehmens bilden.
Seit dem 01.01.2017 gilt durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz für deutsche kapitalmarktorientierte Unternehmen mit im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von mehr als 20 Mio. € oder Umsatzerlösen von mehr als 40 Mio. € eine Berichtspflicht5 über wesentliche Entwicklungen in den Bereichen Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Die Darstellung erfolgt entweder im Lage- bzw. Konzernlagebericht6 oder in einem gesonderten nichtfinanziellen Bericht.7 Dadurch stehen dem Investor grundsätzlich viele der zur Beurteilung der ESG-Performance benötigten Informationen zur Verfügung. Allerdings sagt dies noch nichts über die tatsächliche Qualität der Informationen aus. Eine Untersuchung der erstmaligen Umsetzung der nichtfinanziellen Erklärungen der DAX-30-Unternehmen ergab, dass in den meisten Berichten lediglich die formellen Mindestanforderungen erfüllt wurden. In den Bereichen inhaltliche Tiefe, Transparenz und kommunikativer Mehrwert bleiben die Unternehmen in ihren nichtfinanziellen Erklärungen überwiegend hinter ihren Möglichkeiten zurück.8 Dieser Zustand ist unbefriedigend, denn nachhaltigkeitsorientierte Investoren benötigen aussagekräftige ESG-Unternehmensdaten für ihren Entscheidungsprozess. Hierbei kann es sich aber durchaus um Anlaufschwierigkeiten handeln, die in den kommenden Jahren durch eine weiterführende Standardisierung behoben werden können. Mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex und der Global Reporting Initiative haben sich zwei Standards etabliert, die den Unternehmen Orientierungshilfen zur Umsetzung der nichtfinanziellen Berichtspflichten bieten und somit eine Verbesserung der Qualität und Vergleichbarkeit der Berichte vorantreiben. Allerdings fallen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nur etwas mehr als 500 deutsche Unternehmen unter den Geltungsbereich der CSR-Richtlinie.9 Von diesen etwas mehr als 500 Unternehmen sind wiederum fast die Hälfte Kreditinstitute und Versicherungen, insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken.10 Somit bleibt die Informationsbeschaffung zu ESG-Kriterien insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vorerst schwierig. Allerdings besteht eine begründete Hoffnung, dass die CSR-Richtlinie dazu führt, dass sich auch KMU künftig intensiver und transparenter mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzen. Insbesondere weil die von der CSR-Richtlinie betroffenen Unternehmen eine höhere Transparenz in ihrer Lieferkette anstreben und somit entsprechende soziale und ökologische Information auch von ihren mittelständischen Lieferanten fordern.11 Außerdem fanden Schaltegger/Qian in einer empirischen Studie heraus, dass die Verbesserung der Nachhaltigkeitsberichterstattung eines Unternehmens auch zu einer Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung im Zeitablauf12 führt. Sie begründen diese Erkenntnis damit, dass durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung dem Thema im Unternehmen mehr Bedeutung beigemessen wird und die Mitarbeiter dadurch sensibilisiert werden.13 Folglich kann die Erarbeitung eines Nachhaltigkeitsberichts einen ersten wirksamen organisationsinternen Ansatz zur Verbesserung der unternehmerischen Nachhaltigkeitsleistung darstellen, unabhängig davon wie viele Stakeholder sich im Nachhinein tatsächlich für den Bericht interessieren.14
Weiterhin könnte die Nachhaltigkeitsberichterstattung schon allein dadurch mehr Gewicht bekommen, wenn der Gesetzgeber in § 289b HGB nicht von einer „nichtfinanziellen Erklärung“ sprechen würde. Dieser Begriff ist irreführend und verharmlosend, denn ESG-Themen können erhebliche finanzielle Auswirkungen entfalten.15 Unter nachhaltigkeitsorientierten Investoren ist aus diesem Grund von „extrafinanziellen“ Informationen die Rede, wodurch ESG-Themen auch verbal eine größere Relevanz beigemessen wird.16
2.2 Nachhaltigkeitsratings
Investoren, die keine eigene Recherche betreiben möchten, können auf Informationsangebote von spezialisierten Nachhaltigkeits-Ratingagenturen17 zurückgreifen. Diese versuchen durch ihre, an entsprechenden Kriterien ausgerichtete, Analyse die ökologische und soziale Qualität eines Emittenten mithilfe einer verständlichen Bewertungsklassifizierung widerzuspiegeln.18 Ihre Daten beziehen diese spezialisierten Ratingagenturen einerseits aus öffentlich zugänglichen Informationsquellen wie den Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten, andererseits aber auch aus nicht öffentlichen Quellen. So erheben die meisten spezialisierten Nachhaltigkeits-Ratingagenturen zusätzliche Unternehmensinformationen durch individuelle Fragebögen und direkte Kontakte zu den Unternehmen.19 Neben der Zeitersparnis und komprimierten Darstellung liegt insbesondere in diesen nicht öffentlich zugänglichen Informationen der Mehrwert von Nachhaltigkeitsratings für den Anleger. Außerdem stellt die Bemessung der Nachhaltigkeitsleistung eines Emittenten sogar institutionelle Investoren vor große Herausforderungen, sodass private Anleger dies zumeist gar nicht bewerkstelligen können.20 Natürlich lassen sich die Nachhaltigkeits-Ratingagenturen diese Leistung vergüten. Ein entscheidender Unterschied zwischen diesen spezialisierten Ratingagenturen und ihren konventionellen Pendants, wie z. B. Standard and Poor’s oder Moody’s, ist aber der, dass Nachhaltigkeits-Ratingagenturen nicht im Auftrag der Emittenten, sondern im Auftrag der Investoren Ratings erstellen.21 Das verschafft ihnen ein höheres Maß an Unabhängigkeit, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass der Investor die Kosten der Rating-Erstellung zu tragen hat.22 Dabei stellt sich für ihn die Frage, welcher Ratingagentur er vertrauen soll, denn jede der Nachhaltigkeits-Ratingagenturen benutzt ein individuelles Bewertungskonzept. Folglich kommen einzelne Ratingagenturen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung eines Emittenten.23 Investoren sollten sich daher einen Überblick über die Vorgehensweise und Qualität der verschiedenen Bewertungsansätze verschaffen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Dafür ist es allerdings notwendig, dass die internen Bewertungsprozesse der Nachhaltigkeits-Ratingagenturen möglichst transparent dargestellt werden.24 Eine vollständige Transparenz über die internen Prozesse und Daten kann allerdings niemals erreicht werden, da die Ratingagenturen sonst ihr Geschäftsmodell konterkarieren würden. Außerdem muss sich der Investor im Vorfeld über seine eigene Definition von Nachhaltigkeit im Klaren sein, denn nur so kann er prüfen, ob eine Ratingagentur dasselbe Nachhaltigkeitsverständnis hat wie er.25 In verschiedenen Untersuchungen zum Nachhaltigkeitsverständnis von Ratingagenturen über die letzten Jahre wurde festgestellt, dass diese unterschiedlich umfangreiche und detaillierte Definitionen des Begriffs der Nachhaltigkeit verwenden.26 Deckt sich das Nachhaltigkeitsverständnis des Investors nicht mit dem der Nachhaltigkeits-Ratingagentur, läuft der Nutzen des Ratings für den Investor ins Leere.
Für den Finanzmarkt haben Nachhaltigkeits-Ratingagenturen eine wichtige übergeordnete Funktion. In ihrer Rolle als Informationsintermediäre bündeln sie die Nachhaltigkeitsinteressen der Investoren und tragen sie an die Unternehmen heran.27 Dadurch helfen Sie dabei Informationsnachfrage und -angebot besser aufeinander abzustimmen. Allerdings existiert bezogen auf Ratings ein ähnliches Problem, wie es schon zuvor im Rahmen der CSR-Richtlinie erläutert wurde. Ratingagenturen bewerten fortlaufend die Unternehmen aus den großen Indizes wie z. B. dem EuroStoxx 50.28 Demgegenüber ist das Informationsangebot zu kleinen und mittelständischen Unternehmen bisher sehr überschaubar.
2.3 Gütesiegel für nachhaltige Geldanlagen
Während sich Nachhaltigkeitsinformationen in der Unternehmensberichterstattung und Nachhaltigkeitsratings immer auf den Emittenten eines Wertpapiers beziehen, bieten Gütesiegel für nachhaltige Geldanlagen dem Investor Informationen über einzelne Anlageprodukte, insbesondere Investmentfonds.29 Aber auch in anderen Assetklassen, wie z. B. den Direktinvestments, gibt es Gütesiegel, die den Investor bei der Entscheidungsfindung unterstützen können. Da der Finanzmarkt mittlerweile eine Fülle ausdifferenzierter Anlageprodukte mit Nachhaltigkeitsfokus bereithält, können Gütesiegel ein wichtiges Informationsinstrument sein, um in den vielen Detailinformationen der Anlageprodukte nicht den Überblick zu verlieren. Gütesiegel, die eine Form der standardisierten Informationsaufbereitung darstellen, bündeln diese Detailinformationen und werden deswegen häufiger und früher zur Produktbeurteilung herangezogen als andere Informationsquellen.30 Im Gegensatz zu den meisten Ratings von speziellen Nachhaltigkeits-Ratingagenturen fallen für den Investor zunächst keine zusätzlichen Kosten für ein Gütesiegel an. Möchte ein nachhaltiger Fonds durch ein Gütesiegel zertifiziert werden, trägt die Fondsgesellschaft die jährlichen Kosten von, je nach Anbieter, bis zu 3.000 €.31 Allerdings ist davon auszugehen, dass sich die Fondsgesellschaft diese Kosten über die Fondsgebühren vom Anleger zurückholt, sodass dieser das Gütesiegel indirekt bezahlt. Die wesentliche Funktion eines Gütesiegels besteht letztlich darin, eine Entscheidungshilfe für den Investor zu sein, um Aspekte der Geldanlage einzuschätzen, die er selbst nicht bis ins Detail beurteilen kann oder will. Damit Gütesiegel diese Aufgabe erfüllen und somit eine zuverlässige Orientierung darstellen können, sind eindeutige Definitionen nötig. Das fängt bereits bei den Begrifflichkeiten an. Häufig wird neben dem Begriff des Gütesiegels auch von Prüf- oder Qualitätssiegeln gesprochen und der Investor darüber im Unklaren gelassen, ob sich hinter den Begriffen unterschiedliche Zielsetzungen und Verfahrensweisen verbergen.32 Weitere Gründe, durch die Gütesiegel mehr Verwirrung als Nutzen stiften können, sind: unklare Bedeutung/Aussage des Siegels, falsche/unzureichende Kriterienauswahl, zu komplizierte Siegelgestaltung, produkt- und bewertungsprozessbezogene Abgrenzungsproblematiken sowie das Vorhandensein einer zu großen Anzahl von Gütesiegeln am Markt.33 Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Gütesiegel durch ihre Signalwirkung den Eindruck vermitteln, die so gekennzeichneten nachhaltigen Anlageprodukte seien per se gut. Dadurch könnten Investoren geneigt sein, in die gekennzeichneten Produkte zu investieren, ohne sie einer weiteren Prüfung zu unterziehen. Investoren sollten jedoch wissen, dass Gütesiegel nur eine zusätzliche Informationsquelle auf Basis der dahinterstehenden Kriterien darstellen.34 Sie können den Informationsaufwand für den Investor reduzieren, dürfen aber nicht die einzige Informationsquelle für eine Investmententscheidung sein.
Trotz der genannten Schwächen stellen Gütesiegel eine überprüfbare, komprimierte Informationsquelle dar, die dabei helfen kann, das Vertrauen in nachhaltige Investments zu stärken, indem gewisse Standards garantiert werden. Dazu muss es sich um ein objektives Gütesiegel handeln, welches frei von Interessenkonflikten und monetären Anreizen vergeben werden kann. Um diese Neutralität zu gewährleisten, sollte eine staatliche Institution für die Vergabe zuständig sein.35 Dieser Meinung ist auch die Europäische Kommission und hat in ihrem „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ ausgeführt, dass sie ein EU-weites Kennzeichnungssystem für nachhaltige Finanzprodukte schaffen möchte. Allerdings wird dessen Entwicklung noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Eine Expertengruppe soll erste Untersuchungsergebnisse und Gestaltungsvorschläge bis zum 2. Quartal 2019 vorlegen.36 Hierbei handelt es sich definitiv um einen Schritt in die richtige Richtung. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob diesem positiven Ansatz auch konkrete Umsetzungen folgen.
3 Probleme bei der Informationsbeschaffung
Fragt man nach derzeitigen Problemen bei der Beschaffung von Nachhaltigkeitsinformationen zu Investitionszwecken, so werden u. a. folgende Faktoren genannt:
- Wissens- bzw. Kompetenzdefizit
- unzureichende Informationsmenge
- unzureichende Informationsqualität
- Analyseaufwand übersteigt den Nutzen37
Aus dem Aspekt des Wissens- bzw. Kompetenzdefizits lässt sich erkennen, dass die Probleme nicht nur auf Seiten des Informationsangebots zu finden sind, sondern vielen Investoren noch das nötige Know-how zur Nutzung von Nachhaltigkeitsinformationen für den Investmentprozess fehlt. Auch die Aussage, dass der Analyseaufwand den Nutzen übersteigt, kann mit dem noch fehlenden Know-how einiger Investoren in Verbindung gebracht werden, hängt aber ebenso mit den bereits beschriebenen Mängeln in der Bereitstellung von Nachhaltigkeitsinformationen zusammen. Versierte nachhaltigkeitsorientierte Investoren haben eher mit den Problemen einer unzureichenden Informationsmenge und -qualität zu kämpfen. Während viele Unternehmen mittlerweile umfangreiche und nützliche Informationen zu Arbeitnehmerbelangen und Umweltkennzahlen zur Verfügung stellen, ist es für Investoren immer noch schwierig, an Informationen zur Einhaltung von Menschenrechten sowie zu den Auswirkungen von Klimarisiken zu gelangen.38 Während sich die Unternehmen zur Offenlegung von Klimarisiken seit letztem Jahr an den Empfehlungen der TCFD39 orientieren können, stellt der Aufbau geeigneter Managementsysteme zur Achtung von Menschenrechten für die meisten Unternehmen eine Herausforderung dar.40 Des Weiteren sind nach der CSR-Richtlinie nur diejenigen Aspekte offenzulegen, die unmittelbar geschäftsrelevant sind.41 Hier ergeben sich speziell für große Konzerne Gestaltungsspielräume. So berichtet eine Arbeitsrechtsexpertin der internationalen Hilfsorganisation Oxfam, dass insbesondere Menschrechtsverletzungen oft keinen Einfluss auf die Geschäfte großer Unternehmen haben und folglich nicht berichtet werden.42 Ein weiteres Problem ist, dass die nichtfinanzielle Erklärung keiner inhaltlichen Prüfung unterzogen werden muss, sondern lediglich geprüft wird, ob diese vorgelegt wurde oder nicht.43 Hier besteht in nächster Zeit noch Handlungsbedarf, um Informationsnachfrage und -angebot ins Gleichgewicht zu bringen. Allgemein stellt die Messung der sozialen und ökologischen Leistung die Unternehmen weiterhin vor Herausforderungen. Die Bestimmung messbarer Indikatoren erfordert erhebliches Know-how, dass viele Unternehmen erst noch aufbauen müssen.44 Allerdings ist die Berichterstattung über die Nachhaltigkeitsleistung noch lange nicht so etabliert wie die rein finanzielle Berichterstattung. Mit der zunehmenden Bedeutung von ESG-Faktoren für den wirtschaftlichen Erfolg, wird sich auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung weiterentwickeln.
Betreiben Investoren keine eigene Recherche und verlassen sich allein auf Ratings und Gütesiegel, sehen sie sich stets mit dem Problem der Informationsaggregation konfrontiert. Wird die Vielzahl von Informationen, die zur Nachhaltigkeitsbewertung nötig ist, in einer einzigen Bewertungsziffer oder einem einzigen Bewertungssymbol ausgedrückt, besteht die Gefahr, dass relevante Einzelinformationen untergehen.45 Diese einzelnen Aspekte können aber für den Investor von besonderem Interesse sein. In der Konsequenz kann es somit unbewusst zu einer Investition entgegen der eigenen Wertvorstellungen kommen. Diesem Nachteil stehen die in Abschnitt 2.2 beschriebenen Vorteile sowie die durch Nachhaltigkeitsratings ermöglichte schnelle und einfache Vergleichbarkeit von Emittenten gegenüber. Während institutionelle Investoren entweder eine eigene Recherche auf Basis der Nachhaltigkeitsberichterstattung betreiben oder sich diese Leistung von spezialisierten Nachhaltigkeits-Ratingagenturen einkaufen, ist die Situation für Privatanleger problematischer. Aufgrund der geringen Investitionssummen lohnt sich für sie die Beauftragung einer Nachhaltigkeits-Ratingagentur nicht. Andererseits hat der Privatanleger meistens nicht das Wissen, die Zeit oder den Informationszugang, um eine eigene Recherche erfolgreich durchzuführen. Ihm bleibt häufig nichts Anderes übrig, als sich auf die zur Verfügung stehende Gütesiegel zu verlassen. Dabei besteht das Risiko, dass bei der Vergabe des Siegels monetäre Anreize eine wichtigere Rolle spielten als der Nachhaltigkeitsgedanke. Hieraus wird deutlich, wie hilfreich die Realisierung eines EU-weiten Kennzeichnungssystems für nachhaltige Finanzprodukte sein könnte, um das Vertrauen und die Verbreitung nachhaltiger Investments zu stärken.
[...]
1 Vgl. § 289b Abs. 1 HGB.
2 Vgl. FNG (2017), S. 9.
3 Vgl. Zinser/Bartuschka (2016), S. 70.
4 Vgl. Mayer (2017), S. 102.
5 Vgl. § 289b Abs. 1 HGB.
6 Vgl. § 289c Abs. 2 HGB.
7 Vgl. § 289b Abs. 3 HGB.
8 Vgl. Bergius (2018a), S. 9.
9 Vgl. Bergius (2018a), S. 9.
10 Vgl. Bayer/Hoffmann (2016), S. 5–6.
11 Vgl. Fifka (2015), S. 846.
12 Der gesamte Betrachtungszeitraum der Studie betrug fünf Jahre.
13 Vgl. Schaltegger/Qian (2018), S. 50.
14 Vgl. Schaltegger/Qian (2018), S. 51.
15 Vgl. Bergius (2018a), S. 10.
16 Vgl. Bergius (2018a), S. 10; Speich (2014), S. 211.
17 Zu den bekannteren spezialisierten Nachhaltigkeits-Ratingagenturen in Deutschland zählen „imug Rating“, „oekom research“ und „Sustainalytics“.
18 Vgl. Foltin (2014), S. 97.
19 Vgl. Oekom research AG (2013), S. 25.
20 Vgl. Foltin (2014), S. 97–98.
21 Vgl. Foltin/Gunkel/Jüttner/Nußbaumer (2015), S. 26.
22 Vgl. FNG (2017), S. 9.
23 Vgl. Oekom research AG (2017), S. 24.
24 Vgl. Foltin/Gunkel/Jüttner/Nußbaumer (2015), S. 27.
25 Vgl. Kopp (2016), S. 479.
26 Vgl. Foltin (2014), S. 97–98; Döpfner/Schneider (2012), S. 79; Schäfer/Beer/Zenker/Fernandes (2006), S. 16; Schäfer/Preller (2003), S. 37.
27 Vgl. Kopp (2016), S. 478.
28 Vgl. FNG (2017), S. 10.
29 Vgl. FNG (2017), S. 11; Foltin/Gunkel/Jüttner/Nußbaumer (2015), S. 46–54; Dort werden einige beispielhafte Gütesiegel für verschiedene Assetklassen aufgelistet.
30 Vgl. Oehler (2013), S. 46.
31 Vgl. NKI (2016), S. 3.
32 Vgl. Oehler (2013), S. 47.
33 Vgl. Oehler (2013), S. 46.
34 Vgl. Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (2016), S. 6.
35 Vgl. Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (2016), S. 6.
36 Vgl. Europäische Kommission (2018), S. 6.
37 Vgl. Frank/Fink/Albrecht/Bassen/Sump (2017), S. 10 (Fn. bezieht sich auf die gesamte Aufzählung).
38 Vgl. Bergius (2018a), S. 11.
39 Vgl. Lanfermann (2018), S. 491.
40 Vgl. Bergius (2018a), S. 11.
41 Vgl. § 289c Abs. 3 HGB.
42 Vgl. Bergius (2017), S. 12.
43 Vgl. § 317 Abs. 2 HGB.
44 Vgl. Fifka (2015), S. 839.
45 Vgl. Foltin (2014), S. 99.