In dieser Hausarbeit unternimmt die Autorin den Versuch, die Studie von Arend Lijphart auf die parlamentarische Republik Polen anzuwenden, da er diese nicht untersuchte.
Die parlamentarische Republik Polen ist zurzeit sehr präsent. In vielen Medien wird von einem Anschlag auf die Demokratie und einer Gefährdung derselben gesprochen. Zahlreiche Menschen gehen in Polen auf die Straße, um für den Erhalt der polnischen Demokratie zu demonstrieren. An dieser Stelle habe ich mir die Frage gestellt, was eine Demokratie auszeichnet und ob es ein festgelegtes Demokratie-Axiom gibt. Die wohl bekannteste Demokratiedefinition stammt von Abraham Lincoln, welcher in seiner berühmten Rede, der "Gettysburg Address" von 1863, die Demokratie folgendermaßen beschrieb: "Government of the people, by the people and for the people" (Grotz/Nohlen 2011: 83). In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, ob man Demokratien messen kann. Der niederländische Politikwissenschaftler Arend Lijphart hat ebendies in "Patterns of Democracy“ versucht. Demokratien lassen sich seiner Ansicht nach grundlegend in zwei Typen unterscheiden: Konsens- und Mehrheitsdemokratien.
Dementsprechend liegt der zeitlichen Rahmen dieser Hausarbeit auf die Jahre 1989 bis 2011 fest, da 1989 die erste demokratische Parlamentswahl der Dritten Polnischen Republik stattfand und bis 2011 die größtmögliche Breite an Daten verfügbar ist. Nachfolgend soll zunächst untersucht werden, was Arend Lijphart unter einer Konsens- und Mehrheitsdemokratie versteht und wie er diese versucht zu messen. Anschließend soll auf dieser Grundlage eine Untersuchung von Polen vorgenommen werden, um schlussendlich eine Einordnung des Demokratietyps vorzunehmen. Hinsichtlich dieser Gesichtspunkte ist das allgemeine Ziel dieser Hausarbeit, auf Grundlage von "Patterns of Democracy", den Demokratietyp von Polen zu bestimmen.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Einführung in die Studie von Arend Lijphart
2.1 Konsensdemokratien nach Lijphart
2.2 Mehrheitsdemokratien nach Lijphart
2.3 Unterscheidungskriterien von Konsens- und Mehrheitsdemokratien
3. Exekutive-Parteien-Dimension
3.1 Regierungszusammensetzung
3.2 Verhältnis zwischen der Exekutive und Legislative
3.3 Parteiensystem
3.4 Wahlsystem
3.5 Interessengruppensystem
4. Föderalismus-Unitarismus-Dimension bei Lijphart
4.1 Staatsaufbau
4.2 Kammersystem
4.3 Rigidität der Verfassung
4.4 Normenkontrolle durch das Verfassungsgericht
4.5 Unabhängigkeit der Zentralbank
5. Exekutive-Parteien Dimension Polens
5.1 Regierungszusammensetzung in Polen
5.2 Verhältnis zwischen der Exekutive und Legislative in Polen
5.3 Parteiensystem in Polen
5.4 Wahlsystem in Polen
5.5 Interessengruppensystem in Polen
6. Föderalismus-Unitarismus-Dimension Polens
6.1 Staatsaufbau in Polen
6.2 Kammersystem in Polen
6.3 Rigidität der Verfassung in Polen
6.4 Normenkontrolle durch das Verfassungsgericht in Polen
6.5 Unabhängigkeit der Zentralbank in Polen
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
9. Anhang
1. Einleitung
Die parlamentarische Republik Polen ist zurzeit sehr präsent. In vielen Medien wird von einem Anschlag auf die Demokratie und einer Gefährdung derselben gesprochen. Zahlreiche Menschen gehen in Polen auf die Straße, um für den Erhalt der polnischen Demokratie zu demonstrieren. An dieser Stelle habe ich mir die Frage gestellt, was eine Demokratie auszeichnet und ob es ein festgelegtes Demokratie-Axiom gibt. Die wohl bekannteste Demokratiedefinition stammt von Abraham Lincoln, welcher in seiner berühmten Rede, der „Gettysburg Address“ von 1863, die Demokratie folgendermaßen beschrieb: „Government of the people, by the people and for the people“ (Grotz/Nohlen 2011: 83). In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, ob man Demokratien messen kann. Der niederländische Politikwissenschaftler Arend Lijphart hat ebendies in „Patterns of Democracy“ versucht. Demokratien lassen sich seiner Ansicht nach grundlegend in zwei Typen unterscheiden: Konsens- und Mehrheitsdemokratien.
In dieser Hausarbeit möchte ich versuchen, die Studie von Arend Lijphart auf die parlamentarische Republik Polen anzuwenden, da er diese nicht untersuchte. Dementsprechend lege ich den zeitlichen Rahmen dieser Hausarbeit auf die Jahre 1989 bis 2011 fest, da 1989 die erste demokratische Parlamentswahl der Dritten Polnischen Republik stattfand und bis 2011 die größtmögliche Breite an Daten verfügbar ist. Nachfolgend soll zunächst untersucht werden, was Arend Lijphart unter einer Konsens- und Mehrheitsdemokratie versteht und wie er diese versucht zu messen. Anschließend soll auf dieser Grundlage eine Untersuchung von Polen vorgenommen werden, um schlussendlich eine Einordnung des Demokratietyps vorzunehmen. Hinsichtlich dieser Gesichtspunkte ist das allgemeine Ziel dieser Hausarbeit, auf Grundlage von „Patterns of Democracy“, den Demokratietyp von Polen zu bestimmen.
Aus den bereits angeführten Aspekten ergibt sich folgendes Hausarbeitsthema: Ist die parlamentarische Republik Polen eine Konsens- oder Mehrheitsdemokratie? Der Versuch einer Einordnung des Demokratietyps anhand Arend Lijpharts „Patterns of Democracy“.
2. Einführung in die Studie von Arend Lijphart
In „Patterns of Democracy. Government Forms and Performance in Thirty-Six Countries. Second Edition“ analysiert Arend Lijphart 36 Demokratien, die im Zeitraum zwischen 19451988 ihre erste demokratische Wahl abhielten und bis zum 30. Juni 2010 immer noch demokratisch waren (Lijphart 2012: 46). Bei der Beurteilung, ob es sich um eine Demokratie handelt, bezieht sich Lijphart auf Freedom House. Die 36 Länder der Studie wurden von Freedom House durchgehend als „free“ eingestuft, Ausnahme bilden hierbei Indien, Argentinien und Trinidad, welche vorübergehend als „partly free“ eingestuft wurden (Lijphart 2012: 48). Zudem führt er das Demokratieverständnis von Robert Alan Dahl an:
1. Freedom to form and join organizations; 2. Freedom of expression; 3. The right to vote; 4. Eligibility for public office; 5. The right of political leaders to complete for support and votes; 6. Alternative sources of information; 7. Free and fair elections; 8. Institutions for making government policies depend on votes and other expressions of preference.“ (Dahl 1971: 3, zitiert nach Democracies 1984: 2). Zur Untersuchung des Demokratietyps analysiert Arend Lijphart zehn Demokratiemerkmale. Hierbei nimmt er an, dass sich der Demokratietyp durch die Operationalisierung der zehn Merkmale messen lässt. Diese zehn Merkmale lassen sich indes in zwei Dimensionen unterteilen: Exekutive-ParteienDimension (Merkmal 1-5) und Föderalismus-Unitarismus-Dimension (Merkmal 6-10). Arend Lijphart differenziert zwischen den Demokratietypen Konsens- und Mehrheitsdemokratie und spricht beiden Formen eine bestimmte Ausprägung der zehn Merkmale zu, wodurch eine klare Einordnung ermöglicht werden soll (Lijphart 2012: 2-4).
2.1 Konsensdemokratien nach Lijphart
Als Konsensdemokratie wird eine Demokratie bezeichnet, bei der man den Dialog und Konsens sucht, statt die Machtausübung durch eine Mehrheit. Bei dieser Demokratieform wird Rücksicht auf die Meinung von Minderheiten genommen, um durch Verhandlungen und Kompromisse eine Übereinstimmung zu finden (Schubert/Klein 2011: 167). Als Voraussetzung für die politische Willensbildung und Entscheidungsfindung wird der Konsens angesehen (Schmidt 2010: 424). Lijphart bezeichnet die Schweiz, Belgien und die Europäische Union als besonders konsensdemokratisch (Lijphart 2012: 33-40).
2.2 Mehrheitsdemokratien nach Lijphart
Der Ausspruch „government by the majority of the people“ stellt die Quintessenz der Mehrheitsdemokratie dar (Lijphart 2012: 30). Bei einer Mehrheitsdemokratie stehen das Mehrheitsprinzip, Parteiwettbewerb sowie Pluralismus im Mittelpunkt (Schubert/Klein 2011: 168). Eine Mehrheitsdemokratie ist zudem durch „wenige niedrige institutionelle Sperren gegen die Mehrheit gekennzeichnet“ (Schmidt 2010: 494). Neuseeland, Großbritannien und Barbados werden von Lijphart als adäquate Beispiele für eine Mehrheitsdemokratie betitelt, genauer gesagt das Westministermodell (Lijphart 2012: 1026).
2.3 Unterscheidungskriterien von Konsens- und Mehrheitsdemokratien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Lijphart 2012: 3f).
3. Exekutive-Parteien-Dimension bei Lijphart
3.1 Regierungszusammensetzung
Die erste Variable der Exekutiven-Parteien-Dimension ist die Regierungszusammensetzung und somit die Unterscheidung zwischen einer Einparteienregierung und einer Koalitionsregierung. Sie wird als die wichtigste Unterscheidung zwischen der Konsens- und Mehrheitsdemokratie angesehen, da sie den Kontrast zwischen Machtkonzentration und Machtverteilung aufzeigt (Lijphart 2012: 60). In Bezug auf die Koalitionstheorie lassen sich drei Klassifikationen identifizieren: „minimal winning cabinets“, „oversized cabinets“, „undersized cabinets“. Hierbei ist anzumerken, dass eine Einparteienregierung, welche zugleich ein „minimal winning cabinet“ darstellt, eine perfekte Repräsentation der Mehrheitsdemokratie sei. Am anderen Ende des Spektrums steht eine Koalitionsregierung, welche „oversized“ ist und somit eine perfekte Konsensdemokratie repräsentiere (Lijphart 2012: 79f).
Zur Operationalisierung der Regierungszusammensetzung nutzt Lijphart den Mittelwert aus der Regierungsdauer während des untersuchten Zeitraums von Einparteienregierungen und „minimal winning cabinets“ in Prozent. Dabei erhält man einen Mittelwert, welcher sich zwischen 0% und 100% bewegt. Die Skalierung 0% entspricht einer Konsensdemokratie und die Skalierung 100% einer Mehrheitsdemokratie (Lijphart 2012: 99f).
3.2 Verhältnis zwischen der Exekutive und der Legislative
Zur Messung des Machtgleichgewichts zwischen der Exekutive und der Legislative nimmt Lijphart eine Auswertung der durchschnittlichen Kabinettslebensdauer in Monaten vor, welche er anschließend in Jahre umrechnet (Lijphart 1984: 83). Hierbei gibt es zwei Alternativen, um das Ende eines Kabinetts und den Beginn eines neuen Kabinetts zu bestimmen. Zum einen gilt ein Kabinett als erneuert, wenn sich die Parteizusammensetzung geändert hat. Zum anderen kann ein Kabinett als neu angesehen werden, wenn es Parlamentswahlen gab oder sich die Ministerpräsidentschaft geändert hat. Lijphart wendet beide Varianten getrennt an und berechnet anschließend den Mittelwert, wodurch der Index der Exekutiv-Dominanz entsteht (Lijphart 2012: 118-124). Die von Lijphart untersuchten Länder weisen Werte zwischen [1.00] und [9.90] auf, hierbei stehen niedrige Werte für eine Konsensdemokratie und hohe Werte für eine Mehrheitsdemokratie (Lijphart 2012: 120f).
3.3 Parteiensystem
Um ein eindeutiges Bild zu bekommen, wie viele Parteien wirklich effektiv im Parlament vertreten sind, nutzt Lijphart den Laakso/Taagepera-Index. Dieser Index berücksichtigt die Stärke einer Partei, wodurch die effektive Anzahl der parlamentarischen Parteien ermittelt werden kann. In diesem Zusammenhang muss jedoch beachtet werden, dass es Parteien gibt, die in sich fraktionell gespalten sind beziehungsweise Parteien, die sich so ähnlich sind und miteinander verbunden sind, dass sie auch als eine Partei fungieren könnten. In diesem Fall berechnet Lijphart den Index einmal mit einer Partei und einmal mit zwei Parteien als Wert, anschließend mittelt er das Ergebnis aus den beiden Rechnungen, um das Index-Endergebnis zu erhalten (Lijphart 2012: 63-67). Es wird zwischen Zweiparteiensystemen und Mehrparteiensystem unterschieden, hierbei entspricht der Wert von [2.0] einem eindeutigen Zweiparteiensystem und der Wert von [4.5] eindeutig einem Mehrparteiensystem (Lijphart 2012: 62).
Berechnung des Laakso/Taagepera-Index:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.4 Wahlsystem
In Demokratien unterscheidet man zwischen einem Verhältniswahlrecht und einem Mehrheitswahlrecht. Das Wahlsystem zeigt, in welchem Ausmaß die Gesamtheit der Wählerstimmen beachtet wird. Während im Verhältniswahlrecht auch prozentual geringe Wahlstimmen Beachtung finden, gilt beim Mehrheitswahlrecht „the winner takes it all“. Dieser Aspekt ist sehr wichtig zur Unterscheidung zwischen einer Konsens- und Mehrheitsdemokratie, da er die Berücksichtigung von Minderheiten aufzeigt (Lijphart 2012: 130). Zur Berechnung der Disproportionalität eines Wahlsystems nutzt Lijphart den „least squares index“ von Michael Gallagher. Hierbei ist anzumerken, dass „sonstige“ Parteien bei der Berechnung von Arend Lijphart nicht beachtet werden. Anzumerken ist zudem, dass Lijphart bereits zuvor das Wahlsystem der Länder kennt und er hierbei lediglich beurteilt, wie hoch die Disproportionalität letztendlich ist. Die von Lijphart untersuchten Länder haben bei einem Verhältniswahlrecht Werte von [1.21] bis [7.88] und bei einem Mehrheitswahlrecht Werte von [9.25] bis [21.97] (Lijphart 2012: 150f).
Berechnung der Disproportionalität eines Wahlsystems (Gallagher-Index):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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