Der Roman The Awakening von Kate Chopin handelt von der jungen Ehefrau und Mutter Edna Pontellier, die sich gegen die Zwänge der viktorianischen Gesellschaft auflehnt und ihr eigenes Glück und ihre Individualität in den Vordergrund stellt. Für die Leserschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts war der Inhalt ein Skandal. Das Buch wurde von Kritikern zerrissen und von der breiten Öffentlichkeit geschmäht. Die Protagonistin, offenkundig mehr vom Leben erwartend, als die ihr zugedachte Rolle es erlaubte, wurde als dumm und einfältig hingestellt, und Kate Chopin als ihre Schöpferin nicht minder Zielscheibe der Kritik. Mit der Tollkühnheit ihrer Protagonistin hatte Kate Chopin eine Grenze überschritten, die viele ihrer Zeitgenossen noch nicht zu überqueren bereit waren.
Die Brisanz des Werkes liegt meiner Meinung nach in der Tatsache, dass Kate Chopin neben der offensichtlich damals gesellschaftlich nicht vereinbaren Handlung der Protagonistin des Romans eine weitere, subtilere Kritik am bestehenden System übte, die nur bei genauerer Betrachtung einzelner Aspekte zu Tage tritt: Sie verwendete sowohl Bilder aus Grimms Märchen als auch aus der griechischen Mythologie, um die Aussage ihres Buches zu stützen. Diese Aussage gilt es zu definieren. Von der damaligen Leserschaft konnte Chopin sicher erwarten, dass sie die Anspielungen auf sowohl Märchen als auch Mythen verstehen würde, denn eine klassische Ausbildung war in bürgerlichen Kreisen üblich. Die vorliegende Arbeit stellt eine Untersuchung des Romans The Awakening auf mögliche Bezüge zu Grimms Märchen und griechischer Mythologie dar.
Der erste Teil der Arbeit wird den sozialhistorischen Hintergrund beleuchten, um herauszustellen, dass klare Parallelen von The Awakening zu Kate Chopins eigener Gesellschaft gezogen werden können. Es folgt der Hauptteil, der sich einigen Märchen im Besonderen und der Rolle der weiblichen Märchenheldin im Allgemeinen zuwendet. Dabei werden Analogien zu den weiblichen Romanfiguren hergestellt. Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen ausgewählte weibliche Figuren aus der griechischen Mythologie auf ihre mögliche Bedeutung für die Aussage des Romans untersucht werden. Dabei liegt der Fokus auf denjenigen Figuren, die sich der herrschenden Männerwelt entziehen oder gar widersetzen. Den Schlussteil der Arbeit bildet eine Untersuchung der Symbolik, die sich in Ednas Umgebung finden lässt, und durch die die Autorin einen weiblichen Kosmos zu kreieren scheint.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Gesellschaftsbild in den Südstaaten der USA des ausgehenden 19. Jahrhunderts
- Das Bild der true woman
- Die Entwicklung zur new woman
- Handlung und Rezeption des Romans
- Zwischen passiver Prinzessin und autonomer Göttin – die Frauenfiguren in The Awakening
- Weibliche Attribute aus Grimms Märchen in Bezug auf The Awakening
- Schlafende Schönheiten
- Hexe und weise Frau
- Ausgewählte Frauenfiguren aus der griechischen Mythologie und ihre mögliche Bedeutung für den Roman
- Analogien zu Göttinen
- Aphrodite
- Athene
- Artemis
- Die Furcht vor der Zauberin
- Hekate
- Medea
- Circe
- Medusa
- Ungehorsame Frauen
- Philomel
- Psyche
- Das Bild der guten und schlechten Ehefrau in der griechischen Mythologie und in The Awakening
- Edna und der Ehebruch in der griechischen Mythologie
- Adèle, die brave Ehefrau
- Analogien zu Göttinen
- Eine Umkehr der Geschlechter in The Awakening – Vermännlichung und Verweiblichung
- Dornröschen
- Ikarus
- Ein weiblicher Kosmos in The Awakening
- Die Insel
- Das Meer
- Der Mond
- Die Sonne
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse des Romans „The Awakening“ von Kate Chopin und untersucht darin die Verwendung mythologischer Bezüge, sowohl aus Grimms Märchen als auch aus der griechischen Mythologie. Der Fokus liegt auf der Frage, inwiefern diese mythologischen Figuren und Motive Chopins Gesellschaftskritik unterstreichen und die Situation der weiblichen Protagonistin Edna Pontellier im Kontext der viktorianischen Gesellschaft beleuchten.
- Die Darstellung der „true woman“ und der Entwicklung zur „new woman“ im viktorianischen Amerika
- Die Rolle von Mythologie und Märchen als Spiegelbild und Kommentar zu gesellschaftlichen Normen und Geschlechterrollen
- Die Interpretation von weiblichen Figuren in The Awakening im Kontext mythologischer Archetypen
- Die Analyse von Chopins Gebrauch mythologischer Motive, um die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung der weiblichen Protagonistin zu verdeutlichen
- Die Untersuchung der ambivalenten Darstellung von Weiblichkeit und Männlichkeit im Roman
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert den Roman „The Awakening“ als eine Kritik an den Zwängen der viktorianischen Gesellschaft, die Edna Pontellier, die weibliche Protagonistin, in ihrer Individualität und ihrem Streben nach Selbstverwirklichung einschränkt. Anschließend wird die Forschungsfrage formuliert, inwiefern mythologische Bezüge aus Grimms Märchen und der griechischen Mythologie die Aussage des Romans verstärken. Es wird darauf hingewiesen, dass diese beiden Bereiche als fiktive Welten dienen, die menschliche Handlungen und die patriarchalische Moral des viktorianischen Gesellschaftsbildes widerspiegeln.
Kapitel 2 betrachtet das Gesellschaftsbild in den Südstaaten der USA des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wobei es auf die Ideale der „true woman“ und die entstehende Figur der „new woman“ eingeht.
Kapitel 3 untersucht die Frauenfiguren in „The Awakening“ im Kontext von Grimms Märchen und der griechischen Mythologie. Hierbei werden weibliche Attribute wie die schlafende Schönheit, die Hexe und die weise Frau sowie die Analogien zu Göttinnen wie Aphrodite, Athene und Artemis analysiert. Des Weiteren wird die Furcht vor der Zauberin in Bezug auf Figuren wie Hekate, Medea, Circe und Medusa beleuchtet. Außerdem werden ungehorsame Frauenfiguren wie Philomel und Psyche in den Blick genommen. Im letzten Teil des Kapitels wird das Bild der guten und schlechten Ehefrau in der griechischen Mythologie und im Roman gegenübergestellt, wobei Edna und der Ehebruch sowie Adèle, die brave Ehefrau, in den Fokus geraten.
Kapitel 4 analysiert die Umkehr von Geschlechterrollen in „The Awakening“, indem es die Motive von Dornröschen und Ikarus in Bezug auf Edna Pontellier untersucht.
Kapitel 5 befasst sich mit dem weiblichen Kosmos in „The Awakening“, indem es die Symbole der Insel, das Meer, der Mond und die Sonne in ihrer Bedeutung für die Protagonistin und ihre Selbstfindung beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der mythologischen Bezüge in Kate Chopins Roman „The Awakening“. Im Zentrum stehen die Figuren und Motive aus Grimms Märchen und der griechischen Mythologie, die als Spiegelbild und Kommentar zu den gesellschaftlichen Normen und Geschlechterrollen des späten 19. Jahrhunderts dienen. Die Schlüsselthemen der Arbeit sind die Darstellung der „true woman“ und der „new woman“, die Analyse weiblicher Figuren im Licht mythologischer Archetypen und die Interpretation der ambivalenten Darstellung von Weiblichkeit und Männlichkeit im Roman.
- Weibliche Attribute aus Grimms Märchen in Bezug auf The Awakening
- Arbeit zitieren
- Mareike Kruse (Autor:in), 2007, Mythologische Bezüge in Kate Chopins Roman 'The Awakening', München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/90628