Schaut man in der heutigen Zeit in die Zeitungen oder politische Fachzeitschriften, so stößt man regelmäßig auf Artikel in denen es um den Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland geht. Als Schlagwörter hört man hier Begriffe wie: „Politikverflechtung“, „kooperativem Föderalismus“ oder „Pfadabhängigkeit“.
Zudem hört man vor allem aus Bayern immer wieder Forderungen nach mehr Wettbewerb zwischen den Ländern (vgl. Regierungserklärung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber vom 04.02. 1998: „Föderaler Wettbewerb: Deutschlands Stärke – Bayerns Chance). Alle diese Begriffe implizieren, dass sich der deutsche Föderalismus in eine Richtung entwickelt hat, die den Anforderungen der heutigen Zeit nicht mehr entspricht.
Diese Arbeit soll einen Überblick über die Entwicklung des deutschen Bundesstaates geben. Der Schwerpunkt soll hierbei auf der Entwicklung der föderativ gemeinten Kompetenzverteilungen und Finanzzuweisungen zwischen Bund und Ländern zu Beginn der Verfassung, hin zu unitarisch geprägten Strukturen sein. Es werden nur die unitarischen Tendenzen aufgegriffen, die man kennen muss um zu verstehen, warum Politiker seit den 80er Jahren eine Neuordnung des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland fordern.
Wir greifen also die Frage auf, ob eine Unitarisierung in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat, welche Gründe dies hatte und vor welche Probleme uns diese Entwicklung stellt.
Um dies zu erklären sollen in dieser Arbeit zunächst die wichtigsten Merkmale der deutschen Verfassung von 1949 dargestellt werden. Im Anschluss daran wird die Entwicklung der Gesetzgebungskompetenzen und die der Finanzverfassung beschrieben, die beide als Hauptverursacher der Entwicklung festgemacht wurden.
Im Anschluss daran sollen noch kurz die Rahmenbedingungen dargestellt werden, die zu diesen Entwicklungen geführt haben. Abschließend werden einige sich daraus ergebenden Folgen geschildert, die sich aus dieser Entwicklung ergaben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundzüge der Verfassung von 1949 und unitarische Weichenstellungen
3. Entwicklung, Interpretationen und Ausfüllung der Gesetzgebungskompetenzen
3.1.1 Konkurrierende Gesetzgebung
3.1.2 Rahmenkompetenzen des Bund
3.1.3 Gemeinschaftsaufgaben
4. Entwicklung und Interpretationen der Finanzverfassung
4.1 Aufgabenverteilung und Finanzierung
4.2 Entstehung der Verbundsteuern und des Finanzausgleichs
5. Ursachen der Entwicklung
6. Folgen der Entwicklungen
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Schaut man in der heutigen Zeit in die Zeitungen oder politische Fachzeitschriften, so stößt man regelmäßig auf Artikel in denen es um den Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland geht. Als Schlagwörter hört man hier Begriffe wie: „Politikverflechtung“, „kooperativem Föderalismus“ oder „Pfadabhängigkeit“.
Zudem hört man vor allem aus Bayern immer wieder Forderungen nach mehr Wettbewerb zwischen den Ländern (vgl. Regierungserklärung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber vom 04.02. 1998: „Föderaler Wettbewerb: Deutschlands Stärke – Bayerns Chance). Alle diese Begriffe implizieren, dass sich der deutsche Föderalismus in eine Richtung entwickelt hat, die den Anforderungen der heutigen Zeit nicht mehr entspricht.
Diese Arbeit soll einen Überblick über die Entwicklung des deutschen Bundesstaates geben. Der Schwerpunkt soll hierbei auf der Entwicklung der föderativ gemeinten Kompetenzverteilungen und Finanzzuweisungen zwischen Bund und Ländern zu Beginn der Verfassung, hin zu unitarisch geprägten Strukturen sein. Es werden nur die unitarischen Tendenzen aufgegriffen, die man kennen muss um zu verstehen, warum Politiker seit den 80er Jahren eine Neuordnung des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland fordern.
Wir greifen also die Frage auf, ob eine Unitarisierung in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat, welche Gründe dies hatte und vor welche Probleme uns diese Entwicklung stellt.
Um dies zu erklären sollen in dieser Arbeit zunächst die wichtigsten Merkmale der deutschen Verfassung von 1949 dargestellt werden. Im Anschluss daran wird die Entwicklung der Gesetzgebungskompetenzen und die der Finanzverfassung beschrieben, die beide als Hauptverursacher der Entwicklung festgemacht wurden.
Im Anschluss daran sollen noch kurz die Rahmenbedingungen dargestellt werden, die zu diesen Entwicklungen geführt haben. Abschließend werden einige sich daraus ergebenden Folgen geschildert, die sich aus dieser Entwicklung ergaben.
2. Grundzüge der Verfassung von 1949 und unitarische Weichenstellungen
Am 1. September 1948 traf sich der Parlamentarische Rat in Bonn um eine neue Verfassung für den westdeutschen Staat zu schaffen. Klar war, dass der neue Staat ein Bundesstaat sein würde, bestehend aus Bund und Ländern. Dies wurde von den westlichen Besatzungsmächten in den Frankfurter Dokumenten festgelegt. Die Ausrichtung jedoch wurde dort nicht festgehalten. Zunächst gab es 2 Modelle wie der zukünftige Bundesstaat aussehen konnte. Das erste Modell richtete sich nach amerikanischem Vorbild eines Bundesstaates, als ein Volk der Einzelstaaten. Dem gegenüber stand das deutsche Modell eines Bundesstaates der Regierungen. Dass das deutsche Modell sich schließlich durchsetzte ist vermutlich der Pfadabhängigkeit der deutschen Bevölkerung und den gewachsenen historischen Leitideen zuzuschreiben und kann so als „später Sieg Bismarcks“ gedeutet werden.
Bei der Ausgestaltung jedoch musste man sich auf Grund der Besatzungsmächte auf einen Kompromiss zwischen zentralistischem und eher dezentralistischem Bundesstaat einlassen (Benz s. 135-136). Es musste demnach ein Ausbalancieren von föderalen und unitarsichen Prinzipien stattfinden.
Das föderale Prinzip besagte, dass sich eigenständige, gleichberechtigte Länder freiwillig zusammenschließen um einen Handlungseinheit zu bilden.
Das unitarische Prinzip bezeichnete die Zentralisierung der Handlungseinheiten auf eine übergeordnete Instanz zur Gewährung von gleichen Lebensverhältnissen in einem Staat. Beide Prinzipien müssen vorhanden sein, damit man überhaupt von einem Bundesstaat sprechen kann. Nur durch die Akzentuierung der beiden Prinzipien und durch die angewandte Staatspraxis unterscheiden sich die Bundesstaaten (Isensee s. 147-148).
Die Merkmale des deutschen Föderalismus deuten auf den ersten Blick auf eine sehr föderative Ausrichtung hin, in der Regieren durch Kooperation, Machtteilung, Verhandlungen und Ausgleich geschehen soll. Dies ist auf ein starkes Einwirken Frankreich auf die Verfassung zurückzuführen, die einen wiedererstarkten deutschen Einheitsstaat fürchteten. Um dies zu verhindern, wurde die Unantastbarkeit der bundesstaatlichen Ordnung im Grundgesetz festgeschrieben. Laut Verfassung muss somit die Bundesrepublik Deutschland aus Zentralstaat und Gliedstaaten bestehen (Art. 79 Abs.3 GG) und (Art. 20 Abs. 1 GG).
Zudem wurde in der Verfassung von 1949 versucht eine starke Stellung der Länder zu gewährleisten. Die Länder sollten Staatsqualität besitzen und ihre Macht nicht vom Zentralstaat abhängig sein. Dies sollte durch eigenständige Rechte, eigenständige Herrschaftsbereiche und finanzielle Selbständigkeiten gesichert werden (Laufer S. 109.-111). Um diese Souveränität und Selbständigkeit zu gewährleisten, heißt es in Artikel 30 GG: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder“., außerdem besaßen sie Vorrang bei der sogenannten „Verwaltungshoheit“ (Art. 83 GG) , bekamen Gesetzgebungsbefugnisse bei fast allen Steuer, außer den Zöllen und den Finanzmonopolen (wenn auch nur in Konkurrenz zum Bund) (Bohley S. 39).
Auch im Finanzwesen wurde versucht den Ländern eigenständige Befugnisse, die zur Autonomie zwingen notwendig sind, zuzuteilen. Im Grundgesetz war auch hier eine Art Trennsystem vorgesehen, dass die Haushaltsautonomie der Länder (Art. 109) gewährleisten sollte. Hierzu wurde das Konnexitätsprinzip eingeführt. Dies besagte, dass derjenige der die Befugnisse besaß Regelungen zu treffen, auch für die Finanzierung dieser aufkommen. Damit die Länder dies eigenständig durchführen konnten, wurden auch die Einnahmequellen von Bund und Ländern getrennt. Dem Bund sollten die Zölle und der Großteil der Verbrauchssteuern, den Ländern die Steuern auf Einkommen, Vermögen, Erbschaft, die Kfz- Steuer, sowie weitere kleinere Steuern zufallen. (Abrounet. S. 43)
Auch in der Gesetzgebung wurden den Länder scheinbar ein großes Maß an Eigenverantwortung, Autonomie und Befugnissen zugesprochen. Dies kommt in Art. 70 GG Abs. 1 zum Tragen in dem es heißt : „Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“. Diese Formulierung besagte, dass grundsätzlich die Länder für die Gesetzgebung zuständig waren und der Bund nur in Ausnahmefällen agieren sollte.
Die Länder wurden durch den eingerichteten Bundesrat, in dem Abgeordnete der Länder saßen, an der konkurrierenden Gesetzgebung beteiligt. Dadurch sollte es den Ländern ermöglich werden an der Ausarbeitung bzw. Änderung von länderübergreifenden Gesetzen, die nicht von den Ländern selbst geregelt werden konnten, direkt mitzuwirken. Durch die sogenannte Bedürfnisklausel wurde zudem versucht einen zu großen Einfluss der Bundespolitik auf die Länder zu verhindern. In dieser wurde festgelegt, wann der Bund das Recht besitzt Gesetze für die Länder zu erlassen. So hieß es : (Art 72 Abs. 2 GG):
„Der Bund hat das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzliche Regelung besteht, weil:
1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann oder
2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder
3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert.“
Die Interpretation dieser Klausel sollte jedoch, wie wir später sehen werden, ein „Haupteinfallstor“ für die Auszehrung der Länderkompetenzen und die damit verbundenen Unitarisierung sein.
Außer diesem Recht des Bundes in die Landepolitik einzugreifen, wurden dem Bund eine große Zahl an Materien zugewiesen, für die dieser ausschließlich verantwortlich war und die nicht unter die konkurrierende Gesetzgebung sondern unter die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes fielen.
Die Gliederung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern nach Kompetenzarten und nicht nach Politikfeldern, führte dazu, dass eine starke Verflechtung von Bund und Ländern vorhanden war, die Kooperationen zwischen eben genannten zwingend erforderlich machte und damit dem Bundesrat, und damit den Ländervertretungen, eine starke Stellung zukommen lassen sollte.
Auf den ersten Blick gesehen, kann demnach zu dem Schluss gekommen werden, dass die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland von 1949 eine ausgewogenes Verhältnis zwischen zentralen und föderalen Elementen aufweist. Mit dem Mittel der Bundesratslösung, wurde den Ländern das Recht eingeräumt in vielen Gesetzgebungsprozessen mitzuwirken. Ziel dieser Aufteilung war es, einen Mittelweg zwischen Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Länder, unter Beibehaltung der individuellen Gegebenheiten einerseits, und andererseits eine solidarische Mitverantwortung der Länder untereinander zu gewährleisten ( Laufer, Müller. S.117- 127).
Die Entwicklung und Verlagerung der unitarischen und föderalen Elemente soll im folgenden Kapitel behandelt werden.
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- Arbeit zitieren
- Johannes Tiegel (Autor:in), 2006, Unitarisierungstendenzen in der Bundesrepublik Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/90581