Die Arbeit behandelt Rechtsfragen in Bezug auf die Bereitstellung eines Schiffes in vertragsgemäßem Zustand unter einem Zeitchartervertrag nach englischem und deutschem Recht (§ 559 HGB) unter Berücksichtigung eines Schiedsspruches des London Court of International Arbitration (London Arbitration 18/14; (2014) 910 LMLN 1). Dabei werden insbesondere die Geeignetheit ("fitness"), Seetüchtigkeit ("seaworthiness") und Bereitschaft ("readiness") eines Schiffes eingehend erläutert.
Im Rahmen eines Zeitchartervertrages verpflichtet sich der Vercharterer dem (Zeit-) Charterer ein Seeschiff mit Besatzung auf Zeit zu dessen wirtschaftlicher Verwendung zu überlassen. Die vom Vercharterer zur Verfügung gestellte Besatzung unterliegt grundsätzlich dessen technischen und nautischen Weisungen; ihn trifft die Verantwortlichkeit für die Führung und die sonstige Bedienung des Schiffes (vgl. § 561 II HGB, ähnlich z.B. Kl. 26 des NYPE 2015 Standardformulars). Über den Einsatz des Schiffes im wirtschaftlichen Sinne, mithin also die durchzuführenden Reisen, anzulaufenden Häfen und zu befördernden Güter, bestimmt hingegen der Charterer (§ 561 I 1 HGB, Klausel 8 NYPE 2015).
Gliederungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Auflistung zitierter Urteile
Gesetzesmaterialien
Gliederungsverzeichnis
Bearbeitung
A. Grundsätze der Zeitcharter
B. Der Einfluss des englischen Rechts
C. Der vertragsgemäße Zustand
I. Geeignetheit („fitness“)
1. Voraussetzungen der Geeignetheit
2. Grenzen der Geeignetheit
II. Seetüchtigkeit („seaworthiness“)
1. Voraussetzungen der Seetüchtigkeit
2. Paramount-Klausel (Clause Paramount)
a) Einfluss der Paramount-Klausel
b) Anwendung der gehörigen Sorgfalt („due diligence”)
c) Praktische Bedeutung
3. Grenzen der Seetüchtigkeit
4. Verhältnis zur Geeignetheit
III. Bereitschaft („readiness“)
1. Ladebereitschaft („readiness to load”)
2. Notice of Readiness (NoR)
3. Grenzen der Ladebereitschaft
IV. Einzelne Eigenschaften des Schiffes
V. Fazit
D. Beurteilung des vertragsgemäßen Zustandes
E. Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung
I. Zurückweisungsrecht („rejection“)
II. Kündigungsrecht („cancellation“)
F. Fallbeispiel: London Arbitration 18/14; (2014) 910 LMLN 1
I. Sachverhalt
II. Forderungen der Parteien
III. Schiedsspruch
IV. Fazit
G. Deutsches Recht
I. Einordnung des Zeitchartervertrages, § 557 ff. HGB
II. Der vertragsgemäße Zustand, § 559 HGB
H. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
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Auflistung zitierter Urteile
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Bearbeitung
A. Grundsätze der Zeitcharter
Im Rahmen eines Zeitchartervertrages verpflichtet sich der Vercharterer dem (Zeit-) Charterer ein Seeschiff mit Besatzung auf Zeit zu dessen wirtschaftlicher Verwendung zu überlassen. Die vom Vercharterer zur Verfügung gestellte Besatzung unterliegt grundsätzlich dessen technischen und nautischen Weisungen; ihn trifft die Verantwortlichkeit für die Führung und die sonstige Bedienung des Schiffes (vgl. § 561 II HGB, ähnlich z.B. Kl. 26 des NYPE 2015 Standardformulars). Über den Einsatz des Schiffes im wirtschaftlichen Sinne, mithin also die durchzuführenden Reisen, anzulaufenden Häfen und zu befördernden Güter, bestimmt hingegen der Charterer (§ 561 I 1 HGB, Klausel 8 NYPE 2015).1 Das Bereitstellen des Schiffes zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (§ 559 I HGB, Kl. 2 NYPE 2015) stellt eine der wichtigsten vertraglichen Pflichten des Vercharterers dar.2 Diese Seminararbeit befasst im Besonderen mit den Einzelheiten und der Konkretisierung des vertragsgemäßen Zustands.
B. Der Einfluss des englischen Rechts
Der Zeitchartervertrag entstammt ursprünglich dem englischen Recht, wie exemplarisch die bereits 1886 herausgegebene Publikation „Scrutton on Charterparties and Bills of Lading“ nahelegt. Auch das im Bereich der Zeitcharterverträge wohl bedeutsamste Werk von Wilford & Coughlin (Time Charters) bezieht sich auf die englische Rechtspraxis, deren Bedeutung nicht zuletzt auch durch die Verwendung von Standardformularen in englischer Sprache3 bei nahezu allen Vertragsabschlüssen im Bereich der Zeitcharterverträge zum Ausdruck kommt.4 Dementsprechend ist das Recht der Zeitcharter besonders durch das englische Common Law geprägt. Im englischen Sprachgebrauch wird der Zeitvercharterer in der Regel als „owner“ (Eigentümer) bezeichnet, obwohl dieser nicht zwingend der Eigentümer des Schiffes sein muss.5 Es wäre beispielsweise denkbar, dass der Charterer das gecharterte Schiff seinerseits auf Zeit oder für einzelne Reisen weiter verchartert. Der Zeitcharterer wird üblicherweise „charterer“ oder auch „merchant“ (Kaufmann) genannt, wobei letzterer Terminus zum Ausdruck bringt, dass es sich beim Zeitcharterer oftmals um eine nautisch unerfahrene, kaufmännisch tätige Person handelt.
C. Der vertragsgemäße Zustand
Der vertragsgemäße Zustand eines im Rahmen einer Zeitcharter vercharterten Seeschiffes („general condition“) im Zeitpunkt der Bereitstellung kann im internationalen Charterrecht anhand dreier verschiedener Begriffe konkretisiert werden. Dabei handelt es sich um die Geeignetheit („Fitness“), die Seetüchtigkeit („Seaworthiness“) sowie die Bereitschaft („Readiness“) des Schiffes. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Einzelaspekte des vertragsgemäßen Zustandes keinesfalls losgelöst voneinander betrachtet werden oder trennscharf voneinander abgegrenzt werden können. Vielmehr überschneiden sich die Begriffe vielfach, sodass sie stets als Gesamtheit im Kontext des übergeordneten vertragsgemäßen Zustands betrachtet werden sollten.
I. Geeignetheit („fitness“)
Der Begriff der „Fitness“ wird in den gebräuchlichen Standardformularen zumeist im Rahmen der Formulierung „The vessel on her delivery shall be [...] in every way fitted for ordinary cargo service“ verwendet.6 Darunter ist die Geeignetheit des Schiffes für den jeweiligen (im Rahmen der Charter Party vereinbarten) Einsatz zu verstehen.
1. Voraussetzungen der Geeignetheit
Um als geeignet angesehen werden zu können muss ein Schiff zunächst ordnungsgemäß ausgerüstet sein. Dazu muss es derart beschaffen sein, dass es den Gefahren standhalten kann, die aus Sicht des Vercharterers vernünftigerweise im Rahmen einer vom Charterer (rechtmäßig, d.h. im Rahmen der Charter Party) angeordneten Reise vorhersehbar sind. Zudem muss das Schiff zur Beförderung jeglicher vereinbarter Ladung geeignet und in Bezug auf die durchzuführenden Reisen in quantitativer sowie qualitativer Hinsicht, also nach Anzahl und Qualifikation der Crewmitglieder, ausreichend bemannt sein. Des Weiteren muss das Schiff in ausreichendem Maße das für technische und navigatorische Zwecke erforderliche Equipment für die sichere Durchführung der jeweils vereinbarten Reise und die ordnungsgemäße Verstauung der Ladung besitzen. Schließlich muss das Schiff neben der ordnungsgemäßen Ausrüstung auch die zur Durchführung der vereinbarten Reisen erforderlichen Bescheinigungen und Genehmigungen („certificates & authorizations“) erhalten haben bzw. die entsprechenden Dokumente bereithalten, die etwa zum Anlaufen eines bestimmten Hafens und dortigen Löschen der Ladung ohne unangemessene Störungen oder Verspätungen unabdingbar sind.7
2. Grenzen der Geeignetheit
Die Pflicht des Vercharterers, das Schiff in einem geeigneten Zustand bereitzustellen, kann bei lebensnaher Betrachtung keinesfalls grenzenlos sein bzw. einen absoluten Charakter besitzen (insbesondere dann, wenn sich die Weisungsbefugnis der Charterers auf eine Vielzahl verschiedener Häfen und unterschiedlicher Güter erstreckt), da er sodann in unangemessenem Umfang für den womöglich nicht vertragsgemäßen Zustand einzustehen hätte.8 Vielmehr muss der Begriff der „Geeignetheit“ recht allgemein ausleget werden. Demzufolge ist der Vercharterer nicht dazu verpflichtet jede Eventualität oder jeden möglichen Schadenseintritt bzw. jedes zufällig auftretende, den Zustand des Schiffes objektiv verschlechternde Ereignis vorherzusehen und für einen solchen Fall Ressourcen, d.h. die für die Behebung der eventuell auftretenden Schäden erforderlichen finanziellen und technischen Mittel, bereitzuhalten. Andernfalls wäre der Vercharterer womöglich konfligierenden bzw. sich widersprechenden Pflichten ausgesetzt, jeweils abhängig von den Weisungen des Charterers und den eventuell auftretenden Ereignissen, auf die abgestellt wird. Dementsprechend indiziert nicht jede Notwendigkeit Änderungen am Schiff vornehmen zu müssen unweigerlich eine anfängliche Ungeeignetheit des Schiffes.
II. Seetüchtigkeit („seaworthiness“)
Ein weiteres hervorzuhebendes Element9 des vertragsgemäßen Zustandes eines Schiffes im Zeitpunkt der Bereitstellung ist die Seetüchtigkeit, die bereits rein denklogisch zu Beginn jedes Seetransportes vorliegen muss, da ein solcher anderenfalls nicht durchführbar wäre bzw. andernfalls ein permanentes Totalverlustrisiko bestehen würde.
1. Voraussetzungen der Seetüchtigkeit
Grundvoraussetzung der Seetüchtigkeit ist die Widerstandsfähigkeit des Schiffes, seiner Ausrüstung und seiner Besatzung gegenüber den üblichen Gefahren der See.10 Darunter versteht man solche Gefahren, die gerade durch die besonderen Umstände einer Seebeförderung entstehen bzw. aus den speziellen Gegebenheiten der Meeresumwelt resultieren.11 Zu solch üblichen Gefahren der See gehören etwa Unwetter, Wellen, Wind und Schiffszusammenstöße sowie das mögliche Sinken oder Kentern des Schiffes. Neben der Widerstandsfähigkeit umfasst der Begriff der Seetüchtigkeit auch die Geeignetheit des Schiffes für den Transport der vereinbarten Güter (Ladungstüchtigkeit).12 Damit ist einerseits die Tauglichkeit der Laderäume zur Aufnahme der vereinbarten Ladung gemeint; sollte beispielweise im Rahmen einer Zeitcharter vereinbart worden sein, dass das vercharterte Schiff eine bestimmte Ladung in Form von 20ft ISO-Containern zu laden und transportieren hat, müssen die Laderäume dieses Schiffes derart beschaffen sein, dass in ihnen der entsprechende Containertyp ohne wesentliche Hindernisse und Sicherheitsrisiken verladen werden kann. Schließlich muss auch die Ausrüstung des Schiffes, insbesondere das zur Verstauung und Sicherung der Ladung (Verlaschung) während der Seereise erforderliche Equipment, zum Schutz der vereinbarten Ladung geeignet sein. Schon daraus wird ersichtlich, dass die Seetüchtigkeit als ein relativer Begriff zu betrachten ist und einzelfallabhängig konkretisiert werden muss, je nach Art des vercharterten Schiffes und der vereinbarten Ladung. Zur Bestimmung des erforderlichen Maßes an Seetüchtigkeit für die bevorstehende Reise ist stets auf die Sichtweise eines gewöhnlichen, fachkundigen und achtsamen Reeders bzw. Vercharterers abzustellen.13 Für den Fall, dass die Durchführung unmittelbar aufeinanderfolgender Reisen zwischen den Parteien vertraglich vereinbart worden ist (consecutive voyages), muss das Schiff zu Beginn jeder einzelnen Reise seetüchtig sein.14 Die Pflicht zur Herstellung der Seetüchtigkeit ist grundsätzlich keine (zwingende) Bedingung, deren Nichteinhaltung die andere Partei ohne weiteres zu einer Vertragsaufhebung berechtigen würde.15
2. Paramount-Klausel (Clause Paramount)
Die in der Praxis bei Zeitcharterverträgen üblicherweise verwendeten Standardformulare beinhalten nahezu alle eine sogenannte Paramount-Klausel, die eine Einbeziehung der Haag-Visby-Regeln (HVR) sowie des U.S. Carriage of Goods by Sea Act (COGSA; U.S. Code: Title 46, Appendix, Chapter 28, § 1300 ff.) anordnet.16 Die hier einschlägigen Regelungen finden sich in den wortgleichen Art. 3, § 1 HVR und Section 3 (1) U.S. COGSA: „The carrier shall be bound, before and at the beginning of the voyage, to exercise due diligence to (a) make the ship seaworthy; (b) properly man, equip and supply the ship; (c) make [...] all [...] parts of the ship in which goods are carried, fit and safe for their reception, carriage, and preservation.”
a) Einfluss der Paramount-Klausel
Aus dieser Regelung ergibt sich, dass der Vercharterer (hier „carrier“) zur Anwendung der „gehörigen Sorgfalt“ (due diligence) im Rahmen der Herstellung der Seetüchtigkeit des zeitvercharterten Schiffes verpflichtet ist. Diese Verpflichtung erstreckt sich auf den gesamten Zeitraum der Charter bis zum Beginn der ersten Reise des Schiffes in beladenem Zustand („before and at the beginning of the voyage“);17 18 Ergänzend zu dieser positiven Pflicht des Vercharterers konstituieren Art. 4, § 1 HVR bzw. Section 4 (1) U.S. COGSA einen Haftungsausschluss für Verluste oder Schäden, die aus einem Mangel an Seetüchtigkeit entstehen, es sei denn, dass der Mangel darauf beruht, dass der Vercharterer nicht die gehörige Sorgfalt (vgl. Art 3, § 1 HVR & Section 3 (1) U.S. COGSA) angewandt hat, um das Schiff seetüchtig zu machen. Daraus folgt, dass im Falle der Verwendung einer Paramount-Klausel die Pflicht des Vercharterers das Schiff in einem seetüchtigen Zustand bereitzustellen, keine absolute Pflicht ist, die in jedem Fall zu erfüllen wäre. Vielmehr ist ihr bereits dann genüge getan, wenn von Seiten des Vercharterers zur Herstellung der Seetüchtigkeit die gehörige Sorgfalt angewendet wurde. Allerdings kann der Vercharterer (auch bei Inkorporation der Haag-Visby-Regeln) dem Charterer das Schiff erst dann andienen bzw. ihm erst dann eine Mitteilung über die Ladebereitschaft des Schiffes zukommen lassen (Notice of Readiness (NoR), wenn die vereinbarte Beschaffenheit des Schiffes im konkreten Fall tatsächlich vorliegt. Da das Schiff erst nach Übersendung der NoR als bereitgestellt angesehen werden kann, steht dem Charterer auch bei Verwendung einer Paramount-Klausel für den Fall, dass der tatsächliche Zustand des Schiffes vom vertraglichen vereinbarten Zustand abweicht, ein Zurückweisungsrecht in Bezug auf das bereitgestellte Schiff sowie ein Kündigungsrecht bei Überschreitung der Frist, in der das Schiff im vereinbarten Zustand bereitgestellt werden muss („laycan“ – lay days and can celling), zu.19 Nach Art. 3, § 1 (b) HVR ist auch bezüglich des ordnungsgemäßen Bemannens und Ausrüstens des Schiffes gehörige Sorgfalt anzuwenden; zudem ist selbige nach Art. 3, § 1 (c) HVR auszuüben, um alle Bestandteile des vercharterten Schiffes, die zur Beförderung der vereinbarten Ladung verwendet werden, für den Empfang bzw. die Verladung, die eigentliche Beförderung und den Schutz bzw. die Erhaltung der Ladung geeignet und sicher zu machen.
b) Anwendung der gehörigen Sorgfalt („due diligence”)
Um die zur Herstellung der Seetüchtigkeit von Art 3, § 1 HVR geforderte gehörige Sorgfalt anzuwenden muss der Vercharterer alle Reparaturen und Inspektionen durchführen, die ein sachkundiger und umsichtiger Vercharterer ausführen würde. Jene Arbeiten sind zudem mit angemessener Fertigkeit bzw. Kompetenz und gebührender Umsicht auszuüben.20 Die Beschäftigung qualifizierter Arbeiter, die grundsätzlich die zur Durchführung der angefallenen Reparaturen erforderliche Fachkompetenz besitzen und sich in der Vergangenheit als zuverlässig erwiesen haben, ist regelmäßig nicht ausreichend, um den Anforderungen der gehörigen Sorgfalt zu genügen. Vielmehr kommt es auf die tatsächliche, ordnungsgemäße Ausführung der erforderlichen Reparaturmaßnahmen an. Ferner muss gehörige Sorgfalt von jeder Person, der ein Teil der Arbeit anvertraut wird, angewendet werden, sei es ein Angestellter des Vercharterers oder ein unabhängiger, vom Vercharterer beauftragter Unternehmer.21 Der Zeitraum, in dem der Vercharterer zur Anwendung der gehörigen Sorgfalt verpflichtet ist, beginnt in dem Zeitpunkt, in dem das Seeschiff in die Herrschaftssphäre des Vercharterers eingetreten ist, d.h. wenn er Eigentum oder Besitz an dem vercharterten Schiff erlangt. Selbstredend muss der Vercharterer nicht für jeden auftretenden Mangel am vercharterten Schiff einstehen bzw. haften, sondern nur für solche Mängel, die im Rahmen einer fachkundigen und sorgfältigen Untersuchung des Schiffes vernünftigerweise hätten entdeckt werden können oder erst durch nachlässige Ausführung von Reparaturarbeiten entstanden sind.22
c) Praktische Bedeutung
Auf den ersten Blick scheint die Einbeziehung von Art. 3, § 1 sowie Art. 4, § 1 der Haag-Visby-Regeln die Haftung des (Zeit-) Vercharterers in erheblichem Maße verringern. Allerdings besitzt die sogenannte Paramount-Klausel nur eine geringe praktische Bedeutung, da die Seeuntüchtigkeit eines Schiffes in den allermeisten Fällen darauf beruht, dass der Vercharterer gerade nicht die geforderte gehörige Sorgfalt angewendet hat. Versteckte Mängel, die der Vercharterer trotz Anwendung der gehörigen Sorgfalt tatsächlich nicht entdecken konnte, dürften in der Praxis eher selten auftreten.23
3. Grenzen der Seetüchtigkeit
Wie bereits obig beschrieben werden die an den Vercharterer gestellten Anforderungen in einigen Fällen schon durch die Verwendung einer Paramount-Klausel und die damit einhergehende Einbeziehung der Haag-Visby-Regeln in die Charter Party begrenzt. Die absolute Gewährleistung der Seetüchtigkeit wird im Rahmen der einschlägigen Art. 3, § 1 und Art 4, § 1 HVR dann durch eine Sorgfaltspflicht ersetzt (Anwendung der gehörigen Sorgfalt).24 Geringfügige bzw. unerhebliche oder gewohnheitsmäßig auftretende Ladungsschäden indizieren regelmäßig nicht die Seeuntüchtigkeit des vercharterten Schiffes, sodass die Haftung des Vercharterers dahingehend begrenzt ist25 Sobald jedoch das gesamte Schiff als solches, ausgelöst durch einen Defekt oder Mangel, gefährdet ist oder dadurch eine ernstliche Gefahrenlage hervorgerufen wird, die schwerwiegende Ladungsschäden nach sich ziehen könnte, ist das Schiff als seeuntüchtig anzusehen. Genauso verhält es sich, wenn tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit besteht in See zu stechen,26 einen bestimmten Hafen anzulaufen oder die vereinbarte Ladung zu laden bzw. zu löschen (z.B. durch Unzulänglichkeit oder Nichtvorliegen der für die Durchführung der Reise erforderlicher Dokumente oder Zertifikate).
4. Verhältnis zur Geeignetheit
Die Seetüchtigkeit ist als Grundvoraussetzung der Geeignetheit anzusehen; dementsprechend kann ein seeuntüchtiges Schiff niemals geeignet sein. Ein Schiff, das die Anforderungen der Geeignetheit nicht erfüllt, kann jedoch grundsätzlich durchaus seetüchtig sein. Die Ungeeignetheit beruht in diesem Fall auf anderen Faktoren.
III. Bereitschaft („readiness“)
Drittes Element des vertragsgemäßen Zustands im Zeitpunkt der Bereitstellung des Schiffes ist die Bereitschaft (engl. „readiness“). Diese Begrifflichkeit wird im Rahmen der geläufigen Standardformulare in zweifacher Hinsicht verwendet. Einerseits muss das Schiff zur Entgegennahme der beabsichtigten Ladung bereit sein („ready to receive the intended cargo“).27 Andererseits ist der Vercharterer verpflichtet dem Charterer die Ladebereitschaft („readiness to load”) des Schiffes durch Übermittlung der sog. „Notice of Readiness“ (NoR) mitzuteilen („The Owners shall give the Charterers and/or their local agents notice of delivery when the Vessel is in a position to come on hire“).28
1. Ladebereitschaft („readiness to load”)
Die tatsächliche Ladebereitschaft des vercharterten Schiffes hängt im Einzelfall von verschiedenen Faktoren ab. Entscheidend ist zunächst, ob das Schiff derart beschaffen ist, dass es die vertraglich vereinbarte Ladung aufzunehmen vermag; es müsste dementsprechend ladungstüchtig sein („cargoworthiness“). Zudem müsste sich das Schiff am vereinbarten Ladehafen bzw. Standort befinden. Des Weiteren müssten die zur Beförderung der Ladung benötigten Schiffsräume unbelegt und frei von jeglicher, ihre Brauchbarkeit in erheblichem Maße beeinträchtigender Kontaminierung sein. Voraussetzung der Ladebereitschaft ist schließlich auch, dass das zur sicheren und ordnungsgemäßen Verladung der vereinbarten Güter erforderliche Equipment (Ausrüstung) vorhanden und einsatzbereit ist.29 Die Ladungstüchtigkeit ist grundsätzlich stets dann zu bejahen, wenn das Schiff tatsächlich bereit ist den Anweisungen des Charterers Folge zu leisten und mit der anstehenden Verladung zu beginnen.30 Maßgeblich ist dabei, dass der Vercharterer dem Charterer die Kontrolle über jeden zur Verladung der Transportgüter zur Verfügung stehenden Teil des Schiffes gewährt.31 Zur Festlegung der Anzahl der vorhandenen Containerstellplätze oder des gesamten Ladevolumens ist stets auf die bauliche Kapazität des Schiffes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also auf die Beschreibung des Schiffs in der Charter Party abzustellen.32 Sollte der Charterer im ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt der Bereitstellung selber nicht bereit sein die ihm obliegenden Pflichten zu erfüllen (etwa das Laden und Löschen33 ), ist die vollständige Bereitschaft des Schiffes zu dieser Zeit nicht erforderlich. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Ladebereitschaft in dem Zeitpunkt, in dem der Charterer zur Beladung des Schiffes bereit ist, bestehen kann.34 Es besteht somit ein relatives Verhältnis zwischen der Bereitschaft des vercharterten Schiffes sowie der Bereitschaft des Charterers. Auch in rechtlicher Hinsicht muss das Seeschiff bereit sein; folglich muss es mit den im Einzelfall gegebenen Hafenvorschriften übereinstimmen und die zur Durchführung der Reise erforderlichen Dokumente der Zoll-, Einreise- und Gesundheitsbehörden erhalten haben und vorweisen können.35
2. Notice of Readiness (NoR)
Die Mitteilung der Ladebereitschaft („Notice of Readiness“) an den Charterer kann erst in dem Zeitpunkt erfolgen, in dem sich das Schiff im vertraglich vereinbarten Zustand und am vereinbarten Ort befindet. Bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen ist die NoR grundsätzlich als unwirksam anzusehen.36 Die Pflicht des Charterers zur Zahlung der „hire“ beginnt in diesem Fall erst dann zu laufen, wenn er die unwirksame Mitteilung der Ladebereitschaft (unwiderruflich) anerkennt bzw. trotz Kenntnis der Unwirksamkeit mit Lade- oder Löscharbeiten beginnt.37 Der Charterer ist erst dann zur Anerkennung der NoR verpflichtet, wenn das Schiff tatsächlich mit allen vertraglich vereinbarten Eigenschaften übereinstimmt und allen Anforderungen der im Einzelfall vereinbarten Reise entspricht.38 Dies gilt grundsätzlich auch bei Einbeziehung der Haag-Visby-Regeln bzw. des U.S. COGSA im Rahmen einer Paramount-Klausel.39 Die NoR ist im Grundsatz nicht formgebunden; sollte zwischen den Parteien Schriftform vereinbart worden sein, indiziert das bloße Laden oder Löschen nicht unweigerlich, dass von Seiten des Zeitcharterers in Bezug auf die noch ausstehende NoR auf die Schriftform verzichtet wird. Eine verfrüht übermittelte Mitteilung der Ladebereitschaft (d.h. vor Beginn der vereinbarten „laycan“) tritt regelmäßig am ersten Tag der „laycan“ in Kraft.
[...]
1 Herber, § 37, S. 381 f.
2 Stahl, S. 35 f.
3 z.B. NYPE 46/93/2015; BALTIME 1939, BOXTIME 2004
4 Rabe, TranspR 2010, 1
5 so auch Herber, § 37, S. 381
6 z.B. NYPE 93, Cl. 2, L. 34 f. & BALTIME, Cl. 1, L. 25 f.
7 “The Derby” 1985 2 Lloyd’s Rep. 325 (C.A.)
8 “The Derby” 1st instance 1985 1 Lloyd’s Rep. 635
9 zur Seetüchtigkeit: Liang, J.B.L. 2000, Jan, 1-35
10 “The Aquacharm” 1982 1 Lloyd’s Rep. 7
11 Shipping Law, S. 80
12 "Maori King" v. Hughes 1895 2 Q.B. 550
13 McFadden v. Blue Star Line 1905 1 K.B. 697; Carver on Bills of Lading, 9-014, S. 500
14 Scrutton, Art. 191, S. 359
15 Carver’s Carriage by Sea, S. 106
16 so etwa NYPE 93, Cl. 31 (a), L. 321 ff. & NYPE 2015, Cl. 33 (a), L. 530 ff.
17 “The Fjord Wind” 2000 2 Lloyd's Rep. 191
18 Aspects of Maritime Law – N. J. Margetson, 4.3.1, S. 60
19 Time Charters, 8.25, S. 163
20 Union of India v. N.V. Reederij Amsterdam 1963 2 Lloyd’s Rep. 223
21 “The Happy Ranger” 2006 EWHC 122, 2006 1 Lloyd's Rep. 649
22 “The Muncaster Castle” 1961 1 Lloyd’s Rep 57
23 Smith, Hogg v. Black Sea and Baltic General Insurance 1940 A.C. 9
24 Maritime Law, S. 126
25 M.D.C., Ltd. v. N.V. Zeevaart Maatschappij 1962 1 Lloyd's Rep. 180
26 “The Arianna” 1987 2 Lloyd’s Rep. 376
27 so etwa NYPE 2015, Cl. 2 (c), L. 45 f.
28 so NYPE 2015, Cl. 2 (d), L. 57 f.
29 zur “cargoworthiness”: Girvin, Carriage of Goods by Sea, Part VII, S. 451 f.
30 “The Tres Flores” 1973 2 Lloyd's Rep. 247 (C.A.)
31 Groves, Maclean v. Volkart (1884) C. & E. 309
32 Scrutton, Art. 88, S. 167 f.
33 siehe NYPE 2015, Cl. 8 (a), L. 133 ff.
34 “The Antclizo” (No. 2) 1991 2 Lloyd's Rep. 485
35 Girvin, Carriage of Goods by Sea, Part VII, S. 453
36 Time Charters, 8.34, S. 165
37 Scrutton, Art. 89, S. 170
38 Time Charters, 8.34, S. 165
39 siehe C.II.2.a)