Diese Arbeit schließt an das Seminar „Interessenverbände in der BRD und in Europa“ an und beschäftigt sich mit dem Vergleich des deutschen mit dem französischen Verbandssystem, wobei im speziellen die Arbeitgeberverbände in den beiden Staaten näher beleuchtet werden sollen.
Im ersten Teil wird die theoretische Grundlage geschaffen, bei der auf zwei wesentliche theoretische Konzepte der Verbändeforschung eingegangen wird. Im ersten Schritt wird der Pluralismus betrachtet, um dann die Entwicklungslinien nachzuzeichnen, die zur Entstehung des Konzepts des (Neo-) Korporatismus geführt haben. Es werden die wesentliche Merkmale der beiden Theorien herausgearbeitet, um eine Einordnung Deutschlands und Frankreichs ermöglichen zu können.
Im zweiten Teil der Arbeit folgt die Gegenüberstellung der Arbeitgeberverbände in Deutschland und Frankreich. Dazu werden im ersten Schritt die historischen Entwicklungen kursorisch nachgezeichnet, die zur der Entstehung des jeweiligen Verbandsystems geführt haben. Anhand dieser allgemeinen Entwicklung lassen sich Schlüsse auf das heutige Verbändesysteme der beiden Staaten ziehen. Die historische Entwicklung verdeutlicht die Ursachen, die dazu führten, dass die Einstellung der Bevölkerung gegenüber organisierten Interessen in beiden Staaten recht verschieden ist.
Im nächsten Schritt werden die Arbeitgeberverbände in Deutschland und Frankreich betrachtet. Anhand dieser und ihrer Funktion im politische System soll die Stellung der Verbände in der Gesellschaft beleuchtet werden.
Schließlich folgt die zusammenfassende Gegenüberstellung und die Einordnung der beiden Verbandsysteme.
Diese Arbeit soll einen Überblick geben über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier westeuropäischer Verbandsysteme. Mithilfe der historischen Einordnung und der theoretischen Basis soll gezeigt werden, dass sich die Verbandsysteme zweier großer Industrienationen wesentlich unterscheiden können.
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Theorie des Pluralismus
2.2 Theorie des Korporatismus
3. Die Entstehung und die rechtlichen Grundlagen für das Verbandsystem in Deutschland
3.1 Die Arbeitgeberverbände in Deutschland
3.2 Funktionen der Arbeitgeberverbände in Deutschland
4. Die Entstehung und die rechtlichen Grundlagen für das Verbandsystem in Frankreich
4.1 Die Arbeitgeberverbände in Frankreich
4.2 Funktionen der Arbeitgeberverbände in Frankreich
5. Gegenüberstellung
6. Literatur
1. Einleitung
Diese Arbeit schließt an das Seminar „Interessenverbände in der BRD und in Europa“ an und beschäftigt sich mit dem Vergleich des deutschen mit dem französischen Verbandssystem, wobei im speziellen die Arbeitgeberverbände in den beiden Staaten näher beleuchtet werden sollen.
Im ersten Teil wird die theoretische Grundlage geschaffen, bei der auf zwei wesentliche theoretische Konzepte der Verbändeforschung eingegangen wird. Im ersten Schritt wird der Pluralismus betrachtet, um dann die Entwicklungslinien nachzuzeichnen, die zur Entstehung des Konzepts des (Neo-) Korporatismus geführt haben. Es werden die wesentliche Merkmale der beiden Theorien herausgearbeitet, um eine Einordnung Deutschlands und Frankreichs ermöglichen zu können.
Im zweiten Teil der Arbeit folgt die Gegenüberstellung der Arbeitgeberverbände in Deutschland und Frankreich. Dazu werden im ersten Schritt die historischen Entwicklungen kursorisch nachgezeichnet, die zur der Entstehung des jeweiligen Verbandsystems geführt haben. Anhand dieser allgemeinen Entwicklung lassen sich Schlüsse auf das heutige Verbändesysteme der beiden Staaten ziehen. Die historische Entwicklung verdeutlicht die Ursachen, die dazu führten, dass die Einstellung der Bevölkerung gegenüber organisierten Interessen in beiden Staaten recht verschieden ist.
Im nächsten Schritt werden die Arbeitgeberverbände in Deutschland und Frankreich betrachtet. Anhand dieser und ihrer Funktion im politische System soll die Stellung der Verbände in der Gesellschaft beleuchtet werden.
Schließlich folgt die zusammenfassende Gegenüberstellung und die Einordnung der beiden Verbandsysteme.
Diese Arbeit soll einen Überblick geben über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier westeuropäischer Verbandsysteme. Mithilfe der historischen Einordnung und der theoretischen Basis soll gezeigt werden, dass sich die Verbandsysteme zweier großer Industrienationen wesentlich unterscheiden können.
2. Theoretische Grundlagen
In der Verbändeforschung gibt es zwei wesentliche theoretische Konzepte, die sich mit der Interessenvermittlung befassen: Korporatismus und Pluralismus. Oft werden diese beiden Begriffe als Dichotomie verstanden, als zwei Pole am jeweils anderen Ende einer Skala. Dass sich diese beiden Konzepte jedoch nicht grundsätzlich ausschließen diskutiert Reutter in seiner Arbeit über Korporatismustheorien (Vgl. Reutter 1991). Reutter stellt fest, dass „[…] auf pluralistischer Grundlage bereits eine Reihe von Punkten thematisiert [sind], die sich auch in korporatismustheoretischen Konzepten finden lassen“ (Reutter 1994: 180).
Das pluralismustheoretische Konzept war bis in die 70er Jahre vorherrschend und wurde von der aufkommenden Theorie des Korporatismus in den Hintergrund gestellt. Dieser Theorie unterstellte man, dass sie Fragen beantworten könne, die die pluralistische Theorie bisher nur vernachlässigen konnte (Vgl. Reutter 2001). Daher bot die Korporatismustheorie „[…] das analytische Instrumentarium, um Strukturen und Funktionsmechanismen von Verbänden und Verbändesystemen einzuordnen, deren reale Ausprägungen in westlichen Demokratien sich in den 70er und 80er Jahren immer mehr vom pluralistischen Ideal zu entfernen schienen“ (Reutter 2001: 11).
Im Laufe der Zeit fanden sich bei der Pluralismustheorie neue Stärken und bei der Korporatismustheorie Schwächen. Somit kann man konstatieren, dass „ sowohl Korporatismus- als auch Pluralismustheorien erhebliche theoretische Unschärfen und Inkonsistenzen [aufweisen]. Es lässt sich daher weder von der Korporatismus- noch von der Pluralismustheorie sprechen“ (Reutter 2001: 12).
Darüber hinaus ist festzustellen, dass sowohl die pluralistischen als auch die korporatistischen Theorien weiterentwickelt worden sind. Beispielsweise unterliegt das theoretische Konzept des Korporatismus durch gesellschaftliche Veränderungen, wie z. B. Globalisierung und Europäisierung, einer neuen Dynamik. Durch diese Veränderungen wechseln auch die nationalen Rahmenbedingungen, die für die korporatistische Interessenvermittlung wichtig sind (Vgl. Reutter 2001).
Empirisch lässt sich nachweisen, dass „[…] funktionale Interessenvermittlung weder eindeutig pluralistisch oder korporatistisch organisiert ist noch dass sich Nationen einem der beiden Typen zuordnen lassen“ (Reutter 1991: 187).
Im folgenden sollen die wichtigsten theoretischen Ansätze des Korporatismus und der Pluralismus vorgestellt werden. Im allgemeinen findet man in einem Staat Elemente beider Ansätze, jedoch in unterschiedlicher Stärke ausgeprägt.
2.1 Die Theorie des Pluralismus
Beim Pluralismus „[…] konkurrieren eine Vielzahl verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen mit- und gegeneinander um gesellschaftlich, wirtschaftliche und politische Macht.“ (Zentrale für politische Bildung). Dabei versuchten diese Gruppen - oder eben Organisationen - ihren Einfluss in den politischen Prozess einzubringen, um somit auf die staatliche Gewalt einzuwirken. Man unterscheidet dabei verschiedene intermediäre Gruppen, wie Parteien, Kirchen oder Gewerkschaften, die selbstständig und autonom ihre Ziele verfolgen und dabei jeweils gleichberechtigt sind (Vgl. ebd.). Aus dieser Gleichberechtigung resultiert, dass sich die Gruppen gegenseitig in ihrer Macht begrenzen und in der Praxis sich beispielsweise Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gegenüberstehen. Für die friedliche Konfliktaustragung zwischen den Gruppen ist das politische System verantwortlich, dass in Form des freiheitlichen Rechtsstaats den Ordnungsrahmen und die Regeln für den Konfliktaustrag bereit stellt (Vgl. ebd.). Da es in einem Land wie Deutschland u. a. eine Vielzahl an individuellen Vorstellungen und Meinungen gibt, bedarf es bestimmter Institutionen wie Verbände, in denen die Meinungen bebündelt werden können. Andernfalls wäre ein Funktionieren des politischen Systems nicht gewährleistest. Es würde an der Überlastung der eingebrachten Meinungen kollabieren.
Bei diesem Ansatz besitzen Interessengruppen lediglich Integrations- und Artikulationsfunktion. Die institutionalisierte Beteiligung der Verbände am politischen Entscheidungs- und Willensbildungsprozess wird weitgehend vernachlässigt (Vgl. Reutter 2001).
Die pluralistische Theorie ist nicht homogen und hat verschiedene Vertreter mit differierenden Interpretationen hervorgebracht.
In der amerikanischen Pluralismustheorie ist Truman einer der prägenden Denker. Truman stellt die These auf, dass Gruppen[1] der Angelpunkt des politischen Prozesses sind. Im Mittelpunkt von Trumans Konzept „[…] steht das Problem des Interessenausgleichs, der durch Mehrfachmitgliedschaften („Overlapping membership“) und durch die Berücksichtigung potentieller Interessen erreicht werden kann“ (Reutter 1991: 30).
Einen anderen Schwerpunkt setzt Mancur Olson, der die Logik und die Folgen kollektiven Handelns thematisiert und damit in der Tradition der „Neuen Politischen Ökonomie“ steht (Vgl. Reutter 1991). Olson bestreitet, dass sich alle Interessen in gleicher Weise organisieren lassen und zeigt, dass die Steigerung der „kollektiven Wohlfahrt“ von der Struktur der Organisation abhängt. So sei es beispielsweise für das einzelne Mitglied in großen Gruppen nicht rational, wenn es zur Bereitstellung des Kollektivguts beiträgt, da den erbrachten Kosten ein minimaler Nutzenzuwachs gegenüberstünde. Daher ist es wahrscheinlicher, dass kleine Gruppen Kollektivgüter zur Verfügung stellen, da der Nutzenzuwachs für die Mitglieder größer wäre (Vgl. Olson 1965/ 1968). Weitere einflussreiche Theoretiker, die die Pluralismustheorie geprägt haben sind u. a. Dahl und in der deutschen Diskussion Ernst Fraenkel.
Diese kurze Auswahl verdeutlicht, dass auch die Pluralismusansätze vielfältig sind und damit der Satz, dass es nicht die Pluralismustheorie gebe, bestätigt wird. Denn durch ökonomische, soziale, kulturelle und weltanschauliche Gruppen und Organisationen erfolgte eine Differenzierung und Erweiterung der politischen Ordnung und damit des Pluralismus (Vgl. Woyke 2003).
2.2 Der Korporatismus
In den 70er und 80er Jahren haben die Verbände einen privilegierten Zugang zur Politik erhalten und wurden systematisch in politische Entscheidungen miteinbezogen. Dies hat zu einem Perspektivwechsel geführt (Vgl. Glaeßner 2006). Schmitters Aufsatz „Still the Century of Corporatism?“ von 1974 und der Aufsatz „Consociationalism, Class Conflict and the New Corporatism“ von Lehmbruch im selben Jahr eröffneten die Diskussion über einen neuen Korporatismus (Vgl. Czada 1994).
Der pluralistische Wettbewerb geriet in den Hintergrund während Spitzenverbände der Interessenvertretung zunehmend in die politische Willensbildung einbezogen werden. Daher stammt auch der Begriff des (Neo-) Korporatismus, der die Einbindung („Inkorporierung“) von organisierten Interessen in Politik und ihre Teilhabe an der Formulierung und Ausführung von politischen Entscheidungen bezeichnet (Vgl. Voelzkow 2003). Man differenziert zwischen horizontalem und vertikalem Korporatismus. Der horizontale Korporatismus bezieht sich auf die verschiedenen Politikfelder. Die horizontale Differenzierung unterscheidet zwischen Mikro-, Meso- und Marokorporatismus. In Bezug auf das politisch-administrative System der BRD wäre dies die Unterteilung in national, regional und kommunal (Vgl. ebd.).
[...]
[1] Begriff „Gruppe“ Vgl. Truman 1951/ 1953: 33ff.
- Arbeit zitieren
- Franziska Hübsch (Autor:in), 2007, Vergleichende Analyse des Verbandsystems der BRD und Frankreich am Beispiel der Arbeitgeberverbände, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/87071