Die Osterweiterung der Europäischen Union wird die politische Architektur Europas grundlegend verändern. Bei der geplanten Erweiterung der EU um bis zu zwölf neue Staaten steht nicht weniger auf dem Spiel als eine bisher in der Geschichte nie da gewesene politische und ökonomische Einheit Europas. Mit einem Beitritt aller Kandidaten würde die Bevölkerung der EU um mehr als 105 Millionen Menschen zunehmen (Hall und Quaisser 2002, S. 4) und damit um mehr als ein Viertel anwachsen; die Zahl der Mitgliedsstaaten würde sich fast verdoppeln. Die Osterweiterung ist also die größte Herausforderung der EU in den kommenden Jahren.
Die Europäische Union führt seit Februar 2000 Beitrittsverhandlungen mit den Kandidaten Bulgarien, Zypern, Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Litauen, Lettland, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, Slowakei2 und bezeichnet die Osterweiterung inzwischen als "unumkehrbar" (Europäischer Rat von Göteborg, 2001, S.2). Die Bedingungen für eine Aufnahme sind in den Kopenhagener Kriterien von 1993 formuliert. Diese verlangen institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung von Menschenrechten und den Schutz von Minderheiten; außerdem müssen die neuen Mitglieder eine funktionierende Marktwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Fähigkeit zur Übernahme ihrer Verpflichtungen als Mitglieder nachweisen (Baldwin 1997, S. 73).
Die Verhandlungen zwischen der EU und den Kandidaten sollen bis Ende 2002 beendet sein. Im Juni 2002 waren je nach Bewerber elf bis 28 der insgesamt 31 Kapitel der bilateralen Verhandlungen vorläufig abgeschlossen (Beck 2002, S. 33). Auf dem Gipfel von Göteborg haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU das Ziel gesetzt, den neuen Mitgliedern 2004 die Teilnahme an den Wahlen zum Europaparlament zu ermöglichen. Die Nationalstaaten müssen die Beitrittsverträge zuvor ratifizieren. Ob dieser enge zeitliche Rahmen eingehalten werden kann, steht bisher nicht fest. Mit der Regierungskonferenz von Nizza (7.-9. Dezember 2000) hat die EU auch ihre Institutionen im Hinblick auf den Beitritt reformiert (Deutsche Bundesbank 2001, S.16).
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1 Die Abkürzungen der Länder sind dem EUROSTAT-Jahrbuch 2002 entnommen.
2 Die vorliegende Arbeit berücksichtigt aufgrund ihrer besonderen historischen und ökonomischen Gemeinsamkeiten lediglich die zehn mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL-10).
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG
- 1.1 Relevanz der Untersuchung
- 1.2 Fragestellung
- 1.3 Gang der Untersuchung
- 2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
- 2.1 Allokationseffekte durch den Außenhandel
- 2.1.1 Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modell
- 2.1.2 Wohlfahrtswirkung des Außenhandels (Theorie der Zollunion)
- 2.1.3 Wohlfahrtswirkung bei unvollständiger Konkurrenz und steigenden Skalenerträgen
- 2.2 Faktorbewegungen
- 2.2.1 Wohlfahrtswirkung der Migration
- 2.2.2 Wohlfahrtswirkung von Ausländischen Direktinvestitionen
- 2.3 Wachstumseffekte
- 2.4 Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse
- 3. AUSSENHANDEL
- 3.1 Bisheriger Außenhandel mit den MOEL
- 3.1.1 Politische Regulierung
- 3.1.2 Entwicklung und Relevanz des Außenhandels
- 3.2 Spezialisierungsmuster im Außenhandel
- 3.2.1 Analyse nach Faktorintensitäten
- 3.2.2 Analyse der Handelsstruktur (Intra-industrieller Handel)
- 3.3 Zukünftiges Außenhandelspotenzial
- 3.3.1 Beobachtung früherer Erweiterungen
- 3.3.2 Schätzungen durch Gravitationsmodelle
- 3.4 Wirkung auf Einkommen und Beschäftigung
- 3.5 Beurteilung der Außenhandelseffekte
- 4. AUSLÄNDISCHE DIREKTINVESTIONEN
- 4.1 Umfang der Direktinvestitionen in den MOEL
- 4.2 Bestimmungsfaktoren der Direktinvestitionen
- 4.2.1 Kostenmotiv versus Absatzmotiv
- 4.2.2 Politische, rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen
- 4.3 Regionale Agglomerationseffekte
- 4.4 Wirkung auf Einkommen und Beschäftigung
- 4.5 Beurteilung der Effekte durch ADI
- 5. MIGRATION
- 5.1 Entwicklung der Migration aus den MOEL
- 5.2 Determinanten der Migration aus den MOEL
- 5.2.1 Lohn- und Einkommensdifferenz
- 5.2.2 Erträge auf Humankapital
- 5.2.3 Asymmetrische Information und Netzwerke
- 5.2.4 Diskriminierung und Risikoaversion
- 5.3 Schätzungen der künftigen Migration
- 5.4 Wirkung auf Einkommen und Beschäftigung
- 5.5 Übergangsregelungen
- 5.6 Beurteilung der Immigrationseffekte
- 6. WACHSTUM
- 7. FISKALISCHE KOSTEN
- 7.1 Folgen der Osterweiterung für den Haushalt der Europäischen Union
- 7.2 Kosten des Beitritts nach der Agenda 2000
- 7.3 Finanzierung der Erweiterung bis 2006
- 7.3.1 Kosten der Erweiterung nach Beitragsquoten
- 7.3.2 Kosten durch Neuverteilung der Zuwendungen
- 7.4 Kosten der Erweiterung nach 2006
- 7.5 Beurteilung der fiskalischen Effekte
- 8. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit den Kosten und Nutzen der EU-Osterweiterung und analysiert deren Auswirkungen. Die Arbeit untersucht die wirtschaftlichen Folgen des Beitritts der mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) zur Europäischen Union, wobei der Schwerpunkt auf den Effekten des Außenhandels, der Ausländischen Direktinvestitionen (ADI), der Migration und des Wachstums liegt.
- Analyse der Allokationseffekte durch den Außenhandel, einschließlich der Auswirkungen des Heckscher-Ohlin-Samuelson-Modells und der Theorie der Zollunion.
- Bewertung der Wohlfahrtswirkungen von Faktorbewegungen, insbesondere Migration und Ausländischen Direktinvestitionen.
- Untersuchung der Wachstumseffekte der Osterweiterung auf die EU.
- Bewertung der fiskalischen Kosten der Osterweiterung für den Haushalt der Europäischen Union.
- Analyse der Auswirkungen der Osterweiterung auf Einkommen und Beschäftigung in den MOEL und der EU.
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in die Thematik ein und erläutert die Relevanz der Untersuchung, die Fragestellung und den Gang der Untersuchung. Kapitel 2 beleuchtet die theoretischen Grundlagen, die für die Analyse der Kosten und Nutzen der Osterweiterung relevant sind. Dabei werden die Allokationseffekte durch den Außenhandel, die Wohlfahrtswirkungen von Faktorbewegungen und die Wachstumseffekte der Integration untersucht.
Kapitel 3 analysiert den bisherigen Außenhandel zwischen den MOEL und der EU und untersucht die Spezialisierungsmuster sowie das zukünftige Außenhandelspotenzial. Die Auswirkungen des Außenhandels auf Einkommen und Beschäftigung werden ebenfalls bewertet.
Kapitel 4 betrachtet die Ausländischen Direktinvestitionen in den MOEL und untersucht deren Bestimmungsfaktoren, regionale Agglomerationseffekte und die Auswirkungen auf Einkommen und Beschäftigung.
Kapitel 5 befasst sich mit der Migration aus den MOEL in die EU, analysiert deren Determinanten, schätzt die künftige Migration und bewertet die Auswirkungen auf Einkommen und Beschäftigung in beiden Regionen.
Kapitel 6 untersucht die Wachstumseffekte der Osterweiterung und analysiert die Integrationseffekte auf die EU-15 und die MOEL.
Kapitel 7 analysiert die fiskalischen Kosten der Osterweiterung für den Haushalt der Europäischen Union.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselthemen EU-Osterweiterung, Kosten und Nutzen, Außenhandel, Ausländische Direktinvestitionen, Migration, Wachstum, Fiskalische Kosten, Allokationseffekte, Faktorbewegungen, Wohlfahrtswirkungen, Integrationseffekte, Einkommen und Beschäftigung.
- Quote paper
- Andreas Spannbauer (Author), 2002, Kosten und Nutzen der EU-Osterweiterung: Eine Analyse ihrer Wirkungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/8128