Einleitung in das Thema: Streitgespräche im Alltag und im Fernsehen
"Gegner glauben uns zu widerlegen, wenn sie ihre Meinung wiederholen und auf die unsrige nicht achten" , notierte schon Johann Wolfgang von Goethe zum Thema Streit. Streit ist etwas Alltägliches, jeder hat sofort eine persönliche Assoziation dazu.
Um einen Streit linguistisch zu untersuchen, bedarf es einer Audioaufnahme und eines davon angefertigten Transkripts. Da ein Streit immer spontan auftritt, lässt er sich schwer festhalten. Niemand wird sofort ein Aufnahmegerät zur Hand haben, um ihn aufzuzeichnen. Auch wenn es Linguisten in der Sprachforschung gelungen ist, Streitgespräche mittels Aufnahmegeräten festzuhalten und diese zu transkribieren, so fehlen doch in der Transkription die Emotionen, um den Streit im Nachhinein als Außenstehender nachvollziehen zu können.
Aus diesen Gründen habe ich es vorgezogen, ein Streitgespräch in der Talkshow „Menschen bei Maischberger“ zu analysieren.
Um sich dem Begriff „Streit“ jedoch erst einmal anzunähern, bedarf es einer Eingrenzung. Deshalb soll zunächst auf den Begriff „Streit“ eingegan-gen werden. Was bedeutet er? Ist das Wort „ Streit“ synonym für das Wort „Konflikt“?
Im weiteren Verlauf sollen folgende Fragen beantwortet werden: Wie entsteht ein Streit? Wer ist dafür verantwortlich, dass er eskaliert oder auch deeskalieren kann? Was unterscheidet das Streitgespräch von anderen Gesprächen?
Daran werden sich die Fragen anschließen, ob das Fernsehgespräch dem Alltagsgespräch gleichzusetzen ist und ob Macher von Talksendungen gerade daran interessiert sind, dass sich ihre Gäste untereinander Wortgefechte liefern? Lassen sich diese Streitereien vorhersehen oder werden sie gar von den Medien inszeniert? Im Folgenden werden die sprachlichen Auffälligkeiten des Streites anhand der Sendung vom 30.05.2006 „Menschen bei Maischberger“ mit dem Thema: “Freud ist schuld: Schluss mit dem Sexwahn?“ analysiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung in das Thema: Streitgespräche im Alltag und im Fernsehen
2. Bedeutung der Begriffe: „Streit“ und „Konflikt“ in der Linguistik
3. Die Unterschiede zwischen Streit- und Alltagsgesprächen
4. Spezifische Phänomene des Streitgesprächs
4.1 Eskalation und Deeskalation eines Streites
4.2 Streitbeendigung
5. Gesprächsbedingungen in Talkshows
6. Gesprächsanalyse der Talkshow „Menschen bei Maischberger“mit dem Thema: „Freud ist schuld: Schluss mit dem Sexwahn?“ vom 30.05.2006
6.1 Vorstellung der Gäste mit Sitztordung
6.2 Kurze Bemerkung zum Studioaufbau und zur Sitzordnung
7. Transkriptionspassagen der Sendung
7.1 Transkription mit Randbemerkungen zu spezifischen lingu-istischen Phänomenen des Streitgesprächs
7.2 Linguistische Analyse zu den spezifische Phänomenen des transkribierten Streitgesprächs
7.3 Transkription mit Randbemerkungen zu den Eskalations- und Deeskalationsphasen in einem Streitgespräch
7.4 Linguistische Analyse des Streitgesprächs zu den Es- und Deeskalationsphasen des transkribierten Streitgesprächs
7.5 Linguistische Analyse zu der Streitbeendigung des transkribierten Gesprächs
8. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung in das Thema: Streitgespräche im Alltag und im Fernsehen
"Gegner glauben uns zu widerlegen, wenn sie ihre Meinung wiederholen und auf die unsrige nicht achten"[1], notierte schon Johann Wolfgang von Goethe zum Thema Streit. Streit ist etwas Alltägliches, jeder hat sofort eine persönliche Assoziation dazu.
Um einen Streit linguistisch zu untersuchen, bedarf es einer Audioaufnahme und eines davon angefertigten Transkripts. Da ein Streit immer spontan auftritt, lässt er sich schwer festhalten. Niemand wird sofort ein Aufnahmegerät zur Hand haben, um ihn aufzuzeichnen. Auch wenn es Linguisten in der Sprachforschung gelungen ist, Streitgespräche mittels Aufnahmegeräten festzuhalten und diese zu transkribieren, so fehlen doch in der Transkription die Emotionen, um den Streit im Nachhinein als Außenstehender nachvollziehen zu können.
Aus diesen Gründen habe ich es vorgezogen, ein Streitgespräch in der Talkshow „Menschen bei Maischberger“ zu analysieren.
Um sich dem Begriff „Streit“ jedoch erst einmal anzunähern, bedarf es einer Eingrenzung. Deshalb soll zunächst auf den Begriff „Streit“ eingegangen werden. Was bedeutet er? Ist das Wort „ Streit“ synonym für das Wort „Konflikt“?
Im weiteren Verlauf sollen folgende Fragen beantwortet werden: Wie entsteht ein Streit? Wer ist dafür verantwortlich, dass er eskaliert oder auch deeskalieren kann? Was unterscheidet das Streitgespräch von anderen Gesprächen?
Daran werden sich die Fragen anschließen, ob das Fernsehgespräch dem Alltagsgespräch gleichzusetzen ist und ob Macher von Talksendungen gerade daran interessiert sind, dass sich ihre Gäste untereinander Wortgefechte liefern? Lassen sich diese Streitereien vorhersehen oder werden sie gar von den Medien inszeniert? Im Folgenden werde ich die sprachlichen Auffälligkeiten des Streites anhand der Sendung vom 30.05.2006 „Menschen bei Maischberger“ mit dem Thema: “Freud ist schuld: Schluss mit dem Sexwahn?“ analysieren.
Diese Gesprächsanalyse wird nur hinsichtlich der sprachlichen Auffälligkeiten eines Streitsgesprächs untersucht.
2. Bedeutung der Begriffe: „Streit“ und „Konflikt“ in der Linguistik
Die Begriffe „ Streit“ und „Konflikt“ werden in der Linguistik synonym gebraucht. Auch wenn Sprachwissenschaftler wie Apeltauer, Schwitalla, Schank und Kallmeyer[2] in ihren Definition zu den Begriffen „Streit“ und „Konflikt“ nur etwas voneinander divergieren, kann festgehalten werden, dass der Streit als eine verbale Form der Konfliktaustragung im interpersonalen Bereich verstanden wird, in welcher voneinander abweichende Standpunkte oder Problemsichtweisen in Bezug auf Sachverhalt, Handlung oder Verhalten mindestens eines Aktanten kontrovers diskutiert werden. Dieser emotionale Gesprächsstil ist häufig verbunden mit Imageverletzungen des Gegenübers . Konflikte können sowohl friedlich (kooperativ) als auch kontrovers (unkooperativ) gelöst oder behandelt werden. Sie werden unterschiedlich ausgetragen, es kann mit einer verbalen Auseinandersetzung anfangen und bis hin zur körperlichen Gewaltanwendung gehen. Im schlimmsten Fall wird ein Konflikt als Krieg ausgetragen.
3. Die Unterschiede zwischen Streit- und Alltagsgesprächen
Streitgespräche weisen eine Reihe spezifischer Merkmale auf, die sich von nicht konfliktären (alltäglichen) Gesprächen unterscheiden. Alle Merkmale leiten sich von einem Punkt ab: der Störung der kooperativen Basis. „Kooperativität ist eine grundlegende Voraussetzung für Verständigung im Gespräch und gegebenenfalls für eine positive Konfliktaustragung. Sie sichert die Nicht- Verletzung der Basisregeln des Gesprächs, insbesondere die Befolgung der Reziprozitätsforderung.“[3] Kooperativ sein heißt, sich verstehen wollen, sich gegenseitig guten Willen unterstellen, sich ernst zu nehmen, ein für beide Seiten positives Ziel erarbeiten wollen. Bei der linguistischen Analyse ist der Streit ein Gesprächstyp, der sich, wie andere verbale Interaktionen auch, durch Vorkommen und Fehlen ganz spezifischer Charakteristika auszeichnet.
4. Spezifische Phänomene des Streitgesprächs
Carmen Spiegel[4] hat folgende spezifische Phänomene des Streitgesprächs herausgearbeitet.
1. Die Interaktanten fallen sich wechselseitig ins Wort, es entstehen Redeüberlappungen bei der Eroberung der Sprecherrolle, bei Unterbrechungen und Unterbrechungsversuchen. Die starke Bezugnahme der Redebeiträge aufeinander ist auffallend.
2. Die explizite und die implizite Wiederaufnahme von Teilen der Vorgängeräußerung und der eigenen vorangegangenen Äußerung. Das heißt, es kommt zu Reformulierungshandlungen und zu Refokussierung des Streitthemas.
3. Sogenannte „tickets“ wie z. B. „ Weißte was“ oder „Hör mal“ dienen dazu, dem Sprecher das Rederecht weiter zu sichern und gleichzeitig den Gesprächspartner aufmerksamer und manchmal auch auf das Folgende neugierig zu machen. Diese Funktion gehört zur Ködertechnik. Aber auch die Hervorlockungstechnik gehört dazu, denn sie hat zum Ziel, den Hörer selbst aus der Reserve zu locken oder zu provozieren.
4. Unter Meinungs- und Positionsmarkierern werden Gesprächssegmente wie: „ich meine“ oder auch „finde ich nicht“ verstanden, sie vermitteln die subjektive Einstellung des Sprechers. Mit Nachdrucksmarkierern sind Ausdrücke wie: „ wirklich“ oder „ ehrlich“ gemeint. Damit will der Sprecher seiner Äußerung Nachdruck verleihen.
5. Eine weitere Technik, den Gesprächspartner in die Enge zu treiben, ist jede Art des Generalisierens. Dazu gehört das Neutralisieren oder Versachlichen von All- Aussagen. Formulierungen wie: „man“, „jeder“ „alle“, „keiner“ machen die Sätze unpersönlich und verbreiten den Anschein einer allgemeingültigen Aussage. Eine weitere Art des Generalisierens entsteht durch die Verwendung von Ausdrücken wie: „nie“, „immer“, „andauernd“ oder „alle“ und „jeder“, die eine Aussage verabsolutieren. Bei der Kollektivierung versucht der Sprecher mit dem Wort „wir“, den Hörer mit einzubeziehen und hat dadurch die Möglichkeit Fronten aufzubauen.
6. Eine weiteres linguistisches Phänomen im Streit ist die Imageverletzung, dazu gehört, dass der Angreifer sein Gegenüber diskriminiert oder nicht ernst nimmt. Z.B. „Sie sind ja auch eine Frau, das können Sie eben nicht verstehen.“
7. Auch die Anwendungen von Strategien gehört zum Streiten. Man kann sich dumm stellen oder gesagte Dinge überhören. Strategien können sich streitsteigernd oder auch streitentspannend auswirken.
Dies sind sicherlich nicht alle sprachlichen Charakteristika, die ein Streitgespräch ausmachen, den Anspruch erhebt Carmen Spiegel auch nicht, es ist eine Auswahl von zusammengetragenen Phänomenen, die Sprachwissenschaftler wie Goffman, Habermas, Holly, Kallmeyer, Sandig und Schank analysiert haben.
4.1 Eskalation und Deeskalation eines Streites
Findet während eines Gespräches eine Veränderung in Richtung Streit statt, so haben die Interaktanten mindestens zwei Möglichkeiten, verbal darauf zu reagieren. „Sie können den Streit deeskalieren lassen, indem sie entweder wechselseitig einlenken oder das Streitniveau steigern und den Streit stufenweise eskalieren lassen. Das Streitniveau wird von den Kontrahenten ratifiziert, gesteigert und wiederum ratifiziert, deshalb spricht man in der Linguistik von Eskalationsstufen.“[5] Diese sind meist schwer voneinander abzugrenzen, sie greifen häufig ineinander und die
Übergänge sind fließend. Häufig sind die Eskalationsstufen mit einem Sprecherwechsel verbunden. Eine Eskalation baut sich allem Anschein nach nicht kontinuierlich auf, sondern ist sprunghaft und mit Beruhigungsphasen durchsetzt.
Sprachliche Auffälligkeiten bei der Eskalation sind: „…eine auffallend laute oder leise Stimme, wechselseitige Unterbrechungen, paralleles Sprechen, Einwürfe, Verhaspeln und Formulierungsabbrüche, auffällig markierte Intonationen, der Gebrauch expressiver, meist negativ bewertungshaltiger Lexeme, An- und Übergriffe auf der Beziehungsebene, die Aggressivität signalisieren, Manifestation der Betroffenheit, Generalisierungen“.[6]
Auch wenn ein Streit sich in erster Linie durch die Eskalation manifestiert, wird er häufig unterbrochen von Beruhigungsphasen, also Phasen der Deeskalation. Grundsätzlich kann all das als Kennzeichen von Deeskalationsphasen gewertet werden, was von den Beteiligten als streitmindernd und –entspannend aufgefasst wird. Z.B. „Freundlichkeiten jeder Art, ruhigere Sprechweise, das Gegenüber aussprechen lassen, Pausen, positive Bestätigung des Interaktionspartners“[7] (Natürlich fallen auch den nonverbalen Äußerungsformen in der De- oder auch Eskalation eine bedeutende Rolle zu, jedoch werde ich diese außer Acht lassen, da sonst die Arbeit zu umfangreich würde.)
4.2 Streitbeendigung
Nach Schwitalla[8] gibt es drei Möglichkeiten der Streitbeendigung, wobei die Übergänge von einer Kategorie zur anderen fließend sind.
1. Bewusste Konfliktreduzierung durch Problembearbeitung.
2. Modalitätsveränderung in Richtung Streitentschärfung durch Ermüdung, Unlust und Ablenkung.
3. Abbruch des Streits durch (vorübergehenden) Abbruch der sozialen Beziehung.
[...]
[1] Goethe, Johann Wolfgang von. Sprüche in Prosa. Sämtliche Maxime und Reflexionen.
Sämtliche Werke (Hg. v. Friedmar Apel u.a.) Frankfurt/M. 1993. Bd. I:13, S. 81
[2] Spiegel, Carmen. Streit. Eine linguistische Untersuchung verbaler Interaktion in
alltäglichen Zusammenhängen. Tübingen 1995. S.19
[3] Schank, Gerd / Schwitalla, Johannes. Konflikte in Gesprächen. Tübin-
gen 1987. S.31
[4] Spiegel, Carmen. Streit. Eine linguistische Untersuchung verbaler Interaktion in
alltäglichen Zusammenhängen. Tübingen 1995. S.49-55
[5] Spiegel, Carmen. Streit. Eine linguistische Untersuchung verbaler Interaktion in
alltäglichen Zusammenhängen. Tübingen 1995. S.24
[6] Spiegel, Carmen. Streit. Eine linguistische Untersuchung verbaler Interaktion in
alltäglichen Zusammenhängen. Tübingen 1995. S.25
[7] ebd. S.26
[8] Schank, Gerd / Schwitalla, Johannes. Konflikte in Gesprächen. Tübingen 1987. S.163