George Grosz wurde am 26. Juli 1893 als Georg Ehrenfried Groß in Berlin geboren und ist der kritischste Zeichner Deutschlands in der Zeit von Beginn des ersten Weltkrieges bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges.
Die vorliegende Arbeit zeigt kurz die politische Situation während der Vorkriegs- und Kriegsjahre des ersten Weltkrieges und die künstlerische Entwicklung von Georg Grosz anhand seines Frühwerks in dieser Zeit. Vorwiegend wird aus seine Zeichnungen eingegangen, weil sie als Basis aller druckgraphischen Werke und Gemälde dienen. Sie sind die Quelle, aus der er schöpft, und aus der Zeit bis 1918 sind 41 erfaßt. Wenn auch in seinem Frühwerk keine politische Haltung formuliert ist, so zeigt doch seine frühe Beschäftigung mit dem Thema Mord seine Sensibilität für zukünftige Ereignisse. Der Massenmord an der Bevölkerung ist eine Erfahrung, die es vor dem Ersten Weltkrieg in diesen Ausmaßen nicht gegeben hat. Vorrangig wird anhand dieses Sujets sein Frühwerk erläutert, da sein Reifeprozeß an diesen Werken am deutlichsten erkennbar ist. Der Endpunkt der Betrachtung seines Frühwerks ist das Jahr 1918.
Inhalt
Einleitung
1 Dresden 1909 – 1911
2 Berlin 1912 – 1914
2.1 Das Mordmotiv
3 Die Kriegsjahre 1914 - 1918
3.1 Druckgraphik und Zeichnungen
3.2 Gemälde
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Einleitung
George Grosz wurde am 26. Juli 1893 als Georg Ehrenfried Groß in Berlin geboren und ist der kritischste Zeichner Deutschlands in der Zeit von Beginn des ersten Weltkrieges bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges.
Die vorliegende Arbeit zeigt kurz die politische Situation während der Vorkriegs- und Kriegsjahre des ersten Weltkrieges und die künstlerische Entwicklung von George Grosz anhand seines Frühwerks in dieser Zeit. Vorwiegend wird auf seine Zeichnungen eingegangen, weil sie als Basis aller druckgraphischen Werke und Gemälde dienen. Sie sind die Quelle, aus der er schöpft, und aus der Zeit bis 1918 sind 41 Skizzenbücher erfasst. Die wichtigen Gemälde aus dem Jahr 1917 „Großstadt“ (1916/17), „Explosion“ (1917), „Widmung an Oskar Panizza“ (1917) und „Deutschland ein Wintermärchen“ (1917/19) werden hier nicht behandelt, da diese Werke so umfangreich sind, dass sie den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden. George Grosz hat schon immer einen Hang zu außergewöhnlichen Themen gehabt. Wenn auch in seinem Frühwerk keine politische Haltung formuliert ist, so zeigt doch seine frühe Beschäftigung mit dem Thema Mord seine Sensibilität für zukünftige Ereignisse. Der Massenmord an der Bevölkerung ist eine Erfahrung, die es vor dem Ersten Weltkrieg in diesen Ausmaßen nicht gegeben hat. Vorrangig wir anhand dieses Sujets sein Frühwerk erläutert, da sein Reifeprozess an diesen Werken am deutlichsten erkennbar ist.
Da das Jahr 1918 als Endpunkt seines Frühwerks angesehen werden kann, möchte ich noch kurz den geschichtlichen Hintergrund erwähnen. November 1918 ist ein denkwürdiger Monat in der Deutschen Geschichte. Es war klar, dass der Krieg längst verloren war, und am 3. November widersetzten sich die Matrosen in Kiel und Wilhelmshaven dem Befehl, zum Angriff gegen die englische Flotte auszulaufen. In kürzester Zeit entstand aus der Meuterei eine Massenbewegung, Soldatenräte bildeten sich, denen sich auch Arbeiter anschlossen. Am 7.11. 1918 verlangten die sozialdemokratischen Mitglieder des Kabinetts Max von Baden den Rücktritt des Kaisers, am 9.11.1918 verkündete der Reichskanzler eigenmächtig den Rücktritt des Kaisers, Philipp Scheidemann rief die Deutsche Republik aus und Karl Liebknecht die Sozialistische. Am 10.11.1918 begibt sich der Kaiser ins Exil und verzichtet am 28.11.1918 endgültig auf den Thron. Das Wahlalter der Männer wurde herabgesenkt und Frauen erhielten erstmals das Wahlrecht.
1918 tritt Grosz der Kommunistischen Partei Deutschlands bei. 1919 – 1932 unternimmt er Reisen in die Sowjetunion, Frankreich und Amerika. Aufgrund seiner Veröffentlichungen und Ausstellungen ist er in mehrere Gerichtsprozesse verwickelt. 1933 siedelt er in die USA über. 1938 wird er amerikanischer Staatsbürger. 1959 kehrt er nach Westberlin zurück und stirbt dort am 6. Juli.[1]
1 Dresden 1909 – 1911
1909 begann Grosz sein Studium an der Königlichen Akademie in Dresden. Deutschland war ein Kaiserreich und der Moralkodex der Wilhelminischen Ära war überall zu spüren. Grosz besuchte die Gipsklasse und musste dort auf großen Papierrahmen die antiken klassischen Hellenenplastiken in Wischkreide lebensgroß abzeichnen. Seine Lehrer waren Johannes Raphael Wehle, der Komposition unterrichtete, Professor Robert Sterl und Richard Müller.[2]Über seine dortige Ausbildung schrieb er: „Ich trat morgens frühzeitig an und arbeitete den ganzen Vormittag. (...) Man sah keinen rechten Sinn dahinter; die abgewogene, normale Schönheit, der klassische Proportionsstil, den diese griechischen Figuren verkörperten, wurden nicht erklärt und blieb uns somit verschlossen. (...) Was mich betraf, so wollte ich Maler werden, ..., ein Genremaler wie Grützner.“ Da ihm seine Dresdner Ausbildung keine besonderen Anregungen bot und sein Professor zudem auch zeitgenössische Kunst ablehnte, mußte er durch viel Eigeninitiative seinen Stil finden.[3]Er begann in seiner Freizeit mit dem Skizzieren nach der Natur in der Art der altjapanischen Zeichenschule. Er schickte seine Zeichnungen an verschiedene Zeitungen, um rasch mit seiner Begabung Geld zu verdienen.[4]Da sich die Zeichnungen besser verkauften, wenn Text dabei war, bildete er sich nebenbei zum Witzdichter heran.[5]Seine Themen entsprangen seiner Phantasie.
Schließlich erschien am 4. Februar 1910 die erste Zeichnung „Zwei Männer in Betrachtung eines Paares“ von Georg Groß in >Ulk<, der humoristischen Beilage des >Berliner Tageblatts<.[6]Sein Zeichenstil ist noch stark durch die geschwungene ornamtalflächige Linienführung des Jugendstils geprägt. Die Konturen sind durchgängig gezeichnet und weisen eine unterschiedliche Dicke auf. Auch bei den Faltenwürfen ist die Linie nicht abgesetzt, sondern als Rundung angegeben. Die „Linienstilistik“ und wohldurchdachte Komposition kennzeichnen diese Phase.[7]Die Veröffentlichungen der Illustratoren Bruno Paul, Preetorius, August Hayduk und Lyonel Feininger kopiert er regelmäßig, um seinen Stil zu verbessern. Er war sich seiner zeichnerischen Unsicherheit bewußt und „zeichnete sich vorher alles genau mit Bleistift vor, um ja keinen Fingerbreit vom rechten Weg des Umrisses abzuweichen. Diese oft radierten Umrisse zog er dann sorgfältig mit der dünnen Feder in Tusche nach.[8]Sein bevorzugtes Motiv waren zwei Männer, die andere beobachteten und mit einander kommunizieren.
Im August desselben Jahres konnte Grosz seine Karikatur „Der’May’ ist gekommen...“ in >Ulk< neben der Karikatur „Kleinstadt-Lyrik“ von Lyonel Feiniger publizieren.[9]In dieser Karikatur arbeitet Grosz zusätzlich mit ausschraffierten Flächen. Im Zentrum des querrechteckigen Formats liegt eine rauchende männliche Rückenfigur, die einen Wanderer an der anderen Uferseite beobachtet. Die stehende Figur in der linken oberen Bildhälfte ist angeschnitten.
Weder seine politische Bildung noch der Wertbegriff <Kunst> hatten in den Dresdner Jahren eine Bedeutung für Grosz. Stillleben, Genre- und Historienbilder prägten den allgemeinen Kunstgeschmack.[10]Als Anerkennung für seine zeichnerischen Leistungen erwarb der akademische Rat der Dresdner Akademie zwei Zeichnungen von Grosz, einen Männerakt in Kreide und die Federzeichnung <Der gelbe Tod>. Als Abschluss erhielt er ein Diplom sowie ein Ehrenzeugnis. Für seine Weiterbildung an de Kunstgewerbeschule in Berlin konnte er ein Staatsstipendium erhalten, welches ihm in Dresden als preußischer Bürger verwehrt blieb.[11]
2 Berlin 1912 – 1914
Seit der Reichsgründung 1871 war Berlin Hauptstadt des Deutschen Reiches und so auch in seiner Entwicklung zur Metropole Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen. Grosz, der aus der Provinz kam, sog das neue Großstadtleben auf und hielt seine neuen Eindrücke in seinen Bildern fest. Durch das Lesen der Berliner Zeitungen, der Zugang zu anspruchsvoller Literatur und durch den Besuch zeitgenössischer Ausstellungen erweiterte sich sein geistiger Horizont. 1912 stellten Futuristen ihre Werke in der Galerie <Der Sturm> von Herwarth Walden aus. Ihre Ziele, die Kunstauffassung der bürgerlichen Gesellschaft zu verändern und sie mit den neuen Themen wachzurütteln, beeindruckten ihn sehr.[12]In seinen späteren Werken ist der Einfluss dieser Bilder zu erkennen.
Mit dem Wechsel nach Berlin in die Graphikklasse von Emil Orlik an der Berliner Kunstgewerbeschule, lernte er auch neue Techniken kennen.[13]Orlik bewunderte japanische Bilder und lehrte seinen Schülern das schnelle Skizzieren.[14]Grosz vermutete, er habe wohl aus Paris die 5-Minuten-Skizze eingeführt, denn 1913 hatte er ebenfalls die Gelegenheit für einen achtmonatigen Aufenthalt in Paris und übte im Atelier Colarossi die „Fünfminutenskizze“, die nicht korrigiert wurde. Menschen beobachten und sie in ganz kurzer Zeit festhalten, das war der Sinn dieser Übung.[15]Durch seine Studien konnte er sich von der Linienstilistik befreien. Seine Skizzenbücher sind fass alle im Besitz der Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin. Die Blätter umfassen sowohl Vorder-(Recto) als auch Rückseite (Verso) eines bestimmten Blattes. Das Skizzenbuch vom Januar 1912[16]dokumentiert den Wechsel und die Vielzahl der Themen und Techniken mit denen er experimentierte. Die Techniken sind Bleistift, Tusche, farbige Kreide, Gouache, Pastell und Aquarell. Die Themen sind Stadtlandschaften und Passanten, Gulliver als Riese, Sechstagerennen, satirische Skizzen.
Als Beispiel für seine Arbeiten dienen die Skizzen 9 verso, 10 recto und 11 recto zu dem Thema Gulliver als Riese.[17]In der Skizze 9 sind von Gulliver in der oberen Bildmitte lediglich die Füße und Waden zu sehen. Das Augenmerk liegt hier bei den Passanten, die mit lockerer Strickführung in Tusche gezeichnet und mit farbiger Kreide ausschraffiert sind. Sie stehen in einem Halbkreis um Gulliver und starren ihn an. Gulliver ist die zentrale Figur in der nächsten Skizze 10. Mitten in der Stadt steht er neben dem Kirchturm, den er durch seine Größe um mehrere Meter überragt. Er trägt eine Baskenmütze, einen blauen Anzug und raucht Pfeife. Sein Kopf ist stark nach vorne geneigt, umsehen zu können, wohin er tritt und die Hände sind in den Jackentaschen. Dadurch wirkt er verloren in der Stadt. Seine Ähnlichkeit mit einem Detektiv assoziiert die Suche nach der richtigen Spur. Wahrscheinlich spiegelt sich hier auch die Verlorenheit in einer Metropole, die Grosz persönlich beim Wechsel in die Großstadt empfunden hat. In der Skizze 11 ist von den beiden vorangegangen Skizzen jeweils ein Teil integriert worden. Gulliver steht auf einem Feld im Zentrum des Bildes, die Stadt ist links im Hintergrund und er ist von der Menschenmenge umzingelt.
Grosz wohnte im Vorort Südende, und es entstanden Bilder von Arbeitern und Arbeitslosen. Ulrich Luckhardt stellt in diesen Bildern ein Interesse von Grosz an der Arbeiterklasse fest, die von dem Künstler allerdings nur als „pittoreske Randgruppen der Gesellschaft“ gesehen werden und für die keine „kämpferische Stellungnahme“ bezieht. Die Arbeiter und Arbeitslosen scheinen mehr als künstlerisches Sujet zu dienen, in dem das Individuum noch keine Rolle spielt.[18]
[...]
[1]Sabarsky, Serge, 1985, S. 44-45.
[2]Vgl. Grosz, George, 1973, S.VII-VIII.
[3]Vgl. George Grosz, Hamburg, 1955, S. 60-68. Diese Autobiographie wird im Folgenden zitiert als <Autobiographie, 1955 >.
[4]Vgl., ebd., S. 86 – 88.
[5]Vgl. Grosz, George, 1973, S. XI.
[6]Dückers, Alexander, 1979, S. 123.
[7]Vgl., Hess, Hans, 1982, S. 24.
[8]Autobiographie, 1955, S. 87.
[9]Vgl. Luckhardt, Ulrich, 1987, S. 67.
[10]Vgl. Autobiographie, 1955, S. 88.
[11]Ebd., S.94.
[12]Vgl. Lepik, Andreas, Katalog Berlin-New York, 1994, S. 41.
[13]Vgl., Dückers, Alexander, 1979, S. 7.
[14]Vgl. Flavell, M. Kay, 1988, S.23.
[15]Vgl., Autobiographie, 1955, S. 39.
[16]1912/1, mit grauem, textilüberzogenem Karton-Umschlag, Verschlußbändern (abgerissen), Bleistift-Etui und gerundeten Ecken, 17,6 x 25,8 cm, Papierformat 16,8 x 25,0 cm, 33 Blätter, davon eins einseitig und 32 beidseitig mit Skizzen versehen. Soweit nicht anders angegeben beziehen sich alle Bildtitel, Formatangaben, etc dieser Seminararbeit auf den Ausstellungskatalog Berlin-New York, 1994. Sie sind in der Kategorie Grosz-Kataloge IX – XI zu finden. Außerdem sind alle Zitate aus diesem Katalog mit dem Hinweis „Katalog Berlin-New York“ versehen, da die zitierten Personen sich auch in anderen Publikationen geäußert haben.
[17]Nisbet, Peter, 1993, S. 27-28.
[18]Vgl. Luckhardt, Ulrich, 1987, S. 73,
- Arbeit zitieren
- Karoline Kmetetz-Becker (Autor:in), 1998, Das Frühwerk von George Grosz 1910-1918, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/79159